Das Fräulein von Scuderie

Das Fräulein von Scuderie

Das Fräulein von Scuderi ist eine Novelle von E.T.A. Hoffmann, erschienen 1819/21. Sie handelt von einer rätselhaften Mordserie im Paris des 17. Jahrhunderts, um deren Aufklärung sich die französische Schriftstellerin Madeleine de Scudéry (1607–1701) bemüht, und gilt als erste deutsche Kriminalnovelle.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Hoffmanns Erzählung spielt in Paris im Jahre 1680. Das 73jährige Fräulein von Scuderi ist eine sehr angesehene Schriftstellerin und kennt König Ludwig XIV. Zu dieser Zeit geschehen in Paris viele Morde, deren Opfer durch einen Dolchstich mitten ins Herz getötet werden. Alle Morde geschehen nach dem gleichen Prinzip: Immer sind die Opfer adelige Männer, die mit einem Schmuckgeschenk auf dem Weg zu ihrer Geliebten sind, und immer wird dieses Schmuckstück gestohlen. Die Liebhaber verlangen nun, dass etwas gegen diese Mörder getan wird. Bei einem Gespräch mit dem König spricht das Fräulein von Scuderi folgende Worte:

„Un amant qui craint les voleurs,
n’ est point digne d’ amour.“
(„Ein Liebhaber, der Diebe fürchtet,
ist der Liebe nicht würdig“)

Diese Worte veranlassen den König, die Ermittlungen nicht zu verschärfen. Zu Beginn der Geschichte bringt ein Mann nachts ein Kästchen mit edelstem Schmuck und einem Brief zum Fräulein von Scuderi. In diesem Brief bedankt sich die Mörderbande dafür, dass sich die Scuderi gegen die Aufstockung der Polizeikräfte ausgesprochen hat. Das Fräulein ist verängstigt und bittet die Maitresse des Königs um Hilfe. Sie finden heraus, dass der Schmuck von René Cardillac, einem angesehenen Pariser Goldschmied, stammt. Eines Tages fährt das Fräulein von Scuderi in einer Glaskutsche durch Paris, als jener Mann, welcher ihr auch den Schmuck brachte, einen Zettel in die Kutsche wirft. Auf diesem wird sie aufgefordert, den Schmuck binnen zwei Tagen zu Cardillac zu bringen; sonst bringe er sich in ihrem Haus um. Sie bringt den Schmuck aber erst nach drei Tagen zurück und bemerkt bei ihrer Ankunft am Haus von Cardillac die Leiche desselben, der durch einen Dolchstich mitten ins Herz ermordet wurde. Sein Geselle Olivier Brusson, dessen Freundin Madelon, die Tochter Cardillacs, gewesen ist, wird verhaftet. Das Fräulein nimmt Madelon bei sich auf, und nach einigen Gesprächen mit ihr glaubt sie, dass Olivier unschuldig ist. Sie will ihm helfen und besucht ihn im Gefängnis. Erschrocken bemerkt sie, dass Olivier der Mann ist, der ihr den Schmuck und die Botschaft überbracht hat, und glaubt nun selbst nicht mehr, dass er unschuldig sei. Olivier will nun allerdings seine Aussage nur in Gegenwart des Fräuleins von Scuderi machen. Als es zu einem Gespräch kommt, stellt sich heraus, dass Olivier der Sohn der ehemaligen Pflegetochter der Scuderi ist. Olivier erklärt, dass René Cardillac, der sich nie wirklich von seinen Schmuckstücken habe trennen können (s. dazu Cardillac-Syndrom), der gesuchte Mörder ist. Er habe ihn einmal bei einem Mord beobachtet; habe aber der Polizei nichts gesagt, weil er Angst gehabt habe, Madelons Bild von ihrem Vater zu zerstören und ihre Welt zum Einsturz bringen zu lassen. Bei einem weiteren Mordversuch sei Cardillac von einem Offizier getötet worden. Dieser Offizier sei geflohen, weil er nicht in die Morde verwickelt werden wollte. Er selbst habe die Leiche ins Haus gebracht und sei so des Mordes verdächtig geworden.

Nachdem sich der Offizier (es war der Graf von Miossens) bei ihr gemeldet hat, hofft die Scuderi auf einen glücklichen Ausgang. Das Verfahren braucht jedoch seine Zeit, aber am Ende geht tatsächlich alles gut aus. Olivier und Madelon heiraten, müssen aber Paris verlassen und ziehen nach Genf, wo früher die Eltern Oliviers gewohnt hatten.

Entstehungsgeschichte

E.T.A. Hoffmanns Novelle Das Fräulein von Scuderi gehört zu einer Sammlung von 19 Erzählungen, Novellen und Märchen, die 1819–21 in vier Bänden unter dem Titel Die Serapionsbrüder in Berlin erschienen. Am Tag des heiligen Serapion am 14. November 1818 trafen Hoffmann und seine Schriftstellerfreunde nach langjähriger Pause wieder zusammen (Adalbert von Chamisso war von einer dreijährigen Weltreise zurückgekehrt). Dieses Ereignis inspirierte E.T.A.Hoffmann zum Titel und zur Fertigstellung seiner Sammlung. Die Serapionsbrüder tragen sich gegenseitig die Geschichten vor. Die Ereignisse um Das Fräulein von Scuderi gehen auf historische Vorgänge zurück, welche von Voltaire in seinem Siècle de Louis XIV. und von Johann Christoph Wagenseil in dessen Chronik der Stadt Nürnberg berichtet werden. Als Hintergrund dienten auch die Fälle der Marquise de Brinvilliers und der Catherine Monvoisin aus dem Pitaval, den Hoffmann als Jurist natürlich kannte. Die Erzählung erschien zuerst im Taschenbuch für das Jahr 1820. Der Liebe und Freundschaft gewidmet.

Das Cardillac-Syndrom

Künstler müssen sich, um von ihren Werken leben zu können, von ihnen trennen, doch fällt ihnen das oftmals sehr schwer, da sie wichtige Teile ihrer Identität darstellen. So wollte Cardillac nicht, dass sich andere mit seinem Schmuck zeigen, und ermordete die Käufer, um ihn sich zurück zu nehmen. Künstler behelfen sich vielfach mit sorgfältigem Führen von Erwerberlisten, gelegentlich auch vertraglichen Rückkaufsrechten. Arnulf Rainer behielt sich das Recht vor, ein verkauftes Werk jederzeit aufsuchen und ändern zu dürfen. Psychologisierend spricht man in diesem Zusammenhang in Anlehnung an E.T.A. Hoffmanns Novelle vom Cardillac-Syndrom.

Die Macht der Erzählung

Das Fräulein von Scuderi kann den zu Unrecht verdächtigten Olivier nur retten, indem sie den absolutistischen Herrscher Ludwig XIV. zu einer Begnadigung des vermeintlichen Mörders bewegt. Dieser allerdings hat den Fall in die Hände eines Sondergerichtshofs gelegt - der Chambre ardente - und will mit den ihm unangenehmen Geschehnissen nicht behelligt werden. Die Scuderi richtet es deshalb so ein, dass sie dem König in den Gemächern von Françoise d’Aubigné, marquise de Maintenon begegnet, seiner Vertrauten. Auffällig in Schwarz gekleidet, trägt die Scuderi Schmuckstücke Cardillacs und macht den Alleinherrscher so auf sich aufmerksam. Als dieser sie anspricht, nutzt sie die Gelegenheit, ihn mit der Macht einer ebenso eindringlichen wie lebendigen Erzählung der Vorkommnisse in ihren Bann zu ziehen und zum Einlenken zu bewegen. Der Jurist Hoffmann wollte hier möglicherweise ausloten, welche Macht die Kunst in einem absolutistischen Staat haben könnte - und zugleich auf Probleme absolutistischer Herrschaft hinweisen.[1]

Verfilmungen

  • 1950: Die tödlichen Träume - Regie: Paul Martin
  • 1955: Das Fräulein von Scuderi - Regie: Eugen York
  • 1968: Cardillac - Regie: Edgar Reitz
  • 1976: Das Fräulein von Scuderi - (als westdeutsche Fernsehfilm-Produktion) - Regie: Lutz Büscher

Hörspiele

Vertonung

Theater

Literatur

  • Pfister, Wolfgang: E. T. A. Hoffmann: Das Fräulein von Scuderi. Königs Erläuterungen und Materialien (Bd. 314). Hollfeld: Bange Verlag 2006. ISBN 978-3-8044-1767-0
  • E.T.A.Hoffmann.: Das Fräulein von Scuderi -- Ernst Klett Verlag ISBN 3-12-262020-0
  • Ekkehart Mittelberg und Dieter Seiffert: Das Fräulein von Scuderi. Text und Materialien. Reihe: Klassische Schullektüre. Berlin: Cornelsen ISBN 3-464-12124-0
  • Mittelberg, Ekkehart/ Seiffert, Dieter: Das Fräulein von Scuderi. Unterrichtskommentar. Reihe: Klassische Schullektüre. Berlin: Cornelsen ISBN 3-464-12124-0
  • E.T.A. Hoffmann: Das Fräulein von Scuderi. Text und Kommentar, Suhrkamp BasisBibliothek ISBN 3-518-18822-4
  • Bernd Hesse: Die Kriminalerzählung "Das Fräulein von Scuderi" als Spiegel des Richteramts E.T.A. Hoffmanns. NJW 11/2008, 698-704.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Wiele, Johannes: Vergangenheit als innere Welt. Historisches Erzählen bei E.T.A. Hoffmann, Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien 1996; ISBN 3-631-50005-X, S. 381-399

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