Serge Voronoff

Serge Voronoff
Serge Voronoff (1920)

Serge Voronoff (russisch Сергей Абрамович Воронов, transkribiert Sergei Abramowitsch Woronow; * vor dem 10. Juli 1866 in der Nähe von Woronesch, Russland als Samuel Voronoff; † 3. September 1951 in Lausanne, Schweiz) war ein französischer Chirurg russischer Herkunft und ein Pionier auf dem Gebiet der Xenotransplantation.[1]

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Serge Voronoff wurde als Samuel Voronoff vor dem 10. Juli 1866 (dem Tag seiner Beschneidung in einer russischen Synagoge) geboren. Im Alter von 18 Jahren wanderte Voronoff nach Frankreich aus, um in Paris Medizin zu studieren. 1895 wurde er französischer Staatsbürger. Der spätere Nobelpreisträger Alexis Carrel war einer seiner Lehrer und ein späterer Freund. Von 1896 bis 1910 arbeitete Voronoff in Ägypten als Leibarzt am Hof der Khediven. Dort galt er als einer der Wegbereiter der modernen Medizin.[2] Er studierte unter anderem die Eunuchen des Hofes, die in ihrer Kindheit kastriert wurden. Er stellte dabei fest, dass die Kastration über das Sexuelle hinaus Auswirkungen auf das Skelett, die Muskulatur, das Nervensystem und die psychische Entwicklung hat. Diese Studien sollten sein späteres Werk stark beeinflussen.[3] Als er 1910 wieder nach Frankreich kam, beschäftigte sich Voronoff nach dem Vorbild Carrels mit Transplantationen. Zunächst transplantierte er Ovarien und Schilddrüse, während des Ersten Weltkriegs führte er auch Knochentransplantationen durch. Voronoff war sehr wohlhabend und gründete am renommierten Collège de France ein eigenes Forschungslabor, das er wie seine anderen Forschungsinstitutionen selbst finanzierte. Er begann, sich auf die Transplantation von Hoden zu spezialisieren. Voronoff war von den Erfolgen der Schilddrüsentransplantationen angetan und wollte mit Hodentransplantationen eine „unspezifische Revitalisierung“ erreichen.[4]

Voronoff führte über fünfhundert Hodentransplantationen bei Schafen, Ziegen und Bullen durch. Er übertrug die Hoden von Jungtieren auf alte Tiere. Er stellte dabei fest, dass die Vitalität der alten Tiere zunahm. In den 1920er Jahren arbeitete er dann mit Affenhoden-Implantaten. Durch die Ergebnisse der „Verjüngung“ bei verschiedenen Spezies ermutigt, implantierte er am 12. Juni 1920 erstmals in das Skrotum eines Patienten in Scheiben geschnittene Hoden eines Schimpansen. Die dünnen Scheiben sollten dabei die Vereinigung des Xenografts mit dem Gewebe des Patienten fördern. 1926 veröffentlichte er über seine Transplantationen und die dabei erzielten (vermeintlichen) Erfolge das Buch The Study of Old Age and my Method of Rejuvenation.[5] Bis in die 1930er Jahre führte Voronoff über 500 Transplantationen durch. Weltweit – vor allem in den Vereinigten Staaten, der Sowjetunion, Brasilien, Chile und Indien – ging die Zahl dieser Eingriffe in die Tausende. Der Bedarf an Schimpansen und Pavianen, deren Hoden für die Transplantationen verwendet wurden, konnte zeitweise kaum gedeckt werden. In England, wo zur damaligen Zeit Vivisektionen streng verboten waren, wurden die Hoden von Leichen transplantiert. In Österreich arbeitete Eugen Steinach an einer Variante von Vornoffs Transplantationen.[6] Voronoff baute in Menton ein spezielles Affenhaus. Später transplantierte er auch Affenovarien (erfolglos) Frauen, um die Menopause zu verhindern.[7][8] Beim 1923 in London stattfindenden International Congress of Surgeons mit über 700 Teilnehmern wurden Voronoffs Arbeiten zur „Verjüngung alter Männer“ gewürdigt.[9] Als sich die von Voronoff versprochenen Wirkungen bei den Patienten nicht einstellten – die kurzzeitig beobachteten Erfolge werden heute im Wesentlichen dem Placebo-Effekt zugesprochen – geriet Voronoffs Transplantationsmethode aus der Mode und weitgehend in Vergessenheit.[10][11] Als wenige Jahre später das Testosteron als die aktive Substanz der Hoden identifiziert wurde, keimte die Hoffnungen zur Revitalisierung und Verjüngung des Mannes wieder auf. Voronoff setzte darauf, dass die Entdeckung des Testosterons seine Theorien bestätigen würde. Die erhoffte Wirkung stellte sich aber nicht ein. Testosteron verlängerte nicht die Lebenserwartung der Versuchstiere. Durch die pleiotrope Wirkung des Testosterons ist eher das Gegenteil der Fall.[12]

Voronoff verlangte pro Eingriff die Summe von 100.000 Goldfranc.[13]

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • S. Voronoff: The sources of life. Band 202, Harvard College Library history of science project. Humphries, 1943 (englisch).
  • S. Voronoff und G. Alexandrescu: Die Uebertragung des menschlichen Krebses auf Affen. Experimentelle Untersuchungen. Perles, Wien / Leipzig 1932 (aus: Wiener medizinische Wochenschrift. 1932, S. 35-37).
  • S. Voronoff und G. Alexandrescu: Hodentransplantation von Affe auf Mensch. Verlag Eigenbrödler, 1929
  • S. Voronoff: Die Eroberung des Lebens. Das Problem der Verjüngung. (Originaltitel: La conguête de la vie übersetzt durch den Autor selbst), Hoffmann, Stuttgart 1928.
  • S. Voronoff: Verhütung des Alterns durch künstliche Verjüngung.: Transplantation der Geschlechtsdrüsen vom Affen auf den Menschen [Aus dem Französischen übersetzt von Zoltán von Nemes Nagy]. Eigenbrödler, Berlin 1926.
  • S. Voronoff: Organüberpflanzung und ihre praktische Verwertung beim Haustier, [Geleitwort: Richard Mühsam]. (Originaltitel: La Greffe animale, un nouveau facteur d'économie sociale übersetzt von Gerhard Golm), Dr. Werner Klinkhardt, Leipzig 1925.
  • S. Voronoff: Essai sur les trèves morbides. Verlag Ollier-Henry, 1896

Weiterführende Literatur

  • Rudolf Kafemann: Ist Verjüngung beim Manne und bei der Frau möglich oder: Wahrheit, Irrtum und Betrug in der Verjüngungsfrage [Steinach, Voronoff usw.]. Inhyg & Co., Königsberg i. Pr. [Altstädt. Langgasse 49] 1928.
  • A. Lellouch und A. Segal: le Docteur Voronoff (1866–1951) et ses essais de rajeunissement par les greffes animales. In: Hist Sci Med. Band 35, 2001, S. 425–434. PMID 11917919
  • A. Neu: Steinach-Effekt nach Neosexetten. Über die Verjüngungs-Methoden von Prof. Steinach, Voronoff und Scheuer. Die Wirkung auf allgemeine Altersbeschwerden, Kräfteverfall und abnormalen Blutdruck [Aus: Deutsche Aerzte-Zeitung. Jahrgang 4, 1929, Nr. 169] In: Schriftenreihe "Ärztliche Verjüngungskuren" Nr. 1, Omni-Gesellschaft, Dresden-Blasewitz / DAZ, Berlin 1929.
  • Jean Réal: Voronoff [Biographie]. Stock, Paris 2001, ISBN 978-2-234-05336-6 (französisch).
  • Thomas Schlich: Die Erfindung der Organtransplantation. Erfolg und Scheitern des chirurgischen Organersatzes (1880 - 1930). Campus, Frankfurt am Main / New York, NY 1998, ISBN 3-593-35940-5, S. 163 (Zugleich Habilitationsschrift an der Universität Freiburg in Breisgau, 1997)
  • D. Schultheiss u. a.: Rejuvenation in the early 20th century. In: Andrologia. Band 29, 1997, S. 351–355. PMID 9430441

Einzelnachweise

  1. J. Y. Deschamps u. a.: History of xenotransplantation. In: Xenotransplantation. Band 12, 2005, S. 91–109. PMID 15693840
  2. F. Augier u. a.: Le Docteur Samuel Serge. Voronoff (1866–1951) ou la queˆ te de l'eīternelle jeunesse. In: Hist Sci Med. Band 30, 1996, S. 163–171. PMID 11624870 (deutscher Titel: Dr. Samuel Serge Voronoff (1866–1951) oder „die Frage nach Ewiger Jugend“.)
  3. T. Gillyboeuf: The Famous Doctor Who Inserts Monkeyglands in Millionaires. In: The Journal of the E. E. Cummings Society. 2000, S. 44–45.
  4. T. Schlich: Die Erfindung der Organtransplantation. Campus Verlag, 1998, ISBN 3-593-35940-5, S. 163. Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche
  5. S. Voronoff: The study of old age and my method of rejuvenation. The Gill publishing Co. Ltd., London, 1926, ASIN B000873F7A
  6. E. Steinach: Verjüngung durch experimentelle Neubelebung der alternden Pubertätsdrüse. In: Endocrinologie. Band 5, 1921, S. 238. doi:10.1210/endo-5-2-238
  7. T. Gillyboeuf: The Famous Doctor Who Inserts Monkeyglands in Millionaires. In: The Journal of the E. E. Cummings Society. 2000, S. 44–45.
  8. C. Sengoopta: Rejuvenation and the prolongation of life: science or quackery? In: Perspectives in Biology and Medicine. Band 37, 1993, S. 55.
  9. Medicine: Voronoff and Steinach. In: Time Magazine vom 30. Juli 1923
  10. D. Hamilton: The Monkey Gland Affair. Chatto & Windus, London, 1986.
  11. D. Schultheiss: Eine kurze Geschichte des Testosterons. In: Der Urologe A. Band 49, S. 51–55. doi:10.1007/s00120-009-2199-6
  12. C. López-Otín und E. P. Diamandis: Breast and prostate cancer: an analysis of common epidemiology, genetic and biochemical features. In: Endocr Rev. Band 19, 1998, S. 365–396. PMID 9715372 (Review).
  13. Chirurgie ohne Messer. In: Der Spiegel. Jahrgang 13, 1957, S. 32–41.

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