Pulheimer Bach

Pulheimer Bach
Pulheimer Bach
Oberlauf: Glessener Bach
Gewässerkennzahl DE: 27373232
Lage Nordrhein-Westfalen, Deutschland
Flusssystem Rhein
Abfluss über Rhein → Nordsee
Quelle Unterhalb der Glessener Höhe am Osthang der Ville (Naturpark Rheinland)
50° 57′ 44,2″ N, 6° 44′ 26,6″ O50.9622777777786.740713888888993
Quellhöhe 93 m ü. NN[1]
Versickerung Bei der Pletschmühle sickert das Wasser zum Rhein
50.9959416666676.826322222222243

50° 59′ 45″ N, 6° 49′ 35″ O50.9959416666676.826322222222243
Mündungshöhe 43 m ü. NN[1]
Höhenunterschied 50 m
Länge 7,8 km[2]
Einzugsgebiet 17,735 km²[2]

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Der Pulheimer Bach, das Bachsystem um die Stadt Pulheim im Nordwesten von Köln, ist durch seine fast durchgehende Renaturierung im Rahmen des Aktionsplanes Regio Grün innerhalb der Regionale 2010 Köln/Bonn ein besonderes Beispiel für Umweltplanung und Naturschutz im Umkreis einer Großstadt.

Inhaltsverzeichnis

Bachlauf

Waldbrettspiel (Pararge aegeria tircis) Typischer Auenwald Schmetterling, August an der großen Laache beobachtet[3]

Der Bach entspringt unterhalb der Glessener Höhe am Osthang der Ville (Naturpark Rheinland) in etwa 100 m Höhe mit mehreren Quellen im Naturschutzgebiet Liebesallee beim Gut Neuhof, Bergheim-Glessen. Im Bereich Neuhof und Broichhof wird er in mehreren ehemaligen Mühlenteichen gestaut. Auf seinem kurzen Lauf über 8 km durchfließt oder berührt er die Pulheimer Stadtteile Sinthern, Geyen und die südlichen Teile des Zentralorts. Unmittelbar dahinter wird vor der Pletschmühle der Kölner Randkanal unterquert.[4] Schließlich versickert er süd-östlich von Orr am Rand der unteren Mittelterrasse in 45 m Höhe.[5] Dort befinden sich in der Weichsel-Kaltzeit akkumulierte Niederterrassen-Schotter einer alten Rheinschlinge und das Naturschutzgebiet (seit 1999) der Kleinen und Großen Laache. Übers Jahr gemittelt fließen an der Pletschmühle etwa 50 bis 60 Liter pro Sekunde, dies sind jährlich fast zwei Millionen m³ Wasser. Von dort sickert das Wasser zum Rhein hin. In etwa drei km Entfernung wird mit dem Wasserwerk Weiler ein Großteil des Trinkwassers für das nordwestliche Köln gewonnen. Das gesamte Einzugsgebiet des Baches mit seinen Gräben und Zuläufen beträgt 24 km.

Ehemalige Mühlenstandorte

Am Pulheimer Bach sind keine Wassermühlen mehr in Betrieb, die meisten wurden im 19. oder der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stillgelegt, die letzte um 1960.

  • Braunsfeldsmühle in Glessen beim Gut Neuhof (das Gut gehörte in der Mitte des 18. Jh. dem Grafen von Braunsfeld) mit zwei Mahlgängen und einem oberschlächtigen Wasserrad. Zwei von drei Mühlteichen sind noch vorhanden. Die Mühle wird 1312 zum ersten Mal erwähnt und war bis 1960 in Betrieb.
  • Abtsmühle 1250 m bachabwärts zwischen Glessen und Sintern an der Einmündung des Abtsmühlgrabens, oberschlächtig. Eine Mühle bestand hier bereits vor 1656, als der Abt der Abtei Brauweiler, der den nahegelegenen Hof erworben hatte, die Mühle erneuerte. Sie brannte 1886 nach einem Blitzeinschlag ab. Einige Mühlsteine sind noch beim Abtshof in der Nähe der Glessener Kirche zu sehen.
  • Olligsmühle, nur 500 m abwärts, kurz hinter der Mündung des ebenfalls renaturierten Keuschenbroichgrabens, um 1500 bis in die zweite Hälfte des 19. Jh., ein Schäl- und ein Ölgang, in ebenem Gelände, daher unterschlächtig. Das Mühlhaus ist noch vorhanden und wird als Wohnhaus genutzt, der Weiher ist jetzt Obstwiese. Die Mühlsteine des Kollerganges lehnen am Haus.
  • Sinterner Mühle, weitere 750 m abwärts, bestand mit zwei Mahlgängen etwa von 1500 bis 1930/40. Zuletzt wurde nur noch geschrotet. Sie stand an einem kleinen Geländeknick und war deshalb oberschlächtig. Der Teich wurde 1937/38 zu einem Freibad umgewandelt, das aber die Nazizeit nicht wesentlich überdauerte. Auf der Topographischen Karte mit Stand von 1958 ist es noch verzeichnet.
  • Geyener Mühle (Woltersmühle) von vor 962 bis etwa 1950, ein Mahlgang, im „Mühlengrund“ an einer Geländekante stehend, deshalb oberschlächtig. Die Urkunde vom 25. Dezember 962, die Erzbischof Bruno von Köln für das Kölner St. Cäcilienstift ausstellen ließ, nennt eine Mühle in Geyen. Ob sie am jetzigen Ort stand, ist noch nicht untersucht. Der Mühlenteich ist heute Sportplatz.
  • Pulheimer Mühle, 2,25 km abwärts am westlichen ehemaligen Rand Pulheims in ebenem Gelände gelegen und deshalb unterschlächtig. Einkünfte aus ihr wurden 1301 von Graf Walram von Jülich, Herr von Bergheim, dem St. Georg-Stift in Köln überschrieben als Wiedergutmachung einer von ihm zerstörten Mühle. Ein Straßenschild „Zur alten Wassermühle“ erinnert noch an diese 1930 aufgegebene Mühle.
  • Pletschmühle, 1500 m an der Geländekante, dem Prallhang der ehemaligen Rheinschlinge mit der Großen und Kleinen Laache, deshalb oberschlächtig mit einem Malgang und zwei Teichen. Sie bestand vom 13. Jh. bis 1930. Die Gebäude dienen nun als Reiterhof. Ursprünglich war die Mühle im Kirchenbesitz und wurde deshalb in der Franzosenzeit säkularisiert. Der Mühlenhof mit 110 Morgen Land wurde 1842 durch „Allerhöchste Kabinettsorder“ König Friedrich Wilhelms IV. zum landtagsfähigen Rittergut Haus Orr mit Kriegshof, Bayershof und Altenhof erhoben.[6]

Wasserburgen und Höfe

Junkerburg Geyen mit Brücke über den Graben zwischen Vor- und Hauptburg

Schon der Neuenhof nahe den Quellen, war ursprünglich von Wassergräben umgeben, von denen nur noch geringe Spuren im Gelände zu finden sind. Die besterhaltene Wasserburganlage am Bach ist die Junkersburg. Der Wassergraben reicht heute aber nur noch vom mittelalterlichen Rundturm bis zum Barockturm. Aber auch in Sinthern befindet sich eine ehemals wasserumschlossene Hofanlage. Der bereits seit 1028 zur 1024 gegründeten Abtei Brauweiler gehörende Fronhof zählt wegen seiner wehrhaften Anlage mit (nur teilweise erhaltenem) Wassergraben und burgähnlichem Eingangstor zu den sogenannten Hofesfesten.[7] Viele der mit den Mühlen verbundenen Höfe werden ebenfalls grabenbewehrt gewesen sein.

Renaturierung

Da der Pulheimer Bach für die Trinkwasserversorgung Kölns wichtig erscheint, waren Überlegungen erforderlich, die Wasserqualität des Baches zu erhöhen. Mit der Renaturierung von Bachabschnitten wurde bereits vor 2005 begonnen, wenn Baumaßnahmen am Bach dies möglich machten. Für größere Strecken war mehr Kapital und Initiative nötig. Der Unterhaltungsverband Pulheimer Bach stellte dazu am 12. Oktober 2006 den Antrag auf Förderung des Konzepts „Wasserachse Pulheimer Bach“ als A-Projekt im Rahmen der Aktion REGIOGRÜN der Regionale 2010. Dabei sollte das Projekt in den Nordwestlichen Grünzug vom alten Rhein zu den Neuen Energien auf der Villehöhe einbezogen werden. Das Naturschutzgebiet Große Laache und der Pulheimer See im Naherholungsgebiet Stöckheimer Höfe, das von den Städten Pulheim und Köln in den nächsten Jahren ausgebaut werden soll, liegen in diesem Grünzug am Ende des Baches. Der Bach sollte dabei, wo irgend möglich, renaturiert und als „Erlebnis- und Lehrpfad“ gestaltet werden. Nach Erreichen der A-Qualifikation im Juni 2007 konnte am 3. Dezember 2007 der erste Spatenstich zur Renaturierung des Bachlaufes erfolgen, der erste Abschnitt wurde im darauf folgenden Sommer fertiggestellt und durch den Pulheimer Bürger, den damaligen Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, eingeweiht. Der Förderbescheid für die Landesmittel über 154.891 € kam am 3. September 2008 durch den Regierungspräsidenten Hans Peter Lindlar und wurde entsprechend in der Grabenmeisterei des Verbandes gefeiert. Die Städte Bergheim und Pulheim teilen sich die an 200.000 € fehlende Summe. Der zweite Abschnitt wurde 2009 angegangen und der dritte Abschnitt Anfang Februar 2010. Dabei wurden die Betonrohre und Sohlen herausgerissen und durch ein Kiesbett ersetzt. Geländestufen und stufige Einmündungen bekamen eine Basalt-Unterlage als Energievernichter[8]. Die Ufer wurden durch Baumpflanzungen und geeignete Gehölze wie Schwarzerlen und Wasserpflanzen wie rote Pestwurz, Blaubinsen, Wasserlilien und Schilf begleitet und befestigt. Im Oktober 2009 wurden die ersten Edelkrebse in den Bach gesetzt. Es sind Überlegungen im Gange, auch die nicht renaturierbaren Abschnitte des Baches in den Stadtteilen als offenen Rinnen zu gestalten. Ende 2010 sollen 8 der 11 Abschnitte renaturiert sein.

Hochwasserschutz

Durch die Öffnung des Baches wird auch Platz für Starkregen-Hochwasser geschaffen. Es hat sich bereits vor Abschluss der Arbeiten gezeigt, dass der durch die Renaturierung zusätzlich gewonnene Stauraum von rund 7.000 m³ ein Gewinn zum Schutz der Ortslage Pulheim darstellt, bevor das Hochwasserrückhaltebecken Bendacker mit seinem Stauvolumen von 28.000 m³ in Anspruch genommen wird.

Kooperationen mit Wissenschaft und Schulen

Für die wissenschaftliche Begleitung des Projektes konnte das Geographische Institut der Universität zu Köln gewonnen werden. Federführend ist dabei der Privatdozent Dr. Reinhard Zeese aus Brühl. Nach entsprechenden Vorarbeiten wurde am 10. November 2008 im Geographischen Institut ein Patenschaftsvertrag zwischen den Beteiligten und der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät geschlossen.

Die Schulen (bis Juni 2011 acht) und fünf Kindergärten der anliegenden Ortsteile haben bereits jetzt Interesse mit Veranstaltungen wie Grünes Klassenzimmer sich mit der Bachnatur auseinander zu setzen. Dies sind zum Beispiel die Gemeinschaftsgrundschule Sinthern/Geyen, die für ihr Projekt 2009 und 2010 von der Vereinigung Deutscher Gewässerschutz in einem bundesweiten Schülerwettbewerb ausgezeichnet wurde [9], und die GGS Wolfhelmschule in Dansweiler, die Rochusschule Glessen, die Barbaraschule in Pulheim und das Geschwister-Scholl-Gymnasium Pulheim (Auszeichnung 2009)[10]. Auf der Messe Didacta 2010 in Köln war „Das Grüne Klassenzimmer Pulheimer Bach“ Thema einer Präsentation. Die Schulen haben sich zur Pädagogischen Achse der Anrainerschulen zusammengeschlossen und über nehmen ab 2011 jeweilige Bachpatenschaften.[11]

Erzählstationen

Das Erleben des Baches, seiner Geschichte und seiner Einbettung in Natur und Kultur werden gefördert durch vier Pavillons mit je sechs Informationstafeln an Ankerpunkten, von denen drei im Frühjahr 2011 erstellt sind: Glessen, GGS Sinthern/Geyen und an der Pletschmühle am Tor zum Alten Rhein. Von den geplanten etwa 30 durch Stelen gekennzeichneten Erzählstationen an bemerkenswerten Punkten der renaturierten Bachabschnitte sind 20 fertig. Die Stelen in den Ortslagen folgen nach Ostern. Hier kann man auf kleinen Info-Tafeln Wissenswertes und Historisches erfahren oder durch die Einwahl mit einer hier angegebenen Nummer von seinem Smartphone sich erzählen lassen. Für Experimente und Beobachtungen des Bachlebens wurden Lernstege über das Bachbett geschlagen.[12] [13]

Einzelnachweise

  1. a b Deutsche Grundkarte 1:5000
  2. a b Topographisches Informationsmanagement, Bezirksregierung Köln, Abteilung GEObasis NRW (Hinweise)
  3. Kölner Stadtanzeiger, Rhein-Erft, 30. August 2010
  4. Verlauf und Mühlenstandorte auf der historischen Topografischen Karte Frechen von 1893. Abgerufen am 29. Juli 2011.
  5. Kölner Randkanal, Verlaufsplan 1:25 000. Zweckverband Kölner Randkanal, abgerufen am 4. September 2010..
  6. nach Horst Engel, Website Bachverband
  7. Denkmalliste des Pulheimer Geschichtsvereins: Fronhof
  8. Maria Machnik: Auf dem Weg ins natürliche Bett, Kölner Stadtanzeiger, Rhein-Erft, vom 2. Februar 2010, S. 23, die dort Dr. Zeese zitiert. (online am 4. Februar 2010)
  9. Kölner Stadtanzeiger, Rhein-Erft, vom 13. Jan. 2011, S. 38
  10. KStA vom 22. Dez. 2009 online (Zugriff Jan. 2011)
  11. Frechener Wochenende, Rhein-Erft-Kreis, vom 29. Juni 2011
  12. Dennis Vlaminck: Rückkehr ins alte Bett, Kölner Stadtanzeiger , Rhein-Erft, vom 24. Juni 2010, S. 34
  13. Maria Machnik: Stelen erzählen Wissenswertes KStA R-E 23./24.April 2011, S. 45 Schlaue Stelen 22.4. online

Weblinks


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