Obergericht des Kantons Zürich

Obergericht des Kantons Zürich

Das Obergericht ist eines der vier obersten Gerichte des Kantons Zürich.[1] Es ist oberste ordentliche kantonale Instanz in Zivil- und Strafsachen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Mediationsverfassung von 1803 schuf ein letztinstanzliches Appellationsgericht für alle Zivil- und Strafverfahren, das jeweils aus 13 Mitgliedern des grossen Rates bestand.[2] Die Restaurationsverfassung von 1814 übernahm diese Ordnung, das Appellationsgericht wurde jedoch in Obergericht umbenannt.[3]

Mit der unter Einfluss der Julirevolution von 1830 verabschiedeten liberalen Verfassung von 1831 wurde im Kanton Zürich die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz eingeführt.[4] Aus heutiger Sicht wird denn auch dieses Datum als Geburtsstunde des Obergerichts betrachtet. Erster Gerichtspräsident war der radikal-liberale Politiker Friedrich Ludwig Keller.

Die elf Richter erhielten damals ein Jahressalär von je 1400 CHF.

Das Gericht war zunächst im Rathaus an der Limmat untergebracht. 1837 konnte es ins eigens für dessen Bedürfnisse errichtete Haus zwischen dem Obmannamt am Hirschengraben 15 und dem damaligen Theater an der Unteren Zäune. 1876 erfolgte der Umzug in das ausgebaute alte Casino.

Aufgrund des derzeit laufenden Umbaus des Obergerichtsgebäudes bezog das Gericht im Sommer 2008 ein Provisorium im Zürcher Seefeld und wird dort voraussichtlich während vier Jahren bleiben[5].

Bestand und Konstituierung

Die Mitglieder sowie die Ersatzmitglieder des Obergerichts werden durch den Kantonsrat gewählt.[6] Für die Wahl der Hälfte der Ersatzmitglieder steht dem Obergericht ein Vorschlagsrecht zu.[7] Die Amtszeit beträgt sechs Jahre. Zur Zeit teilen sich 37 Richterinnen und Richter die 35 Vollzeitäquivalente. Die Zahl der Ersatzrichter wurde vom Kantonsrat auf dreissig festgelegt.[8][9]

Präsident des Obergerichts ist seit 2008 der 1994 auf Antrag der FDP als Oberrichter gewählte Heinrich Andreas Müller.

Die Mitglieder des Obergerichts sind in der kantonalen Lohnstufe 29[10] eingeteilt und beziehen einen Lohn zwischen 243 992 CHF und 266 788 CHF.[11]

Das Gericht behandelt seine Geschäfte entweder als Gesamtbehörde oder in Kammern, das Handelsgericht zum Teil auch als Einzelgericht.[12]

Kompetenzen

Das Obergericht ist oberste kantonale Instanz in Zivil- und Strafsachen. Es ist Berufungs- und Beschwerdeinstanz gemäss ZPO, StPO und JStPO.[13] Das Obergericht entscheidet zudem Rechtsmittel gegen familienrechtliche Entscheide der Bezirksräte und des Einzelgerichts im Bereich der fürsorgerischen Freiheitsentziehung.

Dem Obergericht untersteht die gesamte Justizverwaltung, soweit sie nicht anderen Behörden vorbehalten ist.[14]

Die zwei Zivilkammern entscheiden hauptsächlich als Rechtsmittelinstanz über Berufungen und Beschwerden gegen Entscheide unterer Instanzen.[15][16]

Die I. und II. Strafkammer behandeln in erster Linie Berufungen gegen Urteile der Bezirksgerichte und der Einzelrichter.[17][15] Die III. Strafkammer behandelt in erster Linie Beschwerden gegen Entscheide und Verfahrenshandlungen der erstinstanzlichen Gerichte, der Staatsanwaltschaften, der Übertretungsstrafbehörden und der Polizei. Das Zwangsmassnahmengericht genehmigt unter anderem verdeckte Ermittlungen sowie die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs.[18]

Die Rekurskommission wird aus den fünf amtsältesten Mitgliedern des Obergerichts gebildet, welche weder Mitglieder noch Ersatzmitglieder der Verwaltungskommission sein dürfen. Die von der Verwaltungskommission gefassten erstinstanzlichen Beschlüsse können mit Rekurs an die Rekurskommission weitergezogen werden.

Dem Obergericht angegliedert ist das Handelsgericht.[19]

Weiter sind dem Obergericht die Kommission für die Prüfung der Anwaltskandidaten, die Kommission für die Prüfung der Notariatsprüfungskanditaten, die Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte im Kanton Zürich, die Prüfungskommission für die Wahlfähigkeitsprüfung der Betreibungsbeamten, die Bibliothekskommission, die Fachkommission für psychiatrische und psychologische Gutachten und die Fachgruppe Dolmetscherwesen unterstellt.

Weblinks

Literatur

  • Thomas Weibel; Obergericht des Kantons Zürich (Hrsg.): Friedrich Ludwig Keller und das Obergericht des Kantons Zürich. herausgegeben aus Anlass des Jubiläums 175 Jahre Obergericht des Kantons Zürich. Zürich 2006.
  • Robert Hauser: Die zürcherische Rechtspflege im Wandel, 1831-1981. im Auftrag des Obergerichts anlässlich seines 150jährigen Bestehens. In: Blätter für zürcherische Rechtsprechung. Band 80, Heft 9/10, Zürich 1981, S. 258-319.

Einzelnachweise

  1. Gemäss Art. 74Vorlage:Art./Wartung/ch-Suche der Verfassung des Kantons Zürich vom 27. Februar 2007 sind dies weiter das Kassationsgericht, das Verwaltungsgericht und das Sozialversicherungsgericht.
  2. § 8 Verfassung des Cantons Zürich vom 19. Februar 1803.
  3. § 40 ff. Staatsverfassung für den eidgenössischen Stand Zürich vom 11. Juni 1814.
  4. Vgl. § 61 ff Staatsverfassung für den eidgenössischen Stand Zürich vom 10. März 1831.
  5. Neue Zürcher Zeitung vom 20. Juli 2008, Nr. 166, S. 44.
  6. § 5 Gesetz über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess vom 10. Mai 2010 (GOG; LS 211.1) und Gesetz über die politischen Rechte vom 1. September 2003 (GPR; LS 161)
  7. § 35 GOG
  8. Beschluss des Kantonsrates über die Zahl der Mitglieder des Obergerichtes vom 10 März 2004 (LS 212.521).
  9. Personalbestand in der Amtsperiode 2007-2013.
  10. Vollzugsverordnung zum Personalgesetz vom 19. Mai 1999 (LS 177.11).
  11. Beschluss des Kantonsrates über die Festsetzung der Besoldungen der Mitglieder des Obergerichtes vom 22. April 1991 (LS 212.53).
  12. § 45 GOG
  13. § 48 und 49 GOG
  14. § 76 Abs. 1 GOG
  15. a b Geschäftsverteilung unter den Kammern.
  16. § 48 GOG
  17. § 49 GOG
  18. § 47 GOG
  19. § 38 GOG

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