Novum Instrumentum omne

Novum Instrumentum omne
Erasmus

Das Novum Instrumentum omne ist die erste Veröffentlichung des Neuen Testaments in Griechisch aus dem Jahr 1516. Sie wurde von Desiderius Erasmus (1469–1536) vorbereitet und von Johann Froben (1460–1527) aus Basel gedruckt. Die erste gedruckte Ausgabe des griechischen Neuen Testaments war in der Complutensischen Polyglotte (1514) enthalten, somit ist das Novum Instrumentum omne das zweite, welches veröffentlicht wurde (1522). Die Ausgabe des Erasmus war die Grundlage für die Mehrheit der modernen Übersetzungen des Neuen Testaments im 16. bis zum 19. Jahrhundert.

Inhaltsverzeichnis

Erste Ausgabe

Im Jahre 1512 verhandelte Erasmus mit Badius Ascensius von Paris über die Veröffentlichung der Vulgata von Hieronymus und einer neuen Ausgabe der Adagia. Diese kamen jedoch nicht zustande und Erasmus beendete den Kontakt mit Badius.[1] Zu dieser Zeit dachte Erasmus nicht über das griechische Neue Testament nach. Es ist nicht sicher, wann er sich entschied, seine Ausgabe des griechischen Neuen Testaments zu veröffentlichen, doch bei einem Besuch in Basel im August 1514 kontaktierte er Johan Froben. Viele Gelehrte sind der Meinung, das Froben von einer kommenden spanischen Polyglotte erfahren hatte und versuchte, das Projekt von Alcala zu übernehmen (z.B. S. P. Tregelles).[2] Einige Forscher hingegen zweifeln diese Motivation Frobens an (z. B. Bruce Metzger), da es keinen Beweis für seine Unterstützung gibt.[3] Wahrscheinlich bezog er den griechischen Text mit ein, um die Überlegenheit seiner lateinischen Version zu beweisen.

Das nächste Treffen fand im April 1515 an der University of Cambridge statt. In Folge kam Erasmus im Juli 1515 nach Basel und begann mit seiner Arbeit. Er nahm keine griechischen Handschriften mit sich, sondern hoffte sie in Basel zu finden. Er lieh sich einige griechische Manuskripte von der Dominikanischen Bibliothek an der Basle. Er verwandte sieben Manuskripte, die später identifiziert wurden:[4]

Erste Seite des Neuen Testaments von Erasmus
Manuskript Inhalt Datierung
Minuskel 1eap das gesamte NT ohne Offenbarung 12. Jahrhundert
Minuskel 1rK Offenbarung des Johannes 12. Jahrhundert
Minuskel 2e Evangelien 12. Jahrhundert
Apostelgeschichte und Briefe 12. Jahrhundert
Paulusbriefe 15. Jahrhundert
Minuskel 817 Evangelien 15. Jahrhundert

Die Manuskripte 1eap und 1rK hatte sich Erasmus von Johannes Reuchlin ausgeliehen. Die restlichen Manuskripte borgte er sich vom Dominikanerorden. Es ist bemerkenswert, dass er den Codex Basilensis nicht verwendete, der sich jedoch in der Universität Basel befand und ihm zugänglich war. Erasmus hatte drei Manuskripte der Evangelien und Apostelgeschichte zur Verfügung und vier Handschriften der Paulusbriefe, jedoch nur ein Manuskript der Offenbarung. In jedem Buch des Neuen Testaments verglich er drei Handschriften mit Ausnahme des letzten Buches - der Offenbarung. Leider war dieses Manuskript nicht vollständig, ihm fehlte das letzte Blatt. Auf diesem befanden sich die letzten sechs Verse des Buches. Anstatt die Veröffentlichung hinauszuzögern, um nach einem anderen Manuskript zu suchen, entschied er sich stattdessen zur Übersetzung der fehlenden Verse aus der lateinischen Vulgata ins griechische.[5]

Selbst an anderen Stellen der Offenbarung und auch anderen Büchern des Neuen Testaments fügte Erasmus manchmal eigene griechische Wörter aufgrund von Textmaterial aus der Vulgata ein. F. H. A. Scrivener bemerkte, dass er in Off 17,4 ein neues griechisches Wort erschaffen hat: ακαθαρτητος (anstelle von τα ακαθαρτα). Ein Wort wie ακαθαρτητος existiert in der griechischen Sprache nicht.[6] In Off 17,8 verwendete er καιπερ εστιν (und doch ist) anstelle von και παρεσται (und soll kommen). In Apg 9,6 ist die Frage, die Paulus während seiner Konversation auf der Straße nach Damaskus stellt, Τρέμων τε καὶ θαμβὣν εἲπεν κύριε τί μέ θέλεις ποιῆσαι ("Und zitternd und erstaunt sagte er, Herr, was willst du, dass ich tue?"), ebenfalls aus der Vulgata eingefügt worden.[7]

Die letzte Seite von Erasmus' Neuem Testament (Off 22,8-21)

Der Druck begann am 2. Oktober 1515 und wurde nach sehr kurzer Zeit beendet (1. März 1516). Er wurde in großer Eile mit einer Reihe typographischer Fehler durchgeführt und hatte einen ungewöhnlichen Titel:

„ Novum Instrumentum omne, diligenter ab Erasmo Rot. Recognitum et Emendatum, non solum ad Graecam veritatem verum etiam ad multorum utiusq; linguae codicum eorumq; veterum simul et emendatorum fidem, postremo ad probatissimorum autorum citationem, emendationem et interpretationem, praecipue, Origenis, Chrysostomi, Cyrilli, Vulgarij, Hieronymi, Cypriani, Ambrosij, hilaryj, Augustini, una cum annotatines, quae lectorem doceant, quid qua ratione mutatum sit.“

In diesem Titel bedeuten die Worte Novum Instrumentum ... Recognitum et Emendatum übersetzt Neues Testament ... überarbeitet und verbessert. Dies muss sich auf den lateinischen Text der Vulgata beziehen und nicht auf den griechischen Text, da zu dieser Zeit noch keine gedruckte Ausgabe des griechischen Neuten Testaments im Umlauf war. In seiner Widmung an Papst Leo X. sagt Erasmus:

„Ich habe wahrgenommen, dass die Lehre, die zu unserer Erlösung dient, in einer viel reineren und lebendigeren Form zu finden ist, wenn sie vom Brunnen-Kopf oder der tatsächlichen Quelle anstatt aus Teichen und Flüssen genommen wird. Und so habe ich das gesamte Neue Testament (wie sie es nennen) gegen den Standard des griechischen Originals überarbeitet... Ich habe einige Anmerkungen selbst beigetragen, in erster Linie um dem Leser die von mir vorgenommenen Änderungen zu zeigen und warum ich sie machte, und zweitens um Dinge zu entwirren und zu erklären, die vielleicht etwas kompliziert, unklar oder undurchsichtig sind.[8]

Es handelt sich um eine zweisprachige Ausgabe. In der linken Spalte befindet sich der griechische Text, während sich der lateinische Text in der rechten Spalte findet. Es ist klar, dass nicht der griechische Text das oberste Ziel dieser Ausgabe war, sondern der lateinische Text der Vulgata.

Zweite Ausgabe

Die Reaktionen auf die erste Ausgabe waren gemischt, doch innerhalb von 3 Jahren wurde eine zweite Ausgabe erstellt. Die zweite Ausgabe nutzt den bekannteren Term Testamentum anstelle von Instrumentum. In dieser Ausgabe (1519) verwandte Erasmus auch Minuskel 3 (vollständiges NT ohne Offenbarung; aus dem 12. Jahrhundert). Der Text wurde an über 400 Stellen verändert. In den meisten Fällen wurden typographische Fehler korrigiert, wenn auch nicht alle. Einige fehlerhafte Lesarten wurden dem Text hinzugefügt.

Diese zweite Ausgabe wurde die Grundlage für Martin Luthers deutsche Übersetzung der Bibel, die Lutherbibel.

Katholische Kirche

Auf dem Konzil von Trient wurden Erasmus Schriften auf den Index gesetzt, darunter auch diese Bibelausgabe.

„Nouum Testamentum cum duplici interpretatione D.[esiderius] Erasmi & Veteris interpretis. Harmonia item Euang. & Indice &c.“

Index Librorum Prohibitorum: 1599[9]

Die Verwendung dieses Buches, und damit das Verlassen der für authentisch erklärten Vulgata, konnte Grund genug sein, Übersetzungen zu verdammen.[10]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. P. S. Allen: The age of Erasmus. Russell & Russell, New York 1963, S. 144.
  2. "It appears that Froben, the printer of Basle, wished to anticipate the edition of the Greek Testament which was (as he heard) in preparation in Spain." Siehe: S. P. Tregelles: The Printed Text of the Greek New Testament, London 1854, S. 19. The same point of view represents: Rummel, Erasmus Annotations on the New Testament, S. 23.
  3. See: Bruce M. Metzger, Bart D. Ehrman, The Text of the New Testament: Its Transmission, Corruption and Restoration, Oxford University Press, 2005, S 142.
  4. W. W. Combs, Erasmus and the textus receptus, DBSJ 1 (Spring 1996), 45.
  5. Er benutzte eine veränderte Handschrift der Vulgata mit der Textvariante libro vitae anstelle von ligno vitae in Off 22,19.
  6. F. H. A. Scrivener, A plain Introduction to the Criticism of the New Testament, Cambridge 1894, Vol. 2, S. 184.
  7. Bruce M. Metzger, Bart D. Ehrman, The Text of the New Testament: Its Transmission, Corruption and Restoration, Oxford University Press, 2005, S. 145.
  8. "Epistle 384" in Collected Works of Erasmus. Vol. 3: Letters 222 to 223, 1516 (tr. R.A.B. Mynors and D.F.S. Thomson; annotated by James K. McConica; Toronto: University of Toronto Press, 1976).
  9. Testaments Index Librorum Prohibitorum - NOV. TEST., 1559
  10. Eberhard Zwink: Verwirrspiel um eine Bibel, Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, 1999

Literatur

Weblinks


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