Spießbergbahn

Spießbergbahn

Die Spießbergbahn südlich des Thüringer Kur- und Sportorts Friedrichroda ist eine der ältesten deutschen Bob- und Rennschlittenbahnen und gehört zu den wenigen Natureisbahnen Europas, die heute noch für Wettkämpfe genutzt werden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Ursprünge der Spießbergbahn liegen in der Naturbahn am Roten Weg. Dieser führt von Friedrichroda durch den Wald hinauf zum ehemals herzoglichen Forsthaus (heute Gaststätte „Spießberghaus“) auf dem Spießberg (748 m ü. NN) direkt am Rennsteig. Die Friedrichrodaer nutzten den steilen Weg im Winter seit jeher gern zum Rodeln mit Schlitten.

Der mit einer Schweizerin verheiratete Friedrichrodaer Textilkaufmann Carl Benzing (1869–1955) hatte in der Heimat seiner Frau um 1900 den noch jungen Bobsport kennengelernt. Von heimischen Handwerkern ließ er sich daraufhin einen Stahlbob mit Lenkung konstruieren, den er 1901 erstmals auf dem Roten Weg ausprobierte. Der von Benzing „Schwarzer Peter“ genannte offene Fünferbob gilt als der erste deutsche Bob überhaupt und machte Friedrichroda zur Wiege des deutschen Bobsports.[1]

Im Winter 1901/02 fand auf dem Roten Weg das erste Bobrennen mit zehn Bobs aus Ilmenau, Waltershausen, Wickersdorf und Friedrichroda statt. Vermutlich war dies das erste in Deutschland abgehaltene Bobrennen überhaupt. Am 22. Februar 1905 wurde der Wintersportverein (WSV) Friedrichroda mit dem Ziel gegründet, die Hörner- und Rodelschlittenfahrt ebenso zu fördern wie den „Rennwolfsport“ (der für Friedrichroda typische Rennwolf war ein hoher Stahlrohrschlitten mit Fahrradlenkung).

1909 gestattete der wintersportbegeisterte Herzog Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha (selbst Bobfahrer, indes bevorzugte er seine eigene Bahn in Oberhof) den Bau einer regulären Bobbahn am Spießberg, die nach Plänen von Carl Benzing parallel zum Roten Weg angelegt wurde. Bereits zum Saisonbeginn 1910 konnte die 2450 Meter lange Spießbergbahn mit einem sogenannten Bobsleigh-Rennen eingeweiht werden. Am 21. Januar desselben Jahres hatte sich auch der Bobklub Friedrichroda gegründet. Bis in die 1930er-Jahre fanden mehrere nationale Rennen auf der Naturbahn statt.

Nach kriegsbedingter Unterbrechung des Wettkampfbetriebes zwischen 1939 und 1945 wurde die aufgrund ihres Alters stark reparaturbedürftige Spießbergbahn ab 1949 durch die Mitglieder der Sportgemeinschaft (SG) „Fortuna“ Friedrichroda wiederhergestellt und zu Neujahr 1951 mit einem Rennen wiedereröffnet.

1964/65 wurde die Bahn für die geplante Rennrodel-Weltmeisterschaft 1966 ausgebaut und die Kurven ab Kurve 2 in Massivbauweise ausgeführt. Die Umrüstung der Bahn mit einer künstlichen Vereisungsanlage wurde aufgrund der Kosten verworfen. 1983 wurde die Spießbergbahn in ihrem unteren Teil rekonstruiert und modernen Erfordernissen angepasst. Seit 2008 ist sie auch mit einer Flutlichtanlage ausgestattet.

Aktuelle Nutzung

Die im Eigentum der Stadt Friedrichroda befindliche Bahn wird in ihrem unteren Teil durch die Sportler des Bob- und Rodelclub 05 Friedrichroda e.V. genutzt. Hier werden sowohl Sommer- als auch Winterwettkämpfe abgehalten (u. a. Sommerrodeln, „Bergziegenrennen“, Spießbergpokal) und das Nachwuchstraining durchgeführt.

Eine der drei im Vorfeld zur WM 1966 herausgegebenen Briefmarken

Große Meisterschaften

  • 1912: Bob-Verbandsmeisterschaften
  • 1928: XII. Deutsche Rodelmeisterschaften
  • 1929: 1. Lenkrodelrennen des Deutschen Rodelverbandes
  • 1963: Deutsche Meisterschaft im Zweierbob

Die 1966 geplante X. Rennrodel-Weltmeisterschaft auf der Spießbergbahn fiel aufgrund von Föhn und dem damit verbundenen Tauwetter ebenso aus wie die hier geplanten Europameisterschaften 1967.

Technische Daten

Die ursprüngliche Bahn hat eine Länge von 2450 Metern. Heute wird jedoch nur noch das untere Teilstück mit fünf Kurven und einer Länge von 1400 (1265?) Metern genutzt. Bei einem durchschnittlichen Gefälle von neun Prozent überwindet der noch genutzte Abschnitt einen Höhenunterschied von 125 Metern.

Sonstiges

Die Spießbergbahn ist die letzte deutsche Natureisbahn, auf der noch Wettkämpfe ausgetragen werden und eine der letzten ihrer Art in Europa. Der obere, seit Jahrzehnten nicht mehr genutzte Teil der alten Bahn verfällt zunehmend. Die bis in die 1970er-Jahre genutzten Gebäude am ursprünglichen Herren- und Damenstart sind noch erhalten, jedoch in einem schlechten Zustand.

Einzelnachweise

  1. Carl Benzing und der Bobsport. In: Helga Raschke: Leben und Arbeiten im nördlichen Thüringer Wald. Erfurt 2006, S. 114ff.

Weblinks


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