Der Mieter (1927)

Der Mieter (1927)
Filmdaten
Deutscher Titel Der Mieter
Originaltitel The Lodger
Produktionsland Großbritannien
Originalsprache Englisch
Erscheinungsjahr 1927
Länge 70 Minuten
Stab
Regie Alfred Hitchcock
Drehbuch Eliot Stannard
Produktion Michael Balcon
Carlyle Blackwell
für Gainsborough Pictures
Kamera Baron Ventimiglia
Schnitt Ivor Montagu
Besetzung
  • Marie Ault: die alte Frau
  • Arthur Chesney: ihr Mann
  • June: Daisy
  • Malcolm Keen: Joe
  • Ivor Novello: der Mieter

Der Mieter (Originaltitel: The Lodger – A Story of the London Fog oder kurz: The Lodger) ist ein britischer Thriller des Regisseurs Alfred Hitchcock aus dem Jahre 1927. Er basiert auf dem Roman Jack the ripper oder Der Untermieter (The Lodger) von Marie Adelaide Belloc Lowndes.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Die Londoner Polizei findet eine Tote, und bei ihr einen Zettel mit der in ein Dreieck geschriebenen Signatur „The Avenger“. Es ist bereits die siebte blonde Frau, die dem „Rächer“ zum Opfer gefallen ist. Zeugen beschreiben den Täter als einen großen, vermummten Mann. Schnell wird die Nachricht über die Presse verbreitet.

In einer Wohnung, in der ein älteres Ehepaar mit der Tochter Daisy wohnt, tritt ein bedrohlich wirkender Mann ein unter dem Vorwand, ein Zimmer mieten zu wollen. Skeptisch inspiziert er das Zimmer und zieht ein. Daisy begegnet ihm zunächst mit Zurückhaltung, doch innerhalb weniger Tage macht er sich mehr und mehr bei ihr beliebt. Daisys Freund Joe, ein Polizist, wird unterdessen auf den Fall um den „Avenger“ angesetzt und hofft, den Serienmörder bei seiner nächsten Tat zu fassen. Der Mieter erfährt davon, auch von der Freundschaft der beiden.

In derselben Nacht, in der Daisy einen Bühnenauftritt hat, beobachtet die Mutter des Hauses, wie sich der Mieter heimlich nach draußen begibt. Dann wird wieder, diesmal ganz in der Nähe, eine Frau ermordet, wieder mit dem hinterlassenen Zettel des „Rächers“. Kurze Zeit später kehrt der Mieter in die Wohnung zurück, während die alte Frau gespannt lauscht. Am Tag darauf erzürnt sich Joe, als er, von ihrem lauten Schreien erschrocken, zu Daisy geeilt ist und sie in Umarmung mit dem Mieter sieht. Daisy gibt an, sich nur vor einer Maus erschrocken zu haben. Die alte Frau teilt ihrem Mann ihre Vermutung mit, dass ihr Mieter möglicherweise der Mörder sei. Als sie dann erfahren, dass der Mieter Daisy ein Kleid gekauft hat, warnen sie ihn davor, sich Daisy weiter zu nähern. Zwischendurch ist zu sehen, wie der Mieter in einem Stadtplan Dreiecke einzeichnet, die Tatorte der Morde. Erneut geht der Mieter mit Daisy aus dem Haus, woraufhin die Mutter in Panik verfällt.

Als die beiden auf einer Bank sitzen und sich küssen, werden sie von Joe, dem Polizisten, ertappt, doch sie erteilt ihm eine Abfuhr. Auf einmal vermutet auch Joe, dass eine Verbindung zwischen dem Mieter und den Morden besteht und lässt dessen Zimmer durchsuchen. In seiner Tasche wird eine Pistole, der Stadtplan sowie gesammelte Zeitungsartikel über die Mordfälle gefunden. Doch der Mieter gibt an, dass vielmehr seine Schwester von dem „Avenger“ getötet worden sei. Er entgeht seiner Verhaftung während einer kurzen Verwirrung infolge einer Ohnmacht von Daisys Mutter.

Er trifft sich heimlich mit Daisy und erzählt, dass er seiner Mutter nach dem Tod seiner Schwester geschworen habe, den Mörder zu fassen. Sie gehen in eine Bar, verschwinden aber wieder, nachdem sie aufgrund ihres merkwürdigen Verhaltens (der Mieter versteckt seine Arme mit den Handschellen) den Argwohn der übrigen Bargäste erweckt haben. Nachdem kurz danach Joe auftaucht und mit dem Revier telefoniert, eilen die Menschen aus der Bar dem (vermeintlichen) Mörder hinterher. Aber kurz darauf erhält Joe die Nachricht, dass der Mieter doch unschuldig ist, da der echte „Avenger“ soeben auf frischer Tat gefasst wurde. In letzter Minute kann er ihn vor der aufgebrachten Meute in Sicherheit bringen, die sich anschickt, ihn zu lynchen. Am Ende sind Daisy und der ehemalige Mieter glücklich vereint.

Kritik

„Alfred Hitchcocks Thriller war 1999 erstmals in sorgfältig rekonstuierter und adäquat viragierter Fassung zu sehen. Dabei offenbart sich der Film in dieser Version als einer der bedeutendsten englischen Stummfilme überhaupt: In der Ökonomie der Bilderzählung geht Hitchcock weit über die deutschen Vorbilder, die er souverän adaptiert, hinaus und schafft einen äußerst intensiven Erzählfluss, der sich deutlich am amerikanischen Kino orientiert. “

Lexikon des Internationalen Films

Hintergrund

The Lodger war Hitchcocks erster Thriller und der Film, den er selbst später als „ersten echten Hitchcockfilm“ bezeichnen sollte. Hitchcock wollte ursprünglich ein offenes Ende, das die Schuld oder Unschuld des Mieters im Dunkeln lässt. Allerdings wollte die Produktionsgesellschaft nicht zulassen, dass ihr Star Ivor Novello eventuell als Mörder in Betracht kam. So musste das Drehbuch angepasst werden.

In Der Mieter deuten sich bereits viele, in Hitchcocks späteren Werk wiederkehrende Motive und Charaktere an. Allen voran steht das Grundmotiv des "unschuldig Verfolgten", das er im Laufe der Jahrzehnte bis hin zu Frenzy (1972) immer wieder variiert. Hinzu kommen die dominante Mutterrolle und der fehlbare, da aus persönlichen Motiven handelnde Polizist. Typische Hitchcocksche Elemente und Symbole tauchen hier in zentraler Bedeutung auf: Die Handschellen, mit denen der Polizist erst das Mädchen (aus Spaß) und dann den (vermeintlichen) Mörder fesselt; die Treppe in der Wohnung, die symbolisch die beiden Ebenen des Films, die bodenständige, reale Ebene der Familie und die unbekannte, mysteriöse Ebene des Mieters, verbindet; Kreuze, als Kruzifixe oder als Schattenspiel auf dem Gesicht des Mieters, als christliches Symbol von Schuld und Sühne.

Wie bereits in Irrgarten der Leidenschaft experimentierte Hitchcock mit für britische Verhältnisse ungewohnten Kameraeinstellungen und mit Licht- und Schattenspielen. Der Mieter ist stark von der Erzählweise der expressionistischen deutschen Filme der 20er Jahre beeinflusst, die Hitchcock 1925 in Berlin kennenlernen durfte. Der Verleiher und Geldgeber C. M. Woolf, der schon Hitchcocks ersten Film dem britischen Publikum nicht zumuten mochte, lehnte auch den Mieter ab. Produzent Michael Balcon holte den jungen Drehbuchautor und Cutter Ivor Montagu zu Hilfe. Montagu und Hitchcock setzten sich, nach anfänglichem Widerwillen von Seiten Hitchcocks, zusammen und man beschloss ein paar kleinere Änderungen. Es wurden einzelne wenige Szenen neu gedreht und die Zahl der Zwischentitel auf ein Viertel reduziert. Hitchcock erkannte an, dass der Film durch die Änderungen noch besser geworden war.

Der Film wurde von Presse und Publikum enthusiastisch aufgenommen. Die Zeitschrift Bioscope schrieb im September 1926 nach einer Pressevorführung: „Es ist gut möglich, dass dies der beste britische Film ist, der je entstand.“ Die Uraufführung war im Februar 1927. Hitchcock war von da an ein Star, auch weil er es verstand, im Zusammenhang mit dem Film sich selbst zu vermarkten – für den britischen Markt damals völlig unüblich.

Literatur

  • Marie Adelaide Belloc Lowndes: Jack the ripper oder Der Untermieter. Roman (Originaltitel: The Lodger). Deutsch von Wulf Teichmann. Diogenes-Verlag, Zürich 1987, 236 S., ISBN 3-257-20130-3
  • Robert A. Harris, Michael S. Lasky, Hrsg. Joe Hembus: Alfred Hitchcock und seine Filme (OT: The Films of Alfred Hitchcock). Citadel-Filmbuch bei Goldmann, München 1976, ISBN 3-442-10201-4

Weblinks


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