Deutscher Schlager

Deutscher Schlager

Als Schlager werden ganz allgemein leicht eingängige instrumentalbegleitete Gesangsstücke mit wenig anspruchsvollen, oftmals humoristischen oder sentimentalen Texten bezeichnet. Seit den 1940er Jahren macht sich bei den Schlagern auch immer mehr der Einfluss von jazzigen Rhythmen und Harmonien bemerkbar. Somit ist der Schlager ein Ohrwurm, ein volksnahes Lied, meist mit einer harmonischen Melodie und einfachem Text.

Definition

Der Phonograph ermöglichte das Schlagerhören auch zu Hause

Nachweislich ab dem ausgehenden Mittelalter gab es scherzhafte oder auch derbe Lieder, die im einfachen Volk kursierten und von der Kunstmusik entweder ignoriert oder assimiliert wurden – z. B. als Kirchenlied mit neuem Text oder als versteckte musikalische Grundlage von geistlicher Figuralmusik. Die Erfindung des Notendrucks mit Typenhebeln im 16. Jahrhundert ermöglichte erstmals die massenhafte und europaweite Verbreitung von Musik, so dass Melodien wie „Pavane de Spaigne/La Spagnoletta“, „La Follia“ u. v. a. allbekannt wurden.

Der Begriff des Schlagers im heutigen Sinne entstand in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der erste, auf ein bestimmtes Werk, auf einen Komponisten und auf eine Aufführung bezogene öffentliche Nachweis des Begriffs „Schlager“ ist im „Wiener Fremdenblatt“ vom 17. Februar 1867 zu lesen, wo im Bericht über die Uraufführung des Walzers An der schönen blauen Donau geschrieben stand: „Die Eröffnungsnummer der zweiten Abteilung war ein entschiedener Schlager.“ [1]

In Deutschland zählt der Journalist und Theaterkritiker Paul Lindau zu den ersten, der diesen Begriff z. B. für die chantants der Pariser Cafés oder für Wienerlieder verwendete. Die Erfindung des Grammofons sowie die aufkommende Filmindustrie trugen schnell zu seiner Verbreitung bei. Er ist somit ein Produkt der Industriegesellschaft. Allein seine Schnelllebigkeit zeigt, dass er eher eine Ware darstellt, als ein auf Dauer setzendes Kunstwerk. Der Schlager sucht das Massenpublikum, indem er in den Texten Wunschträume anspricht, die er als Botschaften in Kehrreimen stetig wiederholt. Musikalisch richtet sich der Schlager meist nach der jeweils herrschenden Tanzform. Einfache Rhythmen und Melodienfolgen, die auf schnelle Wiedererkennung angelegt sind, bestimmen seinen Charakter.

In Frankreich sowie im Französisch sprechenden Teil Belgiens werden Schlager entgegen dem deutschen Sprachgebrauch nicht „chansons“ genannt (dies ist vielmehr ein Ausdruck für Lieder mit literarischem Anspruch), ebenso wenig „chansons à la mode“ (diesen veralteten Ausdruck findet man allenfalls noch in alten Lexika), sondern „variétés“; entsprechend heißen die Schlager im Italienischen nicht „canzone“ (dies ist vielmehr die Entsprechung der französischen „chansons“), sondern „brani“ (Einzahl „brano“).

Theodor W. Adorno sagte einmal über die Wirkung des Schlagers und seine gesellschaftliche Funktion: „Schlager beliefern die zwischen Betrieb und Reproduktion der Arbeitskraft Eingespannten mit Ersatz für Gefühle überhaupt, von denen ihr zeitgemäß revidiertes Ich-Ideal sagt, sie müssten sie haben.“

Die Definition von Schlager, wie sie ursprünglich einmal bestand, ist heute äußerst schwer geworden. Der Schlager, der als Musikstück „eingeschlagen“ hat und der von einer breiten Bevölkerungsschicht auch als solcher Akzeptanz findet, existiert nicht mehr. Der Musikgeschmack ist differenzierter geworden.

Geschichte

Anfangszeit (1900–1919)

…ich lade gern mir Gäste ein (1907)

Die ersten deutschsprachigen Schlager finden sich in den zahlreichen Operetten, die vor 1900 in Wien „einschlugen“. Johann Strauss Vater und Sohn belieferten die unterhaltungssüchtigen, besseren Stände mit Operettenmelodien. Allein „Die Fledermaus“ (1874), der Gipfel der klassischen Wiener Operette sprudelt nur so über von Ohrwürmern: Alfreds Lied „Täubchen, das entflattert ist“, Graf Orlowskys Couplet „’s ist mal bei uns so Sitte“, Rosalindes Csárdás und Adeles Ariette „Spiel ich die Unschuld vom Lande“, Alfreds Trinklied „Trinke, Liebchen, trinke schnell“ und der Abgesang „Glücklich ist, wer vergisst“. Fast 500 Werke umfasst das Lebenswerk von Johann Strauss Sohn.

Doch auch Berlin, das deutsche Operettenzentrum hatte seine Gassenhauerkomponisten. Der bekannteste war Paul Lincke (1866–1946), der mit „Frau Luna“ 1899 seinen größten Erfolg hatte. Einzelne Lieder von Lincke waren jahrzehntelang Ohrwürmer: „Das macht die Berliner Luft, Luft, Luft“, „Glühwürmchen, Glühwürmchen glimmre, Glühwürmchen, Glühwürmchen schimmre“ aus 'Lysistrata' und „Schlösser, die im Monde liegen“. Eduard Künnekes (1885–1953) „Der Vetter aus Dingsda“, 1921 in Berlin uraufgeführt mit dem Lied des Fremden „Ich bin nur ein armer Wandersgesell“ und dem Tango „Kindchen, du musst nicht so schrecklich viel denken“.

Aufstieg durch den Tonfilm (1920–1933)

Die 20er und der Beginn der 30er Jahre waren von der Erfindung und raschen Verbreitung des Tonfilms geprägt. Dadurch wurden die verschiedensten Schlager und Melodien nun auch einem breiteren Publikum zugänglich. Die Texte der Lieder sind oftmals von fragwürdiger Qualität. Dazu gehören z. B. Reime wie „Was macht der Mayer am Himalaya“ und „Unter den Pinien von Argentinien“ sowie „Mein Onkel Bumba aus Kalumba“ und „Mein Papageier frisst keine harten Eier“.

Die „Ziegfeldgirls“ tanzen in den Ballsälen Berlins

Auch eine gewisse Frivolität kann man den Texten nicht absprechen. Wenn es in einem Stück heißt: „Veronika der Spargel wächst“ oder „Ich hab das Fräulein Helen baden sehn“ und gar „Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben“, dann bezeugt das zum einen die so genannten „Wilden Zwanziger“, zum anderen aber auch eine aufkommende Aufklärung und Emanzipation. Sehr populär und auch heute noch oft zu hören ist der bekannte Schlager „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“. In den Ballsälen wurde Swing und Charleston sowie der „Skandaltanz“ Shimmy getanzt.

Bekannte Vertreter dieser Art Musik waren vor allem die Comedian Harmonists, Marlene Dietrich, Fritzi Massary („Josef, ach Josef, was bist du so keusch“), Max Pallenberg, Zarah Leander, Liane Haid und Lilian Harvey. Es war auch kein Wunder, dass gerade die Kirchen gegen diese Art der Vergnügung scharf zu Felde zogen, wenn Texte wie der folgende auf der Straße oder bei Veranstaltungen gesungen wurden:

„‚Lieber Schatz‘, sprach er, ‚Du bist mein Süßchen.
Werd doch mein, und zwar im Gänsefüßchen.
Lieber Schatz, was soll ich dir erzählen.
Schau, ich könnt’ für dich vom Hund das Futter stehlen.
Glaube mir, ich sag das nicht zu jeder.‘,
sprach er leis’ und küsste eine Feder.
‚Sei doch lieb und werd' nicht immer spröder.
Es ist Mai, komm leg’ mit mir ein Ei.‘“

Doch bald sollte es vorbei sein mit Textpassagen wie „Dein Wesen war einst treudeutsch germanisch. Auf einmal ist es ausgesprochen spanisch“ aus dem Schlager der Comedian Harmonists „Mein lieber Schatz bist du aus Spanien“. Viele jüdische Künstler verließen Deutschland, zum Teil weil sie ahnten, was geschehen würde, oder auch weil sie bereits von Auftrittsverboten betroffen waren. Mit den Rassegesetzen von 1935 startete die juristische Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung. Ihre wirtschaftliche Diskriminierung kulminierte 1938, als die Novemberpogrome auch den Beginn der physischen Vernichtung von Juden markierten.

Drittes Reich (1933–1945)

Schlager und Propaganda aus dem „Goebbelsschnauze” genannten Volksempfänger

Im Dritten Reich fiel auch der Schlager der Gleichschaltung zum Opfer und musste für Propagandazwecke herhalten. Die leicht frivolen Texte der zurückliegenden Jahre verschwanden, die Film- und Schallplattenindustrie fiel unter staatliche Aufsicht, wie es im Kinofilm „Comedian Harmonists“ von Joseph Vilsmaier anschaulich geschildert wird. Vor allem jüdische Musiker wie die Comedian Harmonists erhielten Auftrittsverbot. Fritz Löhner-Beda, der Autor von Operetten wie „Das Land des Lächelns“ und der „Blume von Hawaii“, der die Texte für zahlreiche Schlager, darunter „Ausgerechnet Bananen“, „Was machst du mit dem Knie lieber Hans?“, „Wo sind deine Haare, August?“ und „In Nischni-Nowgorod“ schrieb, wurde 1942 in Auschwitz ermordet. Fritz Grünbaum, der Autor des berühmten Titels „Ich habe das Fräulein Helen baden sehn“ wurde in Dachau ermordet. Die Juden Alfred Grünwald, Fritz Rotter („Maier am Himalaya“) und Walter Jurmann („Veronika, der Lenz ist da“ und „Olga, Tochter der Wolga“), Robert Gilbert, Komponist und Texter des auch noch nach dem Kriege viel gesungenen Hits „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehn“ sowie Robert Stolz („Was kann der Sigismund dafür dass er so schön ist?“) emigrierten und mit ihnen emigrierte auch das Anzügliche, Frivole und Witzige. Zurück blieb lediglich ein schallender arischer Humor. Andere Interpreten und Schauspieler, wie Marika Rökk oder Johannes Heesters wurden für Propagandazwecke eingespannt.

Gerade gegen Ende des Krieges, als die Alliierten bereits mit der Bombardierung begonnen hatten, wurden explizit Texte gesucht, die der deutschen Bevölkerung wieder Mut machen sollten. Goebbels ließ sogar einen regelrechten „Wettbewerb“ ausrichten. Dabei entstanden Texte wie „Davon geht die Welt nicht unter“. Auch die Lieder „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn“, ebenfalls gesungen von Zarah Leander, und der harmlos klingende Song von Heinz Rühmann: „Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern“ wurden, obwohl bereits 1941 bzw. 1939 erstmals aufgenommen, wieder oft im Radio gespielt.

Lale Andersen

Auch der weltberühmt gewordene Schlager „Lili Marleen“, zuerst gesungen von Lale Andersen, fiel in diese Zeit. Das bereits 1915 getextete und 22 Jahre später vertonte Lied sollte laut Goebbels zuerst als Marsch gespielt werden. Frau Andersen weigerte sich, und als es 1941 im Rundfunk gespielt wurde, war der Siegeszug der Melodie nicht mehr aufzuhalten. Wegen seines „unheilvollen Charakters“ wurde das Abspielen von „Lili Marleen“ im Großdeutschen Reich schon bald verboten. Allerdings hinderte das den deutschen Soldatensender Belgrad nicht, es weiter zu verbreiten und bald entstanden auch „nichtdeutsche“ Fassungen.

Nachkriegszeit (1945 bis etwa 1955)

Als nach dem Krieg die ersten Rundfunkstationen wieder genehmigt wurden, begann auch die Plattenindustrie wieder zu produzieren. Manchmal waren es einfach als Faschingslieder komponierte Songs, die sich über die närrische Zeit hinaus behaupteten. Dazu zählt auch das Lied „Ich fahr mit meiner Lisa, zum schiefen Turm von Pisa“, das zuerst von Jupp Schmitz 1949 gesungen wurde, ferner „Wer soll das bezahlen“ (Jupp Schmitz, 1949) und der Nummer 1-Hit. „Am 30. Mai ist der Weltuntergang“ (Golgowski-Quartett, 1954).

In der Nachkriegszeit war der musikalische Geschmack des „Otto Normalverbrauchers“ (Figur aus dem Film „Berliner Ballade“ (1948), dargestellt von einem schlanken Gert Fröbe) bunt gemischt. Dabei erstreckten sich die Lieder über so unterschiedliche Themenbereiche wie das „Mariandl“ (1947), das eher österreichisch daherkam, über den „Theodor im Fußballtor“ (1948 zuerst gesungen von Margot Hielscher, später wurde Theo Lingen damit sehr bekannt), bis zum kabarettwürdigen Couplet „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien“. Mit „Trizonesien“ waren die westlichen Zonen des damals in vier Besatzungszonen geteilten Deutschland gemeint.

Plattenspieler nach „Dauereinsatz bei Teenagerparties“ (ca.1955)

Interpreten dieser Zeit waren Ivo Robic („Morgen“ 1959), Bruce Low („Das alte Haus von Rocky Docky“, „Pferdehalfter“), Margot Eskens („Tiritomba“ 1956 und „Cindy, oh Cindy“ 1957), sowie der gerade mit seiner Karriere startende Peter Alexander zusammen mit Leila Negra und ihrem viel gespielten Titel „Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere“ (die deutsche Fassung des italienischen „Papaveri e papere“ von Nilla Pizzi).

Auch Caterina Valente und Lys Assia versuchten mit Liedern wie „Ganz Paris träumt von der Liebe“ (1955) oder „Oh mein Papa“ (1954) nach dem verlorenen Krieg die Stimmung einer heilen Welt zu verbreiten. „Gehn sie mit der Konjunktur“ hieß ein dem Zeitgeist entsprechendes Stück vom Hazy Osterwald Sextett.

Wirtschaftswunder (ca. 1955 bis etwa 1962)

Gegen Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre begannen viele Deutsche ihre Urlaube im Süden, bevorzugt in Italien zu verbringen, zum einen ermöglichte dies das sog. „Wirtschaftswunder“, das den Arbeitern und Angestellten mehr Geld ins Portemonnaie spülte, zum anderen waren es viele entsprechende Schlager, die Sehnsucht nach Italien weckten. Friedel Hensch & die Cyprys hatten es 1953 in ihrem Schlager „Ja, für eine Fahrt ans Mittelmeer“ bereits prognostiziert. So fuhren im Jahre 1956 etwa 4,5 Millionen Deutsche mit Heinkel-Rollern, VW-Käfer und Goggomobil in den Süden auf der Suche nach einer „heileren Welt“. Möglicherweise hatte Rudi Schuricke mit dem bereits 1943 aufgenommenen, aber erst 1950 zum Hit avancierten Schlager „Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt“ (auch bekannt geworden unter dem Titel „Caprifischer“) bereits den Grundstock für die Suche nach Harmonie, Süden, Meer und Glück gelegt. „Arrivederci Roma“ und „O mia bella Napoli“, gesungen von Lys Assia, Rocco Granata mit seinem Hit „Marina“ oder auch die in Deutschland überaus populäre Caterina Valente mit „Ciao, ciao Bambina“ sind nur wenige Beispiele. René Carol erhielt mit „Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein“ gar die erste Goldene Schallplatte der Nachkriegszeit. Selbst in der DDR gab es Italien-Schlager, so z. B. „A-mi-amore“ von Günter Hapke.

Seemannslieder und Meeresballaden hatten ebenso Hochkonjunktur. Zu nennen ist hier insbesondere Freddy Quinn, der wochenlang die Hitparaden mit seinen Schlagern „Die Gitarre und das Meer“, „Junge komm bald wieder“ und „Unter fremden Sternen“ besetzt hielt. Er war der erfolgreichste Schlagersänger aller Zeiten, der 1956 mit dem Titel „Heimweh“ gestartet war. Er verkaufte schnell Millionen von Schallplatten und sang auch beim ersten Grand Prix Eurovision (heute Eurovision Song Contest) 1956 den Titel „So geht das jede Nacht“, der sich an Bill Haleys „Rock around the clock“ anlehnte. Aber auch die Österreicherin Lolita mit ihrem Hit, der sogar in japanische und in die US-Charts gelangte „Seemann, deine Heimat ist das Meer“ und Lale Andersen mit „Unter der roten Laterne von St. Pauli“, „Blaue Nacht am Hafen“ oder „Ein Schiff wird kommen“. In Ostdeutschland war zu dieser Zeit beispielsweise Jenny Petra mit „Weiße Wolken, blaues Meer und Du“ populär.

Die Wurlitzer-Musikbox „schluckt“ (die Groschen) und „spuckt“ (die Songs).

Stellvertretend für die Schlager der frühen 60er Jahre steht hier das 1962 von Mina gesungene Stück „Heißer Sand“, dessen Text so banal wie vieldeutig ist und dennoch – oder gerade deshalb – den Geschmack der Jugend dieser Zeit trifft:

„Schwarzer Tino, deine Nina war beim Rocco schon im Wort
Weil den Rocco sie nun fanden, Schwarzer Tino musst du fort,
Heißer Sand und ein verlorenes Land und ein Leben in Gefahr
Heißer Sand und die Erinnerung daran, dass es einmal schöner war.
Schwarzer Tino, deine Nina tanzt im Hafen mit den Boys
Nur die Wellen singen leise was von Tino jeder weiß.
Heißer Sand […]“

Andere große Schlager dieser Zeit, die nicht unbedingt in das „Süden, Sonne, Meer“-Schema passen, waren unter anderem:

Ebenfalls zu erwähnen sind hier die damaligen Vorbilder der Teenager Conny („Zwei kleine Italiener“) und Peter Kraus („Sugar Sugar Baby“), die sowohl im Duett als auch solo mit mehreren Filmen und Schlagertiteln erfolgreich waren. Nicht minder erfolgreich war Ted Herold mit Titeln wie „Ich bin ein Mann“ oder „Moonlight“.

Beendet wurde diese Ära mit den ersten Erfolgen der Beatles in Deutschland mit „Komm gib mir deine Hand“ und „Sie liebt dich“. Während zuvor nur Elvis Presley öfter die Phalanx der deutschen Nummer-1-Hits durchbrechen konnte, geschah dies jetzt immer öfter mit englischsprachigen Titeln. Die Schlagerindustrie reagierte darauf.

Die frühen 1960er (ca. 1960 bis etwa 1968)

Die Flut der ausländischen Interpreten und Schlagertexte war nicht mehr aufzuhalten. Die „Globalisierung“ der Musikindustrie begann also bereits Anfang bis Mitte der 1960er Jahre. Jetzt wurden, um dem Publikumsgeschmack Genüge zu tun, englische, französische, skandinavische und italienische Interpreten, die in ihrem Land bereits erfolgreich waren, mit deutschen Texten auf den Markt geschickt. Von den zahlreichen Sängerinnen und Sängern seien hier einige genannt (die Aufzählung enthält keine Wertung und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

Bill Ramsey
  • Alma Cogan, „Tennessee Waltz“
  • Peggy March, „Mit 17 hat man noch Träume“; „Memories of Heidelberg“ (1967)
  • Gus Backus, „Da sprach der alte Häuptling“ und viele andere. Der Künstler sprach zu diesem Zeitpunkt kein Wort Deutsch.
  • Bill Ramsey, „Pigalle“; „Zuckerpuppe“ – Bill Ramsey war zuvor Jazzsänger und trat in Nachtclubs auf.
  • Rita Pavone, „Wenn ich ein Junge wär“
  • Siw Malmkvist, „Liebeskummer lohnt sich nicht“ und viele andere.
  • Petula Clark, „Casanova kiss kiss“
  • Billy Mo, „Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut“
  • Nana Mouskouri, „Weiße Rosen aus Athen“
  • France Gall, sprach kein Deutsch und sang die deutsche Version ihres Grand-Prix-Erfolges Poupée de cire, poupée de son: „Das war eine schöne Party (Ein rosaroter Lampion)“
  • Françoise Hardy, „Frag den Abendwind“
  • Salvatore Adamo, „Es geht eine Träne auf Reisen“
  • Esther Ofarim, „Cinderella Rockefella“
  • Wencke Myhre, „Beiß’ nicht gleich in jeden Apfel“; „Knallrotes Gummiboot“; „Er steht im Tor“
  • Connie Francis, „Die Liebe ist ein seltsames Spiel“; „Schöner fremder Mann“; „Paradiso“; „Barcarole in der Nacht“
  • Cliff Richard, „Rote Lippen soll man küssen“; „Das ist die Frage aller Fragen“

Gleichzeitig versuchten sich viele Sportler als Schlagerkünstler. Während der Hürdenläufer Martin Lauer bereits in den Jahren zuvor mit einer gewissen Musikalität und Liedern wie „Taxi nach Texas“ und „Ich sitz’ so gern am Lagerfeuer“ erfolgreich war, waren die Erfolge der Eiskunstläufer Marika Kilius „Wenn die Cowboys träumen“, Hans-Jürgen Bäumler „Honeymoon in St. Tropez“ und Manfred Schnelldorfer „Wenn du mal allein bist“ sowie der Fußballspieler Franz Beckenbauer „Gute Freunde“ und des Torwarts Petar Radenković „Bin i Radi, bin i König“ wohl lediglich ihrer sportlichen Laufbahn zu verdanken, in Österreich die Skifahrer Karl Schranz und Toni Sailer „Tiroler Hula-Hupp“.

Die 1970er (1968–1980)

Michael Holm

Der Deutsche Schlager hatte seine Glanzzeit in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren. Mitte der 1960er begann die Bedeutung des Schlagers zurückzugehen. Betrachtet man sowohl die Verkaufszahlen als auch die Hitparaden der einzelnen Sender, stellt man fest, dass sich der Anteil der deutschen Schlager gegen Ende der 1960er Jahre der unteren Grenze näherte. Wurden 1962 noch fast alle Nummer-1-Hits auf Deutsch gesungen, sank der Anteil 1966 bereits auf 50 % und Ende des Jahrzehnts lag er gerade mal bei fünf bis zehn Prozent. Die Beatmusik, der Rock und der Pop eroberten den deutschen Schlagermarkt und die zuvor gefeierten Interpreten fristeten ein Nischendasein. Trotzdem wurden in dieser Zeit einige große Hits geboren. Drafi Deutscher wurde in den 1960ern bei einer Talentshow entdeckt und konnte neben vielen anderen Liedern mit guten Chartplazierungen auch drei Nr.-1-Hits setzen („Shake Hands“, „Heute mal ich dein Bild“ und den absoluten Dauerbrenner „Marmor, Stein und Eisen bricht“). Obwohl der Schlager in den 1960ern langsam einzubrechen begann, was bei einigen Sängern zu einem Nischendasein führte, sollte es für einige wenige das Sprungbrett ihres Lebens werden.

Doch in den 1970ern blühte der Schlager nochmals auf, was auch auf die zunehmende Verbreitung von Fernsehgeräten (Olympische Spiele München 1972; Fußball-Weltmeisterschaft 1974) und damit einhergehenden einschlägigen Musiksendungen zurückzuführen war. Die ZDF-Hitparade, in den 70ern quasi die erste Instanz in Sachen Schlagermusik im Fernsehen, präsentierte wöchentlich alte und neue Interpreten und Lieder. Mit dabei waren oft Michael Holm („Mendocino“, „Tränen lügen nicht“, „Barfuß im Regen“, „Lucille“), Udo Jürgens („Aber bitte mit Sahne“ und „Mit 66 Jahren“) mit seinen zahlreichen Hits oder seine Namensvetterin Andrea Jürgens („Und dabei liebe ich euch beide“), eine aus Sicht der Musikindustrie „hoffnungsvolle Vertreterin“ der ganz jungen Nachwuchsschlagersängerinnen. Aber auch Peter Maffay („Du“), Chris Roberts („Du kannst nicht immer 17 sein“), Cindy & Bert („Immer wieder sonntags“), Bernd Clüver („Der Junge mit der Mundharmonika“), Jürgen Marcus („Ein Lied zieht hinaus in die Welt“) oder Katja Ebstein („Es war einmal ein Jäger“, „Theater“) gehörten zu den „Dauerbrennern“ der deutschen Schlagerszene.

Gerade in den 70ern war die Anzahl der Schlager-One-Hit-Wonders enorm hoch. Auch wenn die von Media Control wöchentlich ermittelte Top-10 der meistverkauften Titel in Deutschland immer häufiger englischsprachige Songs auf den vorderen Plätzen ermittelte, schien der Schlager doch eine sichere Position im Musikgeschmack der Deutschen einzunehmen. Die ab 1971 von Ilja Richter im ZDF moderierte Sendung „Disco“ griff daher anfänglich auf einen Mix aus nationalen und internationalen Sängern zurück. Doch die aufkommende Disco-Welle sorgte auch in Deutschland für einen veränderten Musikgeschmack. Die Schlagersänger nahmen sich teilweise der neuen und vor allem schnelleren Rhythmen an und versuchten, diese auf das Konzept der Schlagermusik zu übertragen. Hierbei blieb allerdings auch der Aufwand auf der Strecke, der bis dahin in die Schlagerproduktion gesteckt worden war. Wurden früher noch ausgefeilte Arrangements geschrieben und mit einer Studio-Combo – oft auch noch mit Hintergrundchor – eingespielt (z. B. „Dann schon eher der Piano-Player“ von France Gall), so übernahm mehr und mehr ein einfacher Synthesizer die komplette Begleitung des Interpreten. Dadurch verloren die einzelnen Titel ihre besondere Unverwechselbarkeit zugunsten einer schnellen und preisgünstigen Produktion.

1980 bis heute

Guildo Horn ließ den Schlager noch einmal aufleben.

Ab Anfang der 80er setzte die so genannte Neue Deutsche Welle (NDW) ein, die mit dem Begriff Schlager nur sehr wenig gemeinsam hatte. Immer mehr Schlager wurden aus der Media-Control-Hitparade zu Gunsten der NDW-Songs verdrängt. Und so teilten sich bald englische Songs und NDW-Lieder die Hitparaden. Der Schlager rutschte in den Hitparaden ab, und auch im Radio wurden immer weniger Schlager gespielt, so dass er bald ein Randdasein fristete. Um ihn zu „retten“, versuchten sowohl die betroffenen Interpreten als auch die Musikindustrie ihn in den zahlreichen Sendungen der Volksmusik neu zu positionieren.

In den 1990er Jahren gab es in Deutschland, ausgelöst durch neue „alte Modetrends“, also Kleidung und Accessoires der 70er Jahre, ein Schlager-Revival, z. B. durch Guildo Horn, Dieter Thomas Kuhn oder Petra Perle. Ferner hatten dann – die umpositionierten – eher volkstümlichen Schlager große Erfolge zu verzeichnen. 1997 wurde erstmals in Deutschland eine Formathitparade für Titel dieses Genres eingeführt. Die „Deutschen Schlager Charts“ erschienen in ihrer ersten Ausgabe im November 1997 mit Unterstützung von Uwe Hübner (damals Moderator der ZDF-Hitparade). Hier fanden sich Titel des Schlager-Revivals, „klassische Schlager“ sowie deutschsprachige Popnummern unter einem Dach vereint. Die Schlagercharts gehören mittlerweile zu Media Control, wo sie als reine Verkaufscharts geführt werden.

Die Hits des Deutschen Schlagers wurden bzw. werden z. T. im Zuge des Retro-Trends immer noch verstärkt im Radio oder Fernsehen gespielt. Die Klassiker aus den 70er und 80er Jahren ziehen nach wie vor viele meist junge Menschen an, sei es auf dem Schlagermove in Hamburg oder in eingetragenen Schlagervereinen wie beispielsweise in Essen oder Offenburg. Die ZDF-Hitparade wurde dennoch im Dezember 2000 eingestellt.

Heute haben es sich einige deutsche Internetradiosender erfolgreich zur Aufgabe gemacht, ausschliesslich für die Schlagerfans zu senden.

Ein internationaler Wettbewerb für das einfache Lied schlechthin ist der „Eurovision Song Contest“, der 1956 erstmals stattfand und seither jährlich veranstaltet wird. In den letzten Jahren nahmen vermehrt Pop-Titel daran teil. Mit dem herkömmlichen Begriff „Schlager“ hatte dieser Wettbewerb somit fast nichts mehr zu tun.

Sonstiges

  • Schlager nennt man ab Mitte des 19. Jahrhunderts beliebte Melodien aus Oper und Operette, dann auch Neuanfertigungen. (dtv-Atlas zur Musik)
  • Ey, wie schmeckt der Caffe süsse, Lieblicher als tausend Küsse, Milder als Muscaten-Wein. Caffe, Caffe, muss ich haben; Und wenn niemand mich will laben, Ach so schenk mir Caffe ein.... Die Katze läßt das Mausen nicht, die Jungfern bleiben Coffeeschwestern. Die Mutter liebt den Coffeebrauch, die Großmama trank solchen auch, wer will nun auf die Töchter lästern! (aus: Johann Sebastian Bach, „Kaffeekantate“, BWV 211, „Schweigt stille, plaudert nicht“)
  • Bona nox! Bist a rechter Ochs, Bona notte, Liebe Lotte, Bonne nuit, Pfui, pfui,.. (aus Canon Bona nox; Text und Musik: W. A. Mozart)

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Linke: Musik erobert die Welt. a.a.O., S. 204.

Literatur

  • Theodor W. Adorno: Einleitung in die Musiksoziologie. Zwölf theoretische Vorlesungen. II. Leichte Musik. in: Gesammelte Schriften. Bd 14. Suhrkamp, Frankfurt/M, 1973.
  • Matthias Bardong, Hermann Demmler, Christian Pfarr (Hrsg.): Das Lexikon des deutschen Schlagers. Serie Musik. Schott, Mainz 1993. ISBN 3-7957-8208-2
  • Oliver Bekermann: „Wunder gibt es immer wieder“ – Eine Untersuchung zur gegenseitigen Abhängigkeit von Alltagskommunikation und Deutschem Schlager. BOD, Norderstedt 2007, ISBN 978-3-8370-0045-0.
  • Ingo Grabowsky, Martin Lücke: Die 100 Schlager des Jahrhunderts. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2008, ISBN 3-434-50619-5.
  • Norbert Linke: Musik erobert die Welt. Wie die Wiener Familie Strauß die „Unterhaltungsmusik“ revolutionierte. Herold, Wien 1987, ISBN 3-7008-0361-3.
  • Rainer Moritz: Schlager. dtv, München 2000, ISBN 3-423-20362-5.
  • Stephan Näther, Ernst Regauer: Grand Prix d'Eurovision und deutsche Schlagerwettbewerbe seit 1956. Nather & Regauer, Berlin 1991, 2001, 2002.
  • Christian Peters, Barbara Langer: Lili Marleen. Ein Schlager macht Geschichte. Süddeutscher Verlag, Bonn 2001.
  • Port le Roi, André: Schlager lügen nicht, deutscher Schlager und Politik in ihrer Zeit. Verlag ???,, Essen 1998, ISBN 3-88474-657-X.
  • Christian Seiler (Hrsg.), Reinhilde Becker (Ill.): Die beliebtesten Schlager der 20er Jahre. Verlag ???, Wien, München 1998, ISBN 3-85223-412-3.
  • Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Herausgeber): Melodien für Millionen: Das Jahrhundert des Schlagers. Ausstellungskatalog. Bonn 9. Mai – 5. Oktober 2008. Kerber Christof Verlag, Bielefeld 2008, ISBN 978-3866781610.

Schlagerfilme (Auswahl)

Weblinks

Schlagermusiker

Hier werden Schlagersänger, Schlagersängerinnen, Schlagerduos und -trios, Bands und Gruppen gelistet, auch wenn später das Genre gewechselt wurde. Außerdem befinden sich hier auch Komponisten sowie Texter von deutschen Schlagern, zum Teil auch vor dem 2. Weltkrieg. Eine klare Trennung zwischen dem herkömmlichen Schlagerinterpreten der Vergangenheit und den heutigen Interpreten von sogenannten volkstümlichen Schlagern ist nicht immer möglich. Deswegen stehen hier auch teilweise Personen, die eigentlich der schlagerähnlichen Volksmusik zuzuordnen sind und dennoch auch teilweise Schlager im klassischen Sinne singen oder sangen.

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