DDR-Frauenfußball

DDR-Frauenfußball

In der DDR wurde seit Anfang der 1970er Jahre Frauenfußball gespielt. Es gab eine Meisterschaft und einen Pokalwettbewerb.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die erste Frauenfußballmannschaft wurde 1968 in Dresden gegründet. Der bulgarische Student Wladimir Zwetkov gründete bei der BSG Empor Dresden-Mitte (heute Dresdner SC) eine Frauenfußballmannschaft. Er hatte die Idee, dass auch Frauen Fußball spielen können. Es begannen aufwendige und nervenaufreibende Wochen und Monate. In den Funktionärsetagen von Partei und Sportverbänden stieß der engagierte Student der Dresdner Technischen Universität auf Widerstand. Nach einem langen Telefongespräch mit dem 1. Parteisekretär des Bezirks Dresden und einem Besuch bei der Leitung der BSG Empor Dresden-Mitte erhielt Zwetkov endlich grünes Licht. Er gab eine Annonce in den Sächsischen Neuen Nachrichten auf, worauf sich viele Frauen zum Training meldeten. Unerwartete Hilfestellung erhielt der Bulgare überdies durch Heinz-Florian Oertel. Während eines Besuchs beim DDR-Oberligisten Union Berlin kann er den beliebten und bekannten Sportreporter überreden, in der Halbzeitpause des Herrenspiels über Stadionlautsprecher das erste Frauenfußballspiel von Empor Dresden-Mitte anzukündigen.

Am 4. August 1969 fand dieses erste Frauenfußballspiel gegen Empor Possendorf vor 1600 Zuschauern statt, Dresden-Mitte gewann mit 2:0. Wenig später war Zwetkov auch an der Gründung der Betriebssportgemeinschaften ZFK Rosendorf sowie Aufbau Dresden-Ost beteiligt. In einem Interview 2005 sagte Zwetkov zu seinen damaligen Trainingsmethoden: "Taktik, Technik und Gymnastik...Die Übungen, die Klinsmann jetzt mit den Amerikanern macht für die Nationalmannschaft, die hab ich schon damals mit den Frauen gemacht, z.B. diese Übungen mit Seilen, die um die Beine gebunden werden."

Da Frauenfußball keine olympische Sportart war und damit auch kein staatliches Renommee in Aussicht stand, wurde er auch nicht als Leistungssport gefördert. Die verantwortlichen Funktionäre schoben den Frauenfußball in den Freizeit- und Erholungssport ab. An einem organisierten Spielbetrieb etwa auf Bezirksebene oder sogar landesweit bestand lange Zeit kein Interesse. Dennoch gelang es den Damenfußball-Pionieren in Dresden, zumindest auf Stadtebene, ab 1970 eine Liga mit acht Mannschaften einzurichten. Auch anderswo in der DDR gründeten sich Frauenfußballteams. In Leipzig wurde bereits am 05. November 1968 die BSG Chemie Leipzig ins Leben gerufen.[1] Sachsen kann als "Ursprungsland" des DDR-Frauenfußballs bezeichnet werden, so entstanden auch die BSG Motor Mitte Karl-Marx-Stadt (1969) oder die BSG Motor Halle (1970).[2]

Damenfußballteams entstanden in dieser Zeit außerdem in den DDR-Bezirken Karl-Marx-Stadt, Neubrandenburg und Rostock mit der BSG Post Rostock, Traktor Spornitz und der BSG Hydraulik Parchim. Vielfach stießen die Verantwortlichen aber auf Unverständnis oder Ablehnung. So handelte sich Jupp Pilz von der BSG Post Rostock bei den Gründungsvorbereitungen einer Damenfußballabteilung erst einmal 26 Absagen von Betriebssportgemeinschaften ein. Bis Ende 1971 spielten in der DDR insgesamt 150 Teams Damenfußball.

In Neubrandenburg wurde ab 1974 ein Spielbetrieb mit sechs Damenfußballteams etabliert. Teilnehmer waren die Betriebssportgemeinschaften von Motor Teterow, Ascobloc Neubrandenburg, Traktor Rosenow, Einheit Straßburg, Vorwärts Viereck und Traktor Neukölln.

Die Spielordnung des DFV der DDR von 1971 sah vor, dass die Spielzeit 2 mal 30 Minuten beträgt, die Mädchen mindestens 16 Jahre alt sind und ein "einsatzfähiger weiblicher Schiedsrichter" gestellt wird. Durch Beschluss legte der DFV weiterhin fest: "Der Wettspielbetrieb darf nicht über den Bezirksbereich hinausgehen." DDR-Meisterschaften wurden dadurch lange Zeit verhindert. "Die Einführung einer Damenfußball-Oberliga (...) halten wir für überstürzt", hatte 1971 schon der stellvertretende Generalsekretär des DFV, Hans Müller, gesagt.[3]

Ab 1979 wurde erstmals eine „Meisterschaft“ in Form einer Bestenermittlung ausgespielt. 1979 beschloss der VI.Verbandstag des DDR-Fußballverbandes DFV einen überregionalen Spielbetrieb. Die Funktionäre beschlossen: "Zur weiteren Belebung und Förderung des Frauenfußballs sind Bezirksbestenermittlungen durchzuführen und beginnend 1979 erstmals Turniere dieser Bezirksbesten bis zur Ermittlung der DDR-Besten-Frauenfuballmannschaft zu organisieren." Es entstand in der Folge eine Arbeitsgruppe Frauenfußball in der Kommission Freizeit- und Erholungssport, die mit der Organisation des Wettbewerbsbetriebes beauftragt wurde. Insgesamt hatten sich 1981 in der DDR 360 Frauenfußballteams gegründet. Die besten Mannschaften der Zeit kamen aus Dresden, Karl-Marx-Stadt, Rostock und Potsdam.[4]

1987 kam mit dem „Pokal des Demokratischen Frauenbundes“ ein Pokalwettbewerb hinzu. Eine richtige Meisterschaft nach dem Vorbild der DDR-Oberliga der Männer erlaubte der DFV erst im Jahr der Wiedervereinigung 1990. Erster und einziger offizieller DDR-Meister wurde die BSG Post Rostock, wobei die Mannschaften, die in den Jahren der Bestenermittlung tonangebend waren, auch 1990 zu den Besten gehörten, was das Rostocker Beispiel belegt.[5] Zudem war der Sieger der Bestenermittlung bereits mitunter als DDR-Meister bezeichnet worden, selbst in Tageszeitungen.

Es gab auch eine Nationalmannschaft, die jedoch nur ein einziges Mal spielte und gegen die ČSFR verlor.

Meisterschaft

BSG Post Rostock in Tangermünde am 18. Oktober 1970 (Erstes offizielles Damenfussballspiel im Bezirk Magdeburg)/ Rostocks Stürmerin Marion Bialas beim Torschuss

Da der Frauenfußball im damaligen Zeitraum keine olympische Sportart war, wurde die Meisterschaft, wie angeführt, ab 1979 durch eine Bestenermittlung entschieden. Hierfür qualifizierten sich im ersten Jahr vier, später fünf Mannschaften. Ab 1985 qualifizierten sich die Meister der 15 DDR-Bezirke. Zu einer Leistungskonzentration kam es 1987, als eine zweigleisige Liga eingeführt wurde. Die Staffelsieger ermittelten im Finale den DDR-Meister. In der Saison 1990/91 wurde schließlich die eingleisige Oberliga Nordost eingerichtet. Meister wurde der Uni SV Jena, die sich zusammen mit dem FC Wismut Aue für die Bundesliga qualifizierten. Die restlichen Mannschaften bildeten zusammen mit einigen Westberliner Vereinen die neue Regionalliga Nordost, die fortan zweithöchste Spielklasse war.

Rekordmeister war die BSG Turbine Potsdam, die heute unter dem Namen 1. FFC Turbine Potsdam zu den stärksten Frauenfußballvereinen Deutschlands gehört.

Die Bestenermittlung

Jahr Meister Zweiter Dritter Austragungsort
1979 Motor Mitte Karl-Marx-Stadt BSG Aufbau Dresden-Ost BSG Post Rostock Templin
1980 BSG Wismut Karl-Marx-Stadt Aufbau Dresden-Ost BSG Chemie Wolfen Bad Blankenburg
1981 BSG Turbine Potsdam BSG Chemie Wolfen Chemie Leipzig Babelsberg
1982 BSG Turbine Potsdam Chemie PCK Schwedt Chemie Leipzig Lauchhammer
1983 BSG Turbine Potsdam BSG Wismut Karl-Marx-Stadt Chemie PCK Schwedt Schwedt
1984 BSG Motor Halle BSG Turbine Potsdam Rotation Schlema Colditz und Grimma

Die Endspiele

Saison Sieger Finalist Ergebnis Spielorte
1985 BSG Turbine Potsdam BSG Wismut Karl-Marx-Stadt 2:0 Markkleeberg
1986 BSG Turbine Potsdam BSG Motor Halle 4:1 Dresden
1987 BSG Rotation Schlema BSG Wismut Karl-Marx-Stadt 4:1 Kamenz
1988 BSG Rotation Schlema BSG Turbine Potsdam 3:0
1:3
Aue
Babelsberg
1989 BSG Turbine Potsdam BSG Rotation Schlema 3:1
2:3
Babelsberg
Aue
1990 BSG Post Rostock BSG Wismut Chemnitz 6:1
4:2
Chemnitz
Rostock

Oberliga Nordost Saison 1990/91

Legende
Qualifikation zur Bundesliga
Start in Regionalliga Nordost
Pl Verein Sp S U N Tore Diff. Punkte
1 Uni SV Jena 18       49:5 +44 31:5
2 FC Wismut Aue 18       67:15 +52 29:7
3 BSG Turbine Potsdam 18       59:24 +35 28:8
4 Post SV Rostock (M/P) 18       34:13 +31 26:10
5 Wismut Chemnitz 18       24:31 -7 15:21
6 BSG Motor Halle 18       15:38 -23 14:22
7 SV Johannstadt 90 18       20:34 -14 13:23
8 1. FC Union Berlin 18       14:43 -29 12:24
9 Fortschritt Erfurt 18       13:53 -42 6:30
10 Handwerk Magdeburg 18       14:63 -49 6:30

Pokal

Seit 1987 wurde der Pokal des demokratischen Frauenbundes ausgespielt. Pokalstifter war der Demokratische Frauenbund Deutschlandsbei den Herren war es der FDGB. Über diesen Wettbewerb ist noch nicht viel bekannt. In den ersten Jahren sind nur die Sieger überliefert. Der Modus und die Ergebnisse der einzelnen Runden konnten bisher nicht eruiert werden.

Die Endspiele

Saison Sieger Finalist Ergebnis Spielort
1987 Rotation Schlema nicht bekannt –:– nicht bekannt
1988 Wismut Karl-Marx-Stadt nicht bekannt –:– nicht bekannt
1989 Rotation Schlema HSG Uni Jena 1:0 Berlin
1990 BSG Post Rostock Wismut Chemnitz 0:0 n.V.
5:3 i.E.
Senftenberg
1991 Wismut Aue SSV Turbine Potsdam 2:0 Hettstedt

Nationalmannschaft

Im Sommer 1989 war für den DFV der DDR die Zeit "herangereift, dem Damenfußball eine weitere Anerkennung zukommen zu lassen." Die beiden Trainer Bernd Schröder von Turbine Potsdam und Dietmar Männel von Rotation Schlema wurden beauftragt 26 Spielerinnen der leistungsstärksten Betriebssportgemeinschaften von Potsdam, Schlema, Karl-Marx-Stadt, Rostock und Jena zu einem Sichtungslehrgang für eine DDR-Nationalelf einzuladen. Die Ex-DDR-Nationalspielerin Doreen Meier vermutet, dass die Begeisterung, die die Europameisterschaft der Damen 1989 in der BRD und der Titelgewinn der deutschen Frauen auch in der DDR ausgelöst hatte, hier mitentscheidend war. Am 21./ 22. Oktober 1989 trafen sich die Spielerinnen zum ersten Nationalmannschaftslehrgang in der Sportschule des DFV in Leipzig. Anfang 1990 fanden weitere Lehrgänge in Leipzig statt, damit ausgesiebt werden konnte. Im Zuge der Vorbereitung bestritt die Mannschaft zudem zwei Testspiele gegen eine Ost- und eine Westberliner Auswahl.[6]

Die DDR-Fußball-Nationalmannschaft der Frauen bestritt aber nur ein einziges Spiel. Am 9. Mai 1990 trat man in Potsdam-Babelsberg gegen die Auswahl der ČSFR an und verlor mit 0:3. Die Tschechoslowakinnen hatten bereits insgesamt 183 Länderspiele bestritten und kurz zuvor nur knapp gegen die bundesdeutsche Auswahl verloren.

Die DDR-Mannschaft (mit Auswechselspielerinnen) am 9. Mai 1990 in Potsdam: Sybille Brüdgam, Heike Hoffmann, Sabine Berger (alle Turbine Potsdam), Annett Viertel (Torhüterin), Kathrin Hecker, Heike Ulmer (alle Rotation Schlema), Sybille Lange, Katrin Prühs, Kathrin Baaske (alle Post Rostock), Carmen Weiß, Dana Krumbiegel (beide Wismut Karl-Marx-Stadt), Petra Weschenfelder, Heidi Vater, Doreen Meier (alle Uni Jena), Kathrin Nicklas (KWO Berlin), Petra Jachtner (Numerik Karl-Marx-Stadt) und Maika Alex (Handwerk Magdeburg).[7]

Frauenfußball in den neuen Bundesländern heute

Im Gegensatz zum Männerfußball konnte sich im Frauenfußball mit dem 1. FFC Turbine Potsdam eine internationale Spitzenmannschaft etablieren. Nach jahrelanger Aufbauarbeit konnte Turbine nach der Wende zwei Meisterschaften, drei Pokalsiege einfahren und darüber hinaus noch den UEFA Women’s Cup gewinnen. Durch intensive Nachwuchsarbeit stellt der Verein einen Großteil der Junioren-Nationalmannschaften. Viele Spielerinnen schafften den Sprung in die erste Mannschaft.

Neben Potsdam schafften der FC Wismut Aue, der Uni SV Jena und der Polizei SV Rostock den Sprung ins Oberhaus. Allerdings waren es für die drei Vereine nur einjährige Gastspiele. Zur Zeit spielen neben Aue, Jena und Turbine Potsdam II noch der FFV Neubrandenburg und der 1. FC Lokomotive Leipzig in der 2. Bundesliga.

Literatur

  • Eduard Hoffmann/ Jürgen Nendza: Verlacht, verboten und gefeiert - Zur Geschichte des Frauenfußballs in Deutschland, 2. Auflage, Weilerswist 2006, ISBN 3-935221-52-5.
  • Hannelore Ratzeburg/ Horst Biese: Frauen Fußball Meisterschaften (Mit einem Beitrag zum Frauenfußball in der DDR von Doreen Meier), Kassel 1995, ISBN 3-928562-87-8.

Einzelnachweise

  1. Hoffmann/ Nendza: Frauenfußball, S. 62.
  2. Ratzeburg/ Biese: Frauen Fußball, S. 30.
  3. Hoffmann/ Nendza: Frauenfußball, S. 64.
  4. Ebd., S. 66.
  5. Ebd., S. 66.
  6. Ratzeburg/ Biese: Frauen Fußball, S. 38f.
  7. Ebd., S. 41.

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