Christliche Verantwortung

Christliche Verantwortung

Christliche Verantwortung (CV) war eine religiöse Zeitschrift, die von 1965 bis 1990 in der DDR erschien. Sie wurde mit Unterstützung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) herausgegeben, um die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas, die in der DDR seit 1950 verboten war, zu schwächen und zu zersetzen und Mitglieder dazu zu bewegen, sich von der Wachtturm-Gesellschaft zu lösen.

Geschichte

Die Zeitschrift und der gleichnamige Verein wurden 1950 gegründet. Erster Herausgeber bis 1970 war Willi Müller (IM „Rolf“), der sich bemühte, mit anderen Gruppen, die der Zeugen-Jehovas-Leitung gegenüber kritisch eingestellt waren, zusammenzuarbeiten. Dazu wurde die Zeitschrift, die nicht in der offiziellen Postzeitungsliste der DDR verzeichnet war, an Haushalte von Zeugen Jehovas geschickt und Gegnern im In- und Ausland zugänglich gemacht. Viele Zeugen Jehovas in der Bundesrepublik Deutschland erhielten die Zeitschrift, besonders wenn sie Verwandte in der DDR hatten, die wegen ihrer religiösen Betätigung Repressionen ausgesetzt waren. Die Zeitschrift wurde vielfach zitiert, beispielsweise in dem innerkirchlichen Dienstblatt „Sektenkundliche Mitteilungen“ der DDR. Der Historiker Waldemar Hirch schätzt, dass 80-85 % der dort erschienenen Artikel direkt der CV entnommen waren. Dadurch konnte die Haltung der Kirchenleitung und der Pfarrer gegenüber Zeugen Jehovas beeinflusst werden.

Ab 1970 gab Karl-Heinz Simdorn (auch als Wolfgang Daum bekannt) die Zeitschrift heraus. Maßgeblicher Mitarbeiter und Spiritus rector war Dieter Pape (IM „Wilhelm“), der 1970 das Werk Die Zeugen Jehovas. Eine Dokumentation über die Wachtturmgesellschaft herausgab. Mit dieser Dokumentation wurden die meisten der etwa 40 Redaktionsmitglieder der CV geschult. In der CV wurden Hintergrundinformationen des MfS ohne Quellenangabe aufgenommen, fiktive Geschichten und Leserbriefe über die Zeugen Jehovas verbreitet und Gespräche anhand von Persönlichkeitsanalysen der führenden Zeugen Jehovas konstruiert. Finanziert wurde die Zeitschrift in erster Linie vom Ministerium für Staatssicherheit und dem Staatssekretariat für Kirchenfragen.

Von Februar 1990 bis 1993 wurde die Zeitschrift vom letzten Herausgeber Werner Struck weitergeführt und dann eingestellt.

1993 gründete Günther Papes Neffe, der katholische Diplom-Theologe Klaus-Dieter Pape in Tübingen den Verein „Christliche Dienste e. V.“ Er gab ab Mitte 1993 die Zeitschrift Aus christlicher Verantwortung heraus, von der bis 1996 12 Ausgaben erschienen. Im Vorstand des Vereins arbeitete auch sein Vater Dieter Pape mit, der ebenfalls inoffizieller Mitarbeiter des MfS gewesen war. Als dieser Ende 1996 Klaus-Dieter Pape seine frühere Stasimitarbeit offenbarte, legte er auf Drängen des Vorsitzenden seine Ämter nieder und verließ den Verein.

Literatur

  • Gerhard Besier, Clemens Vollnhals (Hrsg.): Repression und Selbstbehauptung. Die Zeugen Jehovas unter der NS- und der SED-Diktatur. Zeitgeschichtliche Forschungen, Band 21, Berlin 2003. ISBN 3428106059.
  • Andre Gursky: Zwischen Aufklärung und Zersetzung. Zum Einfluß des MfS auf die Zeugen Jehovas in der DDR am Beispiel der Brüder Pape Sachbeiträge 27 Hrsg. Von: Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR in Sachsen-Anhalt, Magdeburg 2003
  • Gerald Hacke: Zeugen Jehovas in der DDR. Verfolgung und Verhalten einer religiösen Minderheit in: Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung (Hg.): Berichte und Studien, Nr. 24, Dresden 2000.
  • Waldemar Hirch: Die Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas während der SED-Diktatur, Frankfurt/Main, Bern 2003. ISBN 3-631-51620-7 Inhaltsverzeichnis und Auszüge
  • Waldemar Hirch (Hg.): Zersetzung einer Religionsgemeinschaft. Die geheimdienstliche Bearbeitung der Zeugen Jehovas in der DDR und in Polen. Niedersteinbach. 2001. ISBN 3-00-006250-5
  • Gabriele Yonan: "„Jehovas Zeugen“. Opfer unter zwei Diktaturen. 1933-1945. 1949-1989. Bd. 1. Berlin. 1999.

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