Satz von Seifert und van Kampen

Satz von Seifert und van Kampen

Der Satz von Seifert und van Kampen (benannt nach Herbert Seifert und Egbert van Kampen) ist ein mathematischer Satz aus dem Gebiet der algebraischen Topologie. Er macht eine Aussage über die Struktur der Fundamentalgruppe eines topologischen Raumes X, indem man die Fundamentalgruppen zweier offener, wegzusammenhängender Unterräume U und V, welche X überdecken, betrachtet. So kann man die Fundamentalgruppe von komplizierten Räumen aus denjenigen einfacherer Räume berechnen.

Inhaltsverzeichnis

Die einfache Hälfte des Satzes

Es sei (X, * ) ein wegzusammenhängender punktierter Raum. Weiter sei (U_{\lambda })_{\lambda \in \Lambda } eine offene Überdeckung von X durch wegzusammenhängende Teilmengen, die alle den Punkt * enthalten und deren paarweise Schnitte jeweils auch wegzusammenhängend sind.

Für \lambda \in \Lambda sei f_{\lambda }:(U_{\lambda },*) \rightarrow (X,*) die Inklusion. Dann wird π1(X, * ) erzeugt von den Untergruppen \pi_{1}(f_{\lambda })(U_{\lambda },*),\lambda \in \Lambda.

Die Aussage ist also, dass die relativen Homotopieklassen in X von geschlossenen Wegen, die ganz in einem Uλ verlaufen, die Fundamentalgruppe von X erzeugen. Insbesondere ist X einfach zusammenhängend, wenn jedes Uλ diese Eigenschaft besitzt.

Der eigentliche Satz von Seifert und van Kampen

Es seien X ein wegzusammenhängender topologischer Raum, U_1 , U_2 \subseteq X offen und wegzusammenhängend, sodass X = U_1 
\cup U_2 gilt, und * \in U_3 := U_1 \cap U_2 . Auch U3 sei wegzusammenhängend. Zu den Inklusionen von U3 nach U1,U2 gehören (nicht notwendigerweise injektive) Homomorphismen

  v_i : \pi_1 (U_3 , *) \rightarrow \pi _1 (U_i , *), i = 1, 2.

Zu den Inklusionen von Uj nach X gehören Homomorphismen

u_j : \pi_1 (U_j , *) \rightarrow \pi_1 (X, *), 1 \leq j \leq 3.

Offensichtlich gilt hierbei u_3 = u_i \circ v_i , i = 1, 2. Es seien weiter H eine beliebige Gruppe, und p_j : \pi_1 (U_j , 
*) \rightarrow H Gruppenhomomorphismen mit der Eigenschaft

p_3 = p_i \circ v_i , i = 1, 2.

Dann gibt es einen eindeutig bestimmten Gruppenhomomorphismus p : \pi_1 (X, *) \rightarrow H, sodass

p_j= p \circ u_j, 1 \leq j \leq 3.

Also sagt der Satz von Seifert und van Kampen eine universelle Abbildungseigenschaft der ersten Fundamentalgruppe aus.

Kombinatorische Version

In der Sprache der kombinatorischen Gruppentheorie ist π1(X, * ) das amalgamierte Produkt von π1(U1, * ) und π1(U2, * ) über π1(U3, * ) via der Homomorphismen u1 und u2. Wenn diese drei Fundamentalgruppen folgende Präsentierungen haben:

\pi_1(U_1,*) = \langle \alpha_1,...,\alpha_k | r_1,...,r_l\rangle,
\pi_1(U_2,*) = \langle \beta_1,...,\beta_m | s_1,...,s_n\rangle und
\pi_1(U_3,*) = \langle \gamma_1,...,\gamma_p | t_1,...,t_q\rangle,

dann kann die Amalgamierung als

\pi_1(X,*) = \pi_1(U_1,*) \; *_{\pi_1(U_3,*)} \; \pi_1(U_2,*) =  \langle \alpha_1,...,\alpha_k, \beta_1,...,\beta_m | r_1,...,r_l, s_1,...,s_n, u_1(\gamma_1)=u_2(\gamma_1),...,u_1(\gamma_p)=u_2(\gamma_p)\rangle

präsentiert werden. Die Fundamentalgruppe von X ist also erzeugt von den Schleifen in den Teilräumen U1 und U2; als zusätzliche Relationen kommt nur hinzu, dass eine Schleife im Schnitt U3 unabhängig davon, ob man sie als Element von π1(U1, * ) oder von π1(U2, * ) auffasst, dasselbe Element repräsentiert.

Beispiel zum Hilfssatz

Man nehme die n-dimensionale Sphäre S^{n}, n \geq 2 und Q,P zwei verschiedene Punkte aus Sn. Dann sind U_1 := S^n \setminus \{P\} und U_2 := S^n \setminus \{Q\} wegzusammenhängend. Ihr Durchschnitt ist wegen n \geq 2 auch wegzusammenhängend.

Nun ist aber S^n \setminus \{P\}, mittels der stereographischen Projektion, homöomorph zu \mathbb{R}^n. Da \mathbb{R}^n kontrahierbar ist, gilt dies also auch für U1 und U2 und daher haben diese triviale Fundamentalgruppen. Dies ist nicht vom Fußpunkt abhängig. Daher ist auch π1(Sn) trivial.

Folgerungen

Wenn die Fundamentalgruppe π1(U3, * ) trivial ist, dann sagt der Satz von Seifert und van Kampen, dass π1(X, * ) das freie Produkt von π1(U1, * ) und π1(U2, * ) ist. Es wird von diesen Gruppen erzeugt und zwischen den Erzeugern gibt es keine Relationen, die nicht schon in π1(U1, * ) oder π1(U2, * ) gewesen wären. Insbesondere sind u1 und u2 injektiv.

Quellen

Siehe auch


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