Der süße Brei

Der süße Brei

Der süße Brei ist ein Märchen (ATU 565). Es steht in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 103 (KHM 103).

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Ein Kind, das allein mit seiner armen Mutter zusammenlebt, geht um Essen betteln. Eine alte Frau schenkt ihm einen Zaubertopf, der auf das Kommando „Töpfchen, koch“ süßen Hirsebrei zubereitet und bei den Worten „Töpfchen, steh“ wieder damit aufhört. Von da an müssen sie nie wieder hungern. Eines Tages ist das Mädchen aus, und die Mutter befiehlt dem Topf „Töpfchen, koch“, und der Topf kocht Brei. Den zweiten Spruch hat sie sich nicht gemerkt, und er hört also nicht wieder damit auf. Die ganze Stadt ist bereits unter Brei begraben, als das Kind nach Hause kommt und zu ihm „Töpfchen, steh“ sagt.

Herkunft

Grimms Anmerkung notiert Aus Hessen (von Henriette Dorothea Wild) und vergleicht eine uralte Sage vom nie versiegenden Krug, den nur Unschuld kontrollieren kann, und eine indische Erzählung vom Topf, der aus einem Reiskorn endlos kocht, sowie Goethes Der Zauberlehrling. Brei oder Brot stehe für Nahrung allgemein und wurde in Thüringen zu Fasching gegessen, damit das Jahr kein Mangel herrscht. Zu einem Fest des süßen Breis als Arbeiterlohn wird verglichen Asbjörnsen Thl. 2 von der Mühle, die alles malt.

Der Süsse Brey heisst eine Geschichte über Armenspeisung in Erasmus Franciscis Der Höllische Proteus, den die Brüder Grimm kannten. Zu dem armen frommen Mädchen vergleiche KHM 153 Die Sterntaler, zu der Wundergabe KHM 36, 130, 158, 159. Hans Sachs publizierte 1530 die bekannte Vision vom Hirseberg am Eingang zum Schlaraffenland.[1]

Lutz Röhrich bemerkt, dass die Erwähnung von Hirse in Märchen anscheinend von der mittelalterlichen Nahrungsgewohnheit der Unterschicht geblieben ist. Bei magischen Formeln kommt es auf die Bewahrung des genaues Wortlauts an. [2]

Zur Interpretation

Das Motiv des Märchens war ehedem wohlbekannt, weit verbreitet und bitter: Hunger. Das Märchen ist auch älter als der erste Import von erschwinglichem (Rohr-)Zucker, und vorher war Süßendes (Honig, Sirup, Süßkirsche o.ä.) außerordentlich knapp – so macht die natürliche Süße der gekochten Hirsekörner den Brei besonders wunderbar. Außerdem ist die Quellfähigkeit von Hirse ähnlich groß wie die des Reis.

Nur ein Wunder kann manchmal helfen – das ist das „Trost“-Motiv, um dessentwillen solche Märchen sich lange mündlich gehalten haben. Das vergnüglich-groteske Bild der Stadt voller Brei könnte die Lehre mittransportieren: Wunder werden jemandem anvertraut – man sollte eine besondere Gabe dem Beschenkten nicht hinterrücks entziehen, nicht einmal eine Mutter ihrem Kind. Das bringt Unsegen. Nur das Kind beherrscht sie – eine kleine Stärkung kindlichen Selbstbewusstseins.

Das kochende Gefäß der alten Frau ist die nahrungsspendende Funktion des Mutterarchetyps.[3] Friedel Lenz geht von der altindischen Bedeutung von Sonne und Mond als himmlische Breikessel aus, die nur das kindliche Seelenleben wieder zu fassen lernt.[4] Auch Rudolf Geiger betont die verjüngte Weisheit kindlicher Zuversicht gegenüber der Alten, wobei Walter Scherf kritisiert, das dies nicht der Konstellation anderer Fassungen entspricht, meistens geht es um einen armen und einen reichen Bruder. Als Leitfassung dient Die Mühle, die auf dem Meeresgrunde mahlt nach Jørgen Moe.[5]

Siehe auch

Literatur

  • Brüder Grimm: Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. Reclam, Stuttgart 1994, ISBN 3-15-003193-1, S. 195–196, S. 486.
  • Hans-Jörg Uther: Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. de Gruyter, Berlin 2008, ISBN 978-3-11-019441-8, S. 232–234.

Weblinks

 Wikisource: Der süße Brei – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Hans-Jörg Uther: Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. de Gruyter, Berlin 2008, ISBN 978-3-11-019441-8, S. 232–234.
  2. Lutz Röhrich: Märchen und Wirklichkeit. Steiner, Wiesbaden 1956, S. 76, S. 103.
  3. Hedwig von Beit: Symbolik des Märchens. Francke, Bern 1952, S. 167–168.
  4. Friedel Lenz: Bildsprache der Märchen. 8. Auflage. Freies Geistesleben und Urachhaus, Stuttgart 1997, ISBN 3-87838-148-4, S. 66–68.
  5. Walter Scherf: Das Märchenlexikon. Zweiter Band: L-Z. Beck, München 1995, ISBN 3-406-39911-8, S. 1167–1168.

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