St. Bonifatius (Bechstedtstraß)

St. Bonifatius (Bechstedtstraß)
Die Kirche von Bechstedstraß vor der Sanierung des Saalbaus
Altarraum St. Bonifatius
Historische Grabsteine auf dem Kirchhof

Die Pfarrkirche St. Bonifatius ist die evangelische Dorfkirche von Bechstedtstraß (Thüringen).

Inhaltsverzeichnis

Lage

Die St. Bonifatius-Kirche steht auf einem Vorsprung der Gutendorfer Platte im Zentrum des Dorfes nahe dem Kreuzungspunkt der ehemaligen Sackgassen des Dorfes und unweit der alten Salzstraße, die dem Ort den Beinamen „Straß“ gab. Die Dorfkirche bildet gemeinsam mit dem alten Kirchhof und den wertvollen barocken Grabsteinen, der alten Schule, dem ehemaligen Pfarrhaus und der Luthereiche den Mittelpunkt des Ortes.

Geschichte

Der Ort wurde 885 vermutlich erstmalig im Codex Diplomaticus Fuldensis urkundlich erwähnt. Danach übertrug Karl III. (Ostfrankenreich) der Abtei Fulda den Besitz seines Vasallen Heginward in „Bechstat“. Die ersten Gehöfte gruppierten sich um einen Dorfplatz, an dessen oberem Rand schon früh eine Kirche errichtet wurde. Den ältesten urkundlichen Beleg dafür gibt es aus dem Jahre 918. Die Kirche wurde dem ersten thüringischen Bischof geweiht. Sowohl das Patrozinium Sankt Bonifatius als auch die Anlage der Pfarrkirche mit dem Chorturm im Osten weisen auf ein hohes Alter der Kirche hin. Manche Forscher meinen, sie gehöre zu den alten Wehrkirchen Thüringens. Turm und Kirchsaal in ihrer heutigen Gestalt sind gotischen Ursprungs (14. Jh.). Im Chorraum sind mittelalterliche Wand- bzw. Sakramentsnischen zu sehen und im Altar (Mensa) sind die mittelalterlichen Weihekreuze und der Reliquienschrein erhalten.

Im Barock (1700–1730) wurde die Kirche umgebaut (Fenstereinbauten, der heutige Eingang im Norden, Vergrößerung des Rundbogens zum Chorraum, Tonnengewölbe und Emporen, Dachreiter auf dem Chorturm). Der Altar wurde 1875 verbreitert und zu einem Kanzelaltar umgebaut. Im Jahre 1986 wurde dieser Kanzelaltar wieder entfernt, so dass der Chorraum wieder zu seiner ursprünglichen Funktion kam. Zugleich wurde dort an die Wand der Grabstein des 1609 verstorbenen Pfarrers Johann Hertrich sichergestellt. Diese qualitätsvolle Arbeit wird dem Erfurter Steinmetz Hans Friedemann d.J. zugeschrieben.

Der Taufstein im westlichen Teil des Kirchenschiffes ist eine Leihgabe aus der Kirche zu Isseroda. Er trägt die Jahreszahl 1563. Heute sind in der Kirche einige Jugendstilelemente zu finden (Triumphbogenbemalung 1905; Gedenkstein für Opfer des Ersten Weltkrieges 1920; Taufstein – inzwischen auf dem Kirchhof). Über den Triumphbogen wurde ein Vers aus dem Jesaja-Buch geschrieben und illustriert: „Die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler. Jes. 40,31“ Dieser Satz ist durch August Hermann Francke zu einem Schlüsselsatz des deutschen Pietismus geworden.

Witzmann-Orgel

An der Orgelempore steht „Lasset die Musicam hören“, ein Motto des Weimarschen Gesangbuches, das J.G. Herder 1799 herausgab. Bei der Kirchenrenovierung 1875 bis 1877 wurde von August Witzmann (Stadtilm) eine Orgel eingebaut. Sie ist quasi das Vermächtnis des im Weimarer Land höchst innovativen und produktiven Orgelbauers. Man sagt, er hörte nicht wieder auf zu bauen. So erhielt die kleine Kirche eine große Konzertorgel. Der Weimarer Kantor Alexander Wilhelm Gottschalg lobte ihn in seinem Abnahmebericht ausdrücklich.

Das Schleifladen-Instrument hat 25 Register (Züge) auf zwei Manualen und Pedal, und ist mit einer Manual- und einer Pedalkoppel sowie einem „Calcantenwecker“ ausgestattet. Die Spiel- und Registertrakturen sind mechanisch. Die Orgel ist nahezu unverändert erhalten. Anstelle der als 18. Register an sich vorgesehenen Trompete 8′ befindet sich eine Oboe 8′.[1]

I Hauptwerk C–f3
1. Bordun 16′
2. Principal 8′
3. Hohlflöte 8′
4. Gamba 8′
5. Gedackt 8′
6. Flöte 4′
7. Hohlquinte 3′
8. Octave 4′
9. Octave 2′
10. Mixtur V 2′
II Oberwerk C–f3
11. Geigenprincipal 8′
12. Lieblich Gedackt 8′
13. Harmonica 8′
14. Salicional 8′
15. Principal 4′
16. Flöte amabile 4′
17. Gemshorn 4′
18. Oboe 8′
Pedal C–d1
19. Violonbass 16′
20. Subbass 16′
21. Principalbass 8′
22. Octavbass 8′
23. Gedacktbass 8′
24. Violonbass 8′
25. Posaunbass 16′

Sanierung

Aufgrund der barocken Krankheit, also der die Statik nicht beachtenden Erweiterung des Triumphbogens und des Einbaus einer Tonnendecke für die Emporen, war der Turm seit Ende des 18. Jahrhunderts in seinem Bestand gefährdet. Hinzu kamen Bewegungen im Fundament, die eine Sicherung für Generationen unmöglich erscheinen ließen. Seit 2004 laufen die Sicherungen der mittelalterlichen Kirche. Der Turm wurde 2007/8 aufwändig saniert (Rekonstruktion Glockenstuhl, Umhängung der Uhrglocke, Stahlanker bis ins Fundament, Gipsmörtel und Putz).

Im Altarraum bilden inzwischen mittelalterliche und moderne Kunst eine Einheit. Das gotische Dreipassfenster, durch die Mauerbewegung deformiert, bekam ein Bleiglasfenster nach Entwürfen von Ulf Raecke. Hinter dem Altar steht heute ein Kreuzkörper von Lutz Hellmuth, der auf dem internationalen Töpferworkshop 2007 in Bechstedtstraß entstand. Der Kunstschmied Michael Ernst schuf aus einen schlichten aber kraftvollen Ambo. 2010 wurde der Dachstuhl des Kirchenschiffs stabilisiert und neu eingedeckt.

Soziales Umfeld

Die Kirchgemeinde Bechstedtstraß ist eine der ersten Kirch- und Pfarrgemeinden in Thüringen, die sich aufgrund ihrer Kleinheit mit Nachbargemeinden zusammenschloss. Dies geschah 1999. Fünf Jahre später wurde der Kirchbau- und Heimatverein Bechstedtstraß gegründet. 2007 stiftete Folkard Bremer bei der Stiftung KiBA eine Unterstiftung zur Rettung dieser kleinen Kirche.

Einzelnachweise

  1. Nähere Informationen zur Orgel

Weblinks

 Commons: St. Bonifatius (Bechstedtstraß) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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