Delvina

Delvina
Delvinë
Delvina
Delvina (Albanien)
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39.95472222222220.098888888889207
Basisdaten
Staat: Albanien
Qark: Vlora
Kreis: Delvina
Höhe: 207 m ü. A.
Einwohner: 4.200 (2004, Schätzung)
Zeitzone: MEZ (UTC+1)
Telefonvorwahl: (+355) 0815
Postleitzahl: 9704
Kfz-Kennzeichen: DL
Struktur und Verwaltung (Stand: 2011)
Gemeindeart: Bashkia
Bürgermeister: Dhurim Alinani (PD)
Blick auf Delvina von Nordosten, links der Burgberg
Moschee im Zentrum
Neue orthodoxe Kirche am Stadtrand

Delvina (albanisch auch Delvinë, griech.: Δέλβινιο) ist eine Kleinstadt im südlichen Albanien, 16 km nordöstlich von Saranda gelegen. Delvina ist Hauptort des gleichnamigen Kreises. Delvina hat seit 1990 mindestens ein Drittel seiner Bürger verloren und heute noch 4.200 Einwohner (Schätzung 2004).

Die Stadt liegt an einem Berghang auf 200 m Höhe. Sie hat eine Moschee und eine orthodoxe Kirche. Auf einem nahe gelegenen Berg finden sich die Reste einer mittelalterlichen Burg. In der Ebene unterhalb der Stadt befindet sich das antike Phoinike.

Inhaltsverzeichnis

Bevölkerung

Im Bezirk Delvina lebte ursprünglich eine größere griechische Minderheit. Ihre Zahl ist aber stark zurückgegangen, weil viele nach Griechenland ausgewandert sind, insbesondere die Jungen. Während im Jahr 1990 von den insgesamt 8.000 Einwohnern rund 4.000 zur griechischen Minderheit gehörten, waren es etwas mehr als zehn Jahre später nur noch 500 Griechen unter 4.000 Albanern.[1] Die Auswanderung beschränkt sich aber nicht nur auf die griechische Minderheit, sondern umfasst alle Bevölkerungsgruppen. Ein Dorf in der Umgebung von Delivina ist vorwiegend von Aromunen bewohnt.

Die mitgliederstärkste Religionsgemeinschaft ist traditionell die islamische, gefolgt von der orthodoxen Kirche. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts haben holländische Missionare eine reformierte Gemeinde und deutsche Franziskanerinnen eine katholische Gemeinde gegründet. Schließlich gibt es in Delvina auch Anhänger der Bektashi.

Wirtschaft

Zu Zeiten der kommunistischen Herrschaft gab es in Delvina einige verarbeitende Betriebe der Lebensmittelindustrie und eine Manufaktur, die sich mit der Verarbeitung von Heilpflanzen befasste. Diese sind nach 1990 alle geschlossen worden. Heute lebt die Bevölkerung vor Ort vorwiegend vom Kleinhandel und Dienstleistungen. Größter Arbeitgeber sind staatliche und kommunale Institutionen. Am Oberlauf der Bistrica existiert eine Fischzucht. Der Betrieb nutzt alte Anlagen, die in den 1970er Jahren errichtet worden sind. Vom boomenden Tourismus in der nahegelegenen Küstenstadt Saranda konnte Delvina bisher nur wenig profitieren. Es gibt jedoch gemeinsame Bemühungen der Stadtverwaltung und einiger Unternehmer, Gäste für die historischen Stätten in der Umgebung (z.B. Mesopotam und Phoinike) zu interessieren. Wichtigstes Ausflugsziel ist aber die Karstquelle Syri i Kaltër. Im vergangenen Jahrzehnt wurden einige Pensionen gegründet.

Politik

Bei den jüngsten Kommunalwahlen (2007) wurde Dhurim Zyber Alinani (PD) zum Bürgermeister gewählt.

Geschichte

Entstehung im Mittelalter

Delvina entstand im frühen Mittelalter nach dem Niedergang der nahe gelegenen antiken Stadt Phoinike. Angeblich bekam die Stadt ihren Namen von Delvu, einem byzantinischen Strategen, der hier eine Burg errichten ließ. Ende des 9. Jahrhunderts wurde der Ort von den Bulgaren erobert, 1119 setzten sich die Normannen in Delvina fest. Seit Anfang des 13. Jahrhunderts gehörte Delvina zum Despotat Epirus. Mitte des 14. Jahrhunderts gewann die Adelsfamilie Shpata die Herrschaft über Delvina. 1340 wurde der serbische Fürst Sava Stadtherr. Zu dieser Zeit erstreckte sich der Einfluss des serbischen Zaren Stefan Dušan bis an die epirotische Küste. 1354 ist ein Peter Shpata als Besitzer von Burg und Stadt bezeugt. 1372-1400 herrschte Gjin Aleksi in Delvina; ihm folgte als letzter Stadtherr vor der osmanischen Eroberung Dep Zenebishi.

Blütezeit unter den Osmanen

Im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts begann die türkische Herrschaft über Delvina. 1537 wurde eine griechischsprachige Schule eingerichtet. Um 1575 wurde die Stadt Sitz eines Sandschak-Beys. Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Hauptmoschee gebaut.

Der türkische Reisende Evliya Çelebi besuchte um 1670 Delvina und gab in seinem Reisebuch einige Informationen über die Stadt. Er wusste zu berichten, dass Delvina im Mittelalter zunächst in spanischer Hand war (mit Spaniern sind wohl die katalanischen Söldner gemeint, die im 14. Jahrhundert ihr Unwesen in Epirus und Griechenland trieben). Danach seien die Venezianer einige Zeit Herrscher über die Stadt gewesen. Zu Evliya Çelebis Zeiten war Ajaz Pascha, ein gebürtiger Albaner, Sandschak-Bey von Delvina. Der Sandschak von Delvina umfasste 24 Zeamets (größere osmanische Feudalherrschaften) und 155 Timare. Es gab eine größere Garnison, deren Quartier auf der Burg von Delvina war. Innerhalb der kleinen Festung befanden sich im 17. Jahrhundert auch ein Wasserreservoir, ein Munitionsdepot und eine kleine Moschee.

Über die Stadt selbst berichtete Çelebi, sie habe etwa 100 mit Ziegeln gedeckte Häuser gehabt. Diese standen relativ weit auseinander, und fast jedes Haus war mit einem befestigten Turm versehen. Dafür fehlte eine Stadtmauer. Es gab mehrere Moscheen, drei Medresen und etwa 80 Geschäfte sowie einen offenen Marktplatz. Die Umgebung war geprägt durch viele Haine mit Orangen-, Feigen- und Olivenbäumen. Über die Einwohner sagte Çelebi, dass sie alle Albanisch sprechen würden und niemand Griechisch verstehe.[2]

Im 17. Jahrhundert war Delvina also eine blühende orientalische Stadt mit vorwiegend muslimischer Bevölkerung. Orthodoxe Christen lebten vermutlich in den angrenzenden Dörfern, wo bis heute noch einige alte Kirchen erhalten sind.

Im 18. Jahrhundert hatte sich die politische und soziale Struktur des in die Krise geratenen Osmanischen Reiches signifikant verändert. Anstatt von der Zentralmacht entsandten Beamten waren nun Angehörige der großen Grundbesitzerfamilien die lokalen Machthaber. Dieser gelegentlich als Refeudalisierung bezeichnete Prozess betraf auch Delvina. Es etablierte sich eine Familie, die sich nach der Stadt selbst Delvina nannte und 1720 erstmals schriftlich Erwähnung fand. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kämpften die Delvina mit den Koka um die Macht, was zu lang anhaltenden bürgerkriegsähnlichen Zuständen führte, ehe die beiden Clans um 1800 von Ali Pascha Tepelena in ihre Schranken gewiesen wurden.

1738 gründete Spiro Strati, ein venezianischer Kaufmann, der aus Delvina stammte, eine bedeutende christliche Schule in seiner Heimatstadt. Die so genannte Akademie, an der in lateinischer und griechischer Sprache gelehrt wurde, existierte bis 1799. Etwa zur selben Zeit entstand eine überregional bedeutende Medrese. Diese theologische Schule der Muslime bestand über 150 Jahre und wurde 1916 geschlossen.

Den Höhepunkt seiner Entwicklung erlebte Delvina im 19. Jahrhundert. Zu dieser Zeit wurden in der Stadt 295 Läden und Handwerksbetriebe, 50 Mühlen, 14 Gasthöfe 12 Moscheen und 7 Tekken gezählt.

1856 und 1857 kam der englische Illustrator und Maler Edward Lear nach Delvina. Er fertigte eine Zeichnung der osmanischen Festung an, die zu dieser Zeit noch in gutem Zustand war. Heute existieren nur mehr wenige Reste des Gebäudes.

Jüdische Gemeinde

Bis zum Zweiten Weltkrieg existierte in Delvina eine kleine jüdische Gemeinde. Es handelte sich um spaniolische Juden, die in osmanischer Zeit zugewandert waren und in enger Verbindung zu der großen jüdischen Gemeinde in Ioannina standen.[3] Fast alle Juden sind nach dem Krieg nach Israel ausgewandert.

Bekannte Persönlichkeiten

  • Sulejman Bej Delvina, Politiker, 1920 albanischer Ministerpräsident
  • Sabri Godo (* 1929), Schriftsteller und Politiker

Quellen

Literatur

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Stoppel: Rechte und Schutz der nationalen Minderheiten in Albanien. K&B, Tirana 2003, ISBN 99927-777-9-6.
  2. Robert Dankoff (Hrsg.): Evliya Çelebi’s Book of Travels. Evliya Çelebi in Albania and Adjacent Regions (Kosovo, Montenegro). The Relevant Sections of the Seyahatname. Leiden/Boston 2000 (übersetzt von Robert Dankoff), ISBN 90-04-11624-9 (Kritische Edition in englischer Sprache).
  3. Rae Dalven: The Jews of Ioannina. Philadelphia 1990.

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