Ulmer Schule (Kunstgeschichte)

Ulmer Schule (Kunstgeschichte)

Unter der Bezeichnung Ulmer Schule werden einige Künstler der Spätgotik zusammengefasst, die in dieser Zeit in Ulm wirkten, dort ihre Werkstätten hatten oder aus Ulm stammten. Ulm galt als bedeutendes Zentrum der Spätgotik in Südwestdeutschland mit Ausstrahlung nach ganz Süddeutschland, Franken, Tirol, Südtirol und Graubünden. Aus dem Spätmittelalter, der Zeit zwischen dem ausgehenden 14. Jahrhundert und dem beginnenden 16. Jahrhundert, sind aus Ulm inzwischen etwa 55 Maler (Faßmaler, Glasmaler, Kunstmaler) und 25 Bildhauer und Bildschnitzer namentlich bekannt.

Martin Schaffners Altar, ein berühmtes Werk aus der Ulmer Schule, das gerahmt ist durch das Chorgestühl Syrlins
Das geschnitzte Chorgestühl im Münster von Michel Erhart und Jörg Syrlin, Meistern der Ulmer Schule

Inhaltsverzeichnis

Künstler und Werkstätten

Zur Ulmer Schule im engeren Sinne werden gerechnet

Zur Ulmer Schule in einem weiteren Sinn gehören

Der Blaubeurer Hochaltar, geschnitzt von Michael Erhart, bemalt von Bernhard Strigel und Hans Holbein dem Älteren

Einige Künstler des 15. und 16. Jahrhunderts wirkten mit Vertretern der Ulmer Schule für eine gewisse Zeit oder für ein bestimmtes Projekt zusammen, zogen dann aber weiter und sind auch anderen künstlerischen Schulbildungen noch zuzurechnen.

Im Zusammenhang mit der Ulmer Schule wird diskutiert

Verwandtschaftlich mit der Ulmer Schule verbunden

  • Friedrich Herlin (* um 1430 in Nördlingen; † um 1500) war der Schwiegervater von Bartholomäus Zeitblom.

Mit Werken seit der Spätgotik stilbildend in Ulm vertreten

  • Hans Schäufelin (auch Schäufelein, Schäuffelein, Scheifelen, Scheuflin) (* um 1480/1485 wahrscheinlich in Nürnberg; † um 1538 oder 1540 in Nördlingen); er schuf für das Ulmer Münster 1515 einen Abendmahlsaltar, der heute den Kreuzaltar bildet.

Während der Ausbildungsjahre in Ulmer Werkstätten vertreten

  • Adam Kraft (* zwischen 1455 und 1460 in Nürnberg; † 1509) war als Bildhauer und Baumeister während seiner Wanderjahre in Ulm.
  • Jörg Lederer (* um 1470; † um 1550), seine genaue Lehrzeit in Ulm ist unbekannt.

Die vier Generationen der Ulmer Schule

Reinhard Wortmann (S. 43-45) unterscheidet insgesamt vier Generationen innerhalb der Ulmer Schule und benennt deren Hauptvertreter:

  • Erste Generation: Hans Multscher, der um 1400 geboren ist und den Aufschwung der Schule darstellt.
  • Zweite Generation: Michel Erhart, der um 1445 geboren ist.
  • Dritte Generation: Niklaus Weckmann, der um 1455 geboren ist.
  • Vierte Generation: Daniel Mauch, der 1477 geboren ist, der Ulm im Umfeld der Reformation wieder verlässt.

Zusammenhänge

Kooperationen zwischen Künstlern

Teilweise wirkten die Künstler bei der Fertigung großer Aufträge zusammen, wie beispielsweise beim Hochaltar der Klosterkirche Blaubeuren aus dem Jahr 1493. Hier sieht man Hans Holbein den Älteren an der Seite von Michael Erhart. Beim Chorgestühl des Ulmer Münsters arbeiten, wie man inzwischen rekonstruiert hat, Jörg Syrlin der Ältere und Michael Erhart zusammen.

Familiäre Bindungen

Auch lassen sich mannigfaltige familiäre Bindungen untereinander ausmachen; z.B. Hans Multscher und Heinrich Multscher wirkten als Brüder gemeinsam an großen Kunstprojekten, Hans Schüchlin ist Schwiegervater von Bartholomäus Zeitblom, Jörg Stocker ist Vater des Malers Anton Stocker und Schwiegervater von Daniel Mauch, Michael Erhart hatte die Künstlersöhne Gregor Erhart und Bernhard Erhart hervorgebracht. Des Weiteren lassen sich reiche stilistische Abhängigkeiten beschreiben.

Zunftmeister

Die Mitglieder der Bildhauer und Maler waren in Ulm in der Kramerzunft organisiert. Damit hatten sie über die Zünfte in der Stadtregierung auch einen gewissen politischen Einfluss.

  • Hans Schüchlin war Zunftmeister von 1494 bis 1500
  • Niklaus Weckmann wird als Zwölfermeister 1499 bezeichnet
  • Jörg Syrlin (der Jüngere) war von 1483 bis 1516 Zunftmeister der Schreiner

Lukasgilde Ulm

Die Lukasgilde hatte ab 1473 in Ulm ihren Sitz in der Kirche St. Michael zu den Wengen. Als ein Vorsitzender dieser Bruderschaft ist Hans Schüchlin überliefert. Ob die nach der Bombennacht 1944 übriggebliebenen Kunstwerke dort tatsächlich auf die Lukasgilde und auf einen Lukasaltar für Maler und Bildhauer noch zurückzuführen sind, ist unsicher.

Bewertungen

Hans Koepf stellte 1963 fest, dass die Ulmer Schule "eine erstaunliche Leistung" ist, "wie sie kaum eine zweite Stadt in Deutschland aufzuweisen hat". Zu bedenken ist dabei, dass "keine zweite Stadt in Deutschland durch den Bildersturm so verheerende Einbußen erlitt wie gerade Ulm".

Reinhard Wortmann meinte 1993, in der Ulmer Kunst sei eine "Tendenz zum Gigantischen als Ausdruck von Macht und Reichtum" zu verspüren". Eine Folge davon sei, "dass nicht in allen Stücken die künstlerische Qualität mithalten konnte".

Siehe auch

Das Ulmer Museum - ein Ort, an dem die Ulmer Schule ausführlich dokumentiert ist und welches in Sonderausstellungen sich um die Erhellung der Zusammenhänge müht.

Literatur

  • Barbara Maier-Lörcher: Ulmer Kunst um Ulm herum. (Spätgotische Altäre und Einzelbildwerke aus 50 Kirchen). Ulm 1996
  • Barbara Maier-Lörcher: Meisterwerke Ulmer Kunst", Ostfildern 2004, ISBN 3-7995-8004-2
  • Barbara Schäuffelen, Joachim Feist: Ulm - Porträt einer Stadtlandschaft, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1987, ISBN 3-8062-0484-5 (Seite 171)
  • Hans Koepf, Das große Jahrhundert der Ulmer Malerei, in: Schwäbische Kunstgeschichte, Bd. 3, Jan Thorbecke Verlag Konstanz 1963, S. 35-40
  • Heinz Koppenhöfer, Altäre Ulmer Meister. Kleinode in Dorfkirchen der Schwäbischen Alb, Metzingen 1993. ISBN 3-87785-020-0
  • Kataloge des Ulmer Museums - Katalog I. (Katalogbearbeitung: Gerald Jasbar und Erwin Treu). Ulm 1981
  • Wolfgang Lipp: Begleiter durch das Ulmer Münster, Langenau 2005, ISBN 3-88360-011-3.
  • Erhard John: Die Glasmalereien im Ulmer Münster, Langenau 1999, ISBN 3-88360-067-9.
  • Franz Härle: Das Chorgestühl im Ulmer Münster, Langenau 2000, ISBN 3-88360-115-2.
  • Gerhard Weiland: Die Ulmer Künstler und ihr Zunft, in: Meisterwerke massenhaft. Die Bildhauerwerkstatt des Niklaus Weckmann und die Malerei in Ulm um 1500, hrsg. vom Württembergischen Landesmuseum Stuttgart, 1993, ISBN 3-929055-25-2, S. 369-388
  • Reinhard Wortmann: Ulm als Kunstmetropole Schwabens. Ulmer Kunst - Kunst in Ulm, in: Meisterwerke massenhaft. Die Bildhauerwerkstatt des Niklaus Weckmann und die Malerei in Ulm um 1500, hrsg. vom Württembergischen Landesmuseum Stuttgart, 1993, ISBN 3-929055-25-2, S. 29 - 46

Weblinks

 Commons: Ulmer Schule – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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