Abscisinsäure

Abscisinsäure
Strukturformel
Struktur von Abscisinsäure
Allgemeines
Name Abscisinsäure
Andere Namen
  • IUPAC: (S)-5-(1-Hydroxy-2,6,6-trimethyl- 4-oxo-cyclohex-2-en-1-yl)-3-methyl
    -cis,trans-penta-2,4-diensäure
  • Abszisinsäure
  • Dormin
  • ABA
Summenformel C15H20O4
CAS-Nummer 14375-45-2
PubChem 7251167
Kurzbeschreibung

gelblicher Feststoff[1]

Eigenschaften
Molare Masse 264,32 g·mol−1
Schmelzpunkt

186 °C[1]

Löslichkeit

schlecht in Methanol (50 g·l−1 bei 20 °C)[1]

Sicherheitshinweise
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [1]
keine Gefahrensymbole
R- und S-Sätze R: keine R-Sätze
S: keine S-Sätze
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

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Abscisinsäure oder Abszisinsäure (veraltet Dormin) ist ein Phytohormon (Pflanzenhormon) mit allgemein hemmender Wirkung. Chemisch zählt sie zu den monocyclischen Sesquiterpenen. International gebräuchlich ist die Abkürzung ABA von engl. abscisic acid.

ABA kommt vor in höheren Pflanzen, Laubmoosen, Algen, Pilzen und Cyanobakterien. Jedoch nicht in anderen Bakterien, Archaeen und Lebermoosen.

Inhaltsverzeichnis

Struktur

Im Gegensatz zu den meisten anderen Phytohormonen handelt es sich bei Abscisinsäure um einen Einzelstoff und nicht um eine Stoffgruppe. Von der Struktur her ist ABA ein monocyclisches Sesquiterpen. Die Biosynthese erfolgt jedoch aus dem Spaltprodukt eines Tetraterpens (siehe unten).

Eigenschaften

Abscisinsäure bildet farblose Kristalle, die in organischen Lösungsmitteln gut und in Wasser schlecht löslich sind. Abscisinsäure ist sehr lichtempfindlich. Durch Lichteinwirkung erfolgt eine photochemische Umlagerung zum physiologisch unwirksamen trans-Isomer.

Biosynthese

Die pflanzliche Biosynthese findet vor allem in Blättern als allgemeine Stressantwort (vor allem bei Trockenstress) statt. Als Signal zur Synthese dient meist ein Abfall des zellulären Turgors. Die Synthese folgt im allgemeinen der anderer Tetraterpene aus Isopentenylpyrophosphat (IPP) das über den Methylerythritolphosphatweg (MEP-Weg) in den Chloroplasten der Blätter gebildet wird. Zwischenprodukt sind die bei der Terpensynthese entstehenden Xanthophylle Zeaxanthin und Violaxanthin. Aus ihnen wird im Zytoplasma durch Spaltung und Oxidation ABA gebildet.

Die Inaktivierung der Abscisinsäure erfolgt durch oxidativen Abbau zu Phaseinsäure und Dihydro-Phaseinsäure. Neben freier Abscisinsäure finden sich im Pflanzengewebe auch deren Glukoseester und das O-Glukosid. Diese Konjugate der Abscisinsäure werden als inaktive Transport- und Speicherformen angesehen. Transportiert wird ABA im Leitgewebe größtenteils durch das Phloem von den Blättern zur Wurzel, geringe Mengen auch umgekehrt im Xylem von der Wurzel in den Spross.

Entdeckungsgeschichte

Der Name Abscisinsäure beruht darauf, dass die Säure (erstmals als Faktor Abscisin II beschrieben) in hohen Konzentrationen in abgeworfenen Baumwollblättern gefunden wurde. Bei Applikation auf Blatt- und Fruchstiele bewirkt sie auch tatsächlich deren Abwurf (Abscission). Diese Wirkung ist jedoch auf wenige Pflanzen beschränkt und wird auch nicht direkt von der Abscisinsäure hervorgerufen, sondern durch eine von ihr hervorgerufene Ethylenfreisetzung. Unabhängig davon wurde sie auch als der Dormanz auslösende Faktor Dormin beschrieben, bis sich durch chemische Analyse herausstellte, dass es sich bei Abscisin II und Dormin um dieselbe Substanz handelte. Der Name Abscisin setzte sich jedoch durch, obwohl Dormin funktionell passender gewesen wäre.

Wirkungen

Abscisinsäure wirkt allgemein antagonistisch zu anderen wachstumsfördernden Phytohormonen und ist dadurch ein natürlicher Wachstumsinhibitor. Zusammen mit den wachstumsfördernden Auxinen, Gibberellinen und Cytokininen reguliert Abscisinsäure Alterungsprozesse, Laubfall, Blütenbildung, Fruchtreife, Samen- und Knospenruhe, die stomatäre Transpiration und andere Entwicklungsprozesse der Pflanze.

Allgemeine Wirkungen

Die beiden primären Wirkungen der Abscisinsäure lassen sich in zwei Gruppen aufteilen:

Auslösung und Aufrechterhaltung der Dormanz pflanzlicher Organe

  • Samenruhe: ABA wird während der späten Embryogenese im Embryo gebildet. Sie verhindert die sofortige Keimung auf der Mutterpflanze (Viviparie) und induziert die Bildung von Speicherproteinen und Dehydrinen (vor allem LEA-Proteine) zum Schutz vor osmotischem Stress. Als Antagonist wirken Gibberelline (GAs) und führen nach Stratifikation zur Keimung, wobei ausschlaggebend das Verhältnis von ABA zu GA ist (ähnlich wie bei Differenzierungsprozessen das Auxin/Cytokinin-Verhältnis).
  • Knospenruhe: ABA induziert auch die Knospenruhe der neuen Triebe von Laubbäumen im Winter. Als Antagonist wirken auch hier Gibberelline welche nach Vernalisation im Frühjahr das Schossen auslösen.

Reaktionen auf biotischen und abiotischen Stress

  • osmotischer Stress (Trockenstress, Hitzestress, Salzstress): Einschränkung der Transpiration (ABA induziert über Ionenflüsse den Schluss der Stomata, so dass weniger Wasser verdunstet) und Einschränkung der Fotosynthese. Das Phytohormon ABA induziert dabei auf molekularer Ebene das Öffnen von Anionenkanälen, wodurch Anionen aus der Schließzelle austreten. Dadurch wird das Membranpotential positiver (Depolarisation), wodurch sich wiederum Kalium-Abgabekanäle öffnen und K+-Ionen aus der Zelle in den Apoplasten strömen. Das Wasser aus der Zelle strömt in den Apoplasten nach, der Turgor in den Schließzellen nimmt ab und die Stomata schließen sich .
  • Kältestress: bewirkt Knospenruhe (verlangsamt Knospenwachstum, bildet schützende Schuppen) und Einstellung des primären und sekundären Dickenwachstums (Hemmung der Zellteilung im Kambium)
  • Pflanzenpathogene

Signaltransduktion

Kurzfristige physiologische Anspassungen

  • Stomataschluss:

Bei Wasserstress steigt der pH-Wert im Apoplasten des Mesophyll von ca. 6,3 auf ca. 7,2. Dadurch dissoziiert Abscisinsäure unter Abspaltung eines Protons zu ihrem Anion. Durch seine negative Ladung kann das ABA-Ion wesentlich schlechter durch Zellmembranen diffundieren und wird somit weniger von den Mesophyllzellen aufgenommen. Statt dessen bindet es vermehrt an einen G-Protein-gekoppelten Rezeptor in der Zellmembran der Schließzellen der Spaltöffnungen. Dies führt einerseits zur kurzfristigen Öffnung zellulärer Calcium-Kanäle und Depolarisierung durch Einstrom von Ca2+ in die Zelle. Andererseits aktiviert das G-Protein die Phospholipase C, und damit die Freisetzung von Inositoltrisphosphat (IP3), was wiederum zur Freisetzung von intrazellulär in der Vakuole und den Endoplasmatischen Retikulums gespeichertem Calcium ins Cytoplasma führt. Durch beide Effekte steigt der cytoplasmatische Ca2+-Spiegel und damit die positive Ladung der Zelle. Ca2+ wirkt in Pflanzenzellen als Second messenger. Es hemmt Protonenpumpen in der Zellmembran (H+-ATPasen, die normalerweise H+ aktiv aus der Zelle pumpen) und weitere Depolarisierung durch die Öffnung anderer Ionenkanäle. Cl- und K+ und eventuell Malat2- strömen aus. Osmotisch gekoppelt strömt auch Wasser aus. Damit sinkt der Turgor in den Schließzellen, so dass diese schließen.

Längerfristige Differenzierung

  • Veränderte Genexpression:

Die intrazelluläre Signaltransduktion von ABA und die Genaktivierung ist noch weitgehend unbekannt. Relativ gut untersucht ist das EM-Gen des Weizens, das neben anderen regulatorischen Sequenzen ein ABA-Responsive-Element (ABRE) enthält. Zu den langfristigen Wirkungen von ABA in der Pflanze zählt eine Erhöhung der hydraulischen Leitfähigkeit der Wurzeln, und ein verstärktes Wurzelwachstum, während das sonstige Wachstum (im Spross, Knospen, Blättern) gehemmt wird. Im Keimling induziert ABA wie oben erwähnt die Bildung bzw. Einlagerung von Speicherstoffen und Dehydrinen.

Im Protonema der Laubmoose induziert ABA sehr spezifisch die Umwandlung photosynthetisch aktiver Zellen zu vegetativen Dauersporen, den sogenannten Brachycyten.[2] Abscisinsäure hat ein breites Wirkungsspektrum, dessen Wirkungsmechanismus noch ungeklärt ist. Der Gehalt an Abscisinsäure ist vom Pflanzenorgan und seinem Entwicklungszustand abhängig, beträgt aber im Durchschnitt etwa 100 µg je kg Frischmasse.

Literatur

  • Friedrich Kauder: Biochemische Reaktionen des pflanzlichen Stoffwechsels auf Abscisinsäure und Änderungen der atmosphärischen CO2-Konzentration. Cuvillier, Göttingen 1998, ISBN 3-89712-435-1.
  • Laura B. Sheard, Ning Zheng: Plant biology: Signal advance for abscisic acid. In: Nature. 462, Nr. 7273, Dezember 2009, S. 575–576. doi:10.1038/462575a. PMID 19956245.
  • Mitsunori Seo, Tomokazu Koshiba: Complex regulation of ABA biosynthesis in plants. In: Trends Plant Science. 7, 1, 2002, S. 41–48, Review auf sciencedirect.com.
  • Eiji Nambara, Annie Marion-Poll: Abscisic acid biosynthesis and catabolism. In: Annual Review of Plant Biology. 56, 2005, S. 165–185, Review auf annualreviews.org.
  • B. V. Milborrow: The pathway of biosynthesis of abscisic acid in vascular plants: a review of the present state of knowledge of ABA biosynthesis. In: Journal of Experimental Botany. 52, 359, 2001, S. 1145–1164, Online auf oxfordjournals.org.
  • Dieter Heß: Pflanzenphysiologie. Grundlagen der Physiologie und Biotechnologie der Pflanzen. 11. komplett neu bearbeitete und neu gestaltete Auflage. Ulmer, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8001-2885-3 (UTB – Botanik, Biologie, Agrarwissenschaften 8393).
  • Andreas Bresinsky, Christian Körner, Joachim W. Kadereit, Gunther Neuhaus, Uwe Sonnewald: Strasburger – Lehrbuch der Botanik. 36. Auflage. Spektrum, Heidelberg 2008, ISBN 978-3-8274-1455-7.

Einzelnachweise

  1. a b c d Datenblatt Abscisinsäure bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 12. Juni 2011.
  2. Decker EL, Frank W, Sarnighausen E, Reski R: Moss systems biology en route: phytohormones in Physcomitrella development. (PDF) In: Plant Biol (Stuttg). 8, Nr. 3, Mai 2006, S. 397–405. doi:10.1055/s-2006-923952. PMID 16807833.

Weblinks


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