Ludwig Neundörfer

Ludwig Neundörfer

Ludwig Neundörfer (* 13. März 1901 in Mainz; † 25. September 1975 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Soziologe, der dem Soziographischen Institut an der Universität Frankfurt von 1943 bis 1975 vorstand.

Neundörfer kam aus der katholischen Jugendbewegung und war mit Romano Guardini befreundet. 1925 übernahm er die Schriftleitung der kulturwissenschaftlichen Zeitschrift „Die Schildgenossen“. 1929 wurde er zum Dr. phil. promoviert. Von 1933 bis 1939 war er als Stadt- und Sozialplaner in Heidelberg tätig. Untersuchungen über die sozial-ökonomische Situation Jugendlicher, insbesondere arbeitsloser Jugendlicher, führten Neundörfer zur Soziographie. 1943 übernahm er einen Forschungsauftrag der Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung (für die er seit 1940 arbeitete), aus dem dann das Soziographische Institut („Institut zur Erforschung des deutschen Volksaufbaus“) hervorging, dessen Direktor er wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm das von Neundörfer geleitete Institut immer mehr Aufgaben im Bereich der Sozialfürsorge und der Sozialpolitik. 1951 wurde ein Plan zur Eingliederung der Flüchtlinge erarbeitet.

1949 wurde er Professor für Soziologie am Pädagogischen Institut Jugenheim, ab 1961 war Neundörfer Ordinarius für Soziologie an der Universität Frankfurt. Er wurde einer der wichtigsten wissenschaftlichen Berater für die Sozialpolitik in der Ära von Konrad Adenauer und Ludwig Erhard. So erstellte er zusammen mit Hans Achinger, Joseph Höffner und Hans Muthesius in Adenauers Auftrag das Professorengutachten („Rothenfelser Denkschrift“) zur Sozialreform, dessen wichtigster Bestandteil die Rentenreform war. 1964/65 erarbeitete er mit Hans Achinger, Walter Bogs, Helmut Meinhold und Wilfried Schreiber die „Sozialenquete“.

Seit 1960 war Neundörfer Mitglied des Hauptausschusses des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, ferner war er Mitglied der Hamburger Akademie für Bevölkerungswissenschaft.

Ludwig Neundörfer war der jüngere Bruder des Priesters Karl Neundörfer.

Werke

  • Hans Achinger/Joseph Höffner/ Hans Muthesius/ Ludwig Neundörfer: Neuordnung der sozialen Leistungen. Denkschrift auf Anregung des Bundeskanzlers. Köln: Greven 1955.
  • Hans Achinger/ Walter Bogs/ Helmut Meinhold/ Ludwig Neundörfer/ Wilfried Schreiber: Sozialenquete: Soziale Sicherung in der Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart u.a.: Kohlhammer 1965.
  • Ludwig Neundörfer: Existenzsicherung überzähliger Industriearbeiter. In: Soziale Praxis. 42. Jg. (1933). Sp. 612-618.
  • Ludwig Neundörfer: Die soziale und wirtschaftliche Auswirkung des Flüchtlingsgesetzes. Frankfurt a.M. 1952.
  • Ludwig Neundörfer: Die Sozialreform. Gelöste und ungelöste Probleme. Freiburg i.Br.: Herder 1957.
  • Ludwig Neundörfer: Atlas sozialökomischer Regionen Europas. Frankfurt/M: Soziographisches Institut an der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt am Main 1961 ff

Literatur

  • Michael Heisig: Neundörfer, Ludwig - führender Mitarbeiter an der wissenschaftlichen Flankierung der Sozialreform in den 50er Jahren aus der Sicht der Fürsorge. In: Hugo Maier (Hrsg.), Who is who der sozialen Arbeit. Lambertus, Freiburg i.Br. 1998, S. 433-434.
  • Manfred Hermanns: Sozialethik im Wandel der Zeit. Paderborn: Schöningh 2006, insbesondere S. 274, 281-283. ISBN 978-3-506-72989-7
  • Klaus Kippert (Hrsg.): Gedanken zur Soziologie und Pädagogik. Festschrift für Ludwig Neundörfer zum 65. Geburtstag. Berlin: Beltz 1967.
  • Horst Knospe: Neundörfer, Ludwig, in: Wilhelm Bernsdorf/Knospe (Hgg.): Internationales Soziologenlexikon, Bd. 2, Enke, Stuttgart ²1984, S. 617 f.

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