Siegfried Noffke

Siegfried Noffke

Siegfried Noffke (* 9. Dezember 1939 in Berlin; † 28. Juni 1962 ebenda) war ein Todesopfer an der Berliner Mauer. Beim Versuch, Familienangehörige durch einen Fluchttunnel nach West-Berlin zu holen, erschossen Mitarbeiter des Ministerium für Staatssicherheit den damals 22-Jährigen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Er wurde in Berlin geboren und wuchs im später durch die Sowjetunion kontrollierten Bereich auf. Dort absolvierte er eine Maurer-Lehre. Ende der 1950er Jahre zog er nach Berlin-Kreuzberg, einem Stadtteil in den Westsektoren. Er heiratete im Mai 1961 Hannelore, mit der er vorher schon einen Sohn hatte. Hannelore wohnte in Ost-Berlin im Bezirk Prenzlauer Berg. Ein Antrag auf Übersiedlung der Frau und des Kindes vor Beginn des Mauerbaus am 13. August 1961 genehmigten die Behörden der DDR nicht.

Ein Jahr nach der Abrieglung lernte Siegfried Noffke bei einem Treffen mit seiner Frau an der Grenzanlage einen Mann kennen, der ihm die Mitwirkung an einem Fluchthilfeprojekt mittels eines Tunnels anbot. Auch dessen Frau war in Ost-Berlin zurückgeblieben. Im Keller eines Hauses in der Sebastianstraße begannen Noffke und zwei weitere Männer den Tunnel Richtung Ost-Berlin mit geplantem Ausgang im Keller des Gebäudes Heinrich-Heine-Straße 48/49 zu graben. 1962 gab es mehrere Versuche Fluchttunnel zu graben, die zum Teil entdeckt wurden. Im März 1962 wurde der Fluchthelfer Heinz Jercha am Ende eines Tunnels erschossen und im Juni 1962 kam der Grenzpolizist Reinhold Huhn durch Schüsse eines Fluchthelfers in der Jerusalemer Straße ums Leben.

Eine der Frauen, die in den Westen geholt werden sollte, weihte ihren Bruder, der als Inoffizieller Mitarbeiter „Pankow“ für das MfS arbeitete, in die Fluchtpläne ein. Dieser leitete die Pläne weiter, woraufhin das Fluchtprojekt observiert wurde, mit dem Ziel alle Beteiligten festzunehmen, wenn der Tunneldurchbruch erfolgte. IM Pankow gab sich ebenfalls als Fluchtwilliger aus, um so an detaillierte Informationen aus der Gruppe zu kommen. Nachdem mehrere Versuche, den Durchbruch einzuleiten abgebrochen wurden, half IM Pankow am 28. Juni 1962 den Fluchthelfern auf der Ost-Berliner Seite. Das MfS beabsichtigte die Fluchthelfer festzunehmen und hatte im Keller, dem Treppenhaus und einem nahen Schuppen Festnahmeeinheiten positioniert. In die Tür zu dem Keller bohrten sie ein Loch um die Vorgänge beobachten zu können. Als der Durchbruch gelang und Siegfried Noffke mit einem weiteren Fluchthelfer, Dieter Hötger, den Keller betrat, riss einer der MfS-Mitarbeiter die Tür auf und eröffnete das Feuer aus seiner Maschinenpistole. Drei weitere MfS-Mitarbeiter gaben ebenfalls Schüsse ab. Siegfried Noffke, Dieter Hötger sowie IM Pankow wurden mehrfach von Schüssen und Querschlägern getroffen. Ebenso bekam der zuerst schießende MfS-Mitarbeiter eine Schusswunde. Ein bereitstehender Krankenwagen brachte IM Pankow und den MfS-Mitarbeiter in das Krankenhaus der Volkspolizei. Dieter Hötger wurde aus dem Keller geholt und in einer nahen Turnhalle vernommen. Noch im Keller vernahmen die MfS-Männer den schwer verwundeten Siegfried Noffke, der beim anschließenden Transport ins Krankenhaus verstarb.

Die Fluchtwilligen wurden wegen Republikflucht zu Gefängnisstrafen verurteilt. Der verletzte Fluchthelfer bekam im Oktober 1962 wegen „staatsgefährdender Gewaltakte“ und „Verleitung zum Verlassen der DDR“ eine Freiheitsstrafe von neun Jahren. IM Pankow, der wegen seiner Verletzungen operiert werden musste, bekam die Verdienstmedaille der Nationalen Volksarmee in Gold verliehen und eine Prämie von 3000 Mark ausgezahlt. Der genaue Hergang der Ereignisse im Keller der Heinrich-Heine-Straße blieb bis zur deutschen Wiedervereinigung ungeklärt. Da die Beteiligten schwiegen, konnte kein genauer Tathergang ermittelt werden, so dass auch kein bestimmter Täter benannt werden konnte.

Seit dem 12. August 2009 erinnert eine Gedenktafel in der Sebastianstraße an den gescheiterten Tunnel und Siegfried Noffke.[1]

Literatur

  • Hans-Hermann Hertle, Maria Nooke: Die Todesopfer an der Berliner Mauer 1961–1989. Ein biographisches Handbuch. Ch. Links, Berlin 2009, ISBN 978-3-86153-517-1. 
  • Dietmar Arnold, Sven-Felix Kellerhoff: Die Fluchttunnel von Berlin. 2. Auflage. Propyläen Verlag/List Taschenbuch, Berlin 2011, ISBN 978-3-548-60934-8, S. 105–116. 

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Eine gescheiterte Tunnelflucht, Berliner Morgenpost vom 13. August 2009

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