Paul Schall

Paul Schall
Paul Schall

Paul Schall (* 1898; † 1981) war ein autonomistischer elsässischer Politiker und Journalist.

Inhaltsverzeichnis

1919-1939: Der elsässische Autonomist

Der ausgebildete technische Zeichner interessierte sich schon früh für den Journalismus. Er wurde zunächst 1918 Redakteur und Karikaturist der politisch-satirischen Wochenschrift D´r Schliffstaan (Der Schleifstein)[1] und dann 1925 Chefredakteur der Zukunft, dem Presseorgan des Elsaß-Lothringischen Heimatbundes. In dem bis zu seinem Verbot 1927 erscheinenden Blatt beanspruchte Schall für die Bewohner von Elsass und Lothringen den Status einer nationalen Minderheit innerhalb der Dritten Französischen Republik, deren religiöse, sprachliche, kulturelle und letztlich auch politischen Besonderheiten von der französischen Zentralregierung zu respektieren seien.

Zusammen mit Hermann Bickler nahm Schall am 11. September 1927 am ersten Kongress der rechtsgerichteten autonomistischen Gruppe Breiz Atao (Bretagne für immer) in Rosporden teil. Auf seine Initiative hin wurde dort am 12. September 1927 ein «Comité des minorités nationales de France» (Komitee der Minderheitenvölker Frankreichs) gegründet, das katalanische, bretonische, flämische und korsische Autonomisten in Frankreich dazu aufrief, „Separatisten“ zu werden und sich von Frankreich zu lösen. Am 25. September gründete Schall zusammen mit Karl Roos und René Hauss die Unabhängige Landespartei für Elsaß-Lothringen (ULP), die ein weitgefaßtes Selbstbestimmungsrecht für Elsaß-Lothringen forderte. Nachdem am 12. November zunächst die Zukunft verboten wurde, wurde Schall am 24. Dezember 1927 zusammen mit 23 anderen Autonomisten verhaftet und im Autonomistenprozess von Colmar wegen Verschwörung gegen die Staatssicherheit (atteinte à la sûreté de l'Etat) zu 1 Jahr Gefängnis und 5 Jahren Aufenthaltsverbot im Elsass verurteilt[2]. Das Urteil wurde 1931 durch Generalamnestie für alle in Colmar verurteilten Autonomisten aufgehoben. Zwischen 1928 und 1931 war Schall einer der Wortführer der Unabhängigen Landespartei. Er wurde jedoch in den folgenden Jahren zunächst durch Karl Roos und später durch Hermann Bickler aus dieser führenden Position verdrängt.

1939 wurde Schall verhaftet, zunächst als einer der Nanziger in Nancy inhaftiert, später nach Südfrankreich verlegt und 1940 von deutschen Truppen wieder befreit.

1940-1945: Der Kollaborateur

Ins Elsass zurückgekehrt, unterzeichnete Schall das Manifest von Drei-Ähren (Manifest des Trois-Épis). Er trat in die NSDAP ein und wurde zum stellvertretenden Chefredakteur der Strassburger Neueste Nachrichten und zum Kreisleiter von Molsheim ernannt. 1942 wurde Schall Nachfolger Hermann Bicklers als Kreisleiter von Straßburg. Anlässlich einer Rede am 14. Februar 1943 behauptete er, bereits in den dreißiger Jahren an nationalsozialistischen Versammlungen in Kehl, Offenburg und Freiburg teilgenommen und damals auch Adolf Hitler getroffen zu haben. Er unterstützte bis zuletzt die Politik des Gauleiters Robert Wagner und richtete noch 1945 von einer Rundfunkstation in Hessen aus tägliche Appelle an die elsässische Bevölkerung.[3]

Nach 1945: Exil in Deutschland

Am 4. September 1947 wurde Schall von einem französischen Gericht (neben Hermann Bickler, Friedrich Spieser und einigen anderen) wegen Staatsverrat in Abwesenheit zum Tode verurteilt.[4] Er war nach Württemberg geflohen und erhielt schließlich 1956 die deutsche Staatsangehörigkeit. Bis 1970 war er Chefredakteur der Zeitschrift Der Westen.[5] 1981 verstarb Paul Schall.

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Ende der Demokratie? : eine zeitgemäße Untersuchung. Strasbourg, Neuer Elsässer Verlag [ohne Jahresangabe, ca. 1935]
  • Gegen Reaktion und Bolschewismus : Die 10 Punkte des Autonomischen Delegiertentags vom 29. November 1936 und die Rede von Redakteur Paul Schall zur politischen Lage. Strasbourg 1936
  • Der Elsässer-Front entgegen. Strasbourg, Verlag der Elz 1937
  • Vom elsässischen Hilfsdienst zur NSDAP, 1941
  • Karl Roos und der Kampf des heimattreuen Elsaß. Colmar, Alsatia Verlag 1941
  • Zwei Jahre nationalsozialistischer Aufbau im Elsaß. [Strasbourg], [Oberrhein. Gauverlag], [env. 1942]
  • Elsaß: gestern, heute, morgen ? Filderstadt-Bernhausen, Gesellschaft der Freunde und Förderer der Erwin-von-Steinbach-Stiftung 1976
  • Geschichte des Elsaß in Kurzfassung. Frankfurt/M., Erwin-von-Steinbach-Stiftung 1978

In der Sowjetischen Besatzungszone wurden Ende der Demokratie?, Der Elsässer-Front entgegen und Karl Roos und der Kampf des heimattreuen Elsaß im Jahr 1946 auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[6]

Literatur

  • Lothar Kettenacker: Nationalsozialistische Volkstumspolitik im Elsaß. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1973 (Studien zur Zeitgeschichte. Herausgegeben vom Institut für Zeitgeschichte), ISBN 3-421-01621-6
  • Karl-Heinz Rothenberger: Die elsass-lothringische Heimat- und Autonomiebewegung zwischen den beiden Weltkriegen. Peter Lang, Frankfurt a. Main 1976 (Europäische Hochschulschriften. Band 42), ISBN 3-261-01485-7 (Rothenberger nennt als Quellen für seine Arbeit mündliche und schriftliche Befragungen u.a. Paul Schalls, Robert Ernsts und Friedrich Spiesers an und gibt an etlichen Stellen deren Sichtweise des Geschehens wieder.)
  • Philip Charles Farwell Bankwitz: Alsatian autonomist leaders 1919—1947. The Regents Press of Kansas, Lawrence 1978, ISBN 0-7006-0160-0
  • Kurt Hochstuhl: Zwischen Frieden und Krieg: Das Elsaß in den Jahren 1938–1940. Ein Beitrag zu den Problemen einer Grenzregion in Krisenzeiten. Peter Lang, Frankfurt a. Main 1984, ISBN 3-8204-8254-7 (Europäische Hochschulschriften. Band 250)

Weblinks

Anmerkungen

  1. Auf Grund einer Veröffentlichung in diesem Blatt wurde Schall 1918 durch ein Straßburger Gericht wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses (outrages aux bonnes moeurs) verurteilt. Er selbst schätzte seine Darstellung als politische Satire ein. Bankwitz a.a.O., S. 16.
  2. Rothenberger a.a.O., S.133, S.158-162; Bankwitz a.a.O., S. 28
  3. Kettenacker a.a.O., S. 287; Kettenacker a.a.O., S. 315, Anmerkung 72.
  4. Bankwitz a.a.O., S. 104 und 111.
  5. Der Westen. Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft Der Westen, bestehend aus der Gesellschaft der Freunde und Foerderer der Erwin-von-Steinbach-Stiftung (hervorgegangen aus dem Bund der Elsaesser und Lothringer e.V. und dem Bund Vertriebener aus Elsass-Lothringen und den Weststaaten e.V.) sowie der Erwin-von-Steinbach-Stiftung. Erscheinungsort Bretten 1951f. ISSN 0179-6100.
  6. Datenbank Schrift und Bild 1900-1960

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