Kleinkastell Stopfenreuth

Kleinkastell Stopfenreuth
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Kleinkastell Stopfenreuth
Alternativname unbekannt
Limes Oberpannonien
Abschnitt Strecke 2
Datierung (Belegung) 1. Jahrhundert n. Chr - ?
Typ Brückenkopfkastell ?,
Einheit Unbekannt
Größe Umfassungsmauer:
Süd-Seite 18,80 m,
NO-Seite 15,90 m,
Höhe 1,4 m,
Breite 120-140 cm,
abgerundete Ecke
Bauweise Steinkastell
Erhaltungszustand Quadratische Anlage mit abgerundeten Ecken
umgeben von einem Graben
Ort Engelhartstetten
Geographische Lage 48° 11′ 0″ N, 16° 53′ 0″ O48.18333333333316.883333333333
Vorhergehend Legionslager/Kastelle Carnuntum (westlich)
Anschließend Kastell Gerulata (östlich)
Limes3.png
Kleinkastell Stopfenreuth nach den Befunden von 1898

Das Kleinkastell Stopfenreuth war Bestandteil der Festungskette am Donaulimes in Österreich. Es befindet sich im Bundesland Niederösterreich, Bezirk Gänserndorf auf dem Gemeindegebiet von Engelhartstetten. In der Region war seine Ruine auch als Hungerstein oder Durstkugel bekannt, urkundlich wird es auch noch als Veste Stopfenreuth oder Ödes Schloss erwähnt.[1]

Inhaltsverzeichnis

Lage

Die Fundstelle liegt nördlich von Bad Deutsch-Altenburg direkt im Naturschutzgebiet der Stopfenreuther Au, am linken Donauufer, rechts der heutigen Donaubrücke bei Hainburg in Nähe der Mündung des so genannten Rosskopfarmes, gegenüber dem Plateau Am Stein, etwa 3 km vom Legionslager Carnuntum entfernt. Ob sich die Anlage in der Römerzeit am nördlichen oder südlichen Ufer des Hauptstromes befand, ist bis heute ungeklärt, da sich der Lauf der Donau seither mehrmals geändert hat.

So nahm zum Beispiel der Archäologe Eduard Novotny (1862-1935),[2] gestützt auf eine These von E. Stauß an,

...daß die Donau zur Römerzeit ihren Lauf in jener Gegend um viele 100 m weiter nördlich gehabt haben dürfte.

und glaubt, so das Öde Schloß somit nicht als nördlichen, sondern als südlichen Brückenkopf des Lagers Carnuntum bestimmen zu können.[3] Diese Annahme wurde wiederum von A. Becker bestritten,[4] wobei dieser zusammen mit dem Staatsarchivar Ernst Nischer von Falkenhof (1879-1961)[5] die Lage des Bauwerkes so zu erklären versuchte, dass ein östlich des Lagers die Donau querendes Fahrzeug durch die Strömung ja auch kontinuierlich in diese Richtung abgetrieben werden musste. Auch Gertrud Pascher[6] und der Prähistoriker Herbert Mitscha-Märheim (1900–1976)[7] interpretierten Stopfenreuth als Vorwerk eines nördlichen Brückenkopfes. Im Zusammenhang mit Funden, die 1957 etwa 110 m nordöstlich der Ruinenstätte gemacht wurden, kehrte der Archäologe Hans Walter (1920–2001)[8] aber wieder zu der schon einst von Nowotny vertretenen Ansicht zurück, dass das Brückenkopfkastell von Stopfenreuth einst am Südufer der Donau gelegen habe. Solange jedoch der Stromverlauf in der fraglichen Zeitperiode nicht zweifelsfrei geklärt ist, hielt sein Kollege Erich Swoboda (1896–1964)[9] generell jede Diskussion über diese Angelegenheit für obsolet.

Forschungsgeschichte

Die Machart des Mauerwerkes war für den Altertumsforscher Eduard von Sacken (1825–1883) eindeutig römisch.[10] Aufgrund aufgefundener Ziegelstempel, darunter einer der legio XV Apollinaris, glaubte er auch den sicheren Beweis für das Vorhandensein eines Kastells gefunden zu haben.[11] Dies aber auch deswegen, da sich an diesem Punkt ein Übergang über die Donau wegen „der am rechten Ufer stehenden Berge und der geringen Breite des Stromes“ geradezu angeboten habe, interpretierte er die Anlage als Rest eines befestigten Brückenkopfes.[12] Bis 1860 sollen auch noch ausgedehnte Mauerzüge sichtbar gewesen sein. Trotz dieser Erkenntnisse dauerte es 40 Jahre bis, 1896, ein neuer Befund durch die Centralcommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale (Wilhelm Kubitschek) vorgenommen wurde, dieser jedoch infolge des steigenden Wasserpegels unterbrochen werden musste.[13]

1898 und 1900 setzte die Limeskommission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften unter der Leitung von Maximilian von Groller-Mildensee (1838–1920) die Untersuchungen fort.[14] Groller-Mildensee fand die Fundstelle zum Teil im Schwemmsand versunken, zum Teil von Wasser bedeckt und mit Bäumen überwuchert vor. Er konnte die Mauerreste jedoch bei sehr niedrigen Wasserstand sichten[A 1] und sie teilweise auch wieder vom Schwemmsand befreien. Der seichte Flussgrund, der bis gegen 30 m flussaufwärts sichtbar war, war mit Mauersteinen übersät, Mauerzüge oder auch nur Spuren davon waren aber nicht erkennbar. Die verbliebenen Mauerreste standen zum Teil im sandigen Flussgrund oder in der 1,50 m bis 2 m hohen Uferböschung dessen Fläche sie stellenweise noch leicht überragten. An der West und Nordwest-Seite waren sie von einer grabenartigen Vertiefung umgeben, in der ein Teil des Mauersockels und ein Teil der aufgehenden Mauer stand. An der Nordseite verschwand die Mauer allmählich wieder im Schwemmsand und war komplett mit Vegetation überwuchert. Im Innenbereich lagen Mauerbruchstücke, Betonbrocken usw.

Die Mauern wurden vermessen und dokumentiert. Die Ruine bestand aus zwei geradlinigen Mauerzügen, verbunden durch eine abgerundete Ecke. Der südliche sichtbare Teil, 18,80 m lang, ragte auf einer Länge von 5 m nur wenige Zentimeter aus dem Sandboden hervor und stieg dann landeinwärts abrupt auf 1,50 m. Hier konnte man auch den Sockelansatz erkennen. Nach der Krümmung schloss sich wieder eine Mauer an (15,90 m lang); diese wurde teilweise vom Ufersand befreit, danach verhinderte aber starker Baumbewuchs eine weitere Untersuchung. Rund 8 m weiter konnte eine Fundamentgrube beobachtet werden, die mit Mauerbruchstücken und Ziegelschutt verfüllt war. Eine Weiterverfolgung war nicht mehr möglich, da die Mauer unter einem Uferdamm verschwand. Im Innenbereich waren noch Reste von Zwischenmauern erkennbar.

Mauerreste des Kleinkastells, Foto von 1908

Bemerkenswert fand Groller-Mildensee auch die ungleiche Breite der Mauern, an der gekrümmten Ecke nur 0,90 m im Gegensatz von 1,20 bzw. 1,40 m bei den geraden Mauern. Die Innenmauern hatten ein Stärke von 0,77 bis 0,90 m. Ob das Mauerwerk auf Piloten stand, konnte wegen immer wieder nachdrängenden Grundwassers nicht geklärt werden, es verhinderte auch weitere Nachgrabungen unter den Mauerbruchstücken im Flussbett. Das Fußbodeniveau konnte anhand von kurzen Betonstrichen in zwei Mauerecken festgestellt werden, er betrug 0,14 bis 0,34 m über den damaligen Normalwasserstand der Donau. Sie wären also schon bei geringen Hochwasser sofort überschwemmt worden, falls in römischer Zeit die Donau so nahe wie zur damaligen Zeit (1900) an dieser Anlage vorbeigeflossen wäre.

Auch die Umgebung des „Öden Schlosses“ (Auwälder) wurde an beiden Ufern des Rosskopfarmes auf einer Länge von 1 bis 2 km nach Spuren einer Dammstraße, weiteren Befestigungsanlagen oder sonstigen Gebäude untersucht, gefunden wurde aber nichts dergleichen. Da auch bei den Lagern Aquincum und Bononia Gegenkastelle vorhanden waren, unterstützte Groller-Mildensee die Annahme, dass dies der Platz des Gegenkastells von Carnuntum sei.

1957 konnte von Hans Walter etwa 110 m nordöstlich der Kastellruine einige Keramikscherben, Terra Sigillata, Knochen und Ziegelfragmente geborgen werden. Die Fundstelle lag in der Römerzeit am Südufer der Donau. Die Funde wurden dem Niederösterreichischen Landesmuseum übergeben.[15]

Kastell

Vom Kastell waren angeblich bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhundert noch die Reste eines quadratischen, mit starken Mauern versehenen Turmes sowie eines kleineren Gebäudes sichtbar. Bei den Untersuchungen der Limeskommission waren nur noch die Mauern im nordwestlichen Bereich des Kastellareals erhalten, während der größere Teil der Anlage im Lauf der Zeit durch die Donau abgeschwemmt worden ist. Die Umwehrung war im NW-Bereich auch noch bis in eine Höhe von rund 1,4 m erhalten. Die Ecke war abgerundet. Vor der Mauer verlief zusätzlich ein flachgehender Graben.

Funktion und zeitliche Einordnung

Die Besatzung des Kastells überwachte hier wohl vor allem die Querung der Bernsteinstraße über die Donau. Diese erreichte bei Carnuntum die Donau und erstreckte sich von hieraus weiter nach Scarbantia (Sopron) wo sie mit der Limesstraße aus Vindobona zusammentraf um dann zum Knotenpunkt Savaria (Szombathely) weiterzuführen von wo man aus auch Arrabona (Györ), Aquincum (Budapest), und Sopianae (Pécs) erreichen und in weiterer Folge nach Poetovio (Ptuj) und Emona (Ljubljana) sowie Aquileia gelangte. Obwohl für Groller-Mildensee ein Brückenkopf am linken Donauufer „eine gewisse Wahrscheinlichkeit“ hatte, hielt er einen solchen unmittelbar gegenüber dem Legionslager von Carnuntum aber für plausibler[16] An diese Ausführungen scheint auch Wilhelm Kubitschek[17] anzuknüpfen, wenn er schreibt, dass …nicht die Zeit der Erbauung, wohl aber die Zweckbestimmung des Baues nicht unbestritten geblieben ist“.

Schlussendlich wurde aber von der Forschung im Großen und Ganzen Sackens Einschätzung übernommen und größtenteils anerkannt. Obwohl die Ergebnisse der Untersuchungen den römischen Ursprung der Anlage beweisen konnten, ließen sich für eine genaue Datierung bedauerlicherweise bislang keinerlei Anhaltspunkte finden.[18]

Siehe auch

Literatur

  • Maximilian von Groller-Mildensee: Das „Öde Schloß“ an der Donau. 1900, (Der Römische Limes in Österreich), S. 87-92
  • Manfred Kandler (Hrsg.): Der römische Limes in Österreich. Ein Führer. 2., unveränderte Auflage. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1989, ISBN 3-7001-0785-4, S. 234ff.
  • Kurt Genser: Der österreichische Donaulimes in der Römerzeit. Ein Forschungsbericht. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1989, ISBN 3-7001-0785-4, ISBN 3-7001-0783-8, (Der römische Limes in Österreich, 33), S. 661-663,
  • Marlies & Vojislaw Vujowic: Der Limes, von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer, Band 2, Wieser Verlag, 2008 Klagenfurt/Celovec, S. 382f., ISBN 978-3-85129-582-5

Sekundärliteratur

  • Julius Schinagl: Kurze Geschichte von Stopfenreuth, Hainburg 1922
  • Herbert Mitscha-Märheim: Römische Baureste und Münzen im nördlichen NÖ, in JVLNÖ 37/1967, S. 1ff.
  • Walther Brauneis: Die Schlösser im Marchfeld, NÖ Pressehaus, Wien, St. Pölten 1981, ISBN 3-853-26617-7, S. 24.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Walther Brauneis, 1981
  2. 1914b, S. 163f.; ders. 1918, S. 36f
  3. vgl. auch Öhler, J.:1912/13, S. 20; Nischer (-Falkenhof), E: 1932, S. 238; Graf, A: 1936, S. 130
  4. 1948, S. 329 Anm. S. 55.
  5. 1932, S. 238
  6. 1949, S. 22
  7. 1965-1967, S. 2; vgl. auch Jobst Werner: 1983 b, S. 84
  8. 1957, S. 23
  9. 1964, S. 253
  10. 1853, S. 337ff,; ders. 1876, S. 323 ff.
  11. vgl. auch hierzu Seidl, J.G.: 1854, S. 80f.
  12. vgl. auch Kenner F. 1868/69, S. 153, 213; ders. 1870, S. 93; Schmidel, E: 1889, S. 3
  13. vgl. Tragau, C.: 1897 a, S. 174; Kubitschek, W.: 1899, 1603 Groller, M: 1900g, S. 87; Carnuntum 1885-1910, 1911, S. 3
  14. vgl. Groller, M.: 1900g, S. 92; vgl. auch Graf, A.: 1936, S. 81.
  15. Fundberichte aus Österreich,7, 1971, S. 112, vgl. H. Walter: PAR 7, 1957, S. 23
  16. Groller, M.: 1900g, S. 92; vgl auch Graf, A: 1936, S. 81.
  17. Kubitschek, W.-Frankfurter, S.: 1923, S. 133
  18. vgl. auch Kandler, M.: 1977, S. 691

Anmerkungen

  1. Am 4. Oktober 1898 lag der Spiegel auf 0,73 m, am 17. Oktober auf 0,53 m, d.s. 2,69 m bzw. 2,49 m unter dem Normalstand der Donau.

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