Ludwig Meyer (Psychiater)

Ludwig Meyer (Psychiater)

Ludwig Meyer (* 27. Dezember 1827 in Bielefeld; † 8. Februar 1900 in Göttingen) war ein deutscher Psychiater und Reformer des Psychiatriewesens.

Inhaltsverzeichnis

Ausbildung und Werdegang

Das ehemalige Zeughaus in Siegburg

Ludwig Meyer studierte unter anderem an der Universität Bonn. Dort beteiligte er sich 1848/1849 an den politischen Unruhen zusammen mit Johann Gottfried Kinkel, Carl Schurz und Friedrich Spielhagen und wurde daher von der Universität verwiesen. Er hatte am Sturm auf das Siegburger Zeughaus teilgenommen. Während der Reaktion wurde er von Rudolf Virchow in Würzburg gedeckt. Virchow war selbst ein Befürworter der Medizinalreform.[1] 1852 wurde Ludwig Meyer an der Charité in Berlin promoviert und war anschließend Assistent von Karl Wilhelm Ideler (1795–1860). Er arbeitete dann in der Anstalt Schwetz. 1857 wurde er Oberarzt bei Ideler an der Charité. Im gleichen Jahr habilitierte er sich. 1858 wurde er Oberarzt am Allgemeinen Krankenhaus St. Georg in Hamburg. Dort wurde er eingestellt, um die Behandlung psychisch Kranker zu reorganisieren. 1864 hat er die psychiatrische Anstalt Friedrichsberg in Hamburg nach seinen Plänen eingerichtet. Von 1866 bis 1900 war er ordentlicher Professor und Direktor der Anstalt Göttingen.[2] Meyer kandidierte später als Nationalliberaler für den Reichstag und war Anhänger Bismarcks.[1]

Leistungen

Ludwig Meyer gebührt das Verdienst, 1858 in Hamburg als erster in Deutschland John Conolly (1794–1866) unterstützt und sein No restraint-Prinzip am psychiatrischen Krankenhaus eingeführt zu haben. Auf diese Weise hatte er die Voraussetzungen geschaffen, um Wilhelm Griesingers (1817–1868) engster Freund im Kampf für eine naturwissenschaftliche Psychiatrie zu werden, die körperliche (neurologische) Krankheit als Ursache von psychischen Störungen anerkennt und daher auf Strafe und Zwang verzichtet.[1] Somit wird auch verständlich, dass Meyer ähnlich wie Joseph Guislain (1797–1860) auf die Bettenbehandlung drängte, die der psychiatrischen Anstalt Krankenhauscharakter verlieh.[2] Weiterhin setzte sich Meyer dafür ein, dass die Möglichkeiten der psychiatrischen Anstalten dadurch verbessert werden, indem hier Forschung betrieben und Studenten unterreichtet wurden, ein Anspruch, den bereits William Battie (1703–1776) und Thomas Arnold (1742–1816) erhoben hatten. Auch diese Forderung stand im Zusammenhang mit der nach Auffassung Meyers vordergründigen und notwendigen naturwissenschaftlichen Forschung. Die Anstalt Göttingen wurde daher „mit der ausdrücklichen Vorbedingung des Unterrichts“ gegründet.[2] Gemeinsam mit Wilhelm Griesinger forderte Meyer den Ausbau von psychiatrischen Polikliniken, um die neuen naturwissenschaftlichen Ansätze auch für die Sprechstundenpsychiatrie anzuwenden. Er gründete zusammen mit Griesinger die Zeitschrift „Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten“. Dies war eine Kampfansage gegen die Anstaltspsychiatrie und die von Heinrich Philipp August Damerow (1798–1866) mit herausgegebene „Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie“.[1]

Werke

  • Die Beziehungen der Geisteskranken zu den Besessenen und Hexen, 1861.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d Dörner, Klaus: Bürger und Irre. Zur Sozialgeschichte und Wissenschaftssoziologie der Psychiatrie. (1969) Fischer Taschenbuch, Bücher des Wissens, Frankfurt / M 1975, ISBN 3-436-02101-6; (a) zu Stw. „Studium in Bonn“: Seite 313 und Stw. „Bezug zu Virchow“: Seite 307 f., 311; (b) zu Stw. „Rechtagskandidatur“: Seite 313; (c) zu Stw. „No restraint“: Seite 313, 316, 335; (d) zu Stw. „Einsatz für den Aufbau psychiatrischer Polikliniken“: Seite 316 f.
  2. a b c Degkwitz, Rudolf et al. (Hrsg.): Psychisch krank. Einführung in die Psychiatrie für das klinische Studium. Urban & Schwarzenberg, München 1982, ISBN 3-541-09911-9; Spalten nachfolgend mit ~ angegeben: - (a) zu Stw. „Vita“: Seite 474~2; (b) zu Stw. „Bettenbehandlung“: Seite 297~1; (c) zu Stw. „Möglichkeit zum Unterricht“: Seite 361~1

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