Karawanenhandel (Sahara)

Karawanenhandel (Sahara)

Der Karawanenhandel in der Sahara dient dem Austausch von Gütern zwischen Regionen der Sahara und der Sahelzone. Neben dem aus den Salinen der Oasengebiete des südlichen Aïr-Gebirges gewonnenen Salz werden auch die aus den Oasen stammenden Datteln und sonstigen Früchte in die Gebiete des Sahel eingetauscht. Tauschgut ist das dort den kargen Böden abgerungene Nahrungsmittel Hirse während die Salzgewinnung in Agadez, Fachi, Bilma und anderen Oasendörfern vorgenommen wird.

Die Salzkarawanen der Tuareg sind über Wochen verlaufende, anstrengende und entbehrungsreiche Handelsunternehmen, die enorme Ausdauer erfordern. Eine in westlichen Medien verschiedentlich anzutreffende Mystifizierung als märchenhaft romantische „Reisetrips“ in der Stille der wüsten Abgeschiedenheit verkennt die tatsächlichen Bedingungen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Bereits in alten Zeiten wurde die Infrastruktur eines weitverbreiteten, transkontinentalen Karawanennetzes gelegt. Den bedeutendsten Anteil hatten die Wegsysteme zwischen den Kerngebieten der Sahara und des Sahel.

Schon der griechische Historiograph und Völkerkundler Herodot (* 490/480 v. Chr.; † um 424 v. Chr.) soll in seiner bisweilen angezweifelten Reiseleidenschaft (Stichwort: „Stubengelehrter“) die auffälligen „Salzhügel“ der Region beschrieben haben.

Mindestens jedoch seit dem Mittelalter floriert der Warenaustausch. Reisende und Historiker, wie El Bekri / 11. Jahrhundert oder der berbische Forschungsreisende Ibn Battuta, der die Region zwischen 1351 und 1352 n. Chr. besucht hatte und auf eine der Salzmetropolen, nämlich Taghaza (Mali) stieß, beschreiben den üppigen Warenumschlag. Im frühen bis mittleren 16. Jahrhundert verschaffte sich der arabische Geograph Leo Africanus umfängliche Eindrücke zum Karawanenhandel, welche er in seiner über Jahrhunderte als Standardwerk geltenden Schriftensammlung: Descrittione dell'Africa (deutsch: „Beschreibung Afrikas“), zum Ausdruck brachte.

Bis heute wird intensiv Salz in den Salinen von Fachi oder Bilma und anderen Oasenorten gewonnen und in Kegeln zum Abtransport bereitgestellt. Die Kegel (kantu) erinnern der Form nach an leicht überdimensionierte Verkehrspilonen (Hüte) mit breiter Basis. Die Gestalt rührt daher, dass als Gußformen für die Herstellung, ausgehöhlte Palmstrünke herhalten. Eine andere Darreichungsform sind die sog. fotschi (foschi) - Salzlaibe, hergestellt in blechernen Rundschalen und gewöhnlicherweise bis ca. 2 kg schwer.

Übliche Reisevorbereitungen

Die Karawanen werden in den Nomadenlagern des Aïr zusammengestellt. Kamele, Fracht und Begleiter werden unter die Verantwortung des Madugu gestellt. Karawanenlehrlinge finden sich ein.

Der Karawanenhandel erfordert hinreichende Vorbereitungsmaßnahmen. Dazu gehört die Zusammenstellung aus Trockengras bestehender Futtervorräte für die Kamele. Weiterhin werden aus Kamelmaulstricken Schöpfseile geknotet, mit denen an den eingeplanten Wasserlöcher und Brunnen Wasser geschöpft wird. Für ihre vielfältigen Funktionen als Last- und Leitstricke, Packnetze und Kamelmaulkörbe werden Stricke aller Art fabriziert. Wasserschläuche werden gefüllt und diverse Näharbeiten an den ziegenledernen Lastsäcken verrichtet. Laststangen werden gefertigt und verplant.

Karawanengruppen

Eine Karawanengruppe umfasst 3-5 Reiter mit bis zu 50 Lasttieren. Einzelne Karawanengruppen verbinden sich auf der Strecke nur lose; entsprechend den orographischen Vorgaben und der Disziplin im jeweiligen „Verband“.

Karawanenrouten

Die ehemals weitläufigen Netzwerke der Routen werden heute nur noch sehr eingeschränkt genutzt. Historisch betrachtet geht diese „Verkürzung“ der Wegenutzung auf unterschiedliche Einflüsse zurück. Die französische Kolonialzeit, Stammesfehden und Rebellionen, Dürrekatastrophen im Sahel und Malariagefahren (s. Djado) gehören dazu.

Eine der Hauptrouten stellt die Bornustrasse von Murzuk/Fessan (Libyen/Algerien) - Bilma - Tschadsee.

Im west-östlichen Verlauf ist als weitere Hauptroute die von Agadez nach Bilma erwähnenswert. Sie stellt Knotenpunkte nach Nord-Nigeria, wo gegen Salz Handelsgegenstände wie Tee und (Haushalts-)Stoffe eingetauscht werden. Weitere Knotenpunkte führen in die östliche Sahara, dort in die entlegene Tibesti-Region des Tschad bzw. im südlichen Verlauf in den Sudan. Auch die westlichen Fluchten des Aïr bzw. Mali sind Zielregionen.

Als voll umfänglich noch heute funktionierende Salzkarawane wird die Tarkalamt beschrieben, die auf die Organisationskunst der Kel Ewey-Tuareg zurückgeht. Deren Hauptsiedlungsgebiet sind die Gegenden um Agadez, Timia und Iferouane am Aïr-Gebirge.

Siehe auch

Weblinks

Literatur

  • Maximilien Bruggmann (Fotos), Hans Ritter (Text): Ténéré. Durch die südliche Sahara. Verlag C.J. Bucher, München 1996, ISBN 3-7658-1078-9.
  • Michael Martin: Die Wüsten Afrikas. 2. Auflage, Frederking & Thaler, München 1999, ISBN 3-89405-382-8.

Werksausgaben

  • Dietrich Rauchenberger (Hrsg.): Johannes Leo der Afrikaner. Seine Beschreibung des Raumes zwischen Nil und Niger nach dem Urtext. (Orientalia biblica et christiana; 13). Harrassowitz, Wiesbaden 1999. ISBN 3-447-04172-2 - (Maßgebliche wissenschaftliche Ausgabe)
  • Alexis Épaulard, Henri Lhote, Théodore Monod (Hrsg.): Description de l'Afrique. Edition Maisonneuve, Paris 1980 (2 Bde.; Nachdr. d. Ausg. Paris 1958).
  • Karl Schubarth-Engelschall (Hrsg.): Beschreibung Afrikas. Brockhaus Verlag, Leipzig 1984 (unvollständige Volksausgabe, aber von einem der besten Kenner der islamischen Afrikaforschung herausgegeben)

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