Absolute Malerei

Absolute Malerei

Abstrakte Malerei (von lat. abstrahere: abziehen, trennen) oder Absolute Malerei (vgl. Abstrakte Kunst) ist ein Sammelbegriff für verschiedene Strömungen der gegenständlichen Malerei der Moderne. Durch die starke Betonung der Abstraktion tritt der Abbildungscharakter Abstrakter Malerei, im Gegensatz zu Realismus (Kunst) und Naturalismus (Kunst), in den Hintergrund.

Inhaltsverzeichnis

Abstraktionsgrad

Ein abstraktes Bild kann Dingliches in Ansätzen und in stark abgewandelter Form noch erkennen lassen oder auch völlig aus Formen und Farben bestehen, ohne real existierende Gegenstände wiedererkennbar abzubilden. Der Begriff ist aus Sicht der Kunstwissenschaft und Kunstkritik umstritten, weil jede Form der Malerei ein Abstrahieren von der Natur ist, insofern jeder Künstler - vielleicht mit Ausnahme des Fotorealisten - auch bei gegenständlichen Motiven bestimmte Details auswählt und hervorhebt, andere dagegen vernachlässigt oder gar nicht berücksichtigt, somit bereits "abstrahiert". Es lassen sich dennoch verschiedene Grade der Abstraktion unterscheiden.

Die Ursprünge der abstrakten Malerei um 1910

Kasimir Malewitsch - Schwarzes Quadrat, 1915

Abstrakte Malerei erfuhr von Anfang an neben begeisterter Aufnahme und Verteidigung auch polemische und ernsthafte Kritik. Selbst bedeutende Künstler und Kunsthistoriker standen ihr kritisch gegenüber. Der Weg in die Ungegenständlichkeit erscheint dennoch als eine notwendige Entwicklung innerhalb einer allgemeinen Tendenz der Kunst der Moderne zur Abstraktion, insbesondere aber als eine Konsequenz aus Einflüssen des Neoimpressionismus, Fauvismus, des Expressionismus und des Kubismus. Die Ursprünge der abstrakten Malerei liegen in der Zeit um 1910. Wassily Kandinsky (1866-1944) und Robert Delaunay (1885-1941) zählen zu den maßgeblichen Begründern abstrakter Malerei. Wichtig im Kontext ist die etwa zeitgleiche Entstehung der atonalen Musik Arnold Schönbergs. Eines der wohl radikalsten und kontroversesten Werke der abstrakten Malerei ist das legendäre Schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch, das im Jahr 1915 erstmals ausgestellt wurde.

Zur Zeit der Entstehung der abstrakten Malerei gab es keine bestimmte Gruppierung von Künstlern, die sich allein einer neuen Richtung in der Malerei verschrieben hatte. Die ungegenständlich arbeitenden Maler gehörten verschiedenen, lange mehr oder weniger unabhängig wirkenden Strömungen an, wobei sich das abstrakte Prinzip allerdings ab 1910 rasch in Europa verbreitete. Im Jahr 1913 kann man bereits von einer "Mode" sprechen. Heute ist die abstrakte Malerei integraler Bestandteil der Kunst der Moderne.

Erweiterung des Begriffs

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der Abstraktions-Begriff in Bezug auf die Bildende Kunst immer mehr erweitert. Abstrakte Malerei konnte schließlich jede beliebige Form einer vereinfachenden, die Natureindrücke reduzierenden Darstellung bezeichnen. Auch innerhalb der Kunst der Naturvölker wurden abstrakte Tendenzen entdeckt. Gegen die Auffassung, dass die abstrakte Kunst eine zeitlose, universale, aus einem bestimmten "Kunstwollen" hervorgegangene Kunstbewegung sei, wird vorgebracht, dass es auch ganz andere Zusammenhänge und Einflüsse gebe, die zu ihrer Entstehung führten. So ist die abstrakte Malerei im engeren Sinn ohne den Hintergrund der Säkularisierung des Kunstwerks bzw. ohne die Vorstellung vom "autonomen Kunstwerk" (Adorno) in der Moderne unverständlich.

Unterschiedliche abstrakte Tendenzen in der Malerei

Die abstrakte Malerei zerfiel nach ihrer Entstehung rasch in eine Reihe von Stilen. Ihre stilübergreifende Einteilung in eine expressive Abstraktion (Kandinsky) und eine geometrische Abstraktion (Malewitsch, Theo van Doesburg, Piet Mondrian) bzw. in eine lyrische und eine konstruktiv-geometrische Richtung hat wesentlich äußerliche Merkmale im Auge, weniger methodische Unterschiede. Sogar im Surrealismus kamen abstrakte Prinzipien zur Anwendung (vgl. Automatismus). Bekanntester Vertreter des später so benannten abstrakten Expressionismus bzw. des Action Painting wird der Amerikaner Jackson Pollock; bahnbrechend waren hier jedoch andere Maler, so der französische Surrealist André Masson.

Sonderfälle

Eine Reihe interessanter Probleme ins Spiel bringen die Sonderfälle der von Tieren (z.B. Schimpansen) angefertigten abstrakten Malereien sowie die Bilder von Kindern und so genannter "Geisteskranker". Deren abstrakte Ausdrucksformen werkartigen Charakters wurden auf der einen Seite von manchen Kritikern in den Status einer unverfälschten Ursprünglichkeit künstlerischen Schaffens erhoben, auf der anderen Seite als nicht dem Bereich der Kunst zugehörig eingestuft.

Ein Bild von Congo

Anekdotisch ist in diesem Zusammenhang von Interesse, dass der 1954 geborene Schimpanse Congo abstrakte Bilder malte, von denen einige in London in einer Kunstausstellung präsentiert wurden und von Kunstkennern zu hochrangigen Werken der abstrakten Kunst erklärt wurden. Nachdem bekannt wurde, dass es sich um Produktionen eines Schimpansen handelte, kam es zu hitzigen Diskussionen über die Kunstwürdigkeit solcher Arbeiten. Jahre später, als die "jungen wilden" Maler in Deutschland Furore gemacht hatten, kam es im Rahmen einer "Verstehen-Sie-Spaß"-Sendung erneut zur Ausstellung von Bildern, die Schimpansen produziert hatten und die unter dem ironischen Titel "Junge Wilde aus Afrika" einem Kunstpublikum präsentiert wurden, wobei ein eingeweihter Kunsthistoriker in die seriös wirkende Ausstellung einführte. Nachdem man die Ausstellungsbesucher über die wahren Absichten der Schau informiert hatte, reagierten einige von ihnen belustigt; andere, die sich für abstrakte afrikanische Kunst interessierten, waren empört. Die Mehrzahl der Fachleute ist heute der Auffassung, solche eher zufällig entstandenen Werke wegen mangelnder Intention und Qualität aus dem Kreis der Kunstwerke auszuschließen.

Abstrakte Tendenzen in der Kunstgeschichte vor 1910

Lange bevor im 20. Jahrhundert die abstrakte Malerei zur Kunstform erklärt wurde, entstanden Gemälde und Grafiken ohne erkennbaren Gegenstand. Hunderte von nichtgegenständlichen Bildern gibt es beispielsweise im Werk des englischen Malers William Turner, des französischen Dichters und Zeichners Victor Hugo sowie des französischen „SymbolistenGustave Moreau, [1] dessen Schüler Henri Matisse zu einem führenden Vertreter des Fauvismus wurde. Das Nachdenken über die Wirkung von Linien und Farben und das „Ausprobieren“ abstrakter formaler Darstellungsprinzipien fand jedoch vor 1900 fast ausschließlich im Atelier statt, und zwar in Form von Vorstudien zu den öffentlich präsentablen Werken. Hieraus wird deutlich, dass „die Errungenschaft der Avantgarde um 1912 nicht in der Erfindung der Abstraktion lag, sondern darin, dass diese zum Kunstwerk erklärt wurde.“ [2] Abstrakten Darstellungsprinzipien, die aber oft von Naturvorbildern ausgehen, unterliegt auch das Ornament, das als Design und Schmuckform seit der Antike existiert.

Die Abstraktion in verschiedenen Kunstbereichen

Der abstrakte Stil, der in der Malerei seinen Anfang nahm, wurde in der Folge auch in die Plastik und andere Kunstbereiche übernommen. Ausgehend von der abbildenden Malerei kam es auch mit dem Aufkommen der Fotografie zu Tendenzen, sich mehr mit dem Medium Malerei selbst, und mit den Ideen, den Strukturen und der Morphologie der Welt auseinanderzusetzen als mit ihren visuellen Oberflächen. In Malerei-Richtungen wie dem Kubismus, dem Pointilismus, dem Impressionismus oder dem Expressionismus finden sich erste abstrakte Tendenzen.

In den Jahren von 1931 bis 1937 war die Künstlervereinigung Abstraction-Création in Paris geistiges und organisatorisches Zentrum und Sammelpunkt für die Anliegen der Vertreter der Abstrakten Malerei. Die inhaltliche und öffentlichkeitswirksame Arbeit von „Abstraction-Création“ und ihre Ausstellungen trugen erheblich zur Steigerung der gesellschaftlichen Anerkennung der abstrakten Kunst bei. Nach dem 2. Weltkrieg entwickelten sich weitere Richtungen abstrakter Malerei mit unterschiedlichen Zielsetzungen, wie der abstrakte Expressionismus, Lyrische und Geometrische Abstraktion, der Tachismus, das Informel, das Action Painting und der Minimalismus. Im Laufe dieser gesamten Entwicklung veränderte sich auch der Begriff der Harmonie in der Malerei wesentlich.

Auf die abstrakte Malerei reagierte später u. a. die Konzeptkunst, die nicht mehr künstlerisch das abstrakte Wesen der Dinge abbildete, sondern mit den Dingen selber Netze von Bedeutungen und Kontexten spannt, und sich dabei z. B. auf das Arrangement von vorgefundenen Objekten als Rauminstallation oder auch auf reine Worte (Marcel Broodthaers) verlegte. Auch die Pop-Art stellte mit ihrer Hinwendung zu gegenständlichen Motiven aus der Alltagswelt eine Reaktion auf die abstrakte Malerei dar.

In der zeitgenössischen Malerei mischen sich oft Elemente abstrakter und darstellender Malerei. Im Comic (Manga) standen von jeher abstrakte Linien und Formen für Geschwindigkeit oder andere, abstrakte Phänomene. Abstrakte Bildelemente finden sich heute in den Massenmedien wie auch als Design auf Gebrauchsgegenständen.

In der Kritik

Die abstrakte Malerei hatte es von Anfang an schwer, vom Publikum, aber auch von der Kunstkritik verstanden zu werden. Bereits die Werke der Impressionisten mit ihren ersten abstrahierenden Tendenzen wurden von der Öffentlichkeit als unfertige Schmiererei einiger augenkranker Künstler verhöhnt [3].

Deshalb wundert es kaum, dass die abstrakte Malerei aufgrund ihrer Abweichung vom jeweils etablierten Kunstbegriff und durch ihren Verzicht auf die gegenständliche Abbildung beim breiten Publikum auf Unverständnis stieß. Häufig wurde behauptet, dass es sich bei ihr gar nicht um Kunst handle und weder künstlerische Begabung noch handwerkliches Können und Aufwand zu Ihrer Erstellung notwendig seien. Die oben erwähnten Beispiele von malenden Schimpansen wurden häufig von Kritikern abstrakter Malerei in polemischer Weise angeführt, denn Schimpansen sind nicht in der Lage, wie Menschen gegenständliche Bilder zu produzieren; sie können nur "abstrakt" malen.

Bekannte Künstler

Wassily Kandinsky oder Piet Mondrian waren Vorreiter der abstrakten Malerei. Bald folgten auf europäischer Ebene auch viele andere Maler. Robert Delaunay, Alberto Magnelli und Antoine Pevsner und Jean Bazaine blieben in ihrem Kunstschaffen der Abstraktion zeit ihres Lebens verpflichtet.

Zu den zur Zeit kommerziell höchst gehandelten abstrakten Künstlern gehören Jackson Pollock, von dem 2006 ein Gemälde für ca. 140 Mio. US$ privat verkauft wurde, und Mark Rothko, dessen Werk White Center auf einer Auktion von Sotheby's 72.8 Mio. US$ erzielte.[4]

Einige Vertreter der abstrakten Malerei

Verwandte Themen

Einzelnachweise

  1. Raphael Rosenberg, Max Hollein: Turner - Hugo – Moreau. Entdeckung der Abstraktion. Hirmer Verlag, 2007, ISBN 3-777-43755-7
  2. www.schirn-kunsthalle.de Begleittext zur Ausstellung Turner - Hugo – Moreau. Entdeckung der Abstraktion in der Schirn Kunsthalle Frankfurt, dump vom 5. Januar 2008
  3. Der Impressionismus: modern sehen, spontan malen
  4. www.diepresse.com Abstrakte Preise

Weblinks


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