Christian von Boetticher

Christian von Boetticher
Christian von Boetticher (2010)

Christian Ulrik von Boetticher (* 24. Dezember 1970 in Hannover) ist ein deutscher Politiker (CDU). Vom 18. September 2010 bis zu seinem Rücktritt am 14. August 2011 nach Bekanntwerden einer ein Jahr zuvor beendeten Beziehung zu einer 16-Jährigen war von Boetticher Landesvorsitzender der CDU Schleswig-Holstein.[1] Am 15. August trat von Boetticher auch als CDU-Spitzenkandidat für die schleswig-holsteinische Landtagswahl im Mai 2012 zurück.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft und Beruf

Christian von Boetticher entstammt einer baltendeutschen Familie, die 1939 in das heute polnische Posen umgesiedelt wurde und 1945 in den Westen flüchtete.[2] Von Boetticher wuchs bei Adoptionseltern in Appen-Unterglinde im Kreis Pinneberg auf. Nach dem Abitur 1990 am dortigen Theodor-Heuss-Gymnasium[3] absolvierte er zunächst eine Ausbildung zum Reserveoffizier bei der Luftwaffe (heute Oberleutnant der Reserve) und danach ab 1992 ein Studium der Rechtswissenschaft in Kiel und Hamburg, das er 1997 mit dem Ersten und 2001 mit dem Zweiten juristischen Staatsexamen abschloss. 2001 erfolgte seine Promotion zum Dr. jur. mit der Arbeit Parlamentsverwaltung und parlamentarische Kontrolle an der Universität Hamburg.

Während seiner Studienzeit in Kiel trat er der pflichtschlagenden Studentenverbindung Landsmannschaft Slesvico-Holsatia v. m. L! Cheruscia zu Kiel im Coburger Convent (CC) bei und ist heute Alter Herr der Verbindung.[4][5]

Seit 2002 ist er als Rechtsanwalt zugelassen und arbeitet für eine Pinneberger Kanzlei.[6]

Im Jahr 2002 wurde er als Ehrenritter in den Johanniterorden aufgenommen.

Partei

1986 trat von Boetticher in die Junge Union ein und wurde 1987 Mitglied der CDU. Von 1992 bis 1996 war er Mitglied im CDU-Ortsvorstand in Appen, zuletzt als stellvertretender Vorsitzender. Seit 1993 gehört er dem CDU-Kreisvorstand Pinneberg, von 1995 bis 1999 und seit 2001 als stellvertretender Vorsitzender, an. Von 2003 bis 2005 war er Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Pinneberg. Seit 2006 ist er Mitglied im Vorstand der Europäischen Volkspartei (EVP). 2008 wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden des Bundesfachausschuss Ernährung und Landwirtschaft der CDU Deutschland gewählt und als Beisitzer in den Landesvorstand der CDU Schleswig-Holstein. Am 18. September 2010 wurde Christian von Boetticher auf dem 63. Landesparteitag der CDU Schleswig-Holstein als Nachfolger von Peter Harry Carstensen zum Landesvorsitzenden gewählt. Am 6. Mai 2011 wurde von Boetticher auf dem Parteitag in Norderstedt mit 209 von 240 Stimmen zum Spitzenkandidaten der CDU für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein 2012 gekürt, da der amtierende Ministerpräsident Carstensen beabsichtigt, nicht erneut anzutreten.[7] Von Boetticher ist zudem seit 2011 Vorsitzender des Medienpolitischen Expertenkreises der CDU Deutschlands. Am 14. August 2011 trat er von Parteivorsitz und Spitzenkandidatur zurück, nachdem eine Beziehung mit einer Sechzehnjährigen bekannt geworden war.

Abgeordneter

Von 1994 bis 1999 war von Boetticher Mitglied des Kreistages des Kreises Pinneberg und dort von 1998 bis 1999 stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion. Ebenfalls 1998 bis 1999 war er Gemeindevertreter der Gemeinde Appen.

Von 1999 bis 2004 war er Mitglied des Europäischen Parlaments. Er arbeitete als Mitglied im Ausschuss für Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und Inneres sowie im Petitionsausschuss. Er gehörte der Delegation zu Japan und dem gemischt-parlamentarischen Ausschuss EU/Lettland an, der den Beitritt des Landes 2004 in die EU vorbereitete. 2000/2001 fungierte er als Obmann der EVP/ED-Fraktion im Ad-hoc-Ausschuss Echelon, der amerikanische Geheimdiensttätigkeiten gegen europäische Unternehmen und Bürger untersuchte. Die Wiederwahl ins Europäische Parlament hatte er bei der Europawahl 2004 knapp verpasst.

Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein 2009 gewann er den Wahlkreis 28 (Pinneberg, Halstenbek, Schenefeld) erstmals nach 26 Jahren wieder direkt für die CDU und zog somit in den Landtag ein. Die CDU-Fraktion wählte ihn zu ihrem Vorsitzenden als Nachfolger von Johann Wadephul, der in den Bundestag wechselte. Am 15. August 2011, einen Tag nach seinem Rücktritt als Vorsitzender der CDU Schleswig-Holstein, trat er aus den gleichen Gründen als Fraktionsvorsitzender zurück.[8]

Öffentliche Ämter

Vom 27. April 2005 bis zum 27. Oktober 2009 gehörte er dem von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) geführten Kabinett der Großen Koalition als Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein an.

Nach dem Bruch der Großen Koalition im Juli 2009 wurden alle SPD-Minister zum Ablauf des 21. Juli 2009 von Ministerpräsident Carstensen aus ihren Ämtern in der Landesregierung entlassen. Die Leitung der betroffenen Ministerien wurde unter den verbliebenen Kabinettsmitgliedern aufgeteilt, Christian von Boetticher wurde dabei als Nachfolger von Gitta Trauernicht die Zuständigkeit für das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie und Senioren übertragen.[9] Am 23. Juli 2009 wurde er als Nachfolger von Ute Erdsiek-Rave zum stellvertretenden Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein berufen.[10]

Rücktritt und Ende der politischen Karriere

Im August 2011 wurde eine frühere Beziehung von Boettichers zu einer damals 16-jährigen Schülerin bekannt, nachdem der Politiker sein Privatleben bis dahin weitgehend aus der Öffentlichkeit herausgehalten hatte. Daraufhin trat von Boetticher nach massiver Kritik aus der eigenen Partei zunächst am 14. August 2011 als Spitzenkandidat der CDU für die schleswig-holsteinische Landtagswahl im Mai 2012 und am folgenden Tag vom Amt des CDU-Fraktionsvorsitzenden im Landtag zurück und behielt nur sein Landtagsmandat.

Von Boetticher hatte die mehrmonatige Beziehung nach eigenen Angaben in seiner Rücktrittserklärung im Mai 2010 in Hinblick auf seine absehbare Spitzenkandidatur im übernächsten Jahr beendet.[11] Wie von Boetticher bezeichnete auch die mittlerweile 17-Jährige in einem Exklusiv-Interview mit der Kölner Boulevard-Zeitung Express zwei Tage nach dem Rücktritt ihr damaliges Verhältnis als Liebe.[12] Von Boetticher galt bis zu diesem Zeitpunkt als ledig. Berichtet worden war nur, dass er seit mehreren Jahren eine Beziehung mit einer anderen Frau führte, die ihn gelegentlich öffentlich begleitete.[13][14] Einige Tage nach dem Rücktritt recherchierten und publizierten einzelne regionale Medien und Internetblogs, dass er diese Frau am 15. Oktober 2010 ohne offizielle Bekanntgabe in Deutschland in Clark County, Nevada (Vereinigte Staaten), geheiratet hatte.[15] Auch die Bild griff das Thema auf und verlangte in einer Schlagzeile eine Erklärung von von Boetticher.[16]

In einem Interview mit der Bild am Sonntag (BamS) beklagte von Boetticher eine Woche nach dem Rücktritt ein „großes Maß an Illoyalität“; er sei „mit Blick auf die eigene Partei schwer enttäuscht“.[17] Ähnlich äußerte er sich gegenüber dem Spiegel, nach dessen Informationen die CDU seinen Abgang als CDU-Fraktionschef verkündet hatte, ohne dies mit ihm abzustimmen. Sein bisheriger Förderer, der scheidende Ministerpräsident Carstensen, der schon Wochen vor den ersten Medienberichten von einem anderen JU-Mitglied über Gerüchte zu der Beziehung informiert worden war, habe „allerdings leider den Eindruck erweckt, ich sei ein politischer Autist“.[18] Von Boetticher nahm in dem BamS-Interview auch noch einmal zum Altersunterschied zwischen ihm und der 16-Jährigen Stellung und erklärte, dass er vom jugendlichen Alter der Minderjährigen, das er auf Mitte 20 geschätzt habe, wegen der „sehr intelligenten Kommentare“ zu seinen Äußerungen „völlig überrascht“ gewesen sei. Die 16-Jährige sei „für ihr Alter wirklich geistig sehr reif“ gewesen, so dass er mit ihr „auf Augenhöhe“ habe kommunizieren können. [19]

Auf einem Parteitag seines Pinneberger Kreisverbandes verkündete von Boetticher am 17. September 2011 seinen endgültigen Abschied aus der Politik und die Absicht, in Zukunft als Jurist in der Wirtschaft zu arbeiten. Von Boetticher wurde unter Beifall verabschiedet, man habe mit ihm ein „politisches Schwergewicht“ verloren. Der Parteitagsdeligierte Christian Saborowski äußerte laut einem Bericht der Welt, dass nicht der politische Gegner von Boetticher zu Fall gebracht habe, sondern CDU-Leute mit Mafia-Methoden.[20]

Politische und weltanschauliche Positionen

Die Lübecker Nachrichten beschrieben von Boetticher 2010 in einem Porträt als „konservativ" und zitierten ihn: „Die Partei braucht ein klareres konservatives und werteorientiertes Grundprofil“. Von Boetticher bezeichne sich selbst als „bodenständig", lege Wert auf seine adelige Familiengeschichte und halte „ritterliche" Tugenden hoch.[21]

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Christian von Boetticher – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. CDU-Chef tritt nach Affäre mit Minderjähriger zurück. Spiegel online, 14. August 2011, abgerufen am 14. August 2011.
  2. http://www.ln-online.de/sport/2878646/Zusatz-Beitrag_soll_Ryder-Cup-Bewerbung_retten.htm Biografischer Artikel in den Lübecker Nachrichten vom 1. September 2010, Zugriff am 18. August 2011
  3. “SO WURDE ICH ZUM APPEL(MANN)!”. In: ths-pressident.de vom 23. April 2011
  4. http://web.archive.org/web/20070927093022/http://www.europarl.de/parlament/abgeordnete/biografien/von_boetticher_christian?p=5
  5. http://www.tagesspiegel.de/meinung/die-frage-stellt-sich-derzeit-nicht/1916652.html
  6. Biografie 'Dr. Christian von Boetticher' im Lantagsinformationssystem Website LIS-SH Landtagsinformationssystem Schleswig-Holstein. Abgerufen 22. August 2011.
  7. Boetticher wird CDU-Spitzenkandidat, Artikel auf FocusOnline, abgerufen am 7. Mai 2011
  8. ndr.de: Von Boetticher tritt auch als Fraktionschef zurück, abgerufen am 15. August 2011
  9. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen entlässt sozialdemokratische Ministerinnen und Minister, Pressemitteilung vom 20. Juli 2009
  10. Staatssekretäre in den einstweiligen Ruhestand versetzt, Pressemitteilung vom 23. Juli 2009
  11. Sven-Michael Veit: CDU-Nordchef tritt wegen 16-jähriger zurück: Den Kopf verloren. In: taz.de vom 14. August 2011.
  12. Oliver Meyer: [1]. In: express.de vom 16. August 2011.
  13. tagesspiegel.de: "Die Frage stellt sich derzeit nicht", abgerufen am 14. August 2011
  14. ndr.de Von Boetticher: Berufswunsch Ministerpräsident
  15. Bericht des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags: Von Boetticher: Hochzeit fünf Monate nach der Affäre In: shz.de vom 16. August 2011.
  16. M. Arndt, H. Meyer, J.W. Schäfer: Nach Teenie-Affäre jetzt Rätsel um Hochzeit Erklären Sie uns diese Heirats-Urkunde, Herr von Boetticher! bild.de vom 16. August 2011.
  17. bild.de: [2]
  18. spiegel.de vom 21. August 2011: Teenager-Affäre: Boetticher will Schleswig-Holstein verlassen
  19. bild.de: [3]
  20. Welt-Bericht: Boetticher zum Politik-Ausstieg: „Sag' niemals nie“ In: welt-online.de vom 17. September 2011.
  21. Curd Tönnemann: Christian von Boetticher: „Appel“ will ganz nach oben In: ln-online.de vom 1. September 2010. Abgerufen am 22. August 2011.

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