Ziegenhain (Schwalmstadt)

Ziegenhain (Schwalmstadt)
Ziegenhain
Wappen von Ziegenhain
Koordinaten: 50° 55′ N, 9° 14′ O50.9138888888899.2388888888889212Koordinaten: 50° 54′ 50″ N, 9° 14′ 20″ O
Höhe: 212 m ü. NN
Einwohner: 4.176 (31. Dez. 2006)
Eingemeindung: 1. Jan. 1970
Postleitzahl: 34613
Vorwahl: 06691

Die ehemalige Residenz- und Kreisstadt Ziegenhain ist heute ein Stadtteil von Schwalmstadt im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Ziegenhain liegt am westlichen Rand des Knüllgebirges und am Mittellauf der Schwalm. Im Westen grenzt Ziegenhain an Ascherode, im Nordosten an Rörshain, im Osten an Niedergrenzebach, im Südosten an Trutzhain (alles Stadtteile von Schwalmstadt), im Süden an die Willingshäuser Ortsteile Steina, Loshausen und Ransbach,

Geschichte

Ursprung und Mittelalter

Der Wallgraben, Bestandteil der Wasserfestung
Ziegenhain (rechts) und Weichaus (links) in der Topographia Hassiae von Matthäus Merian 1655

Ziegenhain entstand im 11. Jahrhundert zur Sicherung eines Übergangs über die Schwalm, und die Grafen von Cigenhagen wurden 1144 zum ersten Mal urkundlich genannt. 1275 erhielt Ziegenhain das Stadtrecht.

Nach dem Tod von Johann II., dem letzten Grafen von Ziegenhain, im Jahre 1450 fiel die Grafschaft und mit ihr die Stadt Ziegenhain an die Landgrafschaft Hessen. Graf von Ziegenhain ist noch heute Bestandteil der Titulatur im hessischen Fürstenhaus.

Landgraf Ludwig II. (der Freimütige) von Hessen ließ die Burg in Ziegenhain 1470 zu einem Schloss umbauen. Sein Enkel Philipp I. ließ sie von 1537 bis 1548 zu einer Wasserfestung ausbauen, und diese galt bis 1807 als hessische Hauptfestung.

Östlich des befestigten Stadtbezirks entstand die Vorstadt Weichaus, die gegen Ende des 16. Jahrhunderts bereits nach Anzahl der Haushaltungen größer als Ziegenhain war. Die beiden Stadtteile wuchsen durch weitere Bebauung im Laufe der Jahre zusammen.

1538 trat in Ziegenhain auf Anregung des Straßburger Reformators Martin Bucer eine Versammlung zusammen, die 1539 die sogenannte Ziegenhainer Zucht- und Ältestenordnung beschloss. Mit dieser Kirchenzuchtordnung wurde die Konfirmation und das Amt des Kirchenvorstehers in der Landgrafschaft Hessen eingeführt.

Im Jahr 1728 lud Landgraf Karl die Schwälmer Bauern nach Ziegenhain zu einem Kartoffel- und Salatessen ein, um sie vom Kartoffelanbau zu überzeugen. Zur Erinnerung daran findet seither am zweiten Wochenende nach Pfingsten die Ziegenhainer Salatkirmes statt.

Während der Zeit des napoleonischen Königreichs Westphalen (1807–1813) war Ziegenhain Hauptort des Kantons Ziegenhain und Sitz des dortigen Friedensgerichts.

Jüdische Gemeinde

Eine Jüdische Gemeinde bestand in Ziegenhain möglicherweise bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, mit Sicherheit aber seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und dann bis 1938/40. Im 19. Jahrhundert zählte die Gemeinde etwa 100 Personen, nahm aber nach der Jahrhundertwende durch Abwanderung stetig ab. Im Jahre 1933 lebten noch 53 jüdische Einwohner in der Stadt.

Im Jahre 1853 wurde eine Synagoge im Stadtteil Weichaus in der Kasseler Straße 28 eingeweiht, mit einer Mikwe (rituelles Bad) im Erdgeschoss. Im an der Straße gelegenen, 1835 erbauten Vorderhaus befanden sich die Lehrerwohnung im Obergeschoss, der Schulraum und das rituelle Bad im Erdgeschoss; im 1852/53 angebauten Hintergebäude war der Betsaal mit der Frauenempore. Der Friedhof der Gemeinde befand sich im nahen Niedergrenzebach. Eine Elementarschule bestand von 1870 bis 1922 im Synagogengebäude; danach gab es nur noch eine Religionsschule. Da durch zunehmende Ab- und Auswanderung nach 1933 das Ende der Gemeinde absehbar war, wurde das Gebäude noch vor 1938 an eine christliche Familie verkauft. Dennoch wurde das Gebäude beim Novemberpogrom 1938 durch SA- und NSDAP-Leute verwüstet. Die beiden noch verbliebenen jüdischen Geschäfte und die jüdischen Wohnungen wurden demoliert, und die jüdischen Einwohner der beiden benachbarten Häuser Kasseler Straße 23 und 24 wurden misshandelt.

Von den 53 im Jahre 1933 verbliebenen jüdischen Einwohnern der Stadt starben sechs bis 1939 in Ziegenhain. Alle anderen zogen wegen der zunehmenden Entrechtung und Repressalien weg oder wanderten ganz aus Deutschland aus. Im April 1939 verließen die letzten von ihnen die Stadt. Von den in Ziegenhain geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen fanden mindesten 34 in der NS-Zeit einen gewaltsamen Tod.

Neuzeit

1939 entstand das Stammlager IX A, das nach dem Zweiten Weltkrieg als Durchgangslager für Displaced Persons diente und auf dessen Areal 1951 die Ortschaft Trutzhain angelegt wurde.

Im Zuge der Gebietsreform in Hessen in den 1970er Jahren wurden die beiden Städte Treysa und Ziegenhain mit umliegenden Dörfern 1970 zur Stadt Schwalmstadt zusammengelegt. Ziegenhain, bis 1974 Kreisstadt, verlor diese Funktion an Homberg, als die Landkreise Ziegenhain, Melsungen und Fritzlar-Homberg 1974 zum Schwalm-Eder-Kreis zusammengelegt wurden.

Verkehr

Straßenverkehr

Durch Ziegenhain verlaufen die Bundesstraßen 254 und 454, die sich in Ziegenhain kreuzen. Der nächste Autobahnanschluss (A 49) befindet sich bei Neuental, ca. zwölf Kilometer nördlich von Ziegenhain. Die nächste Autobahnanschlussstelle Richtung Süden befindet sich bei Alsfeld an der A 5.

Schienenverkehr

Der nächste Bahnhof befindet sich in Treysa an der Main-Weser-Bahn. Ziegenhain hatte früher einen Nordbahnhof an der Bahnstrecke Treysa–Homberg–Malsfeld und einen Südbahnhof an der Bahnstrecke Treysa–Neukirchen–Niederaula–Bad Hersfeld. Der Abschnitt Treysa–Homberg soll in Zukunft wieder von Zügen befahren werden.

Segelfluggelände

In Ziegenhain befindet sich das Segelfluggelände „Der Ring“. Dort gehen die Flugsportvereinigung Schwalm und die Akaflieg Frankfurt dem Segelflugsport nach.

Literarische Erwähnung

  • Literarische Erwähnung fand Ziegenhain in Jean Pauls Roman Hesperus oder 45 Hundposttage: ein irrlaufender Brief von Fenk ging in dem Roman durch 15 Hände, unter anderem auch durch Ziegenhain.
  • Zum Kriegsgefangenenlager in Ziegenhain im Februar 1945, siehe Agnes Humbert Notre guerre, souvenirs de Resistance (Tallandier Editions, 2004).

Söhne und Töchter der Stadt

Weblinks


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