Das arme Mädchen

Das arme Mädchen

Die Sterntaler, in der ersten Veröffentlichung Das arme Mädchen, ist ein kurzes Märchen aus der Sammlung Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm (Nr. 153).

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Illustration der Grimms zum Märchen auf der Rückseite des 1000 DM-Schein (ab 1992)

Es war einmal ein kleines Mädchen, dem war Vater und Mutter gestorben und es war so arm, dass es kein Kämmerchen mehr hatte, darin zu wohnen und kein Bettchen mehr, darin zu schlafen; und endlich gar nichts mehr als die Kleider auf dem Leib und ein Stückchen Brot in der Hand. Das hatte ihm ein mitleidiges Herz geschenkt. Es war aber gut und fromm. Und so von aller Welt verlassen, ging es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld.

Da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach: „Ach, gib mir etwas zu essen, ich bin so hungrig.“ Es reichte ihm das ganze Stückchen Brot und sagte: „Gott segne dir’s“, und ging weiter. Da kam ein Kind, das jammerte und sprach: „Es friert mich so an meinem Kopfe, schenk mir etwas, womit ich ihn bedecken kann.“ Da tat es seine Mütze ab und gab sie ihm.

Und als es noch eine Weile gegangen war, kam wieder ein Kind und hatte kein Leibchen an und fror: da gab es ihm seins; und noch weiter, da bat eines um ein Röcklein, das gab es auch von sich hin.

Endlich gelangte es in einen Wald, und es war schon dunkel geworden: Da kam noch eins und bat um ein Hemdlein, und das fromme Mädchen dachte: "Es ist dunkle Nacht, da sieht dich niemand, du kannst wohl dein Hemd weggeben" - und zog das Hemd ab und gab es auch noch hin. Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel, und waren lauter blanke Taler; und obgleich es sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an, und das war vom allerfeinsten Leinen. Da sammelte es sich die Taler hinein und war reich für sein Lebtag.

Allegorie

Vielfach wird dieses Märchen der Brüder Grimm als Allegorie eines vorbildlichen christlichen Menschen verstanden, der barmherzig und großzügig an bedürftige Menschen von dem Seinen gibt, auch wenn er selber dabei scheinbar „nichts“ mehr am „Ende“ hat. Diese „innere Einstellung“, als gelebte Grundhaltung, wird „vom Himmel“ durch „Sternthaler“ überreichlich „in himmlischer Währung“ belohnt und mit einem „schmückenden“ feinen „Seelenkleid“ in „Ewigkeit“ von einem „Unsichtbaren“ (aber nicht Unwirkbaren!) „bekleidet“. Das Märchen passt sehr gut in die Weihnachtszeit. Sternentaler erzählt von einem Mädchen, das zuerst auf sein Umfeld schaut, erst dann auf die eigenen Bedürfnisse.

Rezeptionen

Georg Büchner lässt in seinem Drama Woyzeck die Großmutter ein ähnliches, jedoch sehr pessimistisches, nihilistisch gefärbtes Märchen erzählen. Darin wandert das Mädchen erst zum Mond, dann zur Sonne und dann zu den Sternen. Die stellen sich aber als ein faules Stück Holz, eine welke Sonnenblume und aufgespießte Mücken heraus: so setzt sich das Mädchen schließlich allein auf einen Stein. Die Reise zu den Gestirnen erinnert z.B. auch an Das singende springende Löweneckerchen.

Das ZDF widmete dem Sterntaler-Märchen den dritten Teil der Doku-Reihe „Märchen und Sagen - Botschaften aus der Wirklichkeit“ (Erstsendung 23. Oktober 2005, 19:30 Uhr). Demnach werden Funde keltischer Goldmünzen, bekannt als Regenbogenschüsselchen, als Kern der Überlieferung angesehen: Diese wurden im süddeutschen Raum beim Pflügen an die Oberfläche gebracht und nach Regenfällen ausgespült. Die Märchenerzähler wurden durch die Münze Sterntaler inspiriert. Diese hatte Friedrich II. (Hessen-Kassel) in Umlauf gebracht. Auf ihr ist ein Stern zu sehen.[1]

Literatur

  • Grimm, Brüder: Kinder- und Hausmärchen. Vollständige Ausgabe. Mit 184 Illustrationen zeitgenössischer Künstler und einem Nachwort von Heinz Rölleke. S. 666-668. Düsseldorf und Zürich, 19. Auflage 1999. (Artemis & Winkler Verlag; Patmos Verlag; ISBN 3-538-06943-3)
  • Grimm, Brüder: Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994. S. 250, S. 501-502. (Reclam-Verlag; ISBN 3-15-003193-1)

Quellenangaben

  1. http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/22/0,1872,2387638,00.html

Weblinks


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