Cédric Tornay

Cédric Tornay

Cédric Tornay (* 24. Juli 1974 im Wallis, Schweiz; † 4. Mai 1998 im Vatikan) war ein Vizekorporal in der Schweizergarde.

Der 23-jährige Schweizergardist Tornay geriet mit seinem Tod in die Medien. Am Abend des 4. Mai 1998 kurz nach 21 Uhr, zur Zeit der Abendandacht im Vatikan, fanden Nonnen die Leichen von drei Personen in der Wohnung des 31. Kommandanten der Schweizergarde Alois Estermann. Bei den drei Toten handelte es sich um Alois Estermann selbst und dessen aus Venezuela stammende Ehefrau Gladys Meza Romero sowie den Vizekorporal Cédric Tornay.

Nach der Version des Vatikans soll Cédric Tornay aus Rache über eine verweigerte Auszeichnung (welche standardmäßig nach drei Dienstjahren verliehen wird) durch seinen Oberkommandierenden Estermann diesen und dessen Ehefrau getötet und sich zuletzt selbst durch einen Schuss in den Mund gerichtet haben. Zwei Tage später bekräftigte Vatikan-Sprecher Joaquín Navarro-Valls, es sei ein Anfall von Raserei gewesen. Tornay sei eine gestörte Persönlichkeit gewesen, die auffallen wollte und angeblich unter ungenügender Anerkennung litt.

Über die Kindheit und Jugend Tornays ist fast nichts bekannt. Aus Rücksicht und Respekt den Hinterbliebenen gegenüber wurden nur wenige Interviews geführt, die sich außerdem insbesondere auf die Geschehnisse des 4. Mai 1998 bezogen.

Inhaltsverzeichnis

Zweifel an den Aussagen des Vatikan

Bald kamen Zweifel über die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Vatikan auf. Angeblich sollen so beispielsweise vier Gläser in der Wohnung Estermanns gefunden worden sein, es lagen jedoch nur drei getötete Personen in der Wohnung. Verdächtigungen, der Vatikan habe vertuscht und Beweise gefälscht bzw. wissentlich gelogen, wurden laut. In dem Buch Assassinati in Vaticano („Ermordet im Vatikan“) behaupten zwei französische Juristen, Jacques Vergès und Luc Brossollet, der vermeintliche Mörder sei selbst ermordet worden. Im Auftrag von Cédric Tornays Mutter Muguette Baudat sollen sie den Vorfall untersuchen. Luc Brossollet ist der festen Überzeugung, es handele sich um ein Komplott.

Nach dem Tod Tornays übergab der Vatikan Muguette Baudat das Projektil, mit der ihr Sohn sich selbst das Leben genommen haben soll. Dieses war jedoch vollkommen intakt, wies keinerlei Schürf- und Druckstellen auf und hätte somit kein schweres Hindernis wie den Kopf Tornays durchschlagen können. Luc Brossollet sei sich sicher, dass Cédric Tornay unschuldig ist und der oder die wahren Mörder bis heute frei herumlaufen.

Schweizer Experten hätten die vatikanische Version des Selbstmordes Tornays, wie auch den Schussverlauf inzwischen widerlegt. Wäre Tornay auf diese Weise ums Leben gekommen, hätte das Projektil beide Halswirbel zersplittert, dies war nicht der Fall. Eine zweite Autopsie besagt, dass Tornays Kopf im Zeitpunkt des Schussfalles nach hinten gelehnt gewesen sein muss. Ein weiteres Indiz gegen die spärlichen Angaben des Vatikan ist das in der Lunge gefundene Blut, das vom Bruch des Felsenbeins stammt. Tornay muss einen heftigen Schlag, wahrscheinlich mit der Handkante, gegen den Kopf bekommen haben. Dieser Schlag muss eine Bewusstlosigkeit ausgelöst haben. Erst nach diesem Schlag soll er sich erschossen haben, was absolut unmöglich ist. Außerdem deuten ausgeschlagene Zähne daraufhin, dass ihm die Waffe gewaltsam in den Mund gesteckt worden sein muss.

Der Abschiedsbrief, den Cédric Tornay hinterlassen hat, ist einem Gutachten zufolge eine Fälschung. Dafür sprechen einige Indizien. So habe Tornay nie von „Le pape“ (dem Papst) sondern immer vom heiligen Vater gesprochen. Am Ende des Briefes gebe es zwei Auffälligkeiten, er verabschiedete sich von seinen Schwestern und seinem Vater, vergisst aber anscheinend seine Verlobte und seine Halbbrüder (von deren Existenz laut Brossolett niemand im Vatikan gewusst haben soll). Außerdem sei der Gruß am Ende des Abschiedsbriefes laut Tornays Mutter extrem untypisch für Ihren Sohn. Er beschreibt sie darin als „beste Mama der Welt“, Muguette Baudat sagt jedoch, dass er in so einem ernsten Brief eher mit der Endung „dein Sohn“ abgeschlossen hätte. Außerdem verlangte das vatikanische Gericht einen Tag nach dem Tod ihres Sohnes die Unterschrift von Muguette Baudat, welche die Handschrift Tornays in dem Abschiedsbrief bestätigen sollte. Im Nachhinein bestätigt diese aber, dass der Brief nicht die Handschrift ihres Sohnes trägt. Auch die abschließende Unterschrift Tornays auf dem Papier habe gefehlt.

Zahlreiche Gerüchte um Freimaurerei und Karrieristen im Vatikan, sowie um Zusammenhänge mit der Nähe von Estermann zu Opus Dei keimten auf.

Stellungnahme des Vatikan zu dem Vorfall

Bis heute ist die einzige Reaktion des Vatikan ein Untersuchungsbericht, der neun Monate nach der Tat den Suizid Tornays bestätigt. Zu dem Rest schweigen die Verantwortlichen. Die Akten zu dem Mordfall hält der Vatikan unter Verschluss. Nach den öffentlichen Vorwürfen räumte man ein, ungeklärten Fragen nachzugehen, doch bis heute ist dies nicht geschehen.

Weiterer Verlauf nach den Morden

Muguette Baudat richtete eine Internetseite für ihren Sohn ein. Sie trug zu den meisten Informationen bei, beispielsweise sollte der Sarg nicht mehr geöffnet werden und der Mutter ein letzter Abschied von ihrem toten Sohn verwehrt bleiben. Sie erkämpfte jedoch die Öffnung des Sarges und eine unabhängige Autopsie des Leichnams. Sie sagte abschließend, dass sie wisse, dass die Wahrheit eines Tages ans Licht kommen würde, egal ob sie bis dahin noch lebe oder nicht, das sei sie ihrem Sohn schuldig.

Im Zürcher Tages-Anzeiger vom 19. November 2005 kommt der pointiert Rom-kritische Journalist Michael Meier zum Schluss: „Spekulationen über Bluttat im Vatikan haltlos“. Er stützt sich dabei auf ein von Tornays Mutter (Muguette Baudat) in Auftrag gegebenes Gutachten von Prof. Thomas Krompecher vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Lausanne. Dessen Autopsiebericht sei nie veröffentlicht worden, weil er den Verschwörungstheorien der beiden französischen Anwälte Baudats widerspricht. Die sich namentlich auf den Einschusswinkel, das Kaliber des Geschosses und die Stellung der Leiche Tornays stützenden Spekulationen erweisen sich gemäß dieser Obduktion allesamt als haltlos. „Mit den Ergebnissen der Krompecher-Autopsie ist“, so Meier, „die These von der Ermordung Tornays widerlegt“. In Betreff auf den Abschiedsbrief Tornays belegte ein graphologisches Gutachten schon vor Jahren, dass das Schreiben tatsächlich von ihm stammt (vgl. z.B. „La Liberté“, 16. Januar 2003, S. 12).

Literatur

  • Jacques Vergès und Luc Brossollet: Assassinati in Vaticano. Kaos, 2002
  • Discepoli di Verità: Bugie di sangue in Vaticano. Kaos, 2002
  • I. Millenari: Wir klagen an. (Via col vento in Vaticano). Aufbau, Berlin, 2002 ISBN 3746670306
  • Hanspeter Oschwald: Vatikan, die Firma Gottes. Piper, 1998 ISBN 3492039979
  • Thomas J. Reese: Im Inneren des Vatikan. Politik und Organisation der katholischen Kirche. Fischer, 2000 ISBN 3596147522
  • Valeska von Rogues: Mord im Vatikan. Ermittlungen gegen die katholische Kirche. DTV, 2005 ISBN 3-423-34266-8

Weblinks


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