Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats
Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats.
1884

Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats. Im Anschluss an Lewis H. Morgan's Forschungen ist eine von Friedrich Engels verfasste Untersuchung, die über ihre bald kanonische Bedeutung für den Marxismus hinaus ein anspruchsvoller theoretischer Wurf war, der zusammen mit den Studien von Lewis H. Morgan die Anfänge der künftigen Familien-, Wirtschafts- und Staatssoziologie stark beeinflusste.

Inhaltsverzeichnis

Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte

Engels verfasste die Schrift zwischen Ende März bis 26. Mai 1884, Oktober 1884 wurde sie im schweizerischen Hottingen veröffentlicht. Sie basiert auf marxschen Manuskripten über Lewis H. Morgans Schrift „Ancient Society[1]. Bis 1891 wurde die Schrift auf Italienisch, Rumänisch und Dänisch veröffentlicht, ebenso war eine französische Ausgabe geplant.[2] 1892 folgte eine vierte deutschsprachige, erweiterte Auflage mit einem Vorwort Engels', dieses Vorwort wurde zuerst unter dem Titel „Zur Urgeschichte der Familie (Bachofen, MacLennan, Morgan)“ in der Zeitschrift „Die Neue Zeit“ veröffentlicht.[3] Engels versuchte in dieser Neuauflage, den gegenwärtigen Forschungsstand einzuarbeiten, so griff er beispielsweise Studien über die patriarchalische Hausgenossenschaft des russischen Historikers Maxim Kowalewski auf[4], der ein Exemplar mit einer persönlichen Widmung Engels' erhielt. Im 2. Kapitel findet sich des Weiteren eine knapp zehn Seiten lange Ergänzung über die gegenwärtigen Formen der Ehe und „individueller Geschlechtsliebe“.[5] Im 6. Kapitel wurde von Engels eine Kritik an Theodor Mommsens Vorstellung der „römischen Gentilordnung“ hinzugefügt.[6] 1894 wurde die Schrift ins Russische übersetzt, sie war das erste legal veröffentlichte Werk Engels' in Russland.

Der Text in den Marx-Engels-Werken folgt der vierten erweiterten Auflage, Stuttgart 1892, veröffentlicht von Johann Heinrich Wilhelm Dietz. Im Marxists Internet Archive ist die Schrift in 13 Sprachen abrufbar.[7] Im Onlinekatalog der Deutschen Nationalbibliothek finden sich etwa 150 Veröffentlichungen der Schrift, beginnend mit dem Jahre 1934 und endend mit 2006.[8]

Inhalt

I. Vorgeschichtliche Kulturstufen

Anschließend an Morgan charakterisiert Engels drei Hauptepochen der Gesellschaftsentwicklung, wovon er wie Morgan erstere beide wie den Übergang zur dritten untersucht: Wildheit, Barbarei und Zivilisation. Die beiden ersten Epochen werden weiters Morgan folgend in eine untere, mittlere und obere Stufe unterteilt. Der Wechsel der Epochen ist mit dem Wechsel der Produktion des Lebens verbunden. Die Entwicklung der Familie wäre ein neben dieser Entwicklung vorgehender Prozess.

Wildheit

Nach Morgan und Engels lebten auf der unteren Stufe der Wildheit die Menschen zum Schutz vor Raubtieren teilweise noch auf Bäumen und ernährten sich von Früchten, Nüssen etc., obwohl keine menschlichen Gesellschaften mehr auf dieser Kulturstufe leben, wäre sie nach Engels, „die Abstammung des Menschen aus dem Tierreich einmal zugegeben, ... unumgänglich.“ Auf dieser Stufe soll sich die Sprache gebildet haben. Auf der Mittelstufe der Wildheit trete die Nutzungen von Wasser- und Meeresnahrungsmitteln sowie die Nutzung des Feuers auf. Der Mensch wurde unabhängiger von klimatischen Verhältnissen und begann sich entlang der Wasserwege auszubreiten, wie Funde von Steinwerkzeug bezeugen sollen. Erste Waffen wie Keule oder Speer, welche die Jagd ermöglichten, werden eingeführt. Die Oberstufe beginne mit der Einführung von Pfeil und Bogen, welche die Jagd als regelmäßige Nahrungsquelle und normalen Arbeitszweig ermöglichten. Die Erfindung von Pfeil und Bogen setze eine „lange, gehäufte Erfahrung und geschärfte Geisteskräfte“ voraus, wie „die gleichzeitige Bekanntschaft mit einer Menge andrer Erfindungen“. Es finden sich erste Niederlassungen und „eine gewisse Beherrschung der Produktion des Lebensunterhalts“. Engels erwähnt „hölzerne Gefäße und Geräte, Fingerweberei …, geflochtene Körbe …, geschliffene (neolithische) Steinwerkzeuge.

Für die Wildheit war Bogen und Pfeil, was das eiserne Schwert für die Barbarei und das Feuerrohr für die Zivilisation: die entscheidende Waffe.

Barbarei

Die Unterstufe der Barbarei beginne mit der Einführung der Töpferei. „Das charakteristische Moment der Periode der Barbarei“ sei „die Zähmung und Züchtung von Tieren und die Kultur von Pflanzen.“ Während bisher ein allen Gesellschaften gleicher allgemeiner Entwicklungsgang beschrieben werden konnte, müssten nun die spezifischen kontinentalen Verhältnisse Beachtung finden. Während in Eurasienfast alle zur Zähmung tauglichen Tiere und alle kulturfähigen Getreidearten außer einer“ anzufinden waren, wäre in Amerika von zähmbaren Tieren nur das Lama in einem Teil des Südens, und von den Kulturgetreiden nur der Mais vorhanden gewesen. „Diese verschiedenen Naturbedingungen bewirken, daß von nun an die Bevölkerung jeder Halbkugel ihren besondern Gang geht, und die Marksteine an den Grenzen der einzelnen Stufen in jedem der beiden Fälle verschieden sind.“ Die Mittelstufe beginnt im Osten mit der Zähmung von Haustieren, im Westen mit der Kultivierung von Nährpflanzen und dem Gebrauch von Adoben und Stein zum Gebäudebau. Nach Engels hätte keine Gesellschaft Amerikas bis zur „europäischen Eroberung“ die Mittelstufe der Barbarei überschritten.

Kunsttöpferei, welche einen Streitwagen abbildet, etwa 520 v.Chr. in Vulci, heutiges Italien
„Die Indianer der sog. Pueblos in Neu-Mexiko ... standen auf der Mittelstufe der Barbarei; sie wohnten in festungsartigen Häusern von Adoben oder Stein, bauten Mais und andre nach Lage und Klima verschiedene Nährpflanzen in künstlich berieselten Gärten, die die Hauptnahrungsquelle lieferten, und hatten sogar einige Tiere gezähmt - die Mexikaner den Truthahn und andre Vögel, die Peruaner das Lama. Dazu kannten sie die Verarbeitung der Metalle - mit Ausnahme des Eisens, weshalb sie noch immer der Steinwaffen und Steinwerkzeuge nicht entbehren konnten. … Im Osten begann die Mittelstufe der Barbarei mit der Zähmung milch- und fleischgebender Tiere, während Pflanzenkultur hier noch bis tief in diese Periode unbekannt geblieben zu sein scheint.

Die Oberstufe beginnt mit dem Schmelzen von Eisenerzes und „geht über in die Zivilisation vermittelst der Erfindung der Buchstabenschrift und ihrer Verwendung zu literarischer Aufzeichnung.“ Die Oberstufe sei an „Fortschritten der Produktion reicher als alle vorhergehenden zusammengenommen. Ihr gehören an die Griechen zur Heroenzeit, die italischen Stämme kurz vor der Gründung Roms, die Deutschen des Tacitus, die Normannen der Wikingerzeit“, es finden sich in entwickeltster Form[9] Eisenwerkzeuge, der Blasebalg, die Handmühle, die Töpferscheibe, Öl- und Weinbereitung; ins Kunsthandwerk übergehende Metallbearbeitung, Wagen und Streitwagen; Schiffbau mit Balken und Planken; Architektur als Kunst, ummauerte Städte, usw. Der vom Vieh gezogene Pflugschar ermöglichte „Ackerbau auf großer Stufe“.

Engels fasst am Ende des Kapitels die Thematik folgendermaßen:

Wildheit - Zeitraum der vorwiegenden Aneignung fertiger Naturprodukte; die Kunstprodukte des Menschen sind vorwiegend Hülfswerkzeuge dieser Aneignung. Barbarei - Zeitraum der Erwerbung von Viehzucht und Ackerbau, der Erlernung von Methoden zur gesteigerten Produktion von Naturerzeugnissen durch menschliche Tätigkeit. Zivilisation - Zeitraum der Erlernung der weiteren Verarbeitung von Naturerzeugnissen, der eigentlichen Industrie und der Kunst.

II. Die Familie

Nach der Klassifikation der Kulturstufen widmet sich Engels der Familie, deren Entwicklung parallel zu den Kulturstufen verläuft, sich aber schlechter abgrenzen lässt. Der Reihe nach werden vier Familienformen unterschieden.

Blutverwandtschaftsfamilie

Die Blutverwandtschaftsfamilie stellt die ursprünglichste und älteste Familieform dar. In ihr bilden die unterschiedlichen Generationen Ehegruppen. Innerhalb der Ehegruppen gibt es keine festen Partner. Alle Großväter und Großmütter sind miteinander verheiratet, ebenso alle Mütter und Väter sowie später alle Söhne und Töchter. Die Blutverwandtschaftsfamilie ist heute ausgestorben doch aus sehr differenzierten Verwandtschaftsbezeichnungen einiger Südseevölker lässt sich schließen, dass es sie einmal gegeben haben muss.

Gruppenfamilie

In der Gruppenfamilie sind nicht mehr alle Generationen untereinander verheiratet sondern immer ein Gens mit dem anderen. Das setzt voraus, dass die Bevölkerung in Stämmen organisiert ist, die sich wiederum in zwei oder mehr Gens unterteilen. Der Mann eines Gens ist also mit allen Frauen der anderen Gens eines Stammes verheiratet. Entstehen aus einer solchen Beziehung Kinder so sind sie angehörige des Muttergens. Eine solche Gesellschaft ist nach Engels matriarchalisch organisiert und bildet die natürliche zweite Stufe der Familie in allen urzeitlichen Gesellschaften.

Paarungsfamilie

Die nächste Stufe der Familie ist die Paarungsfamilie. Damit ist erstmals ein Paar miteinander verheiratet, abgegrenzt von einer größeren Gruppe. In der Paarungsfamilie ist dem Mann allerdings die Vielweiberei erlaubt, während die Frau treu sein muss. Der Mann muss aber die Versorgung seiner Frauen gewährleisten können. Kann er es nicht so wird er von der Frau aus dem Haus verstoßen und muss zu seinem Gens zurückkehren. Das Eheband ist leicht von beiden Seiten kündbar. Die Kinder gehören im Falle einer Trennung der Frau und ihrem Gens.

Die monogame Familie

Das Matriarchat löst sich erst mit der vorläufig letzten Familienform auf, der monogamen Familie. Sie resultiert aus der Entstehung des Privateigentums, die es Männern erlaubt großen Reichtum anzuhäufen und die gemeinschaftliche Haushaltung eines Gens zu untergraben. Der Stamm und die Gens lösen sich auf und werden durch Familien ersetzt denen ein Patriarch vorsteht. Die Frau untersteht erst ab diesem Zeitpunkt dem Mann, weil sie erstmals ökonomisch von ihm abhängig ist und die Haushaltsführung in den nicht öffentlichen Bereich verschoben ist, was sie gesellschaftlich zu einer selbstverständlichen Tätigkeit degradiert.

III. Die irokesische Gens

IV. Die griechische Gens

V. Entstehung des athenischen Staats

VI. Gens und Staat in Rom

VII. Die Gens bei Kelten und Deutschen

VIII. Die Staatsbildung der Deutschen

IX. Barbarei und Zivilisation

Ausgaben

Einzelnachweise

  1. "Ancient Society, or Researches in the Lines of Human Progress from Savagery, through Barbarism to Civilization". By Lewis H. Morgan. London, Macmillan and Co., 1877
  2. »L'origine della famiglia, della proprietá privata e dello stato«. Versione reveduta dall' autore, di Pasquale Martignetti. Benevento 1885.; »Originea familiei, proprietatii ei private si a statului«. Traducere de Joan Ndejde, in der Jassyer Zeitschrift »Contemporanul«, September 1885 bis Mai 1886; »Familjens, Privatejendommens og Statens Oprindelse«. Dansk af Forfatteren gennemgaaet Udgave, besørget af Gerson Trier. Kopenhagen 1888. „Eine französische Übersetzung von Henri Ravé, der die gegenwärtige deutsche Ausgabe zugrunde liegt, ist unter der Presse.“ Vgl. Engels: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats, S. 7. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 9357 (vgl. MEW, Bd. 21, S. 473-474)
  3. Die Neue Zeit (Berlin), 9. Jg., 1890-1891, 2. Band, S. 460-467.
  4. Vgl. MEW Bd. 21, S. 60; 62-64; 127; 131; 136-137
  5. Vgl. MEW Bd. 21, S. 74-83
  6. Vgl. MEW Bd. 21, S. 119-122
  7. http://marxists.catbull.com/xlang/marx.htm
  8. Onlineabfrage
  9. Engels bezieht sich auf Homers Ilias, etwa 730 v. Chr.

Siehe auch

Weblinks


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