Dentes sapientes

Dentes sapientes
Anatomische Lage der normal entwickelten Weisheitszähne
Darstellung der rechten Unterkieferhälfte mit den unterschiedlichen Zahngruppen.
Normal ausgebildeter unterer Weisheitszahn. Die Zahnwurzeln sind oft etwas verkürzt.
Weisheitszahn mit ausgebildeter Wurzel. Achsengerechte Lage; also: retiniert, aber nicht verlagert
Die oberen Weisheitszähne sind in distaler Richtung verlagert. Der untere linke Weisheitszahn (im Bild: rechts) ist horizontal verlagert.
Durchbrechender Weisheitszahn 48 bei einer 22 Jahre alten Frau.
Weisheitszähne mit abgekrümmten Wurzeln. Teilweise ist auch die Anzahl der Wurzeln anomal.

Weisheitszähne (Synonyme: Dritte Molaren, Dentes serotini, Dentes sapientes) sind die achten Zähne ab der vertikalen Mittellinie im menschlichen Gebiss. Daher verwenden Zahnärzte häufig die Bezeichnung „Achter“. In seltenen Fällen treten auch noch „Neuner“ usw. auf. Normalerweise hat ein Mensch vier Weisheitszähne, in jedem Gebissquadranten einen.

Inhaltsverzeichnis

Allgemein

Besonderheiten und Name

Weisheitszähne entwickeln sich erst spät (bei manchen Menschen ist eine Mineralisation des Weisheitszahnkeimes im Röntgenbild erst mit 14 Jahren nachweisbar) und brechen bei den meisten Menschen erst im Erwachsenenalter oder gar nicht durch. Daher der Name „Weisheitszahn“ im Deutschen. Auch in anderen westlichen Sprachen wird im Namen des Zahns ein Bezug zu Weisheit oder Verständigkeit hergestellt. Außerhalb des westlichen Kulturkreises werden jedoch andere Bezeichnungen verwendet, so etwa „kauernder Zahn“ im Thai, „jüngster Zahn“ im Indonesischen oder „den Eltern unbekannt“ (oyashirazu) im Japanischen, nach der Annahme, dass die Zähne erst auftreten, wenn die Kinder aus dem Elternhaus bereits ausgezogen sind.

Form und Aussehen

Weisheitszähne gehören zu den Molaren, weichen aber häufiger als andere Zähne von den charakteristischen anatomischen Formen ab. Beispielsweise existieren Weisheitszähne mit nur drei oder aber auch mit fünf Höckern. Auch die Anzahl der Wurzeln ist unterschiedlich. Oftmals sind die Wurzeln miteinander verwachsen oder hakenförmig gebogen, so dass die mögliche Extraktion der Zähne erschwert wird.

Evolutionäre Entwicklung

Diese starke Schwankung der Form und des Durchbruchs der Weisheitszähne resultiert aus der Verkümmerung dieser Zähne, die sich im Lauf der menschlichen Evolution entwickelt hat. Brauchten die Urmenschen noch viele Zähne, um die oft rohe Nahrung ausreichend zerkleinern zu können, so ist dies seit Nutzung der Technik des Kochens, die als Nebeneffekt zu weicher Nahrung geführt hat, nicht mehr so stark von Belang. Die Zähne verkümmerten. Beim heutigen Menschen sind Weisheitszähne also als Rudiment zu betrachten. Vor allem aber hat sich die Größe des Unterkiefers reduziert – das Untergesicht ist nicht mehr so betont wie bei unseren Vorfahren der Urzeit.

Gesundheitliche Folgen

Dieses Missverhältnis bringt bei den oberen Weisheitszähnen in aller Regel nur wenige Probleme mit sich, bei den unteren jedoch häufig erhebliche.

Weil sie als letzte durchbrechen und weit hinten am Kieferwinkel, dem Übergang vom horizontalen zum aufsteigenden Ast, lokalisiert sind, finden sie häufig gar keinen Platz mehr (vollständige Retention) oder können nur noch unvollständig durchbrechen (Teilretention). Vollständig retinierte Zähne bleiben normalerweise symptomlos, teilretinierte führen hingegen oft zu Entzündungen (siehe: dentitio difficilis) bis hin zu Abszessen. Im Extremfall kann sogar eine lebensbedrohliche Phlegmone resultieren. Ursache für eine solche Entzündung ist die Bildung einer kapuzenförmigen Zahnfleischtasche, die zwar den Keimen der Mundhöhle zugänglich ist, aber nur schwer oder gar nicht gereinigt werden kann.

Wachsen die Weisheitszähne nur im Ober- oder Unterkiefer, fehlt ihnen der Antagonist („Gegenspieler“). In der Folge wachsen sie über die Kauebene hinaus (Elongation) bis sie schließlich auf den Gegenkiefer stoßen. Weil Zähne generell die Tendenz haben, „nach vorne aufzurücken“, diese Bewegung bei einer „Teilbelegung“ mit Weisheitszähnen bei Ober- und Unterkiefer aber nicht gleichermaßen erfolgen kann, resultiert oftmals eine unterschiedliche Verschiebung der Zähne, so dass ein Weisheitszahn nicht mehr an seinen natürlichen Antagonisten sondern einen anderen Backenzahn des Gegenkiefers anstößt. Dieses „Gleithindernis“ kann zu Zahnschäden, nächtlichem Zähneknirschen (Bruxismus) und Kiefergelenksbeschwerden führen.

Aus diesen Gründen müssen Weisheitszähne sehr oft entfernt werden. Werden sie als Zahnkeime schon vor ihrem Durchbruch operativ entfernt, so spricht man von einer Germektomie.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Bis heute ist wissenschaftlich nicht eindeutig geklärt, ob Weisheitszähne tatsächlich verantwortlich sind, dass sich Zähne verschieben, insbesondere ist der Zusammenhang zwischen Frontzahnengstand und Weisheitszähnen nicht eindeutig belegt. Die vorbeugende Entfernung symptomfreier Weisheitszähne beruht daher bislang auf Erfahrungsgrundlagen, ist aber wissenschaftlich evidenzbasiert bislang nicht bewiesen. Zurzeit laufen hierzu groß angelegte Studien.

Retinierte Weisheitszähne

„Retiniert“ heißt „zurückgehalten“ (lat. retinere „zurückhalten“ < re- „zurück“ + tenere „halten“), bezeichnet also einen Weisheitszahn, der nicht altersgerecht durchgebrochen ist. Ob ein Weisheitszahn retiniert ist, hängt von mehreren Faktoren ab, so beispielsweise stark vom Alter. Die Beurteilung anhand eines Röntgenbildes ist nicht immer eindeutig.

Bei einem 20-Jährigen ist nicht mehr ausreichend Kieferwachstum zu erwarten, sodass der Zahn wegen Platzmangels oft nicht mehr problemlos durchbrechen kann. Bei einem 14-Jährigen muss bei der gleichen Lage durch das noch zu erwartende Knochenwachstum kein Platzmangel zu befürchten sein.

Die folgenden acht Röntgenbilder sind Ausschnitte aus Orthopantomogrammen (OPG):

Entfernung von Weisheitszähnen

Extraktion

Wunde eines frisch extrahierten Weisheitszahns 48. Nebenbefund: Zungenpiercing

Viele Weisheitszähne stehen regulär in der Zahnreihe. Sie lassen sich erforderlichenfalls auch ganz normal wie andere Zähne extrahieren. Zu beachten ist allerdings, dass im Unterkiefer in der Region des Kieferwinkels der Knochen besonders kompakt ist, die Alveolen sich deshalb also nicht so leicht aufweiten lassen. Im Oberkiefer hingegen ist der den Weisheitszahn umgebende Knochen spongiös. Das erleichtert eine Extraktion.

Operative Zahnentfernung (Osteotomie)

Bei der operativen Entfernung von Weisheitszähnen handelt es sich weniger um einen zahnmedizinischen als vielmehr um einen oralchirurgischen Eingriff. Immer stärkeres Augenmerk erhält hierbei die Schmerzvermeidung sowohl während als auch nach der OP. Schon vor der OP kann ein lang anhaltendes Schmerzmittel verabreicht werden, etwa 600 mg Ibuprofen, das nach dem Nachlassen der Anästhesie (Betäubung) weiter wirkt. In der Regel wird die Operation unter örtlicher Betäubung durchgeführt, wodurch die OP schmerzfrei möglich ist. Durch ein spezielles Gel kann vorher die Mundschleimhaut betäubt werden, wodurch beim Spritzen des Lokalanästhetikums die Einstiche weit weniger spürbar sind. Durch langsame Injektion kann das nachträgliche Anschwellen und Schmerzen des Einstichbereiches verhindert werden. Eine langsame Entfernung des Zahnes, die dem Zahn Zeit gibt, sich nach und nach zu lösen, fördert Komplikationsfreiheit und der Patient spürt die mechanische Kraft des Zuges weniger stark.

Bei großer Angst kann auf Patientenwunsch in entsprechend ausgerüsteten Arztpraxen eine Analgosedierung durchgeführt werden, wodurch der Patient beruhigt und seine Wahrnehmung reduziert wird.

Ist eine besonders komplizierte Zahnentfernung zu erwarten oder kann durch eine Leitungs- oder Lokalanästhesie ein schmerzloser Eingriff nicht gewährleistet werden, kann auch eine Vollnarkose in Frage kommen. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn sich ein Zahn in die Kieferhöhle oder ins Weichteilgewebe verlagert. In diesem Fall muss ein zweiter Eingriff erfolgen, dies geschieht in der Regel unter Vollnarkose, da relativ weit in den Kiefer hineingearbeitet wird. Sollte auch dieser Eingriff fehlschlagen, weil sich der Zahn z. B. in die Wange verlagert, so muss ein weiterer Eingriff erfolgen. Dieser kann erst nach einer mehrmonatigen Pause erfolgen. Eine Gefahr durch den Zahn besteht nicht. Dieser Fall tritt selten auf, im Schnitt einmal pro Praxis und Jahr. Häufiger kommt es dagegen vor, dass der Zahn sehr fest im Kiefer sitzt. Um möglichen Schädigungen vorzubeugen, ist es ggf. nötig, den Zahn im Kiefer zu zerlegen, was auch unter Lokalanästhesie durchgeführt werden kann. Solch ein Eingriff kann nach der Operation zu größeren Schwellungen und auch stärkeren Schmerzen führen.

Ebenfalls wird in den Fällen, in denen alle vier Weisheitszähne in einer Sitzung entfernt werden, der Vollnarkose oft der Vorzug gegeben. Diese ist allerdings in der Regel in Deutschland keine Kassenleistung mehr und muss daher von gesetzlich krankenversicherten Patienten selbst getragen werden.[1]

Häufig ist der Zahn sehr im Kiefer verankert, ist der Zugang zwischen den anderen Molaren und dem Kieferwinkel zu klein oder der Zahn liegt waagerecht im Kiefer. (Siehe Abbildungen). In diesen Fällen ist es erforderlich, den Zahn im Kiefer durchzutrennen.

Es empfiehlt sich, die durch die Entfernung eines Weisheitszahnes entstehende Wunde durch chirurgische Nähte zu verschließen, um die Wundoberfläche zu verringern. Erforderlichenfalls können ein Schmerzmedikament und ein Antibiotikum verordnet werden. Das Schmerzmittel soll keine Acetylsalicylsäure, (etwa Aspirin®) enthalten, da diese die Blutgerinnung negativ beeinflusst. Patienten mit gerinnungshemmender Behandlung (Phenprocoumon, Marcumar®) müssen vorübergehend auf niedermolekulare Heparinpräparate umgestellt werden.

Mögliche Komplikationen

Blick auf den Oberkiefer in kranialer Richtung.

selten:

Verhalten nach der Operation

Die Wunde schließt sich normalerweise im Laufe der ersten Wochen nach der Behandlung.

In der ersten Zeit nach der Operation ist das richtige Verhalten für eine gute Wundheilung und die Minderung der unvermeidbaren OP-Folgeerscheinungen wichtig: In den ersten 24 Stunden sollte die Wunde gekühlt werden. Dies bewirkt eine geringere Schwellung. Hierzu können eingepackte Coolpacks oder nasse Waschlappen, aber kein Eis (zu kalt) verwendet werden. Auch das Lutschen von Eiswürfeln verringert die Temperatur im Mundraum, und die Wunde wird zusätzlich auch von innen gekühlt.

Bei besonders komplizierten Eingriffen oder bei einer vorangegangenen Infektion kann von dem behandelnden Arzt ein Antibiotikum verschrieben werden.

Soweit keine Allergie gegen Kamille besteht, kann zur Beruhigung und Desinfektion der Wunde nach dem Essen mit Kamille gespült werden. Zu heftiges und zu häufiges Spülen behindert jedoch den natürlichen Wundheilungsprozess.

Wie nach jeder Zahnextraktion sind auch nach der operativen Entfernung eines Weisheitszahnes Milchprodukte zu vermeiden, da die darin enthaltenen Milchsäurebakterien den sich bildenden Blutpfropf angreifen würden, der zum Wundverschluss wichtig ist. In den ersten zwei Tagen nach der Extraktion sollte gänzlich auf Koffein (Kaffee, Schwarztee, Energydrinks) verzichtet werden, da durch die Steigerung des Blutdrucks Nachblutungen verursacht werden können. Auf Alkohol sollte wegen seiner gerinnungshemmenden Wirkung ebenfalls verzichtet werden. Tabakrauch erhöht die Gefahr von Wundheilungsstörungen. Der Verzehr von Vollkornprodukten und Speisen, die krümelige Bestandteile haben, kann kurz nach der Behandlung problematisch sein, da die Krümel in die Wunde geraten können und eine potentielle Entzündungsgefahr darstellen. Da die Kaubewegung am Anfang schmerzvoll sein kann und die Schwellung beim Essen behindern kann, empfiehlt es sich, zunächst nur Suppen und breiförmige Speisen zu konsumieren.

Um einer Infektion durch Speisereste in der offenen Wunde vorzubeugen, sollte nach jedem Essen der Mund kurz mit Wasser ausgespült werden. Die Zahnpflege sollte möglichst wie gewohnt fortgeführt werden. Ganz am Anfang können die Zähne im Wundbereich ausgespart werden. Sie sollten aber, so früh es geht, sanft geputzt werden. Insofern ein starkes Schrubben vermieden wird, sollte sich das Putzen schmerzfrei gestalten. Bei Bedarf kann eine extra weiche Bürste für die betroffenen Regionen verwendet werden. Wenn in den ersten Tagen wegen zu großer Schmerzen gänzlich auf das Zähneputzen verzichtet wird, kann alternativ eine Chlorhexidinhaltige Mundspülung verwendet werden. Mundspülungen (nicht Mundwasser) mit mindestens 0,1 % Chlorhexidingehalt wirken antiseptisch und vermindern die Keimzahl in der Mundhöhle. Daher können diese Mundspülungen kurzzeitig das Zähneputzen ersetzen und auch die Behandlung von lokalen Entzündungen in der Mundhöhle unterstützen.

Zurückhaltung bei sportlichen Aktivitäten ist dringend geboten, da der akut steigende Blutdruck Nachblutungen hervorrufen kann. Außerdem behindert starke Anstrengung den Körper bei der Regeneration und verzögert die Wundheilung.

Auf übermäßige Wärmebelastung, wie Sonnenbäder, Solarium und Saunaaufenthalte sollte verzichtet werden.

Bei Eingriffen im Oberkiefer sollte der Patient heftiges Schnäuzen und Niesen in den ersten Tagen nach der Operation soweit möglich vermeiden, da es durch den Druck, der dabei auf die Kieferhöhle ausgeübt wird, zu Blutungen kommen kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn es bei dem Eingriff zu einer Eröffnung der Kieferhöhle (Mund-Antrum-Verbindung (MAV)) gekommen ist.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Patienteninformation der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung

Weblinks

Gesundheitshinweis
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