Acetaminophen

Acetaminophen
Strukturformel
Strukturformel von Paracetamol
Allgemeines
Freiname Paracetamol
Andere Namen
  • N-Acetyl-4-aminophenol
  • N-Acetyl-p-aminophenol
  • Acetaminophen
  • 4-Acetamidophenol
  • APAP
  • 4′-Hydroxyacetanilid
  • p-Hydroxyacetanilid
  • IUPAC: N-(4-Hydroxyphenyl) acetamid
  • Latein: Paracetamolum
Summenformel C8H9NO2
CAS-Nummer 103-90-2
PubChem 1983
ATC-Code

N02BE01

DrugBank APRD00252
Kurzbeschreibung Weißer, feinkristalliner Feststoff
Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse
Wirkmechanismus

Hemmung der Cyclooxygenase-2 (COX-2) im Rückenmark[1]

Fertigpräparate
  • Acetalgin® (CH)
  • Ben-u-ron® (D)
  • Captin® (D)
  • Dafalgan® (CH)
  • Enelfa® (D)
  • Grippex® (D)
  • Mexalen® (A)
  • Mexa-Vit C® (A)
  • Mono Praecimed® (D)
  • Paedialgon® (D)
  • Panadol® (CH)
  • Parapaed® (D)
  • Perfalgan® (D)
  • RubieMol® (A)
  • Tylenol® (USA)
  • zahlreiche Generika
Verschreibungspflichtig: teilweise
Eigenschaften
Molare Masse 151,16 g·mol−1
Dichte

1,293 g·cm-3 (21 °C)[2]

Schmelzpunkt

169–171 °C [2]

Siedepunkt

> 500 °C, ab 180 °C thermische Zersetzung [2]

Dampfdruck

praktisch 0 [2]

pKs-Wert

9,38 [3]

Löslichkeit
  • löslich in Wasser (14 g·l−1 bei 20 °C)[2]
  • löslich in Ethanol
Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung [2]

Xn
Gesundheits-
schädlich
R- und S-Sätze R: 22-36/38-52/53
S: 26-37/39-61
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
MAK

10 mg·m−3 [2]

LD50
WGK 1 (schwach wassergefährdend) [2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Paracetamol ist eine chemische Verbindung, die als schmerzstillender und fiebersenkender Arzneistoff eingesetzt wird. Paracetamol ist Bestandteil verschiedener Medikamente zur Behandlung von Erkältungen, sowie vieler Schmerzmittel und teils auch von Kombinationspräparaten. Seit ihrer Einführung zählen Arzneimittel mit dem Wirkstoff Paracetamol – neben jenen, die Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen enthalten – weltweit zu den beliebtesten und bekanntesten Schmerzmitteln. Die Bezeichnung Paracetamol leitet sich von den chemischen Namen Para-(Acetylamino)phenol beziehungsweise para-Acetylaminophenol ab.

In geringen Dosen gilt Paracetamol als weitgehend unschädlich, aufgrund der einfachen Beschaffung kommt es jedoch nicht selten zu Überdosierungen sowie langfristigen Anwendungen des Präparates im Rahmen einer Selbstmedikation. Verwendung findet es vor allem bei leichten Schmerzen, etwa Kopfschmerzen, leichten Zahnschmerzen, bei Sonnenbrand und arthrosebedingten Gelenkschmerzen sowie bei Migräne.

Inhaltsverzeichnis

Handelsmarken und Darreichungsformen

Paracetamol gehört in die Gruppe der Nichtopioid-Analgetika und ist als Schmerzmittel (Analgetikum) und Fiebersenker (Antipyretikum) von einer Vielzahl von Firmen unter verschiedenen Handelsnamen erhältlich.

Paracetamol ist in unterschiedlichen Darreichungsformen zur oralen, rektalen und intravenösen Anwendung zugelassen. Für die Kurzzeit-Behandlung von mäßig starken Schmerzen, zum Beispiel nach Operationen dient eine Infusionslösung.

Kombinationspräparate

Paracetamol wird oft in Kombinationspräparaten zusammen mit Acetylsalicylsäure und teilweise auch Coffein eingesetzt, da Coffein eine relative schmerzstillende Wirkungsstärke von 1,3 bis 1,7 bei gleichzeitiger Einnahme von Paracetamol aufweist und damit die Wirkung von Paracetamol verstärken kann.

Die Kombination mit Codein oder dem Opioid-Analgetikum Tramadol steigert ebenfalls die schmerzstillende Wirkung von Paracetamol. Auch mit dem krampflösenden Arzneistoff Butylscopolaminiumbromid kann es kombiniert werden.

In Paracetamol-haltigen Grippemitteln findet sich zusätzlich häufig Vitamin C. Weitere Kombinationen mit Chlorphenamin, einem Antihistaminikum (Doxylamin), einem Hustenblocker (Dextromethorphan) oder Ephedrin sind auf dem Markt. Einen Beleg für die Wirksamkeit dieser Kombinationen gibt es nicht.

Unterschied zu anderen Schmerzmitteln

Anders als die Schmerzmittel Acetylsalicylsäure (Aspirin®) oder Ibuprofen besitzt Paracetamol eine lediglich unter Laborbedingungen feststellbare entzündungshemmende Wirkung und wird entsprechend nicht in die Gruppe der klassischen „nicht-steroidalen Entzündungshemmer“ (auch: nicht-steroidale Antirheumatika, NSAR; engl. non-steroidal anti-inflammatory drugs, NSAID) eingeordnet. Im Gegensatz zu den klassischen NSAR hat Paracetamol kaum Wirkung auf die periphere Cyclooxygenase. Aus diesem Grund sind die Nebenwirkungen (u. a. Magen-Darm-Ulzera) deutlich geringer ausgeprägt. Paracetamol hat praktisch keinen Einfluss auf die Aggregation der Blutplättchen und somit keine blutgerinnungshemmende Wirkung wie Acetylsalicylsäure. Es gilt als eines der sichersten Schmerzmittel in der Schwangerschaft. Der Einfluss von Paracetamol auf die Nieren bei normaler Dosierung ist noch nicht abschließend geklärt, bei einer langfristigen Anwendung besteht jedoch das Risiko dauerhafter Nierenschäden.[4]

Wirkungsweise

Die Wirkungsweise von Paracetamol ist seit 2007 durch Arbeiten von Kay Brune (Universität Erlangen) und Burkhard Hinz (Universität Rostock) erforscht. Bekannt ist, dass mehrere Mechanismen zusammenspielen, und dass der schmerzstillende Effekt hauptsächlich in Gehirn und Rückenmark zustande kommt:

Paracetamol besitzt demnach eine schwach dämpfende Wirkung auf das Cyclooxygenase-Enzym (Beteiligung an der Steuerung von Entzündungsreaktionen) COX 1 und eine starke auf COX 2.[1] Dies passt zu seiner schwachen entzündungshemmenden Wirkung und der Unwirksamkeit auf Thrombozyten (Blutplättchen).[5] Die Cyclooxygenase-Enzyme sind über die Bildung von Hormonen (Prostaglandine) wiederum maßgeblich an der Schmerzweiterleitung ins Gehirn beteiligt. Andere Wirkungen betreffen die Serotonin-Rezeptoren (Typ 5-HT3) im Rückenmark (über diesen Rezeptortyp kann das Nervensystem die Weiterleitung von Schmerz hemmen), die Glutamat-NMDA-Rezeptoren im Gehirn (viele schmerzverarbeitende Gehirnzellen besitzen diesen Rezeptortyp) und den Effekt von Stickstoffmonoxid im Gehirn.

Während die meisten Cyclooxygenasehemmer das aktive Zentrum blockieren, greift Paracetamol an einer anderen Stelle des Enzyms an. Dies geschieht vor allem im zentralen Nervensystem und nicht in der Peripherie des Körpers und erklärt, warum Paracetamol – im Gegensatz etwa zur Acetylsalicylsäure – nur eine sehr schwache entzündungshemmende Wirkung besitzt.

Durch eine Bindung mit Arachidonsäure zu N-Arachidonoylphenolamin (Cannabinoid-Mimetikum) besteht zudem eine weitere schmerzlindernde und fiebersenkende Wirkung.[6][7]

Die maximale Wirkung tmax von Paracetamol liegt bei 30 bis 60 Minuten nach oraler und circa 3 bis 4 Stunden nach rektaler Gabe.[4]

Nebenwirkungen

Paracetamol zeigt bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nur selten bis sehr selten unerwünschte Wirkungen. Dazu gehören der Anstieg bestimmter Leberenzyme (Transaminasen) im Serum, sowie Veränderungen des Blutbildes wie Thrombozytopenie (verringerte Anzahl von Blutplättchen) und Agranulozytose. Sehr selten kann es zu allergischen Reaktionen in Form von einfachem Hautausschlag oder Nesselausschlag bis hin zu einer Schockreaktion kommen. Ebenfalls sehr selten kommt es bei empfindlichen Personen zu einer Verkrampfung der Atemmuskulatur (Analgetika-Asthma).[4] Diese ist unbedingt stationär zu behandeln.

Große epidemiologische Studien bringen den Paracetamolkonsum insbesondere in der frühen Kindheit dosisabhängig mit einem langfristig erhöhten Asthmarisiko in Verbindung; Paracetamol konnte so als eine der möglichen Ursachen für die steigende Asthmahäufigkeit identifiziert werden.[8]

Gegenanzeigen und Anwendungsbeschränkungen

Bei Einschränkungen der Leberfunktion (beispielsweise durch Morbus Meulengracht, einer Stoffwechselstörung der Leber, von der etwa 5 % der Bevölkerung betroffen sind), ist Paracetamol nur mit besonderer Vorsicht und unter ärztlicher Kontrolle anzuwenden, ebenso bei chronischer Alkoholkrankheit und vorgeschädigter Niere.

Bei einer schweren Beeinträchtigung der Leberfunktion darf Paracetamol gar nicht eingenommen bzw. angewendet werden.[4]

Dauergebrauch und Überdosierung

Strukturformel von N-Acetyl-p-benzochinonimin (NAPQI)

Der Abbau von Paracetamol erfolgt vor allem in der Leber, wo der größte Teil des Stoffes durch Verbindung mit Sulfaten oder Glucuronsäure inaktiviert (Glucuronidierung) und dann über die Nieren ausgeschieden wird. Die toxische Wirkung lässt sich auf ein in kleinen Mengen entstehendes Produkt zurückführen, das über den Abbau über das Cytochrom P450-Enzym-System entsteht, das N-Acetyl-p-benzochinonimin (NAPQI). Dieser sehr reaktionsfähige Metabolit wird normalerweise sofort über die Reaktion mit dem Glutathion abgefangen und das entstandene Produkt über die Niere ausgeschieden. Glutathion steht jedoch nur in begrenztem Umfang in der Leber zur Verfügung und seine Nachbildung kann nicht genügend gesteigert werden. Daher erschöpft sich bei der akuten Überdosierung mit Paracetamol der Glutathion-Anteil. Das N-Acetyl-p-benzochinonimin reagiert nun mit Struktur- und Funktionsproteinen der Hepatozyten, was zur Leberzellnekrose und klinischem Leberversagen führen kann. Paracetamol und die größeren Anteile der Abbauprodukte sind hingegen vollkommen unschädlich.

Eine Überdosierung über 150 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht oder 7,5 Gramm für Erwachsene führt mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu einer irreversiblen Schädigung der Leberzellen oder gar zum Leberversagen.[9] Diese kann zum Tod führen, wenn sie nicht behandelt wird. Ein geeignetes Gegenmittel bei einer Paracetamolvergiftung ist N-Acetylcystein, falls es innerhalb von zehn Stunden verabreicht wird.[10] N-Acetylcystein ist ein SH-Gruppen-Donator und fängt toxische Paracetamol-Metabolite unter Bildung ungiftiger Konjugate ab. Wer Alkohol zu sich genommen hat, sollte Paracetamol nicht einnehmen, da die mit dem Alkoholabbau beschäftigte Leber dieses nicht mehr korrekt verstoffwechseln kann. Alkohol wird über dasselbe Cytochrom abgebaut wie Paracetamol. Ist dieses Enzym durch regelmäßigen Konsum von Alkohol induziert (erhöht), wird auch mehr Paracetamol zu seinem giftigen Teil-Abbauprodukt N-Acetyl-p-benzochinonimin abgebaut. Auch bei moderatem regelmäßigen Alkoholkonsum wird deshalb vom Gebrauch von Paracetamol abgeraten, um Leberschäden vorzubeugen.

Die kombinierte Einnahme von Paracetamol und Acetylsalicylsäure bewirkt eine toxische Schädigung der Kapillarendothelien und Epithelzellen der Henle-Schleife in der Niere. Die missbräuchliche Verwendung (Abusus) von paracetamolhaltigen Kombinationsschmerzmitteln führt zu einer Vermehrung von Harnwegstumoren um einen Faktor 10. Die Häufung ist noch markanter für Nierenbeckentumoren und beträgt für diese Lokalisation das 50fache verglichen mit Nicht-Abusern. Die Inzidenz von Harnblasentumoren ist ebenfalls erhöht.

Analgetikaabusus ist definiert als nicht bestimmungsgerechte tägliche Einnahme von paracetamolhaltigen Kombinationsanalgetika für länger als ein Jahr.

Das Risiko für die Entwicklung (terminaler) Nierenschäden steigt ab einer kumulativen Dosis von 0,5 bis 1 kg Paracetamol in Mischanalgetika.

Paracetamol ist in höheren Dosen seit April 2009 in Deutschland verschreibungspflichtig. Lediglich Packungsgrößen mit maximal 10 g Paracetamol insgesamt – entsprechend der Packungsgrößenkennzeichnung N2 mit 20 Tabletten zu je 500 mg – sind noch ohne Rezept erhältlich.[11]

Chemie

Paracetamol

Struktur

Die chemische Verbindung Paracetamol lässt sich durch die Summenformel C8H9NO2 bzw. HO-C6H4-NH-CO-CH3 beschreiben. Es ist ein Derivat des para-Aminophenols, also ein Phenol und damit ein Aromat; gleichzeitig ist es ein Derivat des Anilins. Daneben lässt sich Paracetamol auch als Acetamid, also als Amid der Essigsäure auffassen und leitet sich auch vom Acetanilid (Phenylacetamid) ab, das selbst auch als Fieber- und Schmerzmittel wirkt. Phenacetin und Paracetamol gehören zur Schmerzmittelgruppe der Anilinderivate.

Der chemische Name von Paracetamol lautet 4-Hydroxyacetanilid oder para-(N-Acetyl)aminophenol, von letztgenannter Bezeichnung leiten sich die Namen Paracetamol (Para-(Acetylamino)phenol) beziehungsweise Acetaminophen (para-Acetylaminophenol) ab.

Stoffeigenschaften

Paracetamol ist ein weißer, kristalliner Feststoff mit einem Schmelzpunkt von 170 °C. Es ist in Alkoholen gut löslich, in kaltem Wasser dagegen nur mäßig (14 g/L bei 20 °C), wohl aber in kochendem Wasser. Es hat eine Dichte von 1,293 Gramm pro Kubikzentimeter und eine molare Masse von 151,165 Gramm pro Mol. Paracetamol ist als Phenol schwach sauer – der pH-Wert einer gesättigten, wässrigen Lösung liegt bei etwa sechs – und hat einen leicht bitteren Geschmack.

Herstellung

p-Aminophenol lässt sich durch Nitrierung und anschließende Reduktion aus Phenol herstellen. Umsetzung mit Essigsäureanhydrid führt zum Paracetamol unter Abspaltung von Essigsäure.

Die Acetylierung ist nicht selektiv. Teilweise wird auch die Hydroxygruppe acetyliert. Man arbeitet mit einem Überschuss Essigsäureanhydrid, so dass alle Amino-Gruppen umgesetzt sind. Das teilweise bisacetylierte Produkt wird selektiv bei leicht erhöhtem pH-Wert zu Paracetamol hydrolysiert. Dabei macht man sich die Tatsache zu Nutze, dass Amide basenstabiler sind als die entsprechenden Ester.

Herstellung von Paracetamol.

Geschichte

Vor der Entwicklung des Paracetamol war als einziges Schmerzmittel die Rinde des Chinabaumes bekannt, aus der auch das Anti-Malaria-Mittel Chinin gewonnen wird. Als die Beschaffung dieser Rinde aufgrund der abnehmenden Anzahl der Bäume und der zunehmenden Nachfrage schwieriger wurde, entstanden in den 1880er-Jahren zwei Alternativen, das Acetanilid (1886) sowie das Phenacetin (1887). Paracetamol selbst wurde erstmals 1873 (nach anderen Quellen 1878) von Harmon Northrop Morse hergestellt, als er p-Nitrophenol mit Zink in Eisessig (konzentrierte Essigsäure) reduzierte. Vignolo führte eine gezieltere Synthese durch, die von p-Aminophenol ausging, das er mit Essigsäure umsetzte. Friedlander verbesserte das Verfahren durch die Verwendung von Essigsäureanhydrid als Acetylierungsmittel.

1893 wurde Paracetamol erstmals im Urin eines Menschen nachgewiesen, der Phenacetin zu sich genommen hatte. 1899 wurde das Paracetamol außerdem als Stoffwechselprodukt des Acetanilids erkannt – diese Entdeckungen blieben jedoch ohne Resonanz, so dass Paracetamol weiterhin keine Anwendung in der Medizin fand.

Julius Axelrod 1973

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Paracetamol bekannter, als es 1948 von Bernard Brodie und Julius Axelrod am New York City Department of Health ein zweites Mal als Metabolit von Phenacetin identifiziert wurde. Diese forschten im Regierungsauftrag nach neuen Schmerzmitteln und zeigten in ihrer Arbeit auf, dass der schmerzstillende Effekt des Acetanilids und des Phenacetins vollständig auf das Abbauprodukt dieser Stoffe, das Paracetamol, zurückzuführen ist. Sie regten an, diesen Stoff in seiner Reinform zu nutzen, um die toxischen Nebenwirkungen der Ursprungsstoffe zu vermeiden.

Seit 1956 ist Paracetamol in Tablettenform mit 500 mg Wirkstoff erhältlich und wurde in Großbritannien unter dem Markennamen Panadol® verkauft, hergestellt von der Firma Frederick Stearns & Co, die ein Ableger der Sterling Drug Inc. war. Es war ausschließlich auf Rezept zu bekommen und wurde als schmerzstillendes und fiebersenkendes Mittel beworben, welches zugleich den Magen schone. Die damals bereits bekannte Acetylsalicylsäure ist weniger magenfreundlich. 1958 kam zusätzlich eine Kinderversion des Präparates mit dem Namen Panadol Elixir® auf den Markt. Seit 1963 wird Paracetamol im britischen Arzneibuch, der „British Pharmacopoeia“, monographiert. Kurz danach wurde es auch in Arzneibücher anderer europäischer Staaten aufgenommen.

Die eigentliche Wirkweise des Stoffes war sehr lange unbekannt. Erst zu Beginn der 1970er-Jahre fand der britische Pharmakologe John Vane heraus, dass die Wirkung von Paracetamol und anderen nichtsteroiden Schmerzmitteln auf der Hemmung der Cyclooxygenase COX beruht. Für diese Entdeckung erhielt Vane 1982 gemeinsam mit Sune Bergström und Bengt Ingemar Samuelsson den Nobelpreis für Medizin.[12]

1982 starben sieben Patienten in Chicago, nachdem sie Paracetamolkapseln in Form des Produktes „Extra Strength Tylenol“ zu sich genommen hatten.[13][14] Es stellte sich heraus, dass die Kapseln aus den betroffenen Flaschen jeweils 65 Milligramm Kaliumcyanid enthielten. Der Hersteller der Präparate Johnson & Johnson Corporation startete eine landesweite Rückrufaktion von 31 Millionen Tylenol-Flaschen mit einem Marktwert von 100 Mio. US-Dollar und warnte in Medienberichten vor der Einnahme der Kapseln und Tabletten. Da spätere Analysen das Gift nur in Kapseln nachwiesen, wurde das weitere Vorgehen nur noch auf diese beschränkt. Das Gift wurde den Kapseln von einem Unbekannten in der Metropolregion Chicago absichtlich hinzugefügt. Insgesamt wurden acht vergiftete Flaschen gefunden. Der Marktanteil von Tylenol brach zum Zeitpunkt des Vorfalls rapide ein, erholte sich anschließend jedoch, da der Hersteller für seine schnelle und konsequente Reaktion durchweg gelobt wurde. Als Konsequenz auf den Vorfall erließ die Food and Drug Administration strengere Vorschriften zum Schutz vor Produktsabotage.

Literatur

  • O. Boutaud, D. M. Aronoff, J. H. Richardson, L. J. Marnett, J. A. Oates: Determinants of the cellular specificity of acetaminophen as an inhibitor of prostaglandin H2 synthases, in: Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A 2002, 99, 7130–7135; PMID 12011469; PDF
  • Alfio Bertolini, Anna Ferrari, Alessandra Ottani, Simona Guerzoni, Raffaella Tacchi, Sheila Leone: Paracetamol: New Vistas of an Old Drug, in: CNS Drug Reviews 2006, 12, 250–275; PMID 17227290.
  • Ernst Mutschler et al.: Mutschler – Arzneimittelwirkungen Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. 9. Auflage. Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8047-1952-1. 

Einzelnachweise

  1. a b Hinz B., Cheremina O., Brune K.: Acetaminophen (paracetamol) is a selective cyclooxygenase-2 inhibitor in man. In. FASEB J. 2008 Feb;22(2) S. 383–90. Epub 20. September 2007. PMID 17884974.
  2. a b c d e f g h Eintrag zu CAS-Nr. 103-90-2 in der GESTIS-Stoffdatenbank des BGIA, abgerufen am 27. November 2007 (JavaScript erforderlich)
  3. a b c Paracetamol bei ChemIDplus
  4. a b c d Fachinformation (Mustertext des BfArM für Paracetamol), Stand: 10. Juni 2008
  5. C. Frölich: Selektive Cyclooxygenasehemmer: Eine neue Generation von Antirheumatika, in: Deutsches Ärzteblatt 1996, 93(47), A-3100 / B-2632 / C-2438 Medizinreport.
  6. A. Bertolini, et al.: Paracetamol: New vistas of an old drug, in: CNS Drug Reviews 2006, 12, 250–275; PMID 17227290.
  7. E. D. Hogestatt, et al.: Conversion of acetaminophen to the bioactive N-acylphenolamine AM404 via fatty acid amide hydrolase-dependent arachidonic acid conjugation in the nervous system, in: J. Biol. Chem. 2005, 280 (36), 31405–31412; PMID 15987694.
  8. R. Beasley: "Association between paracetamol use in infancy and childhood, and risk of asthma, rhinoconjunctivitis, and eczema in children aged 6-7 years: analysis from Phase Three of the ISAAC programme", in: Lancet. 2008 Sep 20, 372 (9643), 1039–1048; PMID 18805332.
  9. W. M. Lee, R. Williams: Acute liver failure, 1997, Cambridge University Press, ISBN 0-52155381-4.
  10. H. Kupferschmidt:Therapie der Paracetamolvergiftung Schweizerisches Toxikologisches Informationszentrum
  11. Ergebnisprotokoll der 60. Sitzung des Sachverständigen-Ausschusses für Verschreibungspflicht
  12. Informationen der Nobelstiftung zur Preisverleihung 1982 an John Vane, Sune Bergström und Bengt I Samuelsson (englisch)
  13. G. Dunea: Death over the counter, in: Br Med J 1983, 286, 211–212; PMID 6401533; PDF.
  14. K. A. Wolnik, et al.: The Tylenol tampering incident – tracing the source, in: Anal. Chem. 1984, 56, 466A–470A, 474A; PMID 6711821.

Weblinks


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