Der Taucher

Der Taucher

„Der Taucher“ ist eine 1797 vom deutschen Dichter Friedrich Schiller in dessen Balladenjahr verfasste Ballade. Sie beschreibt den Wagemut eines Edelknaben, der sich nach Aufforderung seines Königs in einen Gezeitenstrudel stürzt, um einen vom König hinein geworfenen goldenen Becher wieder zu holen. Es gelingt, und er berichtet davon (Es freue sich, wer da athmet im rosichten Licht. | Doch der Mensch versuche die Götter nicht ...). Die Hybris des Königs, der es ein zweites Mal sehen will und seine Tochter dafür geben, steckt auch den Jüngling an, und er versucht es abermals, ohne Wiederkehr.

Goethe urteilte über den Taucher: „Die Ballade selbst stellt uns den Kampf des Menschen mit einer furchtbaren Naturkraft vor Augen, und trägt daher den Charakter des Erhabenen.“

Inhaltsverzeichnis

Anfang

Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp,
Zu tauchen in diesen Schlund?
Einen goldnen Becher werf ich hinab,
Verschlungen schon hat ihn der schwarze Mund.
Wer mir den Becher kann wieder zeigen,
Er mag ihn behalten, er ist sein eigen.
Der König spricht es und wirft von der Höh
Der Klippe, die schroff und steil
hinausdrängt in die unendliche See,
Den Becher in der Charybde Geheul.
"Wer ist der Beherzte, ich frage wieder,
Zu tauchen in diese Tiefe nieder?"
[ ... ]

Volltext

 Wikisource: Der Taucher – Quellen und Volltexte

Zur Motivgeschichte

Der Sagenstoff ist älter (vgl. die umfassende Darstellung von Klaus Joachim Heinisch). Der Ort des Geschehnisses ist Sizilien, vgl. der Charybde Geheul. Goethe hatte überdies seinem Freund Schiller zwei Fischbücher geliehen, in denen dieser sich über „Rochen“, „Hammer“ und (er vertat sich dabei) „Klippenfisch“ informierte.

Als eine unmittelbare Vorlage Schillers für seine Ballade kommt ein von dem 1767-1775 als Ludwigsburger Hausherr der Familie Schiller, 1767-1769 auch als Verleger von Schillers Vater, Johann Caspar Schiller, bzw. 1780 von Schiller selbst auftretenden Christoph Friedrich Cotta (1724-1807), dem Vater des berühmten Verlegers Johann Friedrich Cotta (1764-1832), gedrucktes und verlegtes Kinderbuch von Christian Gottlieb Göz (1746-1803; 1784-1803 Pfarrer in Plieningen und Hohenheim auf den Fildern bei Stuttgart), in Frage (vgl. den Aufsatz von Reinhard Breymayer): Gebete und Unterhaltungen in Liedern und Versen, besonders der Jugend gewidmet. Von M[agister]. Christian Gottlieb Göz. Stuttgard [sic], bey Christoph Friedrich Cotta, Hof- und Canzlei Buchdruker. 1790. [In dem Abschnitt "Unterhaltungen mit Kindern über Tische" wird S. 50-52 die Tauchersage erzählt. Vgl. zum Beispiel S. 51: "Siehe, sagte der König, diesen großen goldenen Becher werfe ich hinein, - er ist dein, wenn du ihn herausholst! Rasch sprang der Taucher hinten drein -!" Diese gedruckte Vorlage ist offenbar die einzige vor dem Erscheinen von Schillers Ballade „Der Taucher“ vorliegende Fassung, in welcher - wie in Schillers Gedicht - kein Name des Tauchers mitgeteilt wird.

Der Taucher heißt sonst "Nicolaus Piscis", "Nicolaus Pesce", "Nicola Pesce" (Nikolaus der Fisch, "Niklas Fisch"), "Cola Pesce" ('Klaus der Fisch'), "Pescecola" ('Fischnickel') oder ähnlich. Aus dem Brief Schillers an Goethe vom 7. August 1797 geht aber hervor, dass Schiller den von Herder in einem Brief an ihn vom 28. Juli 1797 bei seinem überlieferten Namen genannten Helden der Tauchersage irrtümlich als Verfasser des Sagentextes auffasst (Schillers Werke. Nationalausgabe, Bd. 29, S. 115), weswegen alle andern gedruckten Fassungen der Tauchersage als zeitnah benutzte Vorlagen ausscheiden.

Die ältere Annahme, Goethe habe Schiller das Wesentliche der Sage ohne Nennung seiner Quelle und des Tauchernamens mündlich mitgeteilt, ist zwar möglich, ignoriert aber das von Schillers einstigem Verleger Christoph Friedrich Cotta verbreitete Büchlein.

Christian Gottlieb Göz seinerseits hat folgendes Buch des Quedlinburger Pastors Johann August Ephraim Goeze (1731-1793), eines der Aufklärung verpflichteten Bruders des bekannten Gotthold Ephraim Lessing-Gegners und orthodox-lutherischen Hamburger Hauptpastors Johann Melchior Goeze (1717-1786), als Quelle benutzt, in welcher der Taucher als "Cola Pesce" und als "Niklas Fisch" bezeichnet wird: Johann August Ephraim Goeze, Nützliches Allerley aus der Natur und dem gemeinen Leben für allerley Leser [...]. Erstes Bändchen. Leipzig, bey Weidmanns Erben und Reich. 1785. [S. 49-55 findet sich die Tauchergeschichte innerhalb des Abschnitts "Was die Menschen fürs Geld zu thun im Stande sind?" (S. 48-55)]

Vertonungen

Der Text wurde von Johann Heinrich Carl Bornhardt († 1843) für Klavier- und auch für Gitarrenbegleitung vertont.

Des Weiteren wurde der Text von Franz Schubert für seine Balladenvertonung 'Der Taucher' (erste Fassung 1814 ; zweite Fassung 1815) genutzt.

Weiterverwendungen

Heinz Erhardt hat das Thema in seinem Sinne genutzt [1]

Literatur

  • Reinhard Breymayer: Der endlich gefundene Autor einer Vorlage von Schillers „Taucher“: Christian Gottlieb Göz (1746-1803), Pfarrer in Plieningen und Hohenheim, Freund von Philipp Matthäus Hahn? In: Blätter für württembergische Kirchengeschichte, 83/84 (1983/1984). Stuttgart [1985], S. 54-96; S. 83-96: Literaturübersicht.
  • Garland, Mary: Taucher, Der. In: The Oxford Companion to German Literature. By Henry (Burnand Garland) and Mary Garland. Third Edition by Mary Garland. (Oxford; New York; Athen [usw.] 1997), S. 820, Sp. 2. [Übernimmt Breymayers Auffassung, dass in dem Kinderbuch des Pfarrers Christian Gottlieb Göz die "most likely source" der Schillerschen Ballade zu finden sei.]
  • Klaus J[oachim] Heinisch: Der Wassermensch. Entwicklungsgeschichte eines Sagenmotivs. (Stuttgart 1981), S. 313-336: Bibliographie.
  • Carl Aldenhoven: Zu Schillers Taucher. (1887.) In: Carl Aldenhoven: Gesammelte Aufsaetze, hgg. von A(rthur) Lindner. (Leipzig [1911]), S. 428-437.
  • Andreas Alsleben: Funde und Forschungen eines Bücherfreundes, I-IV. In: Zeitschrift für Bücherfreunde. N. F. 12 (1920). Leipzig 192=/1921, Heft 1/2, S. 42-48; hier S. 42-44: I. Zu Schillers Taucher.
  • (P[aul]) Beck: Eine weitere Vorlage für Schillers Gedicht: Der Taucher. In: Diözesanarchiv von Schwaben, 23 (1905), S. 160.
  • Robert Boxberger: Eine poetische Bearbeitung der Taucher-Sage vor Schiller. In: Archiv für Litteraturgeschichte, 1 (1870), S. 504-506.
  • H. Braune: Woher hat Schiller den Stoff zu seinem 'Taucher' genommen? In: Zeitschrift für den deutschen Unterricht, 20 (1906), S. 230-233.
  • Hilde D. Cohn: Die 'grundlose Tiefe'. Eine Studie zu Schillers 'Taucher'. In: The German Quarterly 32 (1959), S. 199-210.
  • August Döring: Ein zeitgenössisches Seitenstück zu Schillers Taucher. In: Neue Jahrbücher für Pädagogik, 12 (1909), S. 140-149.
  • Alfons Egen: Ein uraltes Gegenstück zu Schillers Taucher. In: Zeitschrift für den deutschen Unterricht, 23 (1909), S. 687-691.
  • Arthur Fleischmann: Eine neue Quelle für Schillers Taucher. In: Das freie Wort. Frankfurter Halbmonatsschrift für Fortschritt auf allen Gebieten des geistigen Lebens 5 (Apr. 1905 - Apr. 1906), Nr. 9 (1. Aug.heft 1905), S. 360-362.
  • Arthur Fleischmann: Ursprung und Bedeutung von Schillers Ballade: Der Taucher. In: Zeitschrift für den deutschen Unterricht, 21 (1907), S. 574-578.
  • M[aximilian] W[ilhelm] Götzinger: Deutsche Dichter, 5. Aufl., hgg. und zum großen Theile neubearbeitet von Ernst Götzinger, Bd. 2. Aarau 1877, S. 174-183: Der Taucher. (v[on]. 1797.)
  • J[ohannes] H[ermanus] Gunning, J[unio]r: Schiller's Taucher. Eene Studie. Amsterdam: Van Kesteren [1871]. - XXIX, 71 S.
  • [Heinrich] Jungwirth: Taucher. In: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Hrsg. [...] von Hanns Bächtold-Stäubli, Bd. 9. Berlin 1938/1941, Sp. 789.
  • Gerhard Kaiser: Von Arkadien nach Elysium. Schiller-Studien. Göttingen (1978), S. 59-78; hier S. 61-65 zum „Taucher“.
  • E[rnst] Kayka: Zu Schillers 'Taucher'. In: Zeitschrift für vergleichende Litteraturgeschichte, N. F. 16 (1906), S. 227-230.
  • Albert Leitzmann [Bearbeiter]: Die Quellen von Schillers und Goethes Balladen. Zusammengestellt von Albert Leitzmann. Bonn 1911, S. 3-5: Der Taucher; dazu die Erläuterungen S. 48; 2. Aufl. Bonn 1923, S. 3-5; dazu die Erläuterungen S. 56.
  • Albert Leitzmann: Zu Schillers 'Taucher'. In: Hundert Jahre A[dolph] Marcus und E[duard] Webers Verlag 1818-1918. ([Vorredner:] Albert Ahn.) Bonn am Rhein 1919, S. 136-139.
  • F[elix] Liebermann: Die Urgestalt von Schillers 'Taucher'. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen, Jg. 78, Bd. 146 = Neue Serie, Bd. 46, Heft 1 und 2 (1923), S. 115.
  • Wilhelm Loock: Friedrich Schiller. Der Taucher. In: Wege zum Gedicht, Tl. 2. Interpretationen von Balladen. Mit einer Einführung von Walter Müller-Seidel. Hgg. von Rupert Hirschenauer/Albrecht Weber (Neuauflage). München und Zürich (1968), S. 229-239.
  • Hugo Mareta: Woher hat Schiller den Stoff zu seinem 'Taucher' genommen? In: Festgabe zum 100jährigen Jubiläum des Schottengymnasiums gewidmet von ehemaligen Schottenschülern. Wien 1907, S. 179-186.
  • Ernst Müller: Die Quelle von Schillers 'Taucher'. In: Studien zur vergleichenden Literaturgeschichte, 8 (1908), S. 239-244.
  • Beate Otto: Unterwasser-Literatur. Von Wasserfrauen und Wassermännern. Würzburg: Königshausen & Neumann 2001 (Epistemata, Reihe Literaturwissenschaft, 348)
  • Dierk Puls: Schillers Quelle für den 'Taucher'. In: Muttersprache, 69 (1959), S. 353-356.
  • Reinhold Röhricht: Bemerkungen zu Schillerschen Balladen. In: Zeitschrift für deutsche Philologie, 26 (1894), S. 105-107 (dort auch zur Tauchersage).
  • Berthold Schulze: Ein vergessener Dichter (Franz von Kleist). In: Nord und Süd. Eine deutsche Monatsschrift 65. Breslau (1893), S. 322-343.
  • Berthold Schulze: Zu dem Aufsatze von A(ugust) Döring: Ein zeitgenössisches Seitenstück zu Schillers Taucher (Heft III 140 ff. [140 - 149]). In: Neue Jahrbücher für Pädagogik, 12 (1909), S. 335.
  • Hinrich C. Seeba, Hinrich: Das wirkende Wort in Schillers Balladen. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft, 14 (1970), S. 275-322.
  • Wulf Segebrecht: Die tödliche Losung „Lang lebe der König“. Zu Schillers Ballade „Der Taucher“. In: Gedichte und Interpretationen. Deutsche Balladen. Hgg. von Gunter E. Grimm. Stuttgart: Reclam 1988 (RUB 8457).
  • Hans-Günther Thalheim: „Und der Mensch versuche die Götter nicht, ...“. Zum Kernmotiv in Schillers „Taucher“. In: Goethe Jahrbuch, 98 (1981), S. 62-71.
  • Hermann Ullrich: Zu Schillers Balladen. In: Archiv für Litteraturgeschichte, 10 (1881); S. 220-235; hier S. 220-228: Der Taucher. - Vgl. dazu die Verbesserungen und Nachträge ebenda, 15 (1887), S. 449.
  • H[ermann] Ullrich: Beiträge zur Geschichte der Tauchersage. In: Programm der Lehr- und Erziehungs-Anstalt für Knaben, Realschule II. Ordnung (mit Gymnasial- und Elementarklassen) von Ernst (Alexander) Zeidler, früher Albani, Dresden [...], womit zugleich zu den am 2. und 3. April [1884] [...] stattfindenden öffentlichen Prüfungen ergebenst eingeladen wird. Dresden 1884 (1884. Progr[amm]. - Nr. 509), S. 3-8.
  • Hermann Ullrich: Die Tauchersage in ihrer litterarischen und volksthümlichen Entwickelung. In: Archiv für Litteraturgeschichte, 14 (1886), S. 69-102.
  • Heinrich Viehoff: Schiller's Gedichte erläutert und auf ihre Veranlassung, Quellen und Vorbilder zurückgeführt nebst Variantensammlung, 5. Aufl., Bd. 1. Gedichte der ersten und zweiten Periode, Stuttgart 1876, S. 244-266: Der Taucher. 1797.

Einzelnachweise

  1. Heins Erhardt - Der Tauchenichts

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