Schopenhauer-Gesellschaft

Schopenhauer-Gesellschaft

Die Schopenhauer-Gesellschaft ist eine literarisch-philosophische Gesellschaft mit Sitz in Frankfurt am Main. Sie dient der Erforschung und Darstellung des Lebens, des Werkes und der Wirkung des deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer (1788-1860).

Geschichte

Gegründet wurde die Gesellschaft 1911 von Paul Deussen, Philosoph, Indologe und Herausgeber einer Schopenhauer-Ausgabe, in Kiel. Sie verfolgt drei Zwecke: der Gemeinschaft der Kenner und Anhänger der Lehre Schopenhauers eine institutionelles Form zu bieten, ein Archiv zu Leben und Werk Schopenhauers aufzubauen und die Herausgabe eines Jahrbuchs, das sich Schopenhauer und den von ihm aufgeworfenen philosophischen Fragestellungen widmet. Die Gesellschaft hatte schon zu Beginn mehrere hundert Mitglieder aus aller Welt, deren Zahl in den 1980er Jahren zeitweise auf mehr als 1000 stieg. Beim Aufbau des Archivs kooperiert die Gesellschaft seit 1921 eng mit der Frankfurter Universitätsbibliothek (als Nachfolgeinstitution der Frankfurter Stadtbibliothek), in der das Schopenhauer-Archiv heute seinen Sitz hat. Das Archiv verfügt über umfangreiche Bestände zu Schopenhauer, so insbesondere einer Sammlung von Porträts, Manuskripten von Schopenhauer, Dokumente zu seinem Leben und Gegenstände aus der privaten Lebenssphäre, Bücher aus seiner Bibliothek mit Randglossen, wichtige Objekte und Dokumente aus dem persönlichen und intellektuellen Umfeld Schopenhauers etc. (Der größte Teil von Schopenhauers Manuskripten zu seinen Werken, damit der Kern seines Nachlasses, liegt jedoch in der Staatsbibliothek Berlin.) – Von großer Bedeutung für die Gesellschaft ist die Herausgabe des Schopenhauer-Jahrbuchs, das seit 1912 mit nur kurzen zeitbedingten Unterbrechungen regelmäßig erschienen ist. Nach einer anfänglichen Phase inhaltlicher Orientierungssuche hat sich das Jahrbuch zum anerkannten Kompendium einer vor allem wissenschaftlich fundierten Auseinandersetzung und Interpretation Schopenhauers und seiner Denktradition entwickelt.

Zeitbedingt erlebte die Schopenhauer-Gesellschaft insbesondere in den ersten Jahrzehnten ihrer Existenz sehr wechselhafte Perioden. 1920 spaltete sich als Ableger einer völkisch ausgerichteten Schopenhauer-Interpretation die Neue Deutsche Schopenhauer-Gesellschaft ab, deren Aktivitäten aber nach kurzer Zeit bereits erlahmten. In einem internen Konflikt Anfang der Zwanzigerjahre wurde eine stärker wissenschaftlich basierte Ausrichtung der Gesellschaft gegenüber dem laienhaften Moment durchgesetzt. Ende der Zwanzigerjahre veranstaltete die Gesellschaft drei große internationale Kongresse: Europa und Indien (Dresden 1927), Philosophie und Religion (Frankfurt 1929) und Theorie und Wirklichkeit (Hamburg 1931). In der NS-Zeit hatte sie angesichts der wirtschaftlichen Situation und dem allgemeinen politischen Druck stark um ihr Überleben zu kämpfen, überstand die Zeit jedoch, ohne unzumutbare Zugeständnisse gegenüber dem Regime gemacht zu haben. Seit 1938 beteiligte sich die Gesellschaft an den Plänen der Stadt Frankfurt, im Sterbehaus Schopenhauers ein Schopenhauer-Museum einzurichten, doch kam es wegen des Krieges, der auch die Zerstörung des Schopenhauerhauses brachte, nicht zur Realisation. Nach dem Krieg setzte eine kontinuierliche Entwicklung ein, deren Hauptlinien eine weitere erfolgreiche Sammeltätigkeit für das Schopenhauer-Archiv, die Herausgabe des Jahrbuchs, die Veranstaltung von Tagungen, Kongressen, Vorträgen und Ausstellungen sowie eine umfangreiche Publikations- und Herausgebertätigkeit der führenden Mitglieder der Gesellschaft sind. Die Gesellschaft unterhält Sektionen in Indien, Brasilien, Italien, Polen und anderweitig.

Die bisherigen Präsidenten der Schopenhauer-Gesellschaft:

  • Paul Deussen 1911-1919
  • Leopold Wurzmann 1920-1924
  • Hans Zint 1924-1936
  • Arthur Hübscher 1936-1982
  • Wolfgang Schirmacher 1982-1984
  • Rudolf Malter 1984-1992
  • Heinz Gerd Ingenkamp 1992-2000
  • Matthias Kossler seit 2000

Literatur

  • Andreas Hansert: Schopenhauer im 20. Jahrhundert. Geschichte der Schopenhauer-Gesellschaft. Böhlau-Verlag, Wien/Köln/Weimar 2010, ISBN 978-3-205-78589-7.
  • Fabio Ciracì: In lotta per Schopenhauer. La “Schopenhauer-Gesellschaft” fra ricerca filosofica e manipolazione ideologica 1911-1948. Lecce (Italia) 2011, ISBN 978-88-8232-838-2.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Schopenhauer — Schopenhauer,   1) Arthur, Philosoph, * Danzig 22. 2. 1788, ✝ Frankfurt am Main 21. 9. 1860, Sohn von 2) und des Kaufmanns Heinrich Floris Schopenhauer (* 1747, ✝ 1805).    Leben und Werk   Vom Vater ursprünglich zum Kaufmann bestimmt, studierte… …   Universal-Lexikon

  • Schopenhauer — Arthur Schopenhauer 1859 Arthur Schopenhauer (* 22. Februar 1788 in Danzig; † 21. September 1860 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Philosoph, Autor und Hochschullehrer. Er vertrat als einer der ersten Philosophen des 19. Jahrhunderts die… …   Deutsch Wikipedia

  • Schopenhauer, Johanna — Schopenhauer, Johanna, eine Tochter des Danziger Senators Heinrich Trosina, und die älteste von 4 Schwestern, wurde zu Danzig im J. 1770 geb. und erwarb sich frühzeitig unter der Leitung einer trefflichen Mutter und bei der zweckmäßigsten… …   Damen Conversations Lexikon

  • Arthur Schopenhauer — Arthur Schopenhauer, 1859 Arthur Schopenhauer (* 22. Februar 1788 in Danzig; † 21. September 1860 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Philosoph, Autor und Hochschullehrer. Er war der Sohn der Schriftstellerin und Salonière Johanna… …   Deutsch Wikipedia

  • Arthur Schopenhauer — Pintura que retrata a Arthur Schopenhauer en 1859. Arthur Schopenhauer [ ʔatʰu:ɐ ʃo:pnhaʊɐ] (Danzig, 22 de febrero de 1788 Fráncfort del Meno, Alemania, 21 de septiembre de 1860) fue un filósofo …   Wikipedia Español

  • Deutsche Gesellschaft für Philosophie — Die Deutsche Gesellschaft für Philosophie (DGPhil) ist die Vereinigung der an Hochschulen und Schulen des deutschsprachigen Raums forschenden und lehrenden Philosophen sowie aller, die am deutschen philosophischen Geistesleben teilnehmen wollen.… …   Deutsch Wikipedia

  • Luise Adelaide Lavinia Schopenhauer — Luise Adelaide Lavinia Schopenhauer, bekannt als Adele Schopenhauer (* 12. Juli 1797 in Hamburg; † 25. August 1849 in Bonn), war eine deutsche Schriftstellerin, Schwester des Philosophen Arthur Schopenhauer und Tochter der Schriftstellerin… …   Deutsch Wikipedia

  • Adele Schopenhauer — in einem Porträt von A. von Sternberg aus dem Jahr 1841. Luise Adelaide Lavinia Schopenhauer, bekannt als Adele Schopenhauer (* 12. Juli 1797 in Hamburg; † 25. August 1849 in Bonn), war eine deutsche Schriftstellerin, Schwester des Philosophen… …   Deutsch Wikipedia

  • Adèle Schopenhauer — Portrait d Adèle Schopenhauer par A. von Sternberg en 1841. Adèle Schopenhauer (de son vrai nom Luise Adelaide Lavinia Schopenhauer) (née le 12 juillet 1797 à Hambourg, morte le 25 août 1849 à Bonn), était une écrivain… …   Wikipédia en Français

  • Mitleidsethik — Arthur Schopenhauer 1859 Arthur Schopenhauer (* 22. Februar 1788 in Danzig; † 21. September 1860 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Philosoph, Autor und Hochschullehrer. Er vertrat als einer der ersten Philosophen des 19. Jahrhunderts die… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”