Lindenkirche (Berlin)

Lindenkirche (Berlin)
Lindengarten mit Lindenkirche
Hauptgiebel der Lindenkirche

Die Lindenkirche ist eine evangelische Kirche im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, Ortsteil Wilmersdorf. Sie wurde in den Jahren 1935-1936 von Carl Theodor Brodführer erbaut und am 24. Mai 1936 eingeweiht. Im 2. Weltkrieg wurden die Kirche und das Gemeindehaus größtenteils zerstört. Die Kirche, die am 6. Mai 1951 wieder eingeweiht wurde, steht unter Denkmalschutz.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte Wilmersdorf 285 Einwohner. Auf Grund der städtischen Entwicklung wuchs die Bevölkerung von Wilmersdorf zwischen 1880 und 1905 von 2.911 auf 63.568. Entlang der neuen Ringbahn, zwischen dem seit 1874 bestehenden Bahnhof Friedenau-Wilmersdorf (heute Bundesplatz) und dem 1883 eröffneten Bahnhof Schmargendorf (heute Heidelberger Platz), wurden bis zu fünfgeschossige Mietshäuser mit Hinterhöfen errichtet. Um den Rüdesheimer Platz entstand eine Gartenterrassenstadt mit eleganten Häusern für eine vorwiegend „gut-bürgerliche" Bevölkerung. Am 31. Oktober 1906 entstand Deutsch-Wilmersdorf als selbstständige Stadt, 1910 lebten in ihr 109.716 Einwohner.

In Wilmersdorf stand den evangelischen Christen, nachdem die Dorfkirche von 1772 zu klein geworden war, die 1897 eingeweihte Auenkirche zur Verfügung. Aber auch diese wurde bald zu klein. Zunächst wurde aber die inzwischen selbstständig gewordene Landgemeinde Grunewald 1904 mit einem eigenen Gotteshaus versorgt. 1910 folgte die Hochmeisterkirche für Halensee, ein Stadtteil von Deutsch-Wilmersdorf. Ein eigenes Gotteshaus zur Versorgung der evangelischen Christen im „Rheingaubezirk“ um den Rüdesheimer Platz wurde dringender denn je. Zunächst wurde jedoch im Jahre 1912 nur ein Gemeindehaus an der Detmolder Straße (damals Ringbahnstraße) Ecke Blissestraße von Otto Herrnring gebaut und 1913 eingeweiht. Hier wurden über 50 Jahre Gottesdienste abgehalten. Die selbstständig gewordene Vater-Unser-Gemeinde erhielt eine eigene Kirche, die von Werner March auf diesem Gelände errichtet wurde, erst 1961.

Während des 1. Weltkrieges war an Kirchenneubauten nicht zu denken, auch nicht gleich danach. Die Gebiets- und Verwaltungsreform führte 1920 zur Bildung von Groß-Berlin. Der neue 9. Verwaltungsbezirk Wilmersdorf setzte sich aus der alten Großstadt Deutsch-Wilmersdorf, den Landgemeinden Schmargendorf und Grunewald, sowie dem Grunewaldforst zusammen. Erst nach Beendigung der Inflation wurde für 50.000 Reichsmark 1924 ein 4.714 m² großer Teil des Homburger Platzes, der zwischen Binger und Johannisberger Straße von der Homburger Straße bis an das Hoddicksche Villengrundstück reichte, von der Wilmersdorfer Terrain-Rheingau AG erworben. Unter seinen Linden fanden die Gottesdienste im Freien statt bis die Kirche am 24. Mai 1936 Geweiht wurde. Ihnen verdankt die Kirche ihren Namen.

Grundriss des Gebäude-Ensembles

Im Juni 1942 wurden alle vier Glocken für Kriegszwecke beschlagnahmt. In der Nacht auf den 2. März 1943 zerstörten Bomben den größten Teil der Kirche und der übrigen Gebäudeteile. Nur der Turm mit seinen starken Mauern hielt stand, die Uhr blieb stehen. Die Gemeindesäle waren bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Vom Gemeindehaus an der Johannisberger Straße waren nur einige Räume im Erdgeschoss erhalten. Nach dem Krieg war an den Wiederaufbau der Kirche nicht gleich zu denken. Die Lindenkirche hatte ja noch die Räume in dem unbeschädigten Gemeindehaus in der Detmolder Straße. Erst später wurde die Kirche wieder hergerichtet.

Gebäude

Die Kirche, sie hat Platz für etwa 600 Besucher, ist mit ihren schlichten und gradlinigen Formen als Nachwirkungen der Neuen Sachlichkeit zu betrachten. Sie ist den benachbarten Wohnbauten angepasst, die bereits vor dem Bau der Kirche entstanden waren. Sie stehen heute ebenfalls unter Denkmalschutz. Das Mauerwerk der Kirche ist hell verputzt. Der Hauptgiebel hat drei niedrige Rundbogenportale. Darüber befindet sich ein Kreuz. Die gesamte Anlage besteht aus vier Baukörpern: der einschiffigen Langhauskirche an der Binger Straße, innen mit weiß gestrichenen Wänden und holzgetäfeltem Kassettendach, dem im rechten Winkel anschließenden Bau mit dem großen und kleinen Gemeindesaal und der darüber liegender Kindertagesstätte, dem Gemeindehaus mit Wohnungen in der Johannesberger Straße parallel zur Kirche, und dem im Winkel von Kirche und Saalbau angeordneten Turm. Zur Homburger Straße, hufeisenförmig von den Baukörpern begrenzt, öffnet sich der Lindengarten, der von der Straße durch eine Mauer abgeschirmt ist. Am Fuß des quadratischen Turms befindet sich die Kapelle, die in den letzten Jahren völlig neu gestaltet wurde. Sie ist mit dem Kirchenraum durch eine schmiedeeiserne Tür verbunden und wird für Andachten, kleinere Feiern und Konzerte benutzt. Im September 1992 wurde in der Kapelle eine italienische Orgel des belgischen Orgelbaumeisters Patrick Colon eingeweiht.

Trotz der Zerstörungen im 2. Weltkrieg ist der wiederhergestellte Innenraum gegenüber dem ursprünglichen Zustand nur wenig verändert. Die Altarwand aus Keramik, sowie Kanzel und Taufstein aus dem gleichen Material, geschaffen von Felix Kupsch, blieben unbeschädigt. Ebenso das von Ernst Gorsemann stammende hohe Kruzifix.

Der kleine Gemeindesaal sowie die Wohnungen und Gemeinderäume im 1. und 2. Stockwerk wurden wieder aufgebaut, ebenso das Gemeindehaus mit Schwesternstation und Wohnungen. Das große Glasgemälde hinter der Altarwand wurde nach einem Entwurf von Adolf Dahle 1953 hergestellt. Die anderen zwischen 1958 und 1960 hergestellten Fenster stammen von Herrmann Kirchberger. Der große Gemeindesaal mit Kindertagesstätte und Jugendräumen wurden anschließend errichtet. 1962 war die Wiederaufbauarbeit mit dem Neubau von zwei Pfarrhäusern abgeschlossen.

Überdauert hatte die beiden Weltkriege eine Glocke aus dem 16. Jahrhundert von unbekanntem Gießer. Nach dem Verlust der anderen Glocken während des Nationalsozialismus goss Franz Otto vier neue aus Bronze, welche in einem d-Moll-Septimenakkord erklingen.

Glocke Nr. Schlagton Gussjahr Gießer, Gussort Masse
(kg)
Durchmesser
(cm)
Inschrift
I d′ 1957 Franz Otto, Bremen 1.357 180 + Lindenkirche Weihnachten 1957 er heißt wunderbar, Rat +
II f′ 1957 Franz Otto, Bremen 926 117 + Lindenkirche Weihnachten 1957 Kraft hält +
III g′ 16. Jh. unbekannt 780 107
IV a′ 1957 Franz Otto, Bremen 506 92 Lindenkirche Weihnachten 1957 ewig = Vater +
V c′′ 1957 Franz Otto, Bremen 312 77 Lindenkirche 1957 Friedefürst +

Im September 1965 konnte auf der Empore die neue Orgel, die den Mittelpunkt für die Kirchenmusik bildet, eingeweiht werden. 1993 wurde die Große Bosch Orgel vollendet. Der Einbau eines Fernwerks, des Rückpositivs, eines Spielbocks und der Umbau von einer 4-manualigen zu einer 5-manualigen Klaviatur, machen diese Orgel zu einer der größten Orgeln in Berlin.[1] Kirchenmusikalische Höhepunkte machten die Lindenkirche weit über die Gemeindegrenzen hinaus bekannt.

I Rückpositiv C–
1. Principal 8′
2. Holzprincipal 8′
3. Traversflöte 8′
4. Copel 8′
5. Quintade 8′
6. Voce Umana 8′
7. Octave 4′
8. Engl. Nachthorn 4′
9. Gamba 4′
10. Octave 2′
11. Salicet 2′
12. Hörnlein III
13. Scharff IV
14. Musette 16′
15. Krummhorn 8′
16. Messingschalmei 4′
Tremulant
II Hauptwerk C–
17. Quintade 16′
18. Principal 8′
19. Gemshorn 8′
20. Octave 4′
21. Spillpfeife 4′
22. Quinte 22/3
23. Ital. Prinzipal 2′
24. Cornett V 8′
25. Großsesquialter III
26. Großmixtur IV
27. Kleinmixtur IV
28. Span. Trompete 16′
29. Span. Trompete 8′
30. Trompete 8′
Tremulant
III Schwell-Oberwerk C–
31. Bordun 16′
32. Holzprincipal 8′
33. Rohrpommer 8′
34. Salicional 8′
35. Voix céleste 8′
36. Octave 4′
37. Ital. Prinzipal 4′
38. Spitzflöte 4′
39. Blockflöte 2′
40. Sesquialter II 22/3
41. Sextan II
42. Mixtur IV-VI
43. Oktavzimbel III
44. Trompette harm. 8′
45. Hautbois 8′
46. Trompette 4′
Tremulant
IV Brustwerk C–
47. Gedackt 8′
48. Rohrflöte 4′
49. Rohrnasat 22/3
50. Principal 2′
51. Terz 13/5
52. Gemsquinte 11/3
53. Nachthorn 1′
54. Zimbel IV
55. Sordun 16′
56. Vox humana 8′
Tremulant
Glockenspiel
Zimbelstern
Vogelgesang
Pedal C–
57. Principal 16′
58. Flötbass 16′
59. Untersatz 16′
60. Quintbass 102/3
61. Octave 8′
62. Gedackt 8′
63. Choralbass 4′
64. Flöte 4′
65. Flageolett 2
66. Glöckleinton 1′
67. Basszink IV
68. Hintersatz III
69. Bombarde 32′
70. Posaune 16′
71. Span. Trp. (Nr. 28) 16′
72. Trompete 8′
73. Span. Trp. (Nr. 29) 8′
74. Clairon 4′
75. Cornettino 2′
Tremulant
Glockenspiel
V. Manual C–
Chorwerk
76. Gedackt 8′
77. Principal 4′
78. Gedacktflöte 4′
79. Offenflöte 2′
80. Mixtur III
81. Span. Trp. (Nr. 28) 16′
82. Regal 16′
83. Span. Trp. (Nr. 29) 8′
84. Regal 8′
Tremulant
Schwellwerk
85. Grobgedackt 16′
86. Labialoboe 8′
87. Viola di Gamba 8′
88. Unda maris 8′
89. Spitzgedackt 4′

Literatur

  • Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin: Berlin und seine Bauten. Teil VI. Sakralbauten. Berlin 1997.
  • Günther Kühne, Elisabeth Stephani: Evangelische Kirchen in Berlin. Berlin 1978.
  • Karl-Heinz Metzger: Kirchen, Moscheen und Synagogen in Wilmersdorf. Berlin 1986.
  • Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Band Berlin. München/Berlin 2006.
  • Hans-Jürgen Rach: Die Dörfer in Berlin. Berlin 1990.
  • Die Geschichte der Ev. Lindenkirche Berlin-Wilmersdorf von den Anfängen bis zum Jahr 2000, eigene Broschüre der Kirchengemeinde.
  • Klaus-Dieter Wille: Die Glocken von Berlin (West). Geschichte und Inventar (= Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin. Beiheft 16). Berlin 1987.

Einzelnachweise

  1. Nähere Informationen zur Orgel der Lindenkirche

Weblinks

 Commons: Lindenkirche (Berlin) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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