Desmorrhexis

Desmorrhexis
Klassifikation nach ICD-10
T14.3 Luxation, Verstauchung und Zerrung an einer nicht näher bezeichneten Körperregion
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Wird ein Gelenk über ein gewisses physiologisches Maß hinaus gewaltsam bewegt, so kann es zu einem Bänderriss (zu einer griechisch δεσμορήξις, Desmorrhéxis) kommen.

Ein Gelenk besteht nicht nur aus den an der Bildung des Gelenkes beteiligten Knochen. Nahezu genauso wichtig ist der Bandapparat, der das Gelenk einerseits stabilisiert, aber andererseits auch die Gelenkbewegungen im physiologischen (also dem speziellen Gelenk zueigenen) Bewegungsumfang ermöglicht. Die exakte Bandführung ist unerlässlich, damit die gelenkbildenden Flächen sich in sattem Kontakt zueinander bewegen können. Bei einem Unfall können Teile dieser Bänder oder auch der gesamte Bandapparat reißen. Das Resultat ist eine Gelenkinstabilität, die Führung des Gelenkes ist nicht mehr exakt, es kommt zu einem Verkanten der Gelenkflächen gegeneinander. Dabei wird die Knorpelschicht des Gelenkes stellenweise zu hoch belastet und geschädigt. Am Ende dieser Entwicklung steht ein vorzeitiger Verschleiß des Gelenkes, die posttraumatische Arthrose.

Inhaltsverzeichnis

Symptome

Schwellung, Bluterguss bei Bänderriss

Wenn bei jemandem ein Band reißt, hört er das meistens selber recht deutlich als Krachen oder Bersten. Zudem reagiert der Körper auf den Schmerz mit einem Schwindelanfall, welcher charakteristisch für Bänderverletzungen ist. Das verletzte Gelenk schmerzt, schwillt an und wird sich im Laufe der nächsten Stunden blau verfärben. Der Bluterguss, auf den diese Verfärbung hinweist, muss aber nicht unbedingt so dicht unter der Haut liegen, dass die Verfärbung nach außen hin sichtbar wird. Der häufige Außenbandriss am Sprunggelenk geht fast immer mit einer deutlichen, blau-schwarzen Verfärbung am lateralen (seitlich-äußeren) Rand des Fußes einher, Seitenbandrisse am Knie zeigen nur ganz selten eine Hämatomverfärbung unter der Haut. Die Belastbarkeit eines so verletzten Gelenkes ist natürlich stark eingeschränkt. Auch wenn jemand auf so einem Fuß noch gehen kann, spricht das jedoch nicht gegen eine Bandverletzung. Bei der klinischen Untersuchung ist in der ersten Zeit nach der Verletzung meistens nur ein örtlicher Druckschmerz und die meist erhebliche Schwellung festzustellen. Ist das Gelenk nach zehn bis vierzehn Tagen wieder abgeschwollen, zeigt die Bewegungsprüfung die Instabilität.

Ein gutes Beispiel für die Lautstärke des Reißens war bei Jan Möllecken zu hören. Der Ex-Fußballer vom VfL Bochum hat sich 1996 das Kreuzband gerissen. Selbst im Fernsehen hörte man das noch leicht.

Diagnostik

Im Vordergrund der Untersuchung steht hier der klinische Befund. Röntgenaufnahmen werden angefertigt, um auf eine Knochenverletzung, die zusätzlich passiert sein kann, zu überprüfen. Um die Schwere der Bandverletzung einzustufen, werden funktionelle Aufnahmen des Gelenkes angefertigt, d. h. der untersuchende Arzt versucht während der Röntgenaufnahme, das Gelenk „aufzuklappen“ (dynamisches Röntgen) und somit die Instabilität zu dokumentieren. Ein verletzter Mensch mit Angst und Schmerzen kann dabei oft so effektiv Widerstand leisten, dass die krankhafte Beweglichkeit des Gelenkes nicht zur Darstellung kommt. Es wurden Geräte entwickelt, die den Stress auf das Gelenk genau messbar ausüben und somit individuelle Abweichungen von der bei der Röntgenuntersuchung eingesetzten Kraft ausschließen sollen. Diese Geräte ähneln einem Schraubstock. Die Angst des Verletzten nimmt dadurch eher zu, dadurch auch die Anspannung, mit der er gegenhält. Wertvoll sind Untersuchungen mit der MRT oder der NMR. Der Zustand der Bänder kann damit zwar meist nur vage beurteilt werden, aber es kommen eventuelle Prellungen des Knochens zur Darstellung, die dann bei der sich anschließenden Therapie zu berücksichtigen sind.

Ein Bänderriss wird nach den folgenden Schweregraden unterschieden:

  • Grad I: nur wenige Fasern sind gerissen - Gelenk weiterhin stabil
  • Grad IIa: weniger als 50 % der Fasern sind gerissen - Gelenk weiterhin stabil
  • Grad IIb: mehr als 50 % der Fasern sind gerissen - Gelenk instabil
  • Grad III: alle Fasern sind gerissen - Gelenk instabil

Nach einer Bänderverletzung sollte direkt nach der PECH-Regel vorgegangen werden, also: Keine Belastung (Pause), Eisanwendung, Kompression (englisch compression) und Hochlagerung. Der Nicht-Mediziner hat kaum Möglichkeiten, die Schwere einer Gelenkverletzung sicher zu beurteilen, eine fachärztliche Untersuchung sollte immer erfolgen.

Siehe auch: Lachman-Test

Heilungsprozess

Fußschiene / Orthese

Unmittelbar nach einem Bänderriss sind die Schmerzen enorm (Schweißausbruch, Schwindel). Nach einigen Stunden klingen die Schmerzen ab, der Fuß schwillt stark an. In dieser Phase ist PECH deutlich schmerzlindernd (auch ohne Medikamente) und die sinnvollste Therapie: d. h. liegen und kühlen. Der Fuß beginnt infolge der Schwellung zu versteifen, die Schmerzen sind nur noch minimal (weil keine Wundschmerzen). In den ersten Tagen hält dieser Zustand an, zusätzlich bilden sich Blutergüsse mit anhaltender Verfärbung. In der ersten Phase hilft ein elastischer Verband zur Stabilisierung des Fußgelenkes, nach einer Woche leichtes Massieren mit einer kühlenden Salbe (Pferdebalsam). Nach etwa zehn Tagen gehen die Schwellungen langsam zurück, danach ist mit Hilfe der Fußschiene (der Orthese) ein humpelndes Gehen wieder möglich, wobei im Laufe des Tages die Schwellungen zunehmen, in der Nacht aber wieder zurückgehen. Nach etwa vier bis fünf Wochen ist das Gehen zwar deutlich „normaler“ und auch ohne Schiene möglich, allerdings ist das Sprunggelenk noch nicht intakt, es fehlt die Kraft, um schnell zu laufen oder auf den Zehenspitzen zu stehen. Dies ist (je nach Heilungsprozess) erst nach acht bis zehn Wochen wieder möglich. Falls auch die Achillessehne geschädigt ist, dauert der Heilungsprozess Monate. Insgesamt ist viel Geduld erforderlich (eventuell auch physiotherapeutische Unterstützung), bis der Schaden völlig ausgeheilt ist.

Häufige Formen der Bandverletzung

  • Die Luxation („Auskugelung“) eines Gelenkes kann als besonders schwere Form der Bandverletzung betrachtet werden.

Therapie

konservativ

Es gibt zahlreiche nicht-operative Therapiemöglichkeiten bei Bandverletzungen. Darunter fällt die altbewährte Gipsruhigstellung, die allerdings nach der Ausheilungszeit Probleme der Remobilisation des Gelenkes mit sich bringt. Aus der Sportmedizin stammen die „funktionellen Verbände“ (Tapeverbände), wobei die verletzten Bandstrukturen durch auf die Haut geklebte Pflasterzügel überbrückt und so entlastet und stabilisiert werden. Wenn sich dieses Verfahren anwenden lässt, ist auch ein verletztes Gelenk bald wieder belastbar, die Beweglichkeit bleibt erhalten, eine anschließende Remobilisation entfällt. Außerdem kann zur funktionellen Behandlung eine geeignete Schiene angewendet werden.

operativ

Früher wurden Bänderrisse besonders am Sprunggelenk oft operativ versorgt. Mittlerweile weiß man, dass der spätere Zustand des Gelenkes durch diese Bandnaht nicht wesentlich verbessert wird. Laut aktuellen Studien ist die Heilung bei konservativ behandelten Patienten, auch bei Leistungssportlern, nicht schlechter oder z. T. sogar besser als bei operativ behandelten Patienten. Der Behandlungserfolg hängt hierbei jedoch sehr von der individuellen Verletzung ab. Rupturen des vorderen, besonders aber auch des hinteren Kreuzbandes am Knie stellen in der Regel eine Operationsindikation dar; es gibt verschiedene Operationsverfahren um wieder Stabilität zu schaffen. Plastische Verfahren verwenden körpereigene (autologe) Strukturen wie die Patellasehne, um das Kreuzband zu ersetzen, alloplastische Verfahren benutzen hierfür z. B. Kohlefaserbänder.

Insbesondere der Daumen ist für die Greiffunktion der Hand wichtig. Wird das ulnare (ellenseitige)Kollateralband des Daumengrundgelenkes zerrissen, ist der Zangengriff der Hand stark eingeschränkt oder unmöglich. Hier wird in der Regel die Indikation zur operativen Bandnaht gestellt.

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