Michaela Biancofiore

Michaela Biancofiore

Michaela Biancofiore (* 28. Dezember 1970 in Bozen) ist eine italienische Politikerin.

Leben

Biancofiore wurde 1970 als Tochter eines aus Apulien stammenden Gerichtsbediensteten und einer römischen Mutter in Bozen geboren.[1] Sie ist Studentin der Rechtswissenschaften und als Unternehmerin im Wellness-Bereich tätig.[2]

Im Jahr 1994 schloss sich Biancofiore der soeben gegründeten Partei Forza Italia an, da sie sich „mit der explosiven Kraft eines Tsunamis“ zur Führungsgestalt Silvio Berlusconis hingedrängt fühlte.[3] 1995 trat sie bei den Bozner Gemeinderatswahlen als Kandidatin der Liste Vorwärts Südtirol an, scheiterte jedoch mit lediglich 18 Vorzugsstimmen.[4] 1998 kandidierte sie für den Südtiroler Landtag, konnte aber mit 277 Vorzugsstimmen kein Mandat erringen.[5] In der Folge ergab sich durch ihr Engagement als Sekretärin des Forza-Italia-Exponenten Franco Frattini die Möglichkeit, ihre politische Karriere deutlich voranzubringen.[6]

2003 wurde Biancofiore zur Landes-Koordinatorin der Forza Italia in Südtirol.[7] Im selben Jahr wurde sie mit 3.680 Vorzugsstimmen in den Südtiroler Landtag und damit gleichzeitig den Regionalrat von Trentino-Südtirol gewählt.[5] Ihr erster eingebrachter Gesetzesentwurf schlug vor, das Land Südtirol solle die Ersetzung von mit Benzin betriebenen Rasenmähern durch neue Maschinen mit 50 % des Kaufpreises subventionieren.[8] Größeres Aufsehen erregte sie mit einigen in der Presse lancierten Aussagen, in denen sie die Verteidigung der italienischen Sprache innerhalb der Grenzen der Republik forderte, die Anbringung der italienischen Trikolore auf jedem Südtiroler Bauernhof befürwortete und schließlich eine Wiederbevölkerung Südtiroler Täler durch italienische Arbeiter aus dem Süden andachte.[9]

2005 war Biancofiore Protagonistin zweier Kundgebungen anlässlich der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen in Bozen. Die erste Veranstaltung wurde insbesondere durch das Auftreten von Ministerpräsident Silvio Berlusconi berühmt, der beim Erzählen eines Witzes – die herzlich lachende Biancofiore umarmend – der versammelten Menge seinen Mittelfinger zeigte.[10][11] Nachdem der in der ersten Stichwahl zum Bürgermeister gewählte Mitte-rechts-Kandidat Giovanni Benussi keine Mehrheit für seine Stadtregierung gefunden hatte, wurden Neuwahlen nötig. Biancofiore entschloss sich, das durch die Presse gegangene Bild Berlusconis mit erhobenem Mittelfinger für die Wahlplakate der Forza Italia zu verwenden und organisierte eine zweite Kundgebung, deren Höhepunkt aus einer direkten Telefonverbindung bestand, die sie per Mobiltelefon zum Ministerpräsidenten herstellte. In der Folge verlor Benussi gegen seinen unter anderem von Mitte-links-Parteien und der Südtiroler Volkspartei unterstützten Konkurrenten Luigi Spagnolli und gab eine Teilschuld an seiner Niederlage dem seiner Meinung nach geschmacklosen Wahlkampf.[12] Biancofiore, deren Schwester Antonella von 1997 bis 2005 Gemeinderätin der Alleanza Nazionale gewesen war, wurde zwar in den Gemeinderat gewählt, verzichtete aber anschließend auf ihr Mandat.[13]

Bei den Parlamentswahlen 2006 konnte Biancofiore im Wahlkreis Trentino-Südtirol einen Sitz in der Abgeordnetenkammer erringen und trat von ihrem Landtags- und Regionalratsmandat zurück.[14][15] Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen 2008 trat sie, um einen sicheren Sitz zu erlangen, in einem Wahlkreis in Kampanien an und konnte als Kandidatin des aus einer Fusion von Forza Italia und Alleanza Nazionale entstandenen Popolo della Libertà erneut in die Abgeordnetenkammer einziehen.[16][17]

Mediales Aufsehen erregte Biancofiore erneut, als sie ihren 39. Geburtstag in Berlusconis Villa in Arcore feiern durfte und dabei eine Torte mitbrachte, die mit einem Bild der Mittelfinger-Szene verziert war.[18][19] Im Juni 2011 geriet sie in die Schlagzeilen der Lokalpresse, da sie als 2010 gewähltes Bozner Gemeinderatsmitglied des PdL bei 56 der bisherigen 62 Sitzungen unentschuldigt fern geblieben war.[20]

Innerhalb der zerstrittenen italienischen Rechten in Südtirol liefert sich die Landes-Koordinatorin des PdL seit mehreren Jahren Auseinandersetzungen mit dem vormaligen Exponenten der Alleanza Nazionale Giorgio Holzmann.[21][22] Ein Streitpunkt sind dabei die Beziehungen zur Südtiroler Volkspartei und deren politischen Agenda. So bezeichnete Biancofiore in der Vergangenheit Südtirol als Problem für Italien und warnte vor einem Übermaß an Föderalismus.[23] Inzwischen ließ sie jedoch verlauten, sie bevorzuge einen Freistaat Südtirol, der intern nach dem Schweizer Modell in Kantone unterteilt werden könne.[24]

Einzelnachweise

  1. Giancarlo Perna: Biancofiore, la valchiria che vuol tingere d’azzurro l’Alto Adige filotedesco. Il Giornale, 13. März 2006, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  2. Carta d'identità. Alto Adige, 12. Januar 2011, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  3. Michaela Biancofiore: L’intervento Sì, alcuni dimenticano di dovere tutto a Silvio. Il Giornale, 28. Januar 2010, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  4. Gemeindewahlen 1995. Stadt Bozen, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  5. a b Landtagswahlen 2003: Forza Italia - Vorzugsstimmen auf Landesebene. Südtiroler Bürgernetz, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  6. Gian Antonio Stella: Una Schwarzenegger «turchina» vuole strappare Bolzano alla Svp. Corriere della Sera, 23. Oktober 2003, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  7. Azzurri altoatesini in trasferta. Alto Adige, 25. Januar 2004, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  8. Forza Italia chiede alla Provincia il 50% del costo per nuovi tagliaerba. Alto Adige, 4. März 2005, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  9. «Ripopolare le vallate». Alto Adige, 27. Februar 2005, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  10. Berlusconi zeigt den Stinkefinger. Der Standard, 7. Juni 2005, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  11. Quando Silvio mostrò il dito medio. La Repubblica, 3. Januar 2010, abgerufen am 4. Oktober 2011 (Video).
  12. Gian Antonio Stella: Berlusconi, il dito alzato e la sconfitta Cdl. 11. November 2005, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  13. Gemeinderäte von 1948 bis 2010. Amt für Statistik und Zeiten der Stadt Bozen, abgerufen am 4. Oktober 2011 (PDF; 586 KB).
  14. XIII. Legislaturperiode (2003 - 2008). Südtiroler Landtag, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  15. XV Legislatura. DATI PERSONALI ed INCARICHI in ATTO nella LEGISLATURA: BIANCOFIORE Michaela. Italienische Abgeordnetenkammer, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  16. Camera, Di Centa scalza Biancofiore. Alto Adige, 9. März 2009, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  17. BIANCOFIORE Michaela - PDL. Italienische Abgeordnetenkammer, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  18. Biancofiore, cena ad Arcore e corrente con Frattini. Corriere della Sera, 4. Januar 2010, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  19. Il compleanno di Michela e un onorevole "sorvegliato". La Repubblica, 3. Januar 2010, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  20. Bolzano: 60 assenze, il Pdl chiede l'espulsione della Biancofiore dal consiglio. 8. Juni 2011, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  21. Bozen: Holzmann soll Bürgermeisterkandidat von Mitte-Rechts werden. Südtirol Online, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  22. Carfagna attackiert Holzmann: „Treibt Spalt zwischen Pdl“. Südtirol Online, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  23. Walter Mayr: Der ewige Durni. Der Spiegel, 23. August 2010, abgerufen am 4. Oktober 2011.
  24. Ettore Frangipane: Il funambolico trasformismo della Biancofiore. Alto Adige, 27. September 2011, abgerufen am 4. Oktober 2011.

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