Landtag von Bosnien und Herzegowina

Landtag von Bosnien und Herzegowina

Der Landtag von Bosnien und Herzegowina war zwischen 1910 und 1915 der Landtag von Bosnien und Herzegowina.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Nach der Eroberung Bosniens und der Herzegowina 1878 wurde keine Volksvertretung oberhalb der kommunalen Ebene eingerichtet. Auch waren Bosnien und die Herzegowina nur faktisch aber nicht de jure Teil Österreich-Ungarns.

Mit der Proklamation an das bosnisch-hercegovinische Volk vom 7. Oktober 1908 wurde vom Kaiser formell die Annexion verkündet. In dieser Proklamation wurde der Erlass einer Verfassung und die Einrichtung eines Landtags verkündet.

Durch Allerhöchste Entschließung vom 17. Februar 1910 erließ der Kaiser nach der Beilegung der Bosnischen Annexionskrise mit Zustimmung der Regierungen in Wien und Budapest das Landesstatut von Bosnien-Hercegovina. In den §§ 21 bis 40 dieser Verfassung wurde die Organisation des Landtags, in den §§ 41 bis 49 dessen Kompetenzen beschrieben.

Organisation

Der Landtag bestand gemäß § 22 aus 20 Mitgliedern mit Virilstimmen und 72 gewählte Abgeordnete. Virilstimmen hatten zunächst die höchsten Würdenträger der Hauptkonfessionen. Dies waren für die Muslime der Reis-el-Ulema, der Vakuf-Mearif-Direktor, die Muftis von Sarajevo und Mostar sowie der der Ernennung nach älteste Mufti. Die Orthodoxen wurden durch die Metropoliten von Dolnja-Tuzla, Sarajevo, Mostar und Banja Luka sowie den Präsidenten des obersten serbischen Verwaltungs- und Schulrat vertreten. Die Virilstimmen der Katholiken nahmen der Erzbischof von Sarajevo (dies war die ganze Zeit Josef Stadler), die Bischöfe von Mostar und Banja Luka sowie die beiden Provinzialen des Franziskanerordens wahr.

Die Wahl der 72 Abgeordneten erfolgte gemäß dem Allerhöchsten Handschreiben vom 5. Oktober 1908 in drei Kurien und getrennt nach Religionszugehörigkeit.

18 Abgeordnete wurden von der Kurie der Großgrundbesitzer, 20 von den Stadtgemeinden und 34 durch die Landgemeinden bestimmt. Innerhalb der Kurien entsprachen die Mandate der Religionsgruppen ihrem Anteil an der Bevölkerung. In der ersten Kurie waren 8 Orthodoxe, 6 Muslime und 3 Katholiken vertreten. In den beiden anderen Kurien wählten die Orthodoxen 23, die Muslime 18, die Katholiken 12 und die Sepharden 1 Abgeordneten.

Die Wahl zum Landtag erfolgte vom 18. bis 28 Mai 1910. Am 15. Juni fand die konstituierende Sitzung statt. Der Landtag sollte „in der Regel“ einmal im Jahr einberufen werden (§ 26).

Das Landtagspräsidium bestand aus dem Präsidenten und zwei Stellvertretern, die vom Kaiser ernannt wurden. Alle drei Religionsgruppen waren im Präsidium vertreten.

Dem Landtag stand die volle Gesetzgebungskompetenz bezüglich der Landesgesetzgebung zu. Er hatte das Budgetrecht. Die Regierung wurde jedoch nicht durch den Landtag gewählt. Gesetze bedurften zur Gültigkeit der Zustimmung der Regierungen in Wien und Budapest.

Ende des Landtags

Das Attentat vom 28. Juni 1914 hatte Folgen für das Parlament. Während der Landtagspräsident sich für eine Fortführung der Landtagsarbeit unter Ausschluss der serbischen Abgeordneten einsetzte, entschied sich die Landesregierung, die 6. Session des Landtags am 9. Juli 1914 vorläufig zu schließen. Auf Antrag der Landesregierung wurde der Landtag mit allerhöchster Entschließung vom 6. Februar 1915 endgültig aufgelöst.

Kriegsbedingt wurden keine Neuwahlen durchgeführt. Mit dem Zusammenbruch Österreich-Ungarns 1918 endete auch die kurze Geschichte des Landtags.

Literatur

  • Valeria Heuberger: Politische Institutionen und Verwaltung in Bosnien und der Hercegovina 1878–1918. In: Helmut Rumpler, Peter Urbanitsch (Hrsg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1919. Band VII/2, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 2000, ISBN 3-7001-2871-1, S. 2415–2425.

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