DER SPIEGEL

DER SPIEGEL
Der Spiegel
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Beschreibung Nachrichtenmagazin
Verlag SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG
Erstausgabe 4. Januar 1947
Erscheinungsweise wöchentlich/montags
Auflage
(IVW Q3/2008)
1.056.229 Exemplare
Verbreitete Auflage
(IVW Q3/2008)
1.069.201 Exemplare
Reichweite
(MA 2008 II)
6,03 Mio. Leser
Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron
und Georg Mascolo
Herausgeber Rudolf Augstein (1923–2002)
Weblink www.spiegel.de
Artikelarchiv 1947 ff.
ISSN 0038-7452

Der Spiegel (Eigenschreibweise: DER SPIEGEL) ist ein deutsches Nachrichtenmagazin, das im Spiegel-Verlag in Hamburg erscheint und weltweit vertrieben wird. Mit einer Auflage von knapp über einer Million Exemplaren ist es die verkaufsstärkste aktuelle Wochenzeitschrift in Deutschland.[1]

Aufgrund seines Einflusses auf die öffentliche Meinungsbildung wird Der Spiegel oft als ein Leitmedium bezeichnet.[2][3] In der bundesdeutschen Pressegeschichte nehmen Der Spiegel und sein Gründer Rudolf Augstein eine zentrale Rolle ein.[4] Das 1947 gegründete Blatt erlangte seine Bedeutung im Kampf für die Pressefreiheit (Spiegel-Affäre) und durch die Enthüllung zahlreicher politischer Affären.

Der Spiegel erscheint montags (in Berlin, Lübeck und Dresden sonntags). Mit dem wirtschaftlich und redaktionell eigenständigen Spiegel Online betreibt der Verlag außerdem die reichweitenstärkste Nachrichten-Website im deutschsprachigen Internet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ursprünge

Gebäude der Spiegel-Gruppe in Hamburg. Links das 1969 gebaute Redaktionsgebäude, rechts das 1996 von IBM übernommene sogenannte Verlagsgebäude

Bereits vor dem Ersten Weltkrieg wurde von Lion Feuchtwanger in München eine Zeitschrift unter dem Namen Der Spiegel herausgegeben, die im November 1908 mit Siegfried Jacobsohns Schaubühne fusionierte, die allerdings nicht in Verbindung mit dem heutigen Nachrichtenmagazin Der Spiegel steht.

Die erste Ausgabe des Nachkriegs-Spiegels erschien am 4. Januar 1947, einem Samstag, in Hannover. Unter dem Titel Diese Woche war bereits seit November 1946 ein Vorläufer erschienen, der amerikanischen und britischen news magazines nachempfunden war und zunächst unter der Ägide der britischen Militärverwaltung erschien. Weil die Redaktion unter Chefredakteur Rudolf Augstein auch alliierte Behörden nicht von ihrer Kritik ausnahmen, wollten die Briten das Blatt loswerden und überließen es Augstein.

Augstein erhielt eine Verlegerlizenz und nannte sein Magazin Der Spiegel. Ab der ersten Ausgabe im Januar 1947 war er Herausgeber und Chefredakteur. Die Zeitschrift erschien im hannoverschen Anzeigerhochhaus und erreichte eine Auflage von 15.000 Exemplaren – die Papierrationierungen der Briten verhinderten zunächst höhere Auflagen.

1949 beschloss die Redaktion das Spiegel-Statut:

„Alle im Spiegel verarbeiteten und verzeichneten Nachrichten, Informationen, Tatsachen müssen unbedingt zutreffen. Jede Nachricht und jede Tatsache ist […] peinlichst genau nachzuprüfen.“

Zur Verwirklichung dieses Anspruchs sollte das Spiegel-Archiv dienen, das später über Deutschland hinaus bekannt wurde.

1950er Jahre

1950 deckte Der Spiegel auf, dass Bundestagsabgeordnete bei der Wahl der Bundeshauptstadt bestochen worden waren, damit sie für Bonn statt Frankfurt am Main stimmten. Augstein wurde im so genannten Spiegel-Ausschuss als Zeuge vernommen, gab jedoch die Quellen für die Geschichte nicht preis und berief sich auf die journalistische Schweigepflicht. 1952 folgte die Schmeißer-Affäre. Hans Konrad Schmeißer, ehemaliger Agent im französischen Geheimdienst, hatte behauptet, Bundeskanzler Adenauer, Ministerialdirektor Blankenhorn und Generalkonsul Reifferscheid seien für den französischen Geheimdienst tätig gewesen und hätten einen französischen Agenten mit geheimen Nachrichten versorgt.[5] 1958 begann im Spiegel die Debatte um die Notstandsgesetze, aus denen später (1960, 1963, 1965) verschiedene Gesetzentwürfe des Innenministers Gerhard Schröder wurden.

Schon in seiner Anfangszeit erlangte Der Spiegel große Bedeutung. Die Auflage stieg massiv: 1961 betrug sie 437.000 Exemplare. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg stiegen auch die publizistische Macht und der politische Einfluss.

Spiegel-Affäre

Am 10. Oktober 1962 erschien im Spiegel ein Artikel mit dem Titel Bedingt abwehrbereit, in dem der verantwortliche Redakteur Conrad Ahlers interne Dokumente der Bundeswehr zitierte und zu dem Schluss kam, die NATO und die Bundesrepublik könnten einem sowjetischen Angriff nicht standhalten.[6] Am 26. Oktober 1962 wurden das Spiegel-Verlagsgebäude in Hamburg und die Redaktion in Bonn durchsucht. Es wurden Haftbefehle mit dem Vorwurf auf Verdacht des Landesverrats, landesverräterischer Fälschung und aktiver Bestechung ausgestellt. Bundesverteidigungsminister Strauß ließ Spiegel-Redakteur Conrad Ahlers in Spanien mit falschen Behauptungen durch die Polizei verhaften und nach Deutschland transferieren. Weite Teile der Öffentlichkeit solidarisierten sich mit dem Nachrichtenmagazin, Studenten gingen für Augstein auf die Straße. Bundeskanzler Adenauer sagte im Bundestag unter heftigem Protest aus den Reihen der SPD und auch der FDP, allerdings unter Beifall der CDU, beim Spiegel habe sich ein „Abgrund von Landesverrat“ geöffnet. Nach 103 Tagen wurde Rudolf Augstein aus der Haft entlassen. 1963 sagte Franz Josef Strauß über das Blatt:

„Sie sind die Gestapo im Deutschland unserer Tage […] Ich war gezwungen, gegen Sie zu handeln.“

Am 13. Mai 1965 lehnte der Bundesgerichtshof auf Grund von Beweismangel die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Strauß musste im Anschluss an die Affäre zurücktreten. Er hatte derart vielfältig deutsches und internationales Recht, dieses insbesondere bei der Veranlassung der Verhaftung von Conrad Ahlers in Spanien, gebrochen, dass er politisch nicht zu halten war. Bundeskanzler Adenauer überstand die Affäre trotz seines „Abgrundes an Landesverrat“ verhältnismäßig unbeschädigt, insbesondere auch deshalb, weil ihn sein Verteidigungsminister in nicht unerheblichem Umfange falsch informiert hatte und der Bundeskanzler sich darauf berief, er hätte seinem eigenen Minister wohl kaum misstrauen müssen.

Die so genannte Spiegel-Affäre führte dazu, dass weite Kreise, im besonderen Angehörige der jungen Generation und der kritischen Intelligenz, sich für das Wochenmagazin als Garant der Meinungsfreiheit engagierten, und begründete den Mythos des Blattes.

Weitere Entwicklung der 1960er Jahre

1966 übte Karl Jaspers in seinem Buch Wohin treibt die Bundesrepublik scharfe Kritik an den Notstandsgesetzen, die der Bevölkerung im Falle eines äußeren Notstandes keine Wahl ließen, sich Gewalt und Macht zu verweigern. Ein innerer Notstand könne überhaupt nicht eintreten, weil das dem Gedanken eines demokratischen Staats zuwiderlaufe: „Das Notstandsgesetz raubt dem Volk die ihm verbliebenen legitimen, dann aber nicht mehr legalen Mittel des Widerstands.“ Am 5. August 1966 scheiterte eine Verfassungsbeschwerde des Spiegels vor dem Bundesverfassungsgericht. 1968 wurden die Notstandsgesetze Teil des Grundgesetzes. 1969 betrug die Spiegel-Auflage 953.000 verkaufte Exemplare.

1970er Jahre

Der Spiegel hatte Anfang der 1970er Jahre knapp 900 Beschäftigte, davon rund 400 in der Redaktion, 100 in der Dokumentation sowie knapp 400 in den kaufmännischen und technischen Abteilungen. 1970 wurde das manager magazin gegründet, das von einer Tochtergesellschaft der Spiegel-Gruppe herausgegeben wird. 1971/72 wurde ein Mitbestimmungsmodell und mehr Demokratie innerhalb der Redaktion beschlossen; außerdem eine Gewinnbeteiligung. Einnahmen aus Anzeigen sanken. 1971 betrug die Anzahl der Leser ca. 6 Millionen – das entsprach rund 12 Prozent aller in der BRD und Westberlin lebenden Menschen über 14 Jahre. Der Anteil der Auslandsauflage an der Gesamtauflage betrug 10–15 Prozent – Der Spiegel ist seitdem eine Publikation mit intensiver Rezeption im Ausland. Die Auflage betrug 923.000 verkaufte Exemplare.

1974 nannte Willy Brandt den Spiegel ein „Scheißblatt“. 1975 wurden Spiegel-Korrespondenten aus der DDR wegen „böswilliger Verletzung ihrer Rechtsvorschriften“ ausgewiesen. Im Januar 1978 wurden die Büros in der DDR u. a. in Ost-Berlin nach einer kritischen Berichterstattung über Zwangsadoptionen und der Veröffentlichung des zweiten Teils des Manifests des Bundes Demokratischer Kommunisten Deutschlands, eines Dokuments einer angeblichen Opposition innerhalb der SED, geschlossen. Das wurde als Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR ausgelegt.

Der Spiegel brachte auch Vorabdrucke von und über den Dissidenten Rudolf Bahro, Die Alternative (EVA) und Elemente einer neuen Politik (Olle & Wolter), Antworten auf Bahro (Olle & Wolter) und machte damit seinen systemkritischen Ansatz einem größeren Publikum bekannt.

1980er Jahre

Der Spiegel deckte diverse deutsche Staats- und Wirtschaftsaffären auf. 1982 zunächst die Flick- und Neue-Heimat-Affäre und 1987 die Barschel-Affäre. Die Behandlung der Barschel-Affäre durch den Spiegel ist allerdings nicht unumstritten.[7] 1988 kam die co-op-Affäre hinzu. 1989 äußerte sich Erich Honecker über den Spiegel: „Ja, Der Spiegel ist ein gutes Blatt, les' ich jeden Montag“.

1990 überschritt Der Spiegel mit 1.050.000 verkauften Exemplaren erstmals die Millionengrenze. 1992 sagte Antje Vollmer: „Am Ende der Ära Augstein hat Der Spiegel an Bedeutung verloren und an Macht gewonnen“.

Frühe 1990er Jahre

Am 18. Januar 1993 erschien die erste Ausgabe des Focus, nach Aussage des Chefredakteurs Helmut Markwort als „Konkurrenz-, nicht Gegenmedium zum Spiegel“. Danach kam es zu deutlich wahrnehmbaren Veränderungen. Focus wurde bewusst als Gegenpol und Alternative zum Spiegel konzipiert; nachweisbar ist das insbesondere an der politischen Linie und dem vergleichsweise schonenden Umgang mit den Anzeigenkunden. Uli Baur, neben Markwort Chefredakteur des Focus, fasste die redaktionelle Linie von Focus unter Bezugnahme auf das bekannte Augstein-Zitat („[…] im Zweifelsfalle links“) deutlich zusammen: „Wenn Der Spiegel im Zweifel links ist, sind wir im Zweifel rechts.“

Der Spiegel erlitt ein Auflagenminus von über 10 % und einen Rückgang der verkauften Anzeigenseiten um über 12 %. 1995 lag die Anzahl der Leser bei über sieben Millionen. Es entstanden Spiegel TV und Spiegel Special, die ein Fünftel des Spiegel-Umsatzes von 542 Mio. DM (1996) generierten. Der Spiegel war im ersten Halbjahr 1996 „die deutsche Zeitschrift mit den höchsten Einnahmen aus Vertrieb und Anzeigen.“ Erzielt wurden Bruttoeinnahmen von 330,74 Mio. DM, das war knapp eine Million mehr als der Stern (Platz 2) erzielen konnte und lag noch vor Bild am Sonntag (Platz 3) und Focus. Im Januar 1997 feierte Der Spiegel 50. Geburtstag. Bis dahin waren 2.649 Ausgaben erschienen. Es erfolgte auch eine Aktualisierung des Layouts, das jetzt durchgehend farbig ist.

Ära Stefan Aust

Ab Mitte der 1990er Jahre, unter dem Chefredakteur Stefan Aust und möglicherweise auch unter dem Eindruck der Konkurrenz, wurde von Beobachtern eine Hinwendung des Spiegels zu liberalen Standpunkten verzeichnet. Gleichzeitig wurde dem Blatt teilweise vorgehalten, boulevardesker geworden zu sein und an analytischer Tiefe verloren zu haben, wobei die Artikel weiterhin in Länge und an Aktualität nicht wesentlich verändert worden sind. Im Vorfeld der Bundestagswahl 2005 wurde dem Blatt „Wahlhilfe“ für das bürgerliche Lager um Angela Merkel attestiert. Auf die Frage, mit welcher Partei sie sympathisieren, antworteten 2005 die befragten Spiegel-Leser zu 36 % CDU/CSU, zu 28 % SPD, zu 18 % Die Grünen, zu 7 % FDP und zu 5 % Linkspartei.PDS.[8]

Laut einer Umfrage unter 1536 deutschen Journalisten im Frühjahr 2005 soll sich der Einfluss des Magazins verringert haben. 33,8 Prozent der Befragten bezeichneten den Spiegel weiterhin als ihr Leitmedium, während für die Süddeutsche Zeitung 34,6 % votierten. 1993 hatten noch zwei Drittel der befragten Journalisten für den Spiegel als Leitmedium gestimmt.

Seit 1996 veranstaltet das Magazin den jährlichen Spiegel-Wettbewerb für Schülerzeitungen.

Im Jahr 2002 wurde der Spiegel-Shop gegründet, dessen Geschäftszweck die Vermarktung von Nebenprodukten des Spiegel-Verlags und weiterer Medien ist.

Seit dem 24. Oktober 2002 gibt es den Spiegel auch als digitale Ausgabe im Portable Document Format.

Am 7. November 2002 starb Herausgeber Rudolf Augstein. Augstein firmiert jedoch auch posthum als offizieller Herausgeber.

Am 6. August 2004 verkündete der Verlag gemeinsam mit der Axel Springer AG, zur traditionellen deutschen Rechtschreibung zurückkehren zu wollen.[9] Dieses Vorhaben wurde aber nicht umgesetzt; am 2. Januar 2006 wurde die reformierte Rechtschreibung entsprechend den Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung weitgehend übernommen.

Am 25. Juni 2007 erschien der Spiegel in der Schweiz testweise und vorerst einmalig mit einer eingehefteten Split-Beilage.

Gegenwart

Am 5. Februar 2008 endete die Ära Aust. Ihm folgten Mathias Müller von Blumencron, bis Ende Mai 2008 Chef von Spiegel Online, und Georg Mascolo, Leiter des Hauptstadtbüros. Austs Vertrag sollte eigentlich erst am 31. Dezember 2008 enden, aber die Gesellschafter hatten beschlossen, ihn nicht zu verlängern und Aust zu beurlauben.[10]

Mit Spiegel Wissen startete der Verlag im Februar 2008 in Kooperation mit der Wissen Media Group eine Internetplattform, die Inhalte des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, von Spiegel Online, der Wikipedia und Bertelsmann-Lexika und -Wörterbücher zusammenfasst. Dort werden außerdem kostenlos alle seit 1947 veröffentlichten Spiegel-Artikel bis auf jene der beiden aktuellen Ausgaben angeboten.[11]

Der Spiegel unterhält eine Kooperation mit der niederländischen politischen Wochenzeitschrift HP/De Tijd, letztere übernimmt Reportagen des Magazins.

Der Spiegel in der Kritik

Vorwurf der Demokratiegefährdung

1956/57, rund zehn Jahre nach der Gründung des Spiegels, verfasste Hans Magnus Enzensberger eine kritische Analyse über Die Sprache des Spiegel, in der er eine Reihe von Thesen aufstellte:[12] Das deutsche Nachrichtenmagazin sei im Grunde kein Nachrichtenmagazin, da es seinen Informationsgehalt in die Form von „Storys“ kleide, Der Spiegel übe nicht Kritik, sondern deren Surrogat, der Leser des Spiegels werde nicht orientiert, sondern desorientiert. Diese kritische Einstellung revidierte Enzensberger auch nach der Spiegel-Affäre nicht; er sah das Magazin weiterhin als latente Gefahr für die deutsche Demokratie. Dennoch hatte er in den 1950er Jahren betont, der Spiegel sei unentbehrlich, solange es in der Bundesrepublik kein kritisches Organ gebe, das ihn ersetzen könne.

Sprachlicher Stil

Der Journalist und Schriftsteller Erich Kuby veröffentlichte 1987 anlässlich des 40-jährigen Bestehens eine kritische Analyse des Nachrichtenmagazins unter dem Titel Der Spiegel im Spiegel. Wolf Schneider nennt das Magazin „den obersten Verhunzer der deutschen Sprache“.[13][14] Als Negativbeispiele für schlechtes Deutsch spielen in seinen Stilfibeln Zitate aus dem Spiegel eine große Rolle.

Berichterstattung zu Aids

Die Berichterstattung des Magazins über die Krankheit AIDS wurde teilweise als „unangemessen“ kritisiert.[15][16] Der Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch bezeichnete diese Form der Berichterstattung als „erschütternd“ und „Versagen jener Presse, die zwischendurch auch einmal liberal war“.[17][18] Andere warfen dem Blatt vor, durch seinen Umgang mit Fallzahlen Panik zu verbreiten[19][20][21][18] und, durch redaktionellen Aussagen wie „wenn erst Kinder an AIDS sterben werden, Frischoperierte, Unfallopfer, Krankenhauspatienten, ohne jedes Stigma also“[19] oder durch Veröffentlichung entsprechender Leserbriefe,[22] Kranke, Betroffene und Infizierte zu stigmatisieren.

Allerdings diente das „Leitmedium Spiegel“ in Untersuchungen oft als Vorzeigeobjekt, an dem Kritik festgemacht wurde, die so auch auf viele andere Medien zu finden war.[18] Außerdem erhielt der Spiegel 1987 für eine Reportage auch den ersten Medienpreis der Deutschen AIDS-Stiftung, der für Arbeiten ausgelobt wird, „die sachkundig über HIV/Aids berichten und damit zur Solidarität mit Betroffenen beitragen“.

Umgang mit NS-Vergangenheit im eigenen Magazin

Nachdem der Medienforscher Lutz Hachmeister die Tätigkeit ehemaliger SS-Offiziere als Spiegel-Redakteure und Serienautoren für den frühen Spiegel belegen konnte,[23] geriet das Magazin 2006 verstärkt in die Kritik, weil es seine eigene NS-belastete Vergangenheit nicht ausreichend reflektiere. So bemängelte die Süddeutsche Zeitung in einem ganzseitigen Beitrag vom 14. Juni 2006 ebenso wie das medienpolitische Magazin M der Gewerkschaft ver.di in seiner September-Ausgabe,[24][25] dass die Rolle des ehemaligen Pressechefs im NS-Außenministerium und SS-Obersturmbannführers Paul Karl Schmidt alias Nachkriegsbestsellerautor Paul Carell als Serienautor des Magazins marginalisiert würde und der Tatbestand, dass die SS-Hauptsturmführer Georg Wolff und Horst Mahnke in den 1950er Jahren zu leitenden Redakteuren avancierten, von dem sonst NS-kritischen Magazin ausgeblendet sei. Schon im Jahre 2000 hatte die Neue Zürcher Zeitung Rudolf Augstein vorgeworfen, ehemaligen Nationalsozialisten bewusst die Möglichkeit gegeben zu haben, wieder gesellschaftsfähig zu werden. Zudem soll Augstein im Falle des Reichstagsbrandes mit dazu beigetragen haben, die kontroverse Alleintäterthese als allein gültig darzustellen.[26]

Vorwurf wegen Rassismus und Antisemitismus

Am 22. Dezember 2006 brachte der Spiegel eine Titelgeschichte des Redakteurs Matthias Schulz mit dem Titel „Das Testament des Pharao“ heraus, die sich stark auf angeblich durch den deutschen Ägyptologen Jan Assmann aufgestellte Thesen berief und in der unter anderem behauptet wurde, die Juden hätten den Monotheismus von Echnatons Amarna-Religion „abgekupfert“.[27] Professor Assmann protestierte daraufhin zuerst in einem offenen Brief an die Spiegel-Redaktion und dann in einem Interview in der Welt „in aller Schärfe“ gegen die Verwendung seines Namens in dem Spiegel-Artikel, den er als „ungenießbare und antisemitische Suppe“ bezeichnete. Gleichzeitig wies Assmann die Kernthesen des Artikels zurück.[28][29] Hannes Stein von der Welt warf dem Spiegel vor, mit seiner Titelgeschichte judenfeindliche Stereotype zu transportieren.[30] Der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik zeigte sich empört, dass „der Chefredakteur eines bislang angesehenen Magazins der Republik ausgerechnet zu Weihnachten die bislang antisemitischste Titelgeschichte“ beschert habe.[31]

Spiegel-Verlag

Der heutige Spiegel-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG hat seit 1952 seinen Sitz in Hamburg in der Brandstwiete und produziert neben dem Hauptblatt dort auch das manager magazin. Augstein verfügte in seinem Testament Ende 2002, dass seine Erben ein Prozent ihres Anteils an die beiden übrigen Gesellschafter verkaufen müssten, damit verloren sie ihre Sperrminorität von 25 Prozent. 50,5 Prozent der Anteile an der Verlags-Holding Rudolf Augstein GmbH sind nun im Besitz der Kommanditgesellschaft der Mitarbeiter. Über die restlichen 25,5 Prozent verfügt der Hamburger Medienkonzern Gruner und Jahr, eine Tochter der Bertelsmann AG.[32] Geschäftsführer des Spiegel-Verlags war seit 1991 Karl Dietrich Seikel. Im Januar 2007 löste ihn Mario Frank, der ehemalige Geschäftsführer des Dresdner Druck- und Verlagshauses, ab. Seit dem 15. September 2008 ist der vormalige Verlagsgeschäftsführer der Stern-Gruppe, Ove Saffe, beim Spiegel-Verlag als Geschäftsführer tätig.[33]

Redakteure

Chefredakteure

Bekannte Redakteure

Ehemalige Redakteure

Einzelnachweise

  1. DWDL.de: IVW 4/2007: Alle Gewinner und Verlierer
  2. Der Tagesspiegel: Ein Leitmedium braucht eine Leitfigur, 17. November 2007
  3. Siegfried Weischenberg, Maja Malik, Armin Scholl: Journalismus in Deutschland 2005. In: media perspektiven 7/2006.
  4. Stern.de: Erfolge feiern mit Skandalen, 4. Januar 2007
  5. Der Spiegel: Am Telefon vorsichtig, 9. Juli 1952, S. 5
  6. Der Spiegel: Bedingt abwehrbereit, 10. Oktober 1962, S. 32
  7. FAZ.NET: Barschel, Pfeiffer, Engholm und „Der Spiegel“, 7. September 2007
  8. Die Zeit: Statistik: Wer liest/hört/sieht was warum? Nr. 5 2006, S. 64
  9. SPIEGEL-Verlag und Axel Springer AG kehren zur klassischen Rechtschreibung zurück. In: Spiegel online, 6. August 2004.
  10. Spiegel Online: Blumencron und Mascolo neue Chefredakteure des SPIEGEL, 5. Februar 2008
  11. Spiegel Online: Finden statt suchen mit SPIEGEL WISSEN, 13. Februar 2008
  12. Hans Magnus Enzensberger: Die Sprache des Spiegel, 1957. In Auszügen erneut veröffentlicht in: Der Spiegel. S1/1997 vom 15. Januar 1997, S. 142–149.
  13. Wolf Schneider: Deutsch für Profis. 2. Aufl., Gruner & Jahr, Hamburg 1985.
  14. Wolf Schneider: Deutsch für Kenner. Die neue Stilkunde. 2. Aufl., Gruner & Jahr, Hamburg 1997.
  15. Herbert Bock: Eine sprachpsychologische Untersuchung zur Berichterstattung über die Krankheit AIDS in Print-Medien. Roderer, Regensburg 1992, ISBN 3-89073-603-3, S. 92.
  16. Herbert Bock: Zur sprachlichen Darstellung von AIDS in Print-Medien.
  17. Volkmar Sigusch: Aids als Risiko: Über den gesellschaftlichen Umgang mit einer Krankheit. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 1987, ISBN 3-922144-67-5, S. 8.
  18. a b c Hans-Jürgen Schmidt: Mediale Deutungsmuster von AIDS. Über die Konsequenzen medialer Darstellung für Prävention und praktische AIDS-Arbeit. Mühlheim an der Ruhr 2005, S. 66.
  19. a b Susanne Köneke: AIDS in der Presse: Der schreibende Umgang mit dem Ungewissen. Univ., Freiburg im Breisgau 1990, S. 24.
  20. Frank Rühmann: AIDS: Eine Krankheit und ihre Folgen. Edition Qumran im Campus-Verlag, Frankfurt am Main / New York 1985, ISBN 3-88655-208-X, S. 75.
  21. Ulrich Clement: Höhenrausch. In: Aids als Risiko: Über den gesellschaftlichen Umgang mit einer Krankheit. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 1987, ISBN 3-922144-67-5, S. 212.
  22. Gunter Schmidt: Moral und Volksgesundheit. In: Aids als Risiko: Über den gesellschaftlichen Umgang mit einer Krankheit. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 1987, ISBN 3-922144-67-5, S. 26.
  23. Lutz Hachmeister: Ein deutsches Nachrichtenmagazin. Der frühe Spiegel und sein NS-Personal. In: L. Hachmeister, F. Siering (Hrsg.): Die Herren Journalisten. Die Elite der deutschen Presse nach 1945. C.H. Beck, München 2002.
  24. Willi Winkler: Ich hatt’ einen Kameraden. Ein Prozess, den der Spiegel mit dem Bayerischen Rundfunk führt, wirft unvermittelt Licht auf die Vergangenheit des Nachrichtenmagazins. In: Süddeutsche Zeitung. 14./15. Juni 2006, S. 15.
  25. M – MENSCHEN – MACHEN – MEDIEN: Verharmlosung im Rückblick. Kritiker vermissen bis heute offenen Umgang des Spiegel mit seiner braunen Vergangenheit. 9/2006, S. 16.
  26. netzeitung.de: NZZ attackiert Rudolf Augstein, 8. Dezember 2000
  27. Matthias Schulz: Das Testament des Pharao, Der Spiegel 52/2006, 22.12.2006, S. 112
  28. Interview mit Professor Assmann in der Welt, 13. Januar 2007
  29. Offener Brief von Professor Assmann an den Spiegel (wurde vom Spiegel nicht veröffentlicht)
  30. Hannes Stein: Ein antisemitisches Weihnachtsgeschenk vom “Spiegel”, Die Achse des Guten, 24.12.2006
  31. Jüdische Allgemeine, 4. Januar 2007, zitiert hier
  32. Spiegel-Gruppe: Gesellschafter und Beteiligungen
  33. Ove Saffe kommt bereits am 15. September zum "Spiegel" Horizont.Net, 26. August 2008

Literatur

  • Der Spiegel. Spiegelverlag Rudolf Augstein, Hamburg 1946,1ff. ISSN 0038-7452
  • Helmut Arntzen, H.A. und Winfried Nolting (Hrsg.): Der Spiegel. Analyse, Interpretation, Kritik. Fink, München 1977, ISBN 3-7705-1536-6.
  • Rudolf Augstein, Jochen Bölsche (Hrsg.): Schreiben, was ist. Kommentare, Gespräche, Vorträge. DVA, Stuttgart/München 2003, ISBN 3-421-05747-8.
  • Michael Schneider, Eckhard Siepmann: DER SPIEGEL oder die Nachricht als Ware. In: Voltaire Flugschrift 18. Voltaire Verlag, Frankfurt am Main und Berlin, 1968
  • Lutz Hachmeister: Ein deutsches Nachrichtenmagazin. Der frühe „Spiegel“ und sein NS-Personal. In: Lutz Hachmeister, Friedemann Siering (Hrsg.): Die Herren Journalisten. Die Elite der deutschen Presse nach 1945. C.H. Beck, München 2002, ISBN 3-406-47597-3.
  • Leo Brawand: Die Spiegel-Story. Wie alles anfing. ECON-Taschenbuch-Verlag, Düsseldorf 1995. ISBN 3-612-26212-2.
  • Oliver Gehrs: Der Spiegel-Komplex. Wie Stefan Aust das Blatt für sich wendete. Droemer/Knaur, München 2005, ISBN 3-426-27343-8.
  • Digne Meller Marcovicz: 2000 Spiegel-Photos der Jahre 1965 bis 1985. Greno, Nördlingen 1986, ISBN 3-89190-008-2.
  • Julia Bönisch: Meinungsführer oder Populärmedium? Das journalistische Profil von Spiegel Online. In: Recherche-Journalismus und kritische Medienpolitik. Bd 3, Netzwerk Recherche, Münster 2006, ISBN 3-8258-9379-0.
  • Ralf Stockmann: Spiegel und Focus. Eine vergleichende Inhaltsanalyse 1993–1996. Schmerse, Göttingen 1999, ISBN 3-926920-26-2.
  • Leo Brawand: DER SPIEGEL – ein Besatzungskind. Wie die Pressefreiheit nach Deutschland kam. EVA, Hamburg 2007, ISBN 978-3-434-50604-1.

Weblinks


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