Tacuinum sanitatis

Tacuinum sanitatis
Ibn Butlan (links) und zwei seiner Schüler (Wiener Tacuinum fol. 4)
Landmann bei der Melonenernte (Wiener Tacuinum fol. 21)
Vogelfalle, 14. Jahrhundert

Tacuinum sanitatis (in medicina) ist der Name mehrerer mittelalterlicher Bilderkodizes in Wien, Paris, Rom und Lüttich. Ihre Grundlage ist das Werk Taqwim es-sihha / ‏تقويم الصحة‎ / taqwīm eṣ-ṣiḥḥa aus dem 11. Jahrhundert des nestorianisch-christlichen Arztes Ibn Butlan. Taqwim (ins Lateinische als Tacuinum übernommen) bedeutet „tabellarische Übersicht“, da die Seiten im arabischen Original in regelmäßige Felder aufgeteilt sind. Da dies an ein Schachbrett erinnert, erhielt die erste deutsche Ausgabe den Titel Schachtafelen der Gesuntheyt.[1]

Inhaltsverzeichnis

Ausgaben und Inhalte

König Manfred von Sizilien (1258-1266) gab in Palermo eine lateinische Übersetzung des Taqwîm al-sihha aus dem Arabischen in Auftrag. Ab 1380 illustrierte Giovannino de' Grassi in Norditalien eine gekürzte Fassung. Die 169 Bilder sind Federzeichnungen, von denen einige teilweise oder ganz aquarelliert sind. Im Vergleich zu diesen elegant und gekonnt ausgeführten Zeichnungen erscheinen die anderen Versionen von Ende des 14. Jahrhunderts deutlich derber. Aufbewahrungsort ist die Universitätsbibliothek Lüttich.[2]

Der Wiener Tacuinum (Hs. 2644) entstand um 1390 in der Lombardei. Nach dem Wappenschild zu Beginn des Kodex war unter den ersten Besitzern Graf Ludwig I. von Württemberg-Urach. Diese Ausgabe[3] wird, mit zwei Weiteren aus dem 15. Jahrhundert, in der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt. In weiterer Folge entstanden Parallelhandschriften die auf die Wiener Ausgabe zurückgehen, etwa der Pariser Tacuinum sanitatis der um 1450 im Rheinland entstand und sich heute in der Bibliothèque nationale de France befindet. Die Handschriften wenden sich weniger an ein Fachpublikum, sondern sind als Hausbücher gedacht. Ihr Inhalt basiert auf der antiken Humoraltheorie (Säftelehre) und erläutert welche Nahrungsmittel, Gegebenheiten der menschlichen Umwelt und Gemütszustände (Zorn, Freude etc.) die Stoicheia „trocken“, „feucht“, „kalt“ und „warm“ aufweisen und für welche Personengruppen und in welchen Gegenden sie nützlich sind. Knoblauch zum Beispiel, sei „warm“ und „trocken“ und erzeuge „grobe und scharfe Säfte“. Er nütze gegen Skorpion- und Schlangenbisse, sowie gegen Würmer. Empfehlenswert sei er für geschwächte Naturen und in kalten Gegenden.[4] Die Jahreszeit Herbst dagegen sei „gemäßigt kalt im 2. Grad“ und vermehre „melancholische Säfte“. Dem sei mit Bädern abzuhelfen. Nützen würde er Kindern und Jugendlichen in warmen und feuchten Gegenden.[5] Neben einer ausführlichen bebilderten Rezeptsammlung enthalten die Kodizes Ratschläge zur Gesundheit, sowie Wissenswertes zu Pflanzen und zum Ackerbau.

Vergleiche

Einzelnachweise

  1. Tacuinum sanitatis in medicina. Codex Vindobonensis Series nova 2644 der Österreichischen Nationalbibliothek, Graz: Akademische Druck- Und Verlagsanstalt 2004 Kommentar S. 7 (Name, Anlage und Verfasser des vollständigen Werkes) ISBN 3-201-01831-7
  2. Tacuinum sanitatis in medicina. Kommentar S. 10 (Die Bild- und Textfassungen des Tacuinum)
  3. Codex. Vindob. ser. nov. 2644
  4. Tacuinum sanitatis in medicina. Kommentar S. 66 (Transkription und deutsche Übersetzung)
  5. Tacuinum sanitatis in medicina, Kommentar S. 92

Siehe auch

Literatur

  • Tacuinum sanitatis in medicina – Glanzlichter der Buchkunst, Band 13. Kommentar von Franz Unterkircher. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 2004, ISBN 3-201-01831-7.
  • Medicina Magica – Methaphysische Heilmethoden in spätantiken und mittelalterlichen Handschriften. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1978, 2. Auflage ISBN 3-201-01077-4.

Weblinks

 Commons: Tacuina sanitatis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Tacuinum sanitatis — Tacuinum Sanitatis, Ms. Lat 9333 …   Wikipedia Español

  • Tacuinum Sanitatis — Illustration du tacuinum sanitatis, une ruche Le Tacuinum (également appelé Taccuinum) Sanitatis est un manuel médiéval sur la santé, basée sur le Taqwin al‑sihha …   Wikipédia en Français

  • Tacuinum sanitatis — Illustration du tacuinum sanitatis, une ruche Le Tacuinum sanitatis (également appelé Taccuinum sanitatis) est un manuel médiéval sur la santé, basée sur le Taqwin al‑sihha تقوين الصحة …   Wikipédia en Français

  • Tacuinum Sanitatis — The Tacuinum (sometimes Taccuinum) Sanitatis is a medieval handbook on wellness, based on the Taqwin al‑sihha ar. تقوين الصحة ( Tables of Health ), an eleventh century Arab medical treatise by Ibn Butlan of Baghdad. [E. Wickersheimer, Les Tacuini …   Wikipedia

  • Tacuinum Sanitatis — Ibn Botlan (links) und zwei seiner Schüler (Wiener Tacuinum fol. 4) Datei:Melones dulces (Wiener Tacuinum).jpg Landmann bei der Melonenernte (Wiener Tacuinum fol. 21) Tacuinum Sanitatis ist der Name mehrerer mittelalterlicher Bilderkodizes in… …   Deutsch Wikipedia

  • Vogelfalle — Tacuinum sanitatis: Vogelfalle Eine Vogelfalle ist eine Falle zum Fangen von Wildvögeln. Früher diente die Vogeljagd in der Regel dem Nahrungserwerb, später auch zur Stubenvogelhaltung. Heute hat der Vogelfang in Europa nu …   Deutsch Wikipedia

  • Esskultur im Mittelalter — Bankett am Hof des französischen Königs Karl V. (Zentrum) im Jahre 1378 in Paris. Zu Gast sind Kaiser Karl IV. und sein Sohn Wenzel. Jeder Teilnehmer des Banketts hat zwei Messer, einen Salzbehälter, Serviette, Brot …   Deutsch Wikipedia

  • Esskultur des Mittelalters — Bankett am Hof des französischen Königs Karl V. (Zentrum) im Jahre 1378 in Paris. Zu Gast sind Kaiser Karl IV. und sein Sohn Wenzel. Jeder Teilnehmer des Banketts hat zwei Messer, einen Salzbehälter, Serviette, Brot und einen Teller.… …   Deutsch Wikipedia

  • Giovannino Grassi — Giovannino de’ Grassi (* ungefähr zwischen 1340 und 1350 in Mailand; † 6. Juli 1398) war ein italienischer Maler, Buchmaler, Bildhauer und Baumeister der Spätgotik, einer der Begründer und Hauptvertreter des sogenannten „Weichen Stils“ (synonym… …   Deutsch Wikipedia

  • Giovannino de' Grassi — Giovannino de’ Grassi (* ungefähr zwischen 1340 und 1350 in Mailand; † 6. Juli 1398) war ein italienischer Maler, Buchmaler, Bildhauer und Baumeister der Spätgotik, einer der Begründer und Hauptvertreter des sogenannten „Weichen Stils“ (synonym… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”