Condictio ob turpem vel iniustam causam

Condictio ob turpem vel iniustam causam

Die condictio ob turpem vel iniustam causam ist ein Unterfall der Leistungskondiktion im deutschen Bereicherungsrecht. Die lateinische Phrase bedeutet übersetzt etwa „Rückgewähranspruch für den unsittlichen oder unrechten Fall“. Die condictio ob turpem vel iniustam causam liegt dann vor, wenn ein Empfänger mit der Annahme einer Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Wer geleistet hat, kann das Erlangte dann von ihm herausverlangen.

Inhaltsverzeichnis

Anspruchsvoraussetzungen

Die allgemeine Leistungskondiktion ist geregelt in § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Fall BGB:

Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet.

Auch für die Fälle des § 817 BGB, der die condictio ob turpem vel iniustam causam regelt, ist meist vorrangig die klassische Leistungskondiktion – die condictio indebiti – anwendbar. Dies liegt daran, dass bei sitten- oder gesetzeswidrigen Sachverhalten das der Leistung zugrunde liegende schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft regelmäßig nach § 134 BGB (Verstoß gegen Gesetz) oder nach § 138 BGB (Verstoß gegen die guten Sitten) nichtig ist. Damit fehlt der Rechtsgrund für die Leistung von Anfang.

Die condictio ob turpem vel iniustam causam nach § 817 Satz 1 BGB greift also etwa ein, wenn das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft trotz sitten- oder gesetzeswidriger Leistung wirksam ist oder die klassische Leistungskondiktion durch § 814 BGB (der Leistende kennt bei Leistung das Fehlen des Leistungsgrunds) ausgeschlossen ist.

Beispiel

Eine condictio ob turpem vel iniustam causam kann etwa bei Erpressungen eingreifen. Hier ist das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft für die Leistung – meist eine Geldzahlung – gültig, da der Gesetzes- oder Sittenverstoß allein durch den Empfänger nicht ausreicht, um auch das Grundgeschäft nach §§ 134, 138 BGB nichtig zu machen. Denn der Leistende selbst verstößt regelmäßig nicht gegen die guten Sitten oder das Gesetz. Da also bei der Erpressung (Beispiele: Schutzgelderpressung, Annahme von Geld gegen das Versprechen eine Straftat nicht anzuzeigen oder die Annahme von Geld zur Verschaffung eines Titels/Amts) nur der Leistungsempfänger gegen die guten Sitten bzw. ein gesetzliches Verbot verstößt, kann von diesem die Leistung grundsätzlich nach § 817 S. 1 BGB zurückgefordert werden.

Ausschluss

In § 817 Satz 2 BGB sieht das Gesetz eine besondere Einwendung gegen den Herausgabeanspruch vor:

Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, es sei denn, dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand; das zur Erfüllung einer solchen Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden.

Die ganz herrschende Ansicht weitet diesen Anspruchsausschluss in zwei Richtungen aus. Zunächst muss er erst recht gelten, wenn dem Leistenden der Verstoß nicht nur gleichfalls, sondern sogar alleine zur Last fällt. Andererseits wird die Vorschrift auf alle Leistungskondiktionen erstreckt.

Umstritten ist der Grund für die gesetzliche Regelung. Vielfach wird er darin gesehen, dass sich der Kläger nicht zur Anspruchsbegründung auf sein eigenes Unrecht berufen könne, ohne widersprüchlich zu handeln: turpitudinem suam allegans nemo auditur - die Rechtsordnung hört einen solchen Vortrag nicht.

Siehe auch

Weblinks

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