Klaus Graf von Baudissin

Klaus Graf von Baudissin

Klaus Wulf Sigesmund Graf von Baudissin (* 4. November 1891 in Metz; † 20. April 1961 in Itzehoe) war ein deutscher Kunsthistoriker und SS-Führer. Baudissin war von 1933 bis 1938 Direktor des Folkwang-Museums in Essen und 1937 Mitgestalter der NS-Ausstellung „Entartete Kunst“.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach dem Ende seiner Schullaufbahn studierte Baudissin ab 1912 Kunstgeschichte an der Universität München. Baudissin unterbrach 1914 sein Studium und nahm als Kriegsfreiwilliger der Deutschen Armee am Ersten Weltkrieg teil.[1] Nach Kriegsende wurde Baudissin als Oberstleutnant a.D. aus der Armee entlassen.[2] Ab 1919 war Baudissin am Kunsthistorischen Institut der Universität Heidelberg tätig, führte sein Studium fort und promovierte dort 1922 zum Dr. phil.[3] Danach war er ab 1924 am Kunsthistorischen Institut der Universität Kiel und auch der dortigen Kunsthalle beschäftigt. Im März 1925 wechselte Baudissin zur Staatsgalerie Stuttgart, wo er zuerst als Assistent und danach als Konservator, Oberkonservator und ab 1930 als kommissarischer Museumsdirektor tätig war. Während dieser Zeit erwarb Baudissin für die Staatsgalerie Stuttgart unter anderem Werke von Conrad Felixmüller, Erich Heckel, Emil Nolde, Adolf Hölzel, Franz Marc und Oskar Schlemmer. Baudissin zeigte sich zu diesem Zeitpunkt gegenüber Moderner Kunst aufgeschlossen und soll sich, nach späteren Aussagen seinerseits, auch noch 1933 für von den Nationalsozialisten verfemte Maler eingesetzt haben.[1]

Baudissin wurde 1929 Mitglied der DVP.[1] In Stuttgart trat Baudissin Anfang April 1932 der NSDAP (Mitgliedsnr. 1.055.622) bei und gehörte ab 1935 auch der SS an (Mitgliedsnr. 271.961).[2] In der SS stieg Baudissin 1936 bis zum SS-Obersturmführer auf.[4]

Baudissins zunächst liberale Haltung gegenüber Moderner Kunst änderte sich nach der „Machtergreifung“ durch die Nationalsozialisten nachhaltig. Er organisierte die „Schandausstellung“: Novembergeist – Kunst im Dienste der Zersetzung, die vom 10. bis zum 24. Juni 1933 im ehemaligen Kronprinzenpalais gezeigt wurde. In dieser Ausstellung waren unter anderem Reproduktionen der Werke von Künstlern der Novembergruppe zu sehen, die zusammen mit Zeitschriften wie Der Sturm und Die Aktion ausgestellt wurden. Die Künstler der ausgestellten Werke wurden allein schon durch den Titel der Ausstellung diffamiert. Insbesondere Werke von George Grosz und Otto Dix wurden als abschreckende Beispiele gezeigt. Im Gegensatz zu dieser Ausstellung organisierte Baudissin eine kriegsverherrlichende Ausstellung mit dem Titel Von Krieg zu Krieg, die im September 1933 ebenfalls im ehemaligen Kronprinzenpalais gezeigt wurde.[1]

Am 24. Januar 1934 trat Baudissin als Nachfolger von Ernst Gosebruch sein neues Amt als Direktor des Folkwang-Museums in Essen an. Der Amtsantritt des überzeugten Nationalsozialisten Baudissin geschah ohne Einverständnis des Folkwang-Museumsvereins. Baudissin ließ schon bald darauf Werke moderner und abstrakter Kunst in den Ausstellungsräumen abhängen und ins Magazin verbringen. Zudem war Baudissin an der Beschlagnahmung von etwa 1.400 Werken der Moderne im Zuge der Kampagne „Entartete Kunst“ maßgeblich beteiligt. Mit dieser 1937 durchgeführten Aktion verlor das Folkwang-Museum beinahe seinen kompletten Bestand an Moderner Kunst.[5] Unter Baudissin wurde zuerst im Sommer 1936 ein als „entartete Kunst“ verfemtes Bild, Wassily Kandinskys „Improvisation 28“ von 1912, an einen Berliner Kunsthändler verkauft.[6]

„Das Museum Folkwang verfügt über einen reichlichen Bestand an Werken, die 1933 endgültig ins Magazin verwiesen worden sind, in dessen Halbdunkel sie ihr gespenstisches Dasein weiterführen und in ihren schrillen Dissonanzen die zerrüttete Welt anklagen.“

Baudissin in dem in der Essener Nationalzeitung am 18. August 1936 erschienen Artikel: Das Essener Folkwang-Museum stößt einen Fremdkörper ab.[2]

Baudissin gehörte der Kommission um Adolf Ziegler an, welche die Wanderausstellung „Entartete Kunst“ initiierte und durchführte. In diesem Zusammenhang nahm Baudissin am 5. Juli 1937 in der Hamburger Kunsthalle an der Beschlagnahmung von Kunstwerken teil. Darunter befanden sich Werke von Emil Nolde, Oskar Kokoschka und Ernst Ludwig Kirchner.[2] Zusätzlich zu seinem Amt als Direktor des Folkwang-Museums übernahm Baudissin 1937 die Leitung des Amts für Volksbildung im Reichserziehungsministerium. Baudissin wurde auf eigenen Wunsch bereits am 21. April 1938 von seiner Tätigkeit als Leiter des Amts für Volksbildung im Reichserziehungsministerium wieder entbunden.[7] Im November 1938 wurde Baudissin vom Amt des Direktors des Folkwangmuseums beurlaubt.[2] Hintergrund dieser Maßnahme waren Beratungen des Essener Oberbürgermeister Just Dillgardt mit dem Kuratorium des Museums und dem Museumsverein Folkwang. Sein Nachfolger als Museumsdirektor wurde sein ehemaliger Assistent Heinz Köhn.[5] Baudissin wollte jedoch seinen Direktorsposten am Museum nicht aufgeben. Trotz schwerer Auseinandersetzungen mit der Stadt Essen blieben Baudissins Bemühungen um eine Wiedereinsetzung als Museumsdirektor erfolglos.[7]

Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges war Baudissin ab 1939 bei der Waffen-SS eingesetzt. Dort stieg Baudissin 1943 bis zum SS-Oberführer auf.[4] Nach Kriegsende war Baudissin im Internierungslager Neuengamme inhaftiert, aus dem er 1948 entlassen wurde.[2] Baudissin wurde entnazifiziert und führte mit der Stadt Essen von 1949 bis 1950 einen Prozess um seine Entlassung als Museumsdirektor. Durch Gerichtsurteil wurde Baudissin eine Pension zugesprochen, die durch die Stadt Essen bis an sein Lebensende gezahlt wurde.[4]

Baudissin, der nach Kriegsende mit seinem Schicksal haderte, schrieb Anfang Februar 1949 an Emil Nolde, dessen Bilder während der Zeit des Nationalsozialismus noch als „Entartete Kunst“ galten:

„Ich blieb im übrigen amtsenthoben und verfemt, ein Zustand, der Ihnen nicht unbekannt ist.“

Klaus Graf von Baudussion am 1. Februar 1949 in einem Brief an Emil Nolde[8]

Herkunft und Familie

Klaus von Baudissin stammte von dem meißnisch-sorbischen Uradel der Oberlausitz Baudissin ab. Sein Vater war Rudolf Adolf Julius Graf von Baudissin (1855–1893) und seine Mutter Elisabeth von Kraewel (1867–1933). Verheiratet war Baudissin in erster Ehe mit Elisabeth Wolff (1897–1948).[9] Baudissin war Schwager des SS-Obergruppenführers und Generals der Waffen-SS Karl Wolff.[2] Aus der ersten Ehe gingen sechs Kinder hervor: Nora Elisabeth Magdalena Gräfin von Baudissin (* 1917), Renate Else Dora Margarethe Gräfin von Baudissin (* 1919), Brigitte Else Tila Erika Barbara Gräfin von Baudissin (* 1921), Heilwig Friederike Eva Irmgard Gräfin von Baudissin (* 1923), Klaus-Heinrich Karl Wolff Albert Friedrich Peter Graf von Baudissin (1928–1945), Erdmuthe Graf von Baudissin (* 1936).[9]

Literatur

  • Laura Lauzemis: Die nationalsozialistische Ideologie und der „neue Mensch“ – Oskar Schlemmers Folkwang-Zyklus und sein Briefwechsel mit Klaus Graf von Baudissin aus dem Jahr 1934. In: Uwe Fleckner (Hrsg.): Angriff auf die Avantgarde. Kunst und Kunstpolitik im Nationalsozialismus. Akademie-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-05-004062-2, (Schriften der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ 1).
  • Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945?. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-59617153-8.
  • Joseph Wulf: Die Bildenden Künste im Dritten Reich. Eine Dokumentation. Sigbert Mohn Verlag, Gütersloh 1963.
  • Christoph Zuschlag: Entartete Kunst. Ausstellungsstrategien im Nazi-Deutschland. Werner, Worms 1995, ISBN 3-88462-096-7.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d Laura Lauzemis: Die nationalsozialistische Ideologie und der „neue Mensch“. In: Uwe Fleckner (Hrsg.): Angriff auf die Avantgarde. Kunst und Kunstpolitik im Nationalsozialismus. Berlin 2007, S. 34f.
  2. a b c d e f g Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Frankfurt am Main 2007, S. 31f.
  3. Joseph Wulf: Die Bildenden Künste im Dritten Reich. Eine Dokumentation. Gütersloh 1963, S. 305.
  4. a b c Laura Lauzemis: Die nationalsozialistische Ideologie und der „neue Mensch“. In: Uwe Fleckner (Hrsg.): Angriff auf die Avantgarde. Kunst und Kunstpolitik im Nationalsozialismus. Berlin 2007, S. 67.
  5. a b Museum Folkwang auf www.rheinruhronline.de
  6. Dossier zur NS-Kunstpolitik und ihren Auswirkungen auf private Sammlungen moderner Kunst auf www.geschkult.fu-berlin.de
  7. a b Laura Lauzemis: Die nationalsozialistische Ideologie und der „neue Mensch“. In: Uwe Fleckner (Hrsg.): Angriff auf die Avantgarde. Kunst und Kunstpolitik im Nationalsozialismus. Berlin 2007, S. 66.
  8. Zitiert nach Mario-Andreas von Lüttichau (Museum Folkwang): „Das Wahre aber ist das Ganze...“ (G.W.F.Hegel) - Klaus Graf von Baudissin. Direktor am Museum Folkwang 1934 bis 1937, Ankündigung zum Vortrag am 8. April 2010 beim Historischen Verein Essen
  9. a b Klaus Wulf Sigesmund Graf von Baudissin auf www.geneall.net

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Eduard von Baudissin — Eduard Johannes Hermann Adolf Graf von Baudissin (* 8. Oktober 1823 auf Gut Knoop bei Eckernförde; † 26. August 1883 in Lübeck) war ein deutscher Politiker und Mitglied des Reichstages. Graf von Baudissin heiratete am 8. Mai 1856 Josephine Maria… …   Deutsch Wikipedia

  • Baudissin — Stammwappen derer von Baudissin Baudissin (Aussprache: [ba‿u di: siːn]), auch Baudis, Bauditz, ist ein ursprünglich meißnisches Adelsgeschlecht aus der Oberlausitz. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Liste von Persönlichkeiten der Philipps-Universität Marburg — Persönlichkeiten der Philipps Universität Marburg Inhaltsverzeichnis 1 Professoren 1.1 Theologie 1.2 Rechtswissenschaften 1.3 Wirtschaftswissenschaften …   Deutsch Wikipedia

  • Liste von Persönlichkeiten der Stadt Koblenz — Wappen der Stadt Koblenz Die Liste von Persönlichkeiten der Stadt Koblenz enthält die in Koblenz geborenen Persönlichkeiten sowie solche, die in Koblenz ihren Wirkungskreis hatten, ohne dort geboren zu sein. Beide Abschnitte sind jeweils… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste von Persönlichkeiten der Stadt Kopenhagen — Die folgende Liste enthält Personen, die in Kopenhagen geboren wurden sowie solche, die dort zeitweise gelebt haben, jeweils chronologisch aufgelistet nach dem Geburtsjahr. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Inhaltsverzeichnis… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste von Literaturmuseen — Diese Liste gibt einen Überblick zu den Literaturmuseen und literarischen Gedenkstätten in aller Welt, geordnet nach Ländern und Regionen. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Inhaltsverzeichnis 1 Literaturmuseen und literarische… …   Deutsch Wikipedia

  • Museum Folkwang — Frontansicht des Museum Folkwang mit dem von David Chipperfield entworfenen Neubau. Aufgenommen am Eröffnungswochenende im Januar 2010. Das Museum Folkwang ist ein Kunstmuseum in Essen. Es wurde 1902 in Hagen von dem Kunstmäzen Karl Ernst Osthaus …   Deutsch Wikipedia

  • Entartete Kunst (Ausstellung) — Die Ausstellung „Entartete Kunst“ war eine von den Nationalsozialisten organisierte Propagandaausstellung in München. Sie wurde am 19. Juli 1937 in den Hofgartenarkaden eröffnet und endete im November desselben Jahres. Parallel fand die einen Tag …   Deutsch Wikipedia

  • Württemberg zur Zeit des Nationalsozialismus — Württemberg Wappen Flagge (Details) …   Deutsch Wikipedia

  • Liste von Persönlichkeiten der Stadt Trier — Wappen der Stadt Trier Diese Liste enthält die in Trier geborenen Persönlichkeiten sowie solche, die in Trier ihren Wirkungskreis hatten, ohne dort geboren zu sein. Beide Abschnitte sind jeweils chronologisch nach dem Geburtsjahr sortiert. Die… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”