Karl von Riecke

Karl von Riecke
Porträt von Karl von Riecke.

Karl Viktor Riecke, später von Riecke (* 27. Mai 1830 in Stuttgart; † 9. März 1898 ebenda) war ein württembergischer Beamter und Staatsminister der Finanzen.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft

Die Vorfahren Rieckes waren gegen Ende des 17. Jahrhunderts aus Mecklenburg ins Herzogtum Württemberg eingewandert. In Württemberg hatte die Familie Riecke über mehrere Generationen eine ganze Reihe nennenswerter Männer hervorgebracht.[1] Der Jurist Dr. jur. Christian Heinrich Riecke (1802–1865), welcher bis zum Hofkammerdirektor und Hofrichter des Königreichs Württemberg aufstieg, war Karl Viktor Rieckes Vater. Die Mutter Charlotte Auguste geb. Reyscher (1804–1870) war die Schwester des Landtagsabgeordneten August Ludwig Reyscher. Karl Viktor Rieckes Eltern hatten neben ihm als einzigem Sohn noch vier Töchter.

Leben

Riecke besuchte von 1836 bis 1842 die Lateinschule in Tübingen und war danach von 1842 bis 1847 Schüler im Gymnasium seiner Vaterstadt Stuttgart. Ein erstes Studium erfolgte in den Revolutionsjahren 1848 und 1849 an der landwirtschaftlichen Akademie in Hohenheim. In der Kameralverwaltung Heilbronn ließ er sich sodann zum Schreiber ausbilden. An der Universität Tübingen studierte er neben Rechts- und Kameralwissenschaften von 1849 bis 1852 noch Gewerbeökonomie und Maschinenlehre. Als Student schloss er sich der Burschenschaft Germania an. 1852 erfolgte die erste und 1853 die zweite Höhere Finanzdienstprüfung. Der junge Absolvent arbeitete zunächst als provisorischer Buchhalter im Kameralamt von Heilbronn, ehe er sich ab September 1854 auf eine länger dauernde Studienreise nach Mittel- und Norddeutschland begab, die ihn weiter über Belgien bis nach Paris führte. 1857 wurde er Zollassistent bei den Hauptzollämtern in Heilbronn und Friedrichshafen. Im November 1857 begann er als Sekretär im Departement der Finanzen und wurde 1859 Ministerialassessor. Seit September 1859 war er mit dem Referat über Zoll- und Handels, Geld- und Münzwesen betraut und „bald berufen, in den wichtigsten Fragen nicht bloß der Zoll- und Finanzverwaltung, sondern des deutschen Zollvereins und der deutschen Zukunft tätig zu sein“.

Politischer Werdegang

Durch den preußisch-französischen Handelsvertrag von 1862 war wegen des Widerspruchs von Bayern, Württemberg, Hessen und Nassau die weitere Existenz des Zollvereins ernsthaft gefährdet. Von den dadurch veranlassten ersten Besprechungen im April 1862 bis zu der erneuerten Zollvereinigung im Mai 1865 vertrat Riecke als Finanzrat die Interessen Württembergs. Bei den Verhandlungen ließ Riecke erkennen, dass er ein starres Festhalten an einer süddeutschen Sonderpolitik für verfehlt erachtete und zwar Landesbelange für berechtigt hielt, sich aber eher dem Ziel einer Einigung nach den Vorstellungen Preußens unter den Bedingungen des Freihandels verpflichtet fühlte. Er hat dann zu Beginn des Deutschen Kriegs 1866 bei Besprechungen in München über die Sicherung der Zollinteressen der süddeutschen Staaten den Beschluss mit herbeigeführt, dass vorerst nichts geschehen sollte. Dadurch blieb der Zollverein trotz des Krieges bestehen. 1868 gehörte Riecke zu den Unterzeichnern des neuen Zollvereinsvertrags und konnte als wirklicher Oberfinanzrath und Bevollmächtigter im Zollbundesrat „eine Stütze der Verhandlungen“ sein, wie er von Rudolph von Delbrück bei Bismarck gelobt wurde. Auch der Handelsvertrag zwischen dem Zollverein und der Schweiz wurde von Riecke mit in die Wege geleitet. 1870 war er bei den Verhandlungen über den Eintritt Württembergs in den Norddeutschen Bund beteiligt. Im neu gegründeten Deutschen Reich wirkte er noch 1 1/2 Jahre an den Arbeiten des Bundesrats als württembergischer Bevollmächtigter mit. Wiederholt wurde Riecke zum Übertritt in hohe Reichsämter eingeladen, zog es aber vor, in Württemberg zu bleiben.

Seit 1872 war er auf Lebenszeit ernanntes Mitglied der Ersten Kammer der Württembergischen Landstände, womit sein direkter Einfluss auf die Landesverwaltung und Gesetzgebung begann. Seine Berichte für die Kammer verschafften ihm hohes Ansehen auch in der Öffentlichkeit. Er übernahm im Juli 1873 als Nachfolger von Gustav Rümelin die Leitung des seit 1820 bestehenden Statistisch-Topographischen Bureaus (Statistisches Landesamt). Dessen ordentliches Mitglied war er schon seit 1863 im Nebenamt gewesen und hatte es bei den internationalen statistischen Kongressen in Berlin 1863 und in Den Haag 1866 vertreten. Zu der im statistischen Landesamt von Rümelin bevorzugt ausgebauten Bevölkerungsstatistik trat mit Riecke die Pflege der Verwaltungsstatistik. 1872 wurde er vom Kongress in St. Petersburg in die permanente internationale Kommission gewählt, 1886 zum Ehrenmitglied des Internationalen statistischen Instituts ernannt. Bereits 1875 berief ihn die staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Tübingen auf einen Lehrstuhl. Auch der evangelischen Landeskirche hat Riecke seinen Dienst erwiesen, seit 1874 als vom König ernanntes Mitglied der Landessynode und von 1886 bis 1891 auch als ihr gewählter Präsident. Diese Zeit war unter anderem geprägt von der neu zu schaffenden Gemeinde- und Synodalordnung sowie der Neuorientierung der Kirche hinsichtlich ihrer Stellung zur Zivilehe.

Im November 1880 vertauschte Riecke die Tätigkeit im Statistisch-Topographischen Bureau mit der Leitung des Steuerkollegiums und kümmerte sich dort um einen beschleunigten, glatten Geschäftsgang. 1885 wurde er in den obersten Rat der Krone, den Geheimen Rat, berufen. Mit der Thronbesteigung König Wilhelms II. im Oktober 1891 wurde der 61 Jahre alte Riecke als Staatsminister im Kabinett Mittnacht an die Spitze des Departements der Finanzen gestellt. Von seinem Landtagsmandat in der Ersten Kammer trat er daraufhin zurück. Seit 1892 war er wieder Bevollmächtigter beim Bundesrat in Berlin. Die sieben Jahre seiner Amtszeit als Staatsminister in Stuttgart reichten nicht aus, um alle von ihm selbst geforderten Maßnahmen zu verwirklichen, wie etwa die Einführung einer allgemeinen Einkommenssteuer, die gesetzliche Ordnung des Staatshaushalts, die Mitwirkung zur Stärkung und Verselbständigung der Reichsfinanzen sowie zugleich die Entflechtung der Einzelstaatshaushalte. Als Riecke nach einem längerem Herzleiden am 9. März 1898 starb, war die allgemeine Trauer über den Verlust des Staatsmannes groß; auch die Schwäbische Tagwacht, das Organ der schwäbischen Sozialdemokratie, sprach von „einem Minister, der in den weitesten Volkskreisen sich großer Sympathien erfreute und von dem selbst seine Gegner auch in der Zukunft nur mit Hochachtung sprechen werden“.

Privatleben

Karl Viktor von Riecke schloss am 4. Mai 1861 mit Theophanie Emilie Mathilde Haug (1835–1901) in Tübingen die Ehe.[2] Sie war eine Tochter des Historikers Friedrich Haug.[3] Die 38 Jahre währende Ehe Karl Viktor von Rieckes mit Theophanie Haug blieb kinderlos. Das letzte Lebensjahrzehnt wohnte das Paar auf einem Landsitz über dem Stuttgarter Talkessel.

Ehrungen und Auszeichnungen

Werke

Während seiner Zeit als Leiter des Statistischen Landesamts war Riecke Herausgeber folgender laufender und periodischer Arbeiten:

  • Württembergische Jahrbücher für Statistik und Landeskunde, zu denen seit 1878 auch die Württembergischen Vierteljahrshefte für Landesgeschichte traten
  • Beschreibung des Landes nach Oberämtern (1824–1886, wieder aufgenommen 1893)
  • Das zusammenfassende Werk: Das Königreich Württemberg (1882 bis 1886)
  • Das Kartenwesen des Statistischen Landesamts

Das dem Nekrolog Rieckes in den Württembergischen Jahrbüchern angehängte Verzeichnis seiner Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften und in Zeitungen, Sammelwerken sowie in selbständigen Schriften nimmt fünf großformatige Druckseiten ein. Die folgende Aufzählung ist somit nur ein kleiner Querschnitt seines Gesamtwerkes:

  • Meine Wanderjahre und Wanderungen, als Handschrift gedruckt, Stuttgart 1877 (Erinnerungsschrift)
  • Statistik der Universität Tübingen, 1877
  • Zölle und Rübenzuckersteuer in vier Auflagen von Schönbergs Handbuch der politischen Ökonomie, 1882 ff.
  • Verfassung, Verwaltung und Staatshaushalt des Königreichs Württemberg (als Sonderausgabe in zwei Auflagen, 1882 und beträchtlich erweitert 1887). Dies war der vierte Band der von Riecke mit herausgegebenen Landesbeschreibung
  • Erinnerungen aus alter und neuer Zeit von A. L. Reyscher, 1884 (Erinnerungsschrift zum Leben seines Onkels).
  • Altwürttembergisches aus Familienpapieren von K. Fr. Haug , 1886 (Erinnerungsschrift zum Leben seines Schwiegervaters).
  • Die internationale Finanzstatistik, 1886
  • Karl Viktor von Riecke: Reyscher, Ludwig. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 28, Duncker & Humblot, Leipzig 1889, S. 360–368.
  • Finanzlage, Etatfragen und Stand der Steuerreform in Württemberg, in Schanz’ Finanzarchiv 1891

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. Beim Eintrag in der ADB sind folgende Personen erwähnt: Die Ärzte Ludwig Heinrich Riecke (1729–1787), Viktor Riecke (1771–1850), Leopold Riecke (1790–1876) und Adolf Riecke (1805–1857), die Pädagogen Heinrich Riecke (1759–1830) und Gustav Riecke (1798 bis 1883) sowie der Mathematiker Friedrich Riecke (1794–1876).
  2. Die Nachkommen des Regierungsrats Carl Friedrich Feuerlein, bearbeitet von Andreas Abel 2007, Todt Druck, Villingen-Schwenningen, S. 443 (Co 07.06.02))
  3. Karl Friedrich Haug (1795–1869), Professor für Geschichte in Tübingen. Siehe Karl August KlüpfelHaug, Karl Friedrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 11, Duncker & Humblot, Leipzig 1880, S. 52–54.

Literatur

  • H. Zeller: Nekrolog im Schwäbischen Merkur, 1898, Nr. 122.
  • Julius Hartmann: Riecke, Viktor. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 53, Duncker & Humblot, Leipzig 1907, S. 356–359.
  • Frank Raberg: Biographisches Handbuch der württembergischen Landtagsabgeordneten 1815–1933. W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2001, S. 724–726.

Weblinks

 Wikisource: Karl Viktor von Riecke – Quellen und Volltexte

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