Diagnosebezogene Fallgruppen

Diagnosebezogene Fallgruppen

Diagnosis Related Groups (kurz DRG, deutsch Diagnosebezogene Fallgruppen) bezeichnen ein ökonomisch-medizinisches Klassifikationssystem, mit dem Leistungen an Patienten anhand der Haupt- und Nebendiagnosen für den einzelnen Behandlungsfall und der fallbezogen durchgeführten Behandlungen in Fallgruppen klassifiziert werden. Jede Neuaufnahme eines Patienten in Krankenhaus, Rehabilitation und Pflege definiert jeweils einen neuen Fall, der die weitere Behandlung kennzeichnet. Die festgestellten DRG, mit Haupt- und Nebenklassen, werden vom Leistungsträger zum Kostenträger als Abrechnungsgrundlage gemeldet.

DRG werden seit Mitte der 80er Jahre in verschiedenen Ländern zur Finanzierung oder zur Abrechnung von Krankenhausbehandlungen verwendet. Während in den meisten Ländern die DRG krankenhausbezogen zur Verteilung staatlicher oder versicherungsbezogener Budgets verwendet werden, wurde in Deutschland das 2003 eingeführte DRG-System zu einem Fallpauschalensystem umgestaltet und seither zur Abrechnung von Preisen für die einzelnen Behandlungstypen der einzelnen Behandlungsfälle verwendet.

Die Bemessung der Pauschalen erfolgt in Deutschland ebenfalls auf der Grundlage der Verteilung des verfügbaren Gesamtbudgets. Diese Fallgruppen werden nach dem für die Behandlung im Vorjahr ermittelten durchschnittlichen betrieblichen Aufwand bewertet und abgerechnet. Die auf DRG reduzierten Pauschalen sind ein konsensbasiertes Umlagemodell. Sie dienen nicht der Kostenerfassung und nicht der Preisbildung nach den tatsächlichen betriebswirtschaftlichen Kosten der Behandlung.

In der Schweiz werden das Fallpauschalen-System SwissDRG und die damit verknüpfte neue Spitalfinanzierung am 1. Januar 2012 eingeführt. Die Schweizer Version basiert auf dem System German DRG (GDRG) und wurde angepasst an die Besonderheiten des föderalistisch strukturierten Gesundheitssystem der Schweiz. Zuständig für die Erarbeitung und Weiterentwicklung sowie die Anpassung und Pflege des Schweizer Fallpauschalen-Systems ist die SwissDRG AG. Sie setzt den Gesetzesauftrag um, den das Parlament im Dezember 2007 verabschiedet hat. Die gemeinnützige Aktiengesellschaft wurde am 18. Januar 2008 gegründet und ist eine gemeinsame Institution der Leistungserbringer, der Versicherer und der Kantone. Die breite Abstützung wird den unterschiedlichen Anforderungen und Bedürfnissen an das neue Abgeltungssystem gerecht. Die SwissDRG AG und ihre Partnerorganisationen setzen sich gemeinsam dafür ein, dass die Einführung des Fallpauschalen-Systems in der Schweiz erfolgreich und zum Vorteil für alle Beteiligten umgesetzt wird.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

Im DRG-System werden Patienten anhand medizinischer (Diagnosen, durchgeführte Behandlungen) und demographischer Daten (Alter, Geschlecht sowie das Aufnahmegewicht bei Kindern, die jünger sind als 1 Jahr) für Zwecke der Abrechnung in Fallgruppen klassifiziert. Die Fallgruppen dienen jedoch nicht der Bestimmung der medizinischen Behandlung, sondern die Differenzierung erfolgt aufgrund des in der Vorperiode ermittelten typischen Aufwandes (Behandlungskosten). Diese Fallgruppen werden mit einer sogenannten Bewertungsrelation (BR) (engl. cost weight (cw)) bewertet, in der sich die unterschiedlichen Behandlungskosten der jeweiligen Fallgruppe widerspiegeln.

Pauschalabrechnung im Einzelfall

Maßgebliche Kriterien für die Zuordnung des Behandlungsfalles zu einer diagnosebezogenen Fallgruppe sind:

  • die Hauptdiagnose (bei den GDRG: Die für die Krankenhausaufnahme aus der Retrospektive hauptverantwortliche Diagnose, häufig die Grunderkrankung),
  • im Krankenhaus durchgeführte Prozeduren (Operationen, aufwändige Untersuchungen),
  • Nebendiagnosen und Komplikationen, die den Behandlungsverlauf maßgeblich (indem ihnen ein Aufwand anzurechnen ist) beeinflussen,
  • die Beatmungszeit und
  • patientenbezogene Faktoren wie Alter, Geschlecht der Patienten oder das Geburts-, bzw. Aufnahmegewicht bei Frühgeburten und Säuglingen.

Folgende Schlüsselsysteme werden im Zusammenhang mit den DRG in Deutschland verwendet:

Geschichte

DRGs wurden in den USA an der Yale-Universität von Robert Barclay Fetter und John Devereaux Thompson ab 1967 entwickelt [1]. Sie wurden ursprünglich allerdings nicht als Vergütungssystem entwickelt, sondern als ein reines Patientenklassifikationssystem, welches als Managementwerkzeug die Messung, Evaluierung und Steuerung der Behandlungen im Krankenhaus ermöglichen sollte.

Die heute verwendeten und entwickelten Lösungen wurden beispielsweise ab 1983 erstmals als prospektives Vergütungssystem und zur Erfassung der beanspruchten Vergütung im Medicare-Programm der USA eingesetzt (Accounting)[2] [3]. In Australien wurde die erste Version 1992 im Bundesstaat Victoria freigegeben. Diese Fassung diente als Referenz für die Implementierung einer gleichartigen Lösung in Deutschland.

DRGs dienten in USA zunächst zur Klassifikation medizinisch ähnlicher Patientenkollektive, erst später wurden daraus Entgeltsysteme durch Hinterlegung mit der Bewertung des Schweregrades der Behandlung und dem Bezug auf die typischen Kosten. Es kam dadurch zur Verschiebung von Anteilen stationärer Leistungen zu ambulanten Leistungen. Die amerikanischen DRG der Health Care Financing Administration (HCFA) werden in voller Breite nur für die Bevölkerung über 65 Jahre, die durch das staatliche Medicare-Programm versichert ist, angewendet.

Das Konzept der DRG wurde ursprünglich von Fetter und Thompson ab 1967 auch zur Steuerung klinischer Dienste und zur Messung der Leistung und der Qualität der medizinischen Leistung entworfen. Der anfangs enthaltene Steuerungsaspekt (Scheduling) ist in allen heute international bekannten Lösungen verloren gegangen.

Adaption in Deutschland

Die Selbstverwaltungsorgane des deutschen Gesundheitswesens waren im Jahr 2000 durch die Politik aufgefordert, ein bereits existierendes DRG-System als Grundlage des aufzubauenden deutschen Systems auszuwählen. Die Entscheidung fiel auf das System des australischen Bundesstaates Victoria, genannt 'Australian Refined Diagnosis Related Groups' (AR-DRG). Durch Überarbeitung in jährlichen Abständen soll eine Anpassung an die deutsche Behandlungswirklichkeit erreicht werden. Beauftragt ist damit das im Mai 2001 gegründete Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus in Siegburg (InEK gGmbH).

Im Dezember 2005 entschied sich das zuständige Gremium der Schweiz zur Einführung eines DRG-Systems auf Grundlage des deutschen Modells. Durch den Prozess der Helvetisierung (Anpassung an die schweizerische Behandlungswirklichkeit) sind daraus die SwissDRG entstanden [4].

Adaption in der Schweiz

Die SwissDRG AG wurde am 18. Januar 2008 in Bern gegründet. Die Kantone und die Krankenversicherungs-Tarifpartner haben diese gemeinnützige Aktiengesellschaft gegründet, um in Zukunft die Tarifstruktur in den Spitälern zu vereinheitlichen und damit auch für die Patienten übersichtlicher und transparenter zu machen. Damit können jene Postulate umgesetzt werden, welche im revidierten Krankenversicherungsgesetz verankert wurden. Das Verwaltungsratspräsidium der SwissDRG AG wird durch den Basler Regierungsrat Dr. Carlo Conti wahrgenommen.

Aktionäre der SwissDRG AG sind:

  • Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK)
  • H+ Die Spitäler der Schweiz
  • santésuisse Die Schweizerischen Krankenversicherer
  • Medizinaltarifkommission UVG, MV/IV (MTK)
  • Vereinigung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH)

SwissDRG-Fallpauschalen (Swiss Diagnosis Related Groups SwissDRG) sind eines der Instrumente in der neuen Spitalfinanzierung, das zu mehr Transparenz bei den Behandlungen und einer leistungsgerechteren Vergütung der Spitäler und Kliniken führen soll. Nicht mehr die Spitäler selbst als Institutionen werden finanziert, sondern ihre Leistungen am Patienten. Und diese Leistungen sollen auch qualitativ vergleichbar werden. In Zukunft werden Patientinnen und Patienten wissen, welches Spital welche Operation zu welchem Preis und in welcher Anzahl anbietet. Mit den Fallpauschalen erhalten Versicherte, Kantone und Versicherer transparente Vergleiche über die Menge und Preise der Leistungen unterschiedlicher Spitäler. Die Finanzierer, Kantone und Krankenversicherungen, dürften sich für die preiswerteren Leistungen interessieren. Private und öffentliche Spitäler sollen gleich lange Spiesse erhalten.

Die neue Spitalfinanzierung bringt neue kantonale Spitallisten, die sich primär nach den Kriterien Qualität und Effizienz ausrichten sollen. Die Kantone sind mit der neuen Spitalfinanzierung verpflichtet, allen öffentlichen und privaten Spitälern auf der Spitalliste ihren kantonalen Anteil an den medizinischen Behandlungen der PatientInnen zu bezahlen. Das ist heute noch nicht so.

Die neue Spitalfinanzierung definiert ausserdem einen neuen Kostenteiler zwischen Kantonen und Krankenversicherungen. Neu sollen die Kantone mindestens 55% der Kosten bezahlen, die Krankenversicherungen höchstens 45% der Kosten. Die Preise der Spitäler müssen in der neuen Spitalfinanzierung die berufliche Aus- und Weiterbildung der nicht-universitären Berufe finanziell abdecken. Bisher finanzierten die Kantone diese beachtlichen Kosten aus Steuergeldern. Investitionen sind in schweizerischen Fallpauschalen ab 2012 enthalten. In den Preisen für Operationen, Therapien und die stationäre Pflege in Spitälern und Kliniken sind die Kosten für Operationstische, Geräte, Medikamente und Immobilien eingerechnet. Das ist unter dem heutigen Regime der Abteilungs- oder Tagespauschalen noch nicht der Fall. Heute bezahlen die Kantone die Investitionen in öffentlichen und öffentlich subventionierten Spitälern und Kliniken über ihre Steuergelder.

Befürchtungen und Ängste

Nachstehend folgt eine Schilderung von befürchteten Nachteilen der Einführung der Fallpauschalen in Deutschland.

  • Das Ziel einer Bedämpfung des Anstiegs der Kosten der Gesundheitsversorgung wurde mit der Einführung der DRGs nicht erreicht. Zumindest ist kein derartiger Effekt nachgewiesen. Durch das Bemessungsprinzip der relativen Kosten und Verteilung aus dem Gesamtbudget besteht kein wirtschaftlicher Anreiz, die Gesamtkosten zu reduzieren.
  • Während in anderen Ländern, die das DRG-System anwenden, von professionellen Dokumentationsassistenten kodiert wird, gilt in Deutschland die Kodierung von Diagnosen und Prozeduren zuerst als Aufgabe des Arztes, die durch Kodierer überarbeitet wird. Dadurch wird die administrative Tätigkeit der Krankenhausärzte deutlich erhöht, es bleibt weniger Zeit für die Patienten. Als Begründung für den Arztvorbehalt dient lediglich die in Hinsicht der geforderte zeitnahe Authentizität der Klassifizierung.
  • Die Pauschalierung überdeckt in der deutschen klinischen Praxis jede Erfordernis einer detaillierten Betriebsabrechnung. Tatsächlich werden wie in anderen Ländern auch in Deutschland die Klassifizierungen durch Spezialisten sowohl beim Leistungsträger wie beim Kostenträger geprüft und korrigiert. Schließlich werden wegen fehlender Einzelnachweise 10%-20% der Abrechnungen beanstandet und erneut verhandelt.

Ob die so mit zeitlichem Versatz zur erbrachten Leistung erstellte Abrechnungsgrundlage revisionsfest ist, hängt davon ab, welche Detaillierung die primäre Erfassung hat und ob die so entstehende Verschlüsselung mitsamt aufeinader folgenden Änderungen rückverfolgbar ist.

  • Im Verwaltungsbereich der Leistungsträger und der Kostenträger ist der Aufwand für die Abrechnung gewachsen. Während bisher der Preis für eine Behandlung relativ einfach durch Multiplikation der Behandlungstage und durch Einzelerfassung von Leistungen zu ermitteln war, ist jetzt medizinisches Wissen zur Aufstellung wie zur Überprüfung der Verschlüsselungen ICD, OPS und DRG erforderlich.

Im Krankenhausbereich haben sich für die Überarbeitung der Klassifizierungen und der Abrechnungen spezielle Berufsbilder (Medizincontroller und Kodierer) entwickelt. Das neue Berufsbild des Kodierers leistet keinen Beitrag zum Outcome für den Patienten, sondern sichert lediglich das wirtschaftlichen Fortbestand des Krankenhauses unter den wirtschaftlichen Verzerrungen durch den Zeitabstand zwischen Entstehung der Kosten und Änderung der Pauschalen.

  • Während die auf Verweildauern bezogene Abrechnung aus ökonomischer Sicht Anreiz für eine Verlängerung der Behandlung war, ist die Abrechnung nach DRG-Fallpauschalen Anreiz für eine eher zu frühzeitige Entlassung (Stichwort: "Blutige Entlassung"). Patienten verweilen zwar kürzer pro Fall im Krankenhaus, aber dafür mit mehr aufeinander folgenden Aufenthalten im Krankenhaus (Stichwort: Drehtür-Effekt).
  • Weil durch die durchgeführten Prozeduren, festgestellte Nebendiagnosen und Komplikationen, und Apparatezeiten die Pauschalen mit Zusatzbeträgen aufgeladen werden, besteht weiterhin der Anreiz, eine höhere Komplexität zu melden, als tatsächlich minimal für besten Outcome erforderlich sein mag.
  • Weil die Summe der pauschalierten Leistungen den erreichbaren Deckungsbeitrag bestimmt, verlagern eizelne Einrichtungen ihr Interesse auf die lukrativen Fälle, während für die weniger lukrativen Fälle der Grad der verfügbaren Versorgung schrumpft. Eine Spezialisierung der Einrichtungen wird dadurch zunächst wirtschaftlich und nicht medizinisch bestimmt.
  • Die Länder, die ein DRG-System einführten, haben sämtlich höhere Verwaltungsausgaben, aber keine Kosteneinsparungen, sondern lediglich eine Bedämpfung des Kostenzuwachses erreicht.
  • Die Teilnahme an der jährlichen DRG-Nachkalkulation ist für die Krankenhäuser freiwillig. Grundlage sind in der Regel nachkalkulatorische Erhebungen mit Schätzungen der Personal-Einzelkosten. Dadurch sind die einfließenden Daten wohl repräsentativ, aber dennoch nicht zunehmend authentischer als im Vorjahr.
  • In Deutschland liegen keine gesicherten Informationen vor, wieviel die Verwendung der DRG -ausgedrückt in Geld der Versicherten- kostet oder spart. Die Bundesregierung behauptet, sie habe keine derartigen Informationen, nehme aber an, dass die Einführung auf jeden Fall vorteilhaft sei.
  • Die verfügbaren Daten der bundesweiten deutschen Statistiken werden weder zielgerichtet erfasst noch ausgewertet. Die Krankenhäuser selbst verwenden die erzwungene Begrenzung der Fallkosten auf Pauschalen als Argument, auch künftig keine Prozesskostenrechnung auf der Basis authentischer Personal-Einzelkosten einzuführen.
  • Die vom Gesetzgeber im § 17 b Abs. 8 Krankenhausfinanzierungsgesetz festgelegte bis Ende 2005 vorzulegende Begleitforschung wurde erst im Mai 2008 durch Ausschreibung im Amtsblatt der Europäischen Union [5] in Auftrag gegeben.
  • Die DRGs bilden insbesondere in bestimmten Bereichen (Unfallchirurgie, Kinderheilkunde, Palliativmedizin u. a.) die tatsächliche Behandlung noch nicht differenziert genug ab, so dass die resultierende Vergütung nicht "sachgerecht" ist.
  • Ein Fallpauschalensystem bietet Anreize, sich innerhalb von Fallgruppen auf möglichst "einfache" oder standardisierte Fälle zu spezialisieren. Die Versorgung komplexerer Fälle wird dadurch lokal eingeschränkt oder auf andere Anbieter mit Versorgungsauftrag verlagert.
  • Zunehmend mit jeder neuen DRG-Version werden DRG nicht nach der zugrundeliegenden Diagnose, sondern lediglich nach der durchgeführten Prozedur (dem Haupteingriff) definiert. Damit entsteht ein Anreiz, aufwändige Prozeduren durchzuführen und abzurechnen, ungeachtet dessen, ob der betreffende Patient diesen Eingriff benötigte. Das australische System hat durch seine Schweregradgliederung gerade hiergegen ein taugliches Instrumentarium geboten; diese Vorteile werden jedoch zunehmend weniger genutzt.
  • Die Zielsetzung, die zur Einführung des DRG-Systems führte, wurde bis dato nicht erreicht und wird auch voraussichtlich in Zukunft nicht erreicht werden können. Die Wirtschaftlichkeit des Systems wurde zuletzt in einem ausführlichen Bericht des Magazins Plusminus vom 25. März 2008 in Frage gestellt[6]. Bei stetig zunehmender Komplexität und Intransparenz - sowohl durch Ausweitung der DRG, als auch durch stetige Änderung der Kodierrichtlinien, Ergänzungen und Ausweitungen der Entgeltschlüssel und Zusatzentgelte - ist zu erwarten, dass die Unwirtschaftlichkeit des Systems eher zunehmen wird.

Kodierqualität

Die DRGs werden mit Hilfe eines vom InEK gGmbH zertifizierten Computerprogramms ("Grouper") aus den Diagnose- und Prozedurenkatalogen (ICD-10-GM und OPS) sowie zusätzlichen fallbezogenen Variablen (z. B. Alter des Patienten, Verweildauer, Zahl der Stunden maschineller Beatmung usw.) generiert. Dabei sind die Ein- und Ausschlusskriterien der individuellen ICD- und OPS-Kodes sowie die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) der InEK gGmbH zu beachten.

  • Der mit der Kodierung und der Überprüfung verbundene Aufwand ist nicht unerheblich. Ausgehend von knapp 17 Millionen stationären Krankenhauspatienten pro Jahr, und einem primären Kodieraufwand des Arztes von 15 Minuten pro Fall, beträgt der Gesamtarbeitsaufwand für das Kodieren etwa 2.000 Personenjahre pro Jahr. Wird zusätzlich in 10% der Fälle eine MDK-Prüfung mit einer zusätzlichen ärztlichen Arbeitszeit von 45 Minuten pro Fall durchgeführt, steigt der Arbeitsaufwand um weitere 600 Personenjahre pro Jahr. Die sich ergebenden 2600 Arbeitsjahre entsprechen der Arbeitszeit von 2% der bundesweit im Krankenhaus tätigen Ärzten oder einem Kostenvolumen von etwa 228 Millionen Euro pro Jahr (Stand 2007).
  • Es ist unverständlich, warum bei der zugrunde liegenden Logik keine einheitliche Systematik für die Vorschläge einer Codierung unmittelbar nach der Aufnahmediagnose entsteht und lediglich betriebswirtschaftliche Aufzeichnung ergänzt wird.

Auf der Basis klinischer Pfade, operationeller Prozeduren und medizinisch orientierter Klassifikationen ist eine eindeutige (surjektive) Zuordnung jederzeit möglich.

Bei einer schlechten Kodierqualität werden nicht alle erforderlichen Informationen des Falls zur Kodierung verwendet, so dass nicht das optimale und für den Fall richtige Relativgewicht erreicht wird. Andererseits kann auch die Eingabe von überflüssigen und nicht den DKR entsprechenden Diagnosen und Prozeduren zu einem zu hohen Relativgewicht führen. Je größer die Anzahl von falsch kodierten Fällen ist, desto schlechter ist die Kodierqualität einer Klinik bzw. Fachabteilung.

Das System ist vor allem im Bereich der Inneren Medizin mit alten und multimorbiden Patienten (d. h. Patienten mit mehreren Erkrankungen) nicht geeignet, eine durchgängig nachvollziehbare Abbildung zu gewährleisten. Dazu tragen auch viele Inkonsistenzen im ICD-10 bei. Untersuchungen in mehreren deutschen Kliniken haben gezeigt, dass die Quote von unterschiedlichen Codierungen bei gleichen Informationen über ein Krankheitsbild erheblich ist; bis zu 40 % der Codierungen weichen teilweise erheblich voneinander ab.

Generelles Problem ist die Komplexität der Vielfältigen Codierungssysteme ohne geeignete Unterstützung für die klinische Routine. Die vielfach nicht zeitnah durchgeführte Kodierung und das Verschlüsseln durch spezialisieretes,aber medizinisch nicht ausgebildetes Personal macht den Vorgang der Kodierung ungeachtet formaler Güte Ergebnisse zum Ziel abrechnungstechnischer Optimierung.

Erkennbar liefert die Kodierung zunächst keine sachlich revisionsfeste Abrechnungsgrundlage. Das wird erkennbar an der Vielzahl der Rückläufe vom medizinischen Dienst der kostentragenden Krankenklassen an die abrechnenden Kliniken. Statistiken über diese Rücklaufquote werden nicht publiziert.

Upcoding

Upcoding im deutschen DRG-System bezeichnet jeden CMI-Anstieg, der nicht in einer durchschnittlichen Schweregraderhöhung, sondern in einem geänderten Codierverhalten (meist durch ungerechtfertiges Codieren von Nebendiagnosen zur Erhöhung des PCCL) begründet ist. Im Allgemeinen wird ein CMI-Anstieg, der durch bessere Codierqualität erzeugt wird nicht als Upcoding bezeichnet. Eine bessere Codierqualität ist dagegen von allen Seiten erwünscht und wird aktiv propagiert.

Präzision, Aktualität

Die DRG sind kein Hilfsmittel der medizinischen Leistungserbringung, sondern lediglich ein Instrument der Leistungsverrechnung. Insoweit hat die Einführung der DRG-Abrechnung zu einer Verlangsamung des Übergangs von der retrospektiven Auftragskostenrechnung auf der Grundlage einer Kostenstellenrechnung zu einer online-Prozesskostenrechnung geführt oder diese Entwicklung aufgehalten.

Überwiegend wird in deutschen Krankenhäusern heute, wenn überhaupt prozessorientiert kalkuliert wird, eine klassische Prozesskostenrechnung auf der Basis von Erhebungen unzureichender Granularität mit nachträglicher Detaillierung geführt. Viele Kostenelemente werden dazu durch aufwändige statistische Analyse aus großen Kostenblöcken extrahiert, anstatt sie möglichst automatisch bei der Entstehung online zu erfassen [7].

Authentizität

Kaum ein Krankenhaus in Deutschland vollzieht eine Kostenerfassung und Nachweisführung, die dem Wortlaut der Anforderungen des SGB X §63 ff. [8]und den Grundsätzen modernen Kostenmanagements gerecht wird. Dies wird durch Bezugnahme auf den Wortlaut des Gesetzestextes vielfältig und widersprüchlich begründet [9] [10] [11] [12] [13]. Da sich die Kostenträger nicht beklagen, wird dieser Zustand bei den Leistungsträgern voraussichtlich noch lang anhalten.

Siehe auch

Literatur

  • InEK gGmbH (Hrsg.): G-DRG Fallpauschalenkatalog 2008. 293 Seiten. ISBN 978-3-940001-11-5
  • InEK gGmbH (Hrsg.): Deutsche Kodierrichtlinien Version 2008. 189 Seiten. ISBN 978-3-940001-12-2
  • Wolfram Fischer: Diagnosis Related Groups (DRGs) und Pflege. Grundlagen, Codierungssysteme, Integrationsmöglichkeiten. Huber, Bern 2002, ISBN 3-456-83576-0
  • Peter Indra: Die Einführung der SwissDRGs in Schweizer Spitälern und ihre Auswirkungen auf das schweizerische Gesundheitswesen. Verlag Schweiz. Gesellschaft für Gesundheitspolitik SGGP, Zürich 2004, ISBN 3-85707-80-3 (formal falsche ISBN)
  • Jens Flintrop: Auswirkungen der DRG-Einführung - Die ökonomische Logik wird zum Maß der Dinge, Deutsches Ärzteblatt 46 (2006), 3085 ISSN 0012-1207 Online-Ausgabe
  • Thomas Müller: DRG-Basiswissen für Ärzte und Kodierer. Medizificon Verlag (2007) ISBN 978-3-9810027-5-1
  • Bartkowski R, Bauer H, Witte J: G-DRG Praxiskommentar zum Deutschen Fallpauschalen-System. ecomed Medizin (2007) ISBN 978-3-609-10500-0
  • Boris Rapp: Praxiswissen DRG - Optimierung von Strukturen und Abläufen. Kohlhammer-Verlag (2007) ISBN 978-3-17-019396-3

Einzelnachweise

  1. Thompson JD, Fetter RB, Mross CD.: Case mix and resource use. Inquiry. 1975 Dec;12(4):300-12.
  2. DRGs - Their Design and Development, Robert B. Fetter, Health Administration Press, Ann Arbor, Michigan 1991, ISBN 0-910701-60-1
  3. [1] Lessons of the New Jersey DRG payment system, William C. Hsiao, Harvey M. Sapolsky, Daniel L. Dunn and Sanford L. Weiner, 1986
  4. SwissDRG AG
  5. Ausschreibung im Amtsblatt der EU
  6. Plusminus: Falsche Klinikrechnungen, 28. März 2008
  7. Jahrestagung DGGÖ, Berlin 2010
  8. [2]
  9. SGB X §21 Beweismittel
  10. SGB X §67b Einwilligung
  11. SGB X §78 Datenvermeidung
  12. SGB X §98 Ausführung des Auftrags
  13. SGB X §101 Auskunftspflicht der Leistungsträger

Weblinks


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