Cremonaplan

Cremonaplan

Der Cremonaplan dient bei statisch bestimmten Fachwerken der zeichnerischen Bestimmung der Stabkräfte zur Bemessung der Stäbe. Er wurde im 19. Jahrhundert von Antonio Luigi Gaudenzio Giuseppe Cremona entwickelt und erstmals um das Jahr 1865 veröffentlicht.

Die dem Cremonaplan zugrundeliegenden Methoden sind sehr hilfreich bei der Ausbildung. Im Computerzeitalter erfolgt die Ermittlung der Stabkräfte in der Regel schneller und bequemer ohne die grafische Darstellung des Kraftecks.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Das Grundprinzip beruht darauf, dass an jedem Knotenpunkt eines Fachwerks Gleichgewicht herrschen muss. Wenn man die Stabkräfte an den Knoten als äußere Kräfte auffasst, ist die Summe dieser Kräfte = 0. Für jeden Knoten lässt sich ein geschlossenes Krafteck zeichnen. Fügt man die einzelnen Kraftecke zusammen, entsteht der Cremonaplan.

Jede Stabkraft kommt an zwei Knoten und in zwei Kraftecken vor. Deshalb ergibt der Cremonaplan ein geschlossenes maßstabsgerechtes Krafteck, in dem jede Stabkraft nur einmal vorkommt.

Notwendige Hilfsmittel

Manuell

Geodreieck

Man benötigt: Ein Blatt Papier, Lineal, Geodreiecke, Bleistift, Buntstifte, Spitzer und Radiergummi. Die Skala auf dem Lineal dient zum Ablesen der Eingangs- und Ausgangsgrößen. Alle Kräfte werden zur grafischen Darstellung mit einem geeigneten Maßstab in Längen umgerechnet. Die größte der zu erwartenden Kräfte bestimmt über den gewählten Maßstab (z. B. "1cm entspricht 1kN") letztendlich die Dimension des Papiers. Vorzugsweise werden die Papiergrößen DIN A4, A3 bis A0 verwendet. Je größer die Zeichnung, desto genauer die Ergebnisse. Vorteil: Stabkräfte können "vor Ort", ohne Strom und aufwendige Ausrüstung schnell und zuverlässig ermittelt werden. Ein Nachteil ist u.U. ein höherer Zeitaufwand (also erhöhte Lohnkosten).

Rechnergestützt

Ein einfache 2D CAD Software (mit nur wenigen Grundfunktionen wie: Linie, Layer, Parallele, Bemassung, Messen) genügt für die Erstellung eines Cremonaplanes. Zum Ausdruck ist ein (vorzugsweise Farb-) Drucker oder Plotter notwendig. Mit Hilfe verschiedenen Farben können Eingangs- und Ausgangskräfte leicht unterschieden werden, genauso Zug- und Druckkräfte. Sollten Befehlsmacros für das Erstellen des Kräfteplanes vorhanden sein, so beschleunigt dies die Arbeit erheblich. Durch die hohe Genauigkeit (8 bis 16 Nachkommastellen) eines 2D CAD-Systemes sind erstaunlich genaue Berechnungen möglich.

Vorgehensweise

Zuerst muss man die Kräfte am Objekt freistellen. Dazu werden die Auflagerkräfte und die auf das Fachwerk wirkenden Kräfte in Größe und Richtung bestimmt. Das ist bei einem statisch bestimmten System nicht schwierig, z. B. zeichnerisch mit dem Seileckverfahren oder rechnerisch nach den Gleichgewichtsbedingungen ΣFx=0, ΣFy=0, ΣM=0 (siehe auch statisch bestimmt).

Für die von außen einwirkenden Kräfte muss ein Umfahrungssinn festgelegt werden (im Uhrzeigersinn oder entgegengesetzt). Die danach in der richtigen Reihenfolge eingetragenen Kräfte ergeben auch ein geschlossenes Krafteck.

Als nächstes muss man einen Knoten suchen, an dem nur zwei Stäbe mit unbekannten Stabkräften angeschlossen sind. Dieser wird als "Startpunkt" festgelegt. Als Startpunkt eignet sich i.d.R. eines der Auflager. Von dort aus geht man der Reihe nach alle Knoten durch. Bei jedem weiteren Knoten dürfen wiederum maximal zwei neue Stäbe, deren Stabkraft noch nicht bestimmt ist, anschließen. Bei jeder Kraft kennzeichnet man, zu welchem Stab sie gehört und ob es eine Zugkraft oder eine Druckkraft ist.

An allen Fachwerkknoten muss man den gleichen Umfahrungssinn verwenden. Jede Stabkraft darf nur einmal gezeichnet werden. (Tipp: Hilfreich ist es, die schon berücksichtigten Kräfte mit einem kleinen Kennzeichen zu markieren.) Hat man alles richtig gemacht, so muss sich das Krafteck zum "Startpunkt" schließen. Da das Krafteck maßstäblich ist, entspricht die Länge der gezeichneten Linien den Kräften.

In allen Kraftecken sind die Richtungen der Kräfte (bis auf das der Außenkräfte) irrelevant. Es geht um die Beträge und die Festlegung, ob es sich um eine Zug- oder eine Druckkraft handelt.

thumb einfaches Beispiel der Kräfteverhältnisse

Nachfolgend wird an dem o.a. Beispiel die Ermittlung der Größe und Richtung der Stabkräfte erklärt:

Nachdem die Auflagerkräfte wie oben beschrieben ermittelt wurden und das Krafteck der äußeren Kräfte gezeichnet wurde, sucht man sich einen Knoten, bei dem maximal zwei Stabkräfte unbekannt sind. Im Beispiel wurde der Knoten B mit den beiden unbekannten Stäbkräften für U2 und D4 gewählt. Zur besseren Übersicht wurde das Einzelkrafteck hier einmal herausgezeichnet.

  • 1. Man stellt sich gedanklich zwischen die beiden unbekannten Stäbe und dreht sich (hier rechts herum) um den Knoten. Die erste (und an diesem Knoten auch einzige) bekannte Kraft ist hier die Auflagerkraft B, die man - hier im Einzelkrafteck - mit ihrer Richtung und Größe maßstäblich aufzeichnet.
  • 2. Als nächstes trifft man den unbekannten Stab U2. An das Ende der vorgehenden Kraft (B) trägt man im Krafteck nun die Wirkungslinie (Richtung der Kraft) als Gerade, noch ohne Größe, an.
  • 3. Die jetzt noch verbleibende Kraft im Stab D4 wird im Krafteck ebenfalls mit ihrer Wirkungslinie angetragen. Da sie das Krafteck schließen muss, geht sie hier durch den Anfangspunkt der Auflagerkraft B.
  • 4. Jetzt hat man das fertige Krafteck B, U2, D4. Da sich das Krafteck schließen muss, kann man die Richtungspfeile entsprechend antragen. Die Größe der Stabkräfte lässt sich durch Messen der einzelnen Längen im gewählten Maßstab ermitteln.
  • 5. In der Systemskizze am untersuchten Knoten trägt man jetzt ebenfalls die ermittelten Pfeile in derselben Richtung an. Hier in Knoten B geht die Kraft U2 vom Knoten weg und die Kraft D4 zum Knoten hin. Kräfte vom Knoten weg sind im Stab immer Zugkräfte (hier blau) und zum Knoten hin immer Druckkräfte (hier rot). Nun hat man für den untersuchten Knoten die Größe und Richtung der Kräfte ermittelt.
  • 6. Da die Kräfte im jeweiligen Stab bezüglich Richtung und Größe konstant sind, kann man jetzt die Richtungspfeile am gegenüberliegenden Knoten der beiden Stäbe antragen: Zugkräfte vom Knoten weg, Druckkräfte zum Knoten hin. Die Pfeile zeigen an den Stabenden also in die entgegengesetzte Richtung. Damit ist der Knoten B fertig.
  • 7. Jetzt kann man die Kräfte am nächsten Knoten ermitteln. Im Beispiel wäre das der Knoten K3 mit den bekannten Lasten F2, F3 und Stabkraft D4 und den unbekannten zwei Stäben D3 und O1. Man geht dafür sinngemäß vor wie unter 1. bis 6. beschrieben.

Man muss nicht für jeden Knoten ein eigenes Krafteck zeichnen, sondern kann, mit etwas Übung, alle Stabkräfte in dem Gesamtkrafteck ermitteln. Hier hat man am Ende auch eine Kontrolle, da sich das Gesamtkrafteck schließen muss.

Um zuverlässige Ergebnisse zu erhalten, müssen die Eigengewichte der Stäbe eines Fachwerkes (berechnet aus Länge mal Metergewicht) berücksichtigt werden und in den Plan (ggf. in einer zweiten Nachrechnung) mit einbezogen werden. Das kann Komplexität erheblich erhöhen, ist aber bei z. B. Brücken unerlässlich.

Literatur

  • Cremona, Luigi: Le figure reciproche nella statica grafica. Mailand: Ulrico Hoepli, 1872
  • Gross, Hauger, Schröder, Wall: "Technische Mechanik 1", Springer Verlag

Siehe auch


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Cremonaplan — zur zeichnerischen Bestimmung der Stabkräfte von statisch bestimmten Fachwerken; durch Einhaltung eines festgelegten Umfahrungssinns an den Fachwerkknoten wird erreicht, dass im Cremonaplan jede Stabkraft (trotz ihres Angriffs an 2 Knoten) nur… …   Erläuterung wichtiger Begriffe des Bauwesens

  • Technische Mechanik — Cremonaplan als ein klassisches Beispiel für die Lösung eines Problemes innerhalb der Technischen Mechanik Die Technische Mechanik ist ein Teilgebiet der Ingenieurwissenschaften. Ihre naturwissenschaftliche Grundlage ist die klassische Mechanik,… …   Deutsch Wikipedia

  • Baustatiker — Fehler des Statikers, Problemlösung aus Holz Baustatik oder die Statik der Baukonstruktionen ist die Lehre von der Stabilität von Tragwerken im Bauwesen. Die Berechnungsverfahren der Baustatik sind Hilfsmittel der Tragwerksplanung und mit der… …   Deutsch Wikipedia

  • Erweiterte Technische Biegelehre — Fehler des Statikers, Problemlösung aus Holz Baustatik oder die Statik der Baukonstruktionen ist die Lehre von der Stabilität von Tragwerken im Bauwesen. Die Berechnungsverfahren der Baustatik sind Hilfsmittel der Tragwerksplanung und mit der… …   Deutsch Wikipedia

  • Antonio Luigi Gaudenzio Giuseppe Cremona — (* 7. Dezember 1830 in Pavia, Lombardei; † 10. Juni 1903 in Rom) war ein italienischer Mathematiker, Statiker und zuletzt Politiker. Cremona wuchs auf und studierte in Pavia. In den Aufständen 1848/1849 beteiligte er sich als Unteroffizier an der …   Deutsch Wikipedia

  • Fachwerk (Mechanik) — Fachwerk Stahlbrücke über den Oulujoki in Finnland. Historische Knotenpunktausführung mit vier angeschlossenen Stäben …   Deutsch Wikipedia

  • Fachwerkbauweise — Fachwerk Stahlbrücke über den Oulujoki in Finnland. Historische Knotenpunktausführung mit vier angeschlossenen Stäben …   Deutsch Wikipedia

  • Fachwerksbau — Fachwerk Stahlbrücke über den Oulujoki in Finnland. Historische Knotenpunktausführung mit vier angeschlossenen Stäben …   Deutsch Wikipedia

  • Fachwerksbauweise — Fachwerk Stahlbrücke über den Oulujoki in Finnland. Historische Knotenpunktausführung mit vier angeschlossenen Stäben …   Deutsch Wikipedia

  • Baustatik — Abfangung einer Dachstütze im Bahnhof Breda, Niederlande – derartige Konstruktionen müssen baustatisch nachgewiesen werden …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”