Claus Kühnl

Claus Kühnl

Claus Kühnl (* 17. November 1957 in Arnstein, Unterfranken) ist ein in Frankfurt am Main lebender deutscher Komponist.

Claus Kühnl war das erste Kind der Eheleute Gudrun Kühnl (geborene Schmitt) aus Unterfranken und Wilhelm Kühnl, der aus dem Sudetenland stammt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Seine akademische musikalische Ausbildung erhielt Kühnl in den Jahren 1973 (zunächst als Hospitant während seiner Gymnasialzeit) bis 1980 an der Hochschule für Musik Würzburg bei Bertold Hummel (Komposition), Julian von Károlyi (Klavier), Hanns Reinartz (Dirigieren) und Zsolt Gárdonyi (Musiktheorie). Prägend für ihn wurden auch die Analyseseminare Neuer Musik bei Klaus Hinrich Stahmer und – von 1978 bis 1980 – das Studentenkammerorchester Musici Allegri, welches ihn zu seinem Dirigenten wählte. 1980 legte er das Staatsexamen im Fach Klavier ab. Im gleichen Jahr ging Claus Kühnl nach Frankfurt am Main, wo er zunächst seine Kompositionsstudien bei Hans Ulrich Engelmann an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst fortsetzte. Dort lernte er den Komponisten Gerhard Müller-Hornbach kennen, mit dem er 1981 das Mutare Ensemble für die Aufführung zeitgenössischer und selten gespielter klassischer Musik gründete.[1] [2]

In diese Zeit fallen auch erste Publikationen und der Beginn von Kühnls Lehrtätigkeit an Dr. Hoch’s Konservatorium in Frankfurt. Zunächst lehrte er Musiktheorie; 1984 bewarb er sich erfolgreich um eine Planstelle und begründete eine Kompositions- und Kammermusikklasse an diesem Institut. Dazwischen unterrichtete er gleichzeitig am Musikwissenschaftlichen Institut der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main und an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt Musiktheorie.

1983 erhielt er ein Stipendium für die Cité Internationale des Arts Paris. In Paris begegnete er Tristan Murail und dem Altmeister Henri Dutilleux, dessen Werke er eingehend studierte. Vermehrte Kompositionsaufträge brachten es mit sich, dass er sich 1986 von der Leitung des Mutare Ensemble zurückzog. 1987 begegnete er erstmals Wilhelm Killmayer während einer Arbeitswoche für Junge Komponisten in Hilchenbach, die Killmayer leitete. 1988 entstand das Musiktheater La petite Mort im Auftrag der Frankfurt Feste (UA 1991), ein Jahr später die Ensemble-Komposition Duplum. Musik des Lichtes und der Finsternis im Auftrag des Philharmonia Ensemble des Hessischen Rundfunks.

Aufgrund eines neuerlichen Stipendiums lebte Claus Kühnl 1990 ein Jahr lang in der Villa Massimo Rom. Dort keimten erste Gedanken zu einem ästhetischen Ansatz, den der Komponist mit dem Begriff Panharmonie[3] umschrieb. Ersten spürbaren Anzeichen einer Globalisierung stand er damals positiv gegenüber, indem er für eine Verschmelzung verschiedener stilistischer Einflüsse eintrat, aus denen „neue Legierungen“ entstehen sollten. Exemplarisch für diese Periode ist das Stück Lausche den Winden, ein Auftrag des Quartett avance. Nach seiner Rückkehr aus Rom wurde er 1992 als Kompositionslehrer an das Peter-Cornelius-Konservatorium in Mainz berufen, gab diese Anstellung jedoch bereits nach einem Jahr wieder auf. In den folgenden Jahren widmete sich Kühnl neben seinen gewohnten Tätigkeiten verschiedenen Kulturprojekten, nahm in leitender Funktion an Response (Schüler komponieren) teil und fungierte vier Jahre lang als Berater des Kulturdezernenten in Hanau. 1993 bis 1997 arbeitete er mit längeren Unterbrechungen an der Oper Die Geschichte von der Schüssel und vom Löffel (UA 1998 in Bielefeld), nach einem Kinderbuch von Michael Ende, dem Kühnl bis 1995 dreimal in München begegnete.[4] Claus Kühnl ist seit 1993 ehrenamtlich Mitglied des Verwaltungsrates der Mozart-Stiftung von 1838 zu Frankfurt am Main

Die Jahre 1999 und 2000 verbrachte Kühnl als Stipendiat des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg. Dort schloss er Freundschaft mit dem Schriftsteller Jochen Missfeldt. Die Werke der folgenden Zeit zeichnen sich gegenüber dem panharmonischen Ansatz der Neunziger Jahre wieder durch größere Sparsamkeit der Mittel und eine bewusste Vereinfachung aus. Hauptwerk dieser Zeit ist das Konzert für Mandoline und 13 Instrumentalisten Voller Sonnen, uraufgeführt 2006 auf dem World New Music Festival in Stuttgart. Spielte in seinem Schaffen ab Mitte der achtziger Jahre das Denken in Mikrointervallen sowie der Spektralismus (als Folge eines französischen Einflusses) bereits eine gewisse Rolle, so nimmt diese Tendenz ab der Jahrtausendwende zu. Während den Mikrointervallen zunächst eine rein melodische Funktion im Rahmen verschiedener quasi rhetorischer Figuren zugedacht war, spielen diese nun auch in der Vertikalen eine entscheidende Rolle und bewirken Schwebungen oder spektrale Felder, die in einer subtileren Klanglichkeit zum Ausdruck kommen.[5]

Claus Kühnl ist mit der Musikerin Yumi Yokoyama verheiratet. Er hat zwei Söhne aus seiner ersten Ehe: Sebastian und Benjamin Kühnl.

Preise und Stipendien (Auswahl)

Werke (Auswahl)

Bühnenwerke

  • La petite Mort (1988/89)
  • Die Geschichte von der Schüssel und vom Löffel, Comic-Oper nach dem gleichnamigen Buch von Michael Ende (1997)

Orchesterwerke

  • Vorspruch und Gesang des Einhorns für Kontrabass und Orchester (1986)
  • Responsorien für Akkordeon, Ensemble und Orchester (2002)

Kammerorchester

  • Monodie. Musik der Stille für Kammerorchester (1981)
  • Vision für 20 Solostreicher (1982)
  • Voller Sonnen, Konzert für Mandoline und 13 Instrumentalisten (2004)
  • Racine, Concertino für Klavier und 14 Instrumentalisten (2006)

Ensemblewerke

  • Duplum. Musik des Lichtes und der Finsternis für 6 Musiker (1989)
  • Lausche den Winden für Klarinette, Posaune, Cello, Klavier und Nebeninstrumente (1990)

Kammermusik

  • 5 Episoden für Posaune (1976)
  • Streichquartett (1977/83)
  • Valse miniature für Kontrabass und Klavier (1978)
  • un souvenir für Cello und Klavier (1979)
  • Die Klage des Hiob, 5 dramatische Szenen für Orgel und Klavier (1981)
  • Lichtklang für 2 Klaviere zu vier Händen (1992)
  • Morceau '95 für Trompete oder Engl. Horn, oder Klarinette, oder Viola und Klavier (1995)
  • Offene Weite für Kontrabass und Klavier (1996)
  • Engel stürzen für Akkordeon, Harfe, Schlagzeug und Zuspielung (2001)
  • Nocturne en Sarabande für Gitarre (2004)
  • Nachtschwarzes Meer, ringsum… für Kontrabass und Klavier (2005)
  • θriːhʌndrədændeɪtɪfaɪv (Threehundredandeigthyfive) für Bassflöte, Bassoboe und Kontrabassklarinette (2007)
  • Korona für Klavier zu vier Händen (2007)
  • Tanabata, Variationen über ein Lied von K. Shimofusa für Violine und Klavier (2008)
  • Kanten für Kontrabass und Harfe (2009)

Vokalmusik mit Instrumenten

  • kaze no iro für Sopran, Flöte und Klavier (2001)
  • Vom Grunde des Brunnens, 7 Lieder für Bariton und Klavier (2001)
  • VerStrömung für Bariton, Violine und Klavier (2002)
  • Zwei Stücke für einen Tenor (mit Mundharmonika) und elektr. verstärkten Flügel (2006)
  • Cantus mysticus für Tenor und Flügel mit electric-bow (2007)
  • Fünf Gesänge nach lyrischen Fragmenten der Sappho nebst einem Alterslied für Mezzo-Sopran und Klavier (2010)

Orgelwerke

  • Epitaph für Kaspar Hauser für Orgel mit mechanischer Traktur und drei Zusatzspieler (1997)
  • Sie standen mitten im verschatteten Zimmer und redeten gedämpft… (2005)
  • Assisi 2006 (2007)

Klavierwerke

  • im horizont hätten fahnen zu stehen…, mit Präparationen, (1987)
  • Anverwandlung/Doppelblick (1990)
  • Wurzeln des Zufalls (1993)
  • Fünf leichte Klavierstücke (2001)
  • Japanische Skizzen (2003)
  • Der beleidigte Papagei (2004)
  • … mir in die Augen (2005)
  • Sonatas 1–10 (2005–2008)

Ausgewählte Schriften

  • Musik und Eros – Gedanken eines jungen Komponisten (Neue Zeitschrift für Musik. Mainz: Schott, Juli/August 1985)
  • Poet der Nacht – Henri Dutilleux (Neue Zeitschrift für Musik. Mainz: Schott, Januar 1989)
  • Verlorener Schatten oder Die Bühnenwerke Hans Ulrich Engelmanns (in: Commedia humana H.U. Engelmann und sein Werk, Wiesbaden, 1985)
  • Niemals in den selben Fluss – Brief an einen jungen Komponisten zur Zeitenwende (in: Oper aktuell / Die Bayerische Staatsoper 2000/2001, Stiebner Verlag). ISBN 3-8307-1655-9, ISBN 978-3-8307-1655-6
  • Klassische Ordnung erweitert: Bertold Hummel – Komponist im zwanzigsten Jahrhundert (Neue Musikzeitung, November 2002)
  • Heraus aus dem toten Winkel: Claus Kühnl im Gespräch mit Julia Cloot (in: Rückspiegel Zeitgenössisches Komponieren im Dialog mit älterer Musik, herausgegeben von Christian Thorau, Julia Cloot und Marion Saxer. Mainz: Schott Music, 2010). ISBN 978-3-7957-0118-5

Quellen

  • M. O. C Döpfner: Den Hörer auf geistvolle Art ergötzen. (FAZ, 3. August 1984).
  • Hanno Ehrler: Surreale Gebilde unter der Oberfläche des Klanges. (Sonntags-FAZ, 16. Dezember 1990).
  • Brigitta Mazanec: Rückzug in die Stille. Komponist im Wandel. (FAZ, 18. September 1991).
  • Gabriele Streit: Neue Freiheit. Über die Klavierwerke (1987–92) Claus Kühnls. Programmheft der Alten Oper Frankfurt v. 11. Sept. 1992.
  • Brigitta Mazanec: La petite Mort. (Booklet-Text zur gleichnamigen CD, WERGO Mainz 1994).
  • Jochen Missfeldt: Claus Kühnls Kunst. (Booklet-Text zur CD Offene Weite, Cavalli Records, Bamberg 2000).
  • Volker Milch: Ich sehe lauter offene Horizonte. (Wiesbadener Kurier, 20. Dezember 2000).
  • Jan Kopp: Musik des Lichtes und der Finsternis. (Booklet-Text zur gleichnamigen CD, Cavalli Records. Bamberg 2003).
  • Biographie auf claus-kuehnl.de

Weblinks

Quellenangaben

  1. Brockhaus Riemann Musiklexikon Ergänzungsband 1995 ISBN 3-7957-8359-3, Seite 147.
  2. Komponisten der Gegenwart, 18. Nachlieferung, Nov. 1999, Seite 1.
  3. Komponisten der Gegenwart, 18. Nachlieferung, Nov. 1999, Seite 2.
  4. Theater Bielefeld, Oper, Programmheft zu Die Geschichte von der Schüssel und vom Löffel. Nr. 3, Spielzeit 1998/99.
  5. Claus Kühnl. Vom Käfer und vom munteren Hirsch im Programmheft des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia Bamberg vom 12. März 2010 („Wir holen zurück”), Seite 5/6.

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