Provinzverwaltung in Finnland

Provinzverwaltung in Finnland

Die Provinzverwaltung stellte für den größten Teil der finnischen Geschichte das System der staatlichen Verwaltung auf Regionalebene dar. Die Provinzen (finn. lääni, schwed. län) waren keine Selbstverwaltungskörperschaft, sondern Bestandteil der Exekutive der jeweiligen Zentralregierung. Die Provinzregierungen hatten weitgehende Aufgaben im Bereich der allgemeinen Verwaltung und der Verwaltungsaufsicht. An ihrer Spitze stand ein Landeshauptmann, der vom jeweiligen Staatsoberhaupt ernannt wurde.

Die Einteilung Finnlands in Provinzen geht auf die Verwaltungsstruktur des Schwedischen Reichs zurück, zu dem Finnland bis 1809 gehörte. In ihrer institutionalisierten Form wurden die Provinzen durch die Verfassung von 1634 geschaffen. Die Provinzen wurden verschiedentlich neu geordnet, in ihren wesentlichen Zügen aber beibehalten. In der Nachkriegszeit bestanden zunächst zehn, ab 1960 zwölf Provinzen. Nachdem die Provinzstruktur zunehmend den Anforderungen an eine moderne Verwaltung nicht mehr gerecht wurde, wurden in einer Reihe von Reformen die Provinzen zunächst 1997 auf sechs reduziert, bis sie 2010 schließlich ganz abgeschafft und durch eine neue Regionalverwaltungstruktur ersetzt wurden.

Inhaltsverzeichnis

Mittelalterliche Burgprovinzen

Am Ende des 16. Jahrhunderts bestanden in Finnland neun königliche Burgprovinzen.

Die Keimzelle der Provinzeinteilung stellten die mittelalterlichen Burgprovinzen (sched. slottslän, finn. linnalääni) dar. Die Burgprovinz war die Grundeinheit der weltlichen Verwaltung, während wesentliche Aufgaben der örtlichen Verwaltung im Rahmen der parallelen kirchlichen Verwaltungsstruktur erfüllt wurden. Zentrum der Burgprovinz war jeweils eine Burg, an deren Spitze ein königlicher Statthalter stand.

Die Entstehung der einzelnen Burgprovinzen kann regelmäßig nicht genau datiert werden und steht im direkten Zusammenhang mit der allmählichen Entwicklung und Stabilisierung der Herrschaft des schwedischen Königs über finnisches Gebiet. Die jeweiligen Statthalter waren in ihrer Burgprovinz für die Rechtsprechung, den Einzug von Steuern und für die Verteidigung zuständig. Die Steuern gebührten dem König, ein Anteil stand aber der Burg und dem Statthalter zu.

Ab dem 14. Jahrhundert wurden nach und nach Untereinheiten der weltlichen Verwaltung unter der Bezeichnung Verwaltungssocken (schwed. jordebokssocken, finn. hallintopitäjä) gebildet. König Gustav I. Wasa (1523–1560) veranlasste die Aufteilung der Burgprovinzen in kleinere Vogteien, denen die Hoheit über den Steuereinzug und den Staatshaushalt übertragen wurde. Die Vogte waren als königliche Beamte unmittelbar dem König verantwortlich, der damit seine Kontrolle über die Gebietsverwaltung festigen konnte.

Um das Jahr 1600 bestanden im heutigen Finnland die folgenden neun Burgprovinzen:[1]

  • Die Burgprovinz Kastelholm, von der aus die Landschaft Åland verwaltet wurde. Die Burg Kastelholm ist erstmals 1388 urkundlich erwähnt.
  • Die Burgprovinz Åbo (Turku) stellt den Ausgangspunkt der schwedischen Herrschaft über das finnische Festland dar. Die Burg Turku wurde in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichtet.
  • Burgprovinz Raseborg (Raasepori) unter der gleichnamigen Burg, deren erste urkundliche Erwähnung aus dem Jahr 1378 datiert.
  • Die Burgprovinz Viborg (Viipuri) unter der 1293 errichteten Burg Wyborg stellte früh einen wichtigen Verteidigungsposten des schwedischen Reichs gegenüber Russland dar. Die Provinz umfasste lange das gesamte östliche Finnland, bevor im 16. Jahrhundert die Burgprovinzen Nyslott und Borgå abgespalten wurden.
  • Die Burgprovinz Tavastehus (Hämeenlinna) unterstand der ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichteten Burg Häme im heutigen Hämeenlinna.
  • Die Burgprovinz Kumogård (Kokemäenkartano) umfasste ab dem frühen 14. Jahrhundert die Landschaft Satakunta und unterstand einem Herrenhaus in Kokemäki. Die zugehörige Burg wurde 1367 zerstört.
  • Die das Zentrum der Burgprovinz Korsholm (Korsholma) bildende Burg wurde nach 1370 errichtet. Die Provinz umfasste den gesamten Nordteil des damaligen Finnlands.
  • Die Burgprovinz Nyslott (Savonlinna) unterstand der im 15. Jahrhundert errichteten Burg Olavinlinna in der heutigen Stadt Savonlinna.
  • Die Burgprovinz Borgå (Porvoo) ging im 16. Jahrhundert aus einer der Burgprovinz Viborg unterstehenden Vogtei hervor.

Einführung und Entwicklung der Provinzverwaltung

Die Provinzen Finnlands vor der Provinzreform 1997

Die schwedische Verfassung von 1634 schuf erstmals einen formalisierten Rahmen für die Regionalverwaltung des Reiches. Das Reichsgebiet wurde in Provinzen (schwed. län, finn. lääni) eingeteilt. Die Verwaltung der Provinzen übernahmen Provinzregierungen (schwed. länsstyrelsen, finn. lääninhallitus) unter dem Vorsitz eines Landeshauptmannes (schwed. landshövding, finn. maaherra). Die Landeshauptmänner stellten die unmittelbaren Vertreter der königlichen Regierung in den Provinzen dar. Die Provinzverwaltung erhielt ein breit gefächtertes Aufgabenfeld. Zu diesem gehörten neben der allgemeinen Verwaltung und Exekutivgewalt die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung, die Überwachung des Städte- und Wegebaus sowie die königliche Finanzverwaltung.

Die Verwaltungsstruktur und Aufgaben der Provinzen überdauerten die einschneidenden Veränderungen der finnischen Staatsstruktur. Weder der Übergang Finnlands unter russische Herrschaft als autonomes Großfürstentum im Jahr 1809 noch die Unabhängigkeit Finnlands 1917 brachten wesentliche Reformen der Regionalverwaltung mit sich.

Änderungen erfuhren dagegen Anzahl und Zuschnitt der Provinzen. Im Jahr 1634 wurden im Gebiet des heutigen Finnlands zunächst vier Provinzen gebildet. In den folgenden Jahrhunderten wurden die Provinzen mehrfach neu eingeteilt, wodurch sich die Anzahl der Provinzen jeweils erhöhte. Auch Änderungen in den Staatsgrenzen zwangen mehrfach zur Neueinteilung der Provinzen. Im Frieden von Nystad verlor Schweden 1721 den Großteil der Provinzen Viborg und Kexholm an Russland. Die verbliebenen Teile wurden zur neuen Provinz Kymmenegård zusammengefasst. Als das sogenannte Altfinnland 1812 an das Großfürstentum Finnland angegliedert wurde, formte man hieraus eine neue Provinz Wyborg. Deren größter Teil musste infolge des Fortsetzungskrieges 1944 an die Sowjetunion abgetreten werden, die verbleibenden Teile wurden zur Provinz Kymi. Für wenige Jahre war auch das im Frieden von Dorpat an Finnland abgetretene Petsamo eine eigene Provinz, wurde dann aber zunächst der Provinz Oulu, später der Provinz Lappland zugeschlagen.

Nachdem 1960 noch die beiden neuen Provinzen Mittelfinnland und Nordkarelien gebildet worden waren, bestand Finnland bis 1997 aus den folgenden zwölf Provinzen:

Reformen und Ersetzung der Provinzen

In den letzten Jahren der Provinzverwaltung bestanden in Finnland noch sechs Provinzen.

In der Nachkriegszeit begannen die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung stetig anzuwachsen. Insbesondere ab den 1960er Jahren stieg die Bedeutung der Verwaltung als Regulierer in allen Bereichen des wirtschaftlichen Lebens. Die Gründung von immer neuen Fachbehörden außerhalb der Provinzverwaltungen führte allmählich zu einer Zersplitterung der Verwaltung, die schließlich als ineffektiv sowie als bürgerfern empfunden wurde.[2] Dieser Entwicklung wurde mit verschiedenen Reformen zu begegnen versucht. Die Hauptentwicklungslinien dieser Reformen führten einerseits zu einer Zusammenfassung und Zentralisierung der Fachverwaltung, durch welche eine bessere Nutzung des in den verschiedenen Behörden vorhandenen Know-hows erstrebt wurde, sowie andererseits zu einer Verlagerung der Regionalplanung auf bürgernähere Gemeindezusammenschlüsse. Den Schlusspunkt dieser Reformen bildete die vollständige Ersetzung der Provinzen am 1. Januar 2010.

Zunächst wurden den Provinzverwaltungen in den 1970er und 1980er Jahren neue Aufgaben von anderen Behörden übertragen. Anfang der 1990er Jahre wurden für die Regionalplanung neue Gemeindeverbünde gebildet, die sogenannten Landschaftsverbünde (finn. maakuntaliitto, schwed. landskapsförbund). Diese von den Gemeindeverwaltungen gebildeten Kooperationsorgane sollten eine bürgernähere Planungsverwaltung sicherstellen und führten zu einem Wegfall eines traditionellen Aufgabenbereichs der Provinzverwaltungen.

Durch die Provinzreform von 1997 wurde die Anzahl der Provinzen von zwölf auf sechs halbiert. Die autonome Provinz Åland sowie die flächenmäßig bereits sehr großen Provinzen Oulu und Lappland blieben von der Reform unberührt. Die übrigen Provinzen wurden wie folgt neugegliedert:

  • Die Provinzen Kuopio, Nordkarelien und der größte Teil der Provinz Mikkeli zu Ostfinnland
  • Die Provinzen Kymi, Uusimaa, der Südteil der Provinz Häme und ein kleiner Teil der Provinz Mikkeli zu Südfinnland
  • Die Provinzen Mittelfinnland, Turku-Pori, Vaasa und der Nordteil der Provinz Häme zu Westfinnland

Die bisherigen Provinzen bestanden im Wesentlichen unter der Bezeichnung Landschaft (finn. maakunta, schwed. landskap) fort, ohne jedoch eine Bedeutung als staatliche Verwaltungseinheit zu haben. Die Landschaftsverbünde bestanden weiterhin als kommunale Kooperationseinheiten fort. Von 1997 bis 2009 bestand infolge dieser Reform folgende Provinzeinteilung:

Provinz Hauptstadt Einwohner Fläche in km² Landschaften
Åland Mariehamn 26 000 6 784 Åland
Lappland Rovaniemi 188 000 98 946 Lappland
Oulu Oulu 455 000 57 000 Kainuu, Nordösterbotten
Ostfinnland Mikkeli 588 000 48 726 Nordkarelien, Nordsavo, Südsavo
Südfinnland Hämeenlinna 2 000 000 34 378 Kanta-Häme, Kymenlaakso Ostuusimaa, Päijät-Häme, Südkarelien, Uusimaa
Westfinnland Turku 1 840 000 74 185 Mittelfinnland, Mittelösterbotten, Österbotten, Pirkanmaa, Satakunta, Südösterbotten, Varsinais-Suomi

In einer weiteren Reform wurden die Provinzen schließlich zum Beginn des Jahres 2010 gänzlich aufgegeben. Die staatliche Regionalverwaltung wurde gänzlich neu geordnet. Zum Zwecke der allgemeinen Verwaltungsaufsicht wurden sechs Regionalverwaltungsbehörden (finn. aluehallintovirasto, schwed. regionförvaltningsverk) gebildet; die staatlichen Aufgaben in verschiedenen, besondere Fachexpertise erfordernden Bereichen wurden in 15 Gewerbe-, Verkehrs- und Umweltzentren (finn. elinkeino-, liikenne- ja ympäristökeskus, schwed. närings-, trafik- och miljöcentralen) zusammengefasst. Beide Ebenen üben neben den Aufgaben der bisherigen Provinzen auch die Aufgaben verschiedener anderer, ebenfalls aufgelöster, Verwaltungseinheiten aus.[3]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Eino Jutikkala: Suomen historian kartasto. WSOY, Porvoo 1949.
  2. Lääninhallitus valtion aluehallintoviranomaisena 375 vuotta. Geschichtliche Darstellung auf der Website der (ehemaligen) Provinzverwaltungen.
  3. Läänit jäävät historiaan. Bericht der staatlichen Rundfunkanstalt YLE.

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