Dialektik bei Marx-Engels

Dialektik bei Marx-Engels

Dialektik bei Marx und Engels meint die Methode der Untersuchung und der Theoriedarstellung, die Karl Marx und Friedrich Engels aus der kritischen Rezeption der Philosophie Hegels heraus, insbesondere seiner Dialektik, mit der Zielsetzung entwickelt haben, sie auf Fragen der Philosophie und der politischen Ökonomie anzuwenden.

Marx und Engels folgten dabei der Kritik durch Ludwig Feuerbach an Hegels objektivem Idealismus und grenzten sich von der Hegelei der Junghegelianer ab, indem sie strebten, ihre dialektische Methode auf der Grundlage des Materialismus einzusetzen.[1]

Die wichtigsten Textstellen hierzu finden sich in Marxens Ökonomisch-philosophischen Manuskripten aus dem Jahre 1844, in der Heiligen Familie, dem Elend der Philosophie sowie in Das Kapital.

Karl Marx und Friedrich Engels suchten mittels der Methode der materialistischen Dialektik, in Verein mit einem als historischen Materialismus genannten Forschungsprogramm auf Basis einer Kritik der bürgerlichen politischen Ökonomie sowie der historisch gegebenen Faktenlage die „Bewegungsgesetze“ der Gesellschaftsgeschichte zu rekonstruieren und die die Selbsterzeugung des gesellschaftlich produzierenden Menschen in Auseinandersetzung mit der materiellen Natur theoretisch zu erfassen.[2]

Inhaltsverzeichnis

Ansatzpunkte dialektischer Vorgehensweise

Karl Marx um 1860

Vorläufer und Vorbilder dialektischen Denkens gibt es in der Philosophie seit ihrem Beginn in der Antike. Geradezu „Meisterwerke der Dialektik“ erblickt Engels in Rameaus Neffe von Diderot sowie in Jean-Jacques Rousseaus Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen.

In der Dialektik von Marx und Engels kann man folgende Ansatzpunkte unterscheiden:

Dialektik Mensch–Natur

Der selbstbewusste Mensch unterwirft sich die Natur als seine ihm bekannte Welt. Nicht ein Gott hat die Welt erschaffen, sondern die Umwelt den Menschen; so verändert der Mensch durch Veränderung der Umwelt auch sich selbst. Diese Selbsterzeugung und fortschreitende Emanzipation des Menschen aus der unorganischen Natur wird zunehmend bewusster und planmäßiger, kann aber die Bindung an die Natur als die materielle Basis nicht völlig abschütteln.

Dialektik als Methode des Aufsteigens vom Abstrakten zum Konkreten

Marx spricht von seiner „dialektischen Methode“ als der dialektischen Interpretation des angeeigneten Stoffes und dessen Kategorien. Insbesondere „Das Kapital“ gilt als Ganzes als eine ausgeführte Dialektik, vergleichbar Hegels Wissenschaft der Logik.

Dialektik als Vermittlung von Logik und Geschichte

Etwa bei der Darstellung, wie aus Ware und Geld sich das Kapital-Verhältnis entwickelt, kann beobachtet werden, wie Marx die Unterscheidung zwischen logischer und historischer Ableitung getroffen hat.

Dialektik der Natur

Engels hat gesucht, die materialistische Dialektik auch im Bereich der Naturwissenschaften bzw. der Theorie der Bewegung der Materie anzuwenden.

Dialektik Mensch–Natur

Anders als bei Hegel, der vom Weltgeist als Schöpfer der Welt ausgeht (Idee) und dessen Dialektik eine der Begriffe ist (Begriff > Negation > Negation der Negation), bezieht sich Marx auf die reale Welt mit realen Menschen – und dieses Verhältnis „Natur ↔ Mensch als Teil der Natur“ ist die Grundlage seiner „dialektischen Methode. Das Verhältnis „Natur ↔ Mensch“ ist ein praktisch-tätiges, materielle Gegenstände veränderndes Verhältnis. Indem der Mensch – geprägt durch seine Umwelt – dieses Sein (Umwelt) zunehmend bewusst verändert, verändert er sich selbst, und auch materiell, d.h. nicht nur sein Bewusstsein. Die bisherige Entwicklung der Welt, das ist immer nur die menschliche Welt, die, die dem Menschen bekannt ist, kennzeichnet eine aufsteigende Tendenz vom Einfachen zum Komplexen. Diese evolutionäre Tendenz hat bei Marx und Engels jedoch keinen teleologischen Charakter. In der Natur wirkt kein Zweck auf ein Endziel hin noch etwa ein Mechanismus zu höherer Qualität. Für Marx und Engels ist die Natur, die Welt real vorhanden. Doch für den Menschen ist sie nichts, solange sie nicht durch gesellschaftliche Arbeit angeeignet werden kann. Der Zeitpunkt der Menschwerdung wird – mit Benjamin Franklin – als jener angenommen, als der Mensch als „Werkzeug herstellendes Tier“ (toolmaking animal) erschien. Die Arbeitskraft des Menschen ist damit zur Äußerung einer Naturkraft geworden, durch die die planvolle Veränderung der Natur begonnen habe (wenn auch zuerst nur im engen örtlichen Umfang). Im Gegensatz zum Beispiel zur Biene, die die Wabe instinktiv errichtet, baut der Mensch erst im Kopf, was er produzieren will. Der Mensch wird gegenüber der Natur als dem Objekt zum tätigen Subjekt. Und die Dialektik ist also von der Grundlage her eine von Bestandteilen der Natur, ist die wechselseitige Durchdringung zweier Momente, der menschlichen Natur (Objekt) und des natürlichen Menschen (Subjekt).

Im Rahmen der gesellschaftlichen Produktion (innerhalb der Tendenzen ihrer jeweils konkreten Bedingungen) erweiterten sich die Möglichkeiten der Naturbeherrschung und der gesellschaftlichen Gestaltung, solange die ökonomischen Grundlagen (die ökonomische Basis) mit den von ihr geprägten politischen und kulturellen Bedingungen (dem Überbau) immer wieder in weitgehende Übereinstimmung gebracht werden könne. Zur ökonomischen gesellschaftlichen Basis gehören dabei wiederum auch Politik und Kultur (Überbau) als dialektische Momente.

In diesem Prozess verringere sich die Naturwüchsigkeit des Menschen, er emanzipiere sich von Naturzwängen und produziere eine „zweite Natur“ des Menschen; das ist die bearbeitete Natur, in der die Freiheitsgrade zur planvollen Gestaltung des menschlichen Lebens wachsen. Aus der unorganischen Welt entstehe immer mehr die organische Natur des Menschen. Innerhalb der Zwänge der jeweiligen menschlichen Natur entwickle sich durch die gesellschaftliche Praxis eine menschliche Geschichte, deren „Tendenzen“ nicht mit den Gesetzen der (außermenschlichen) Natur gleichzusetzen seien.

Dialektik als die Methode des Aufsteigens vom Abstrakten zum Konkreten

Wenn insbesondere der I. Band des „Kapital“ den Anschein einer a-priori-Konstruktion bzw. eines deduktiv-logischen Beweisganges more geometrico erweckt, [3] so ist 1. zu bedenken, dass die einzelnen Bände des „Kapital“ in umgekehrter Reihenfolge zu ihrer Ausarbeitung erschienen sind und 2. die beabsichtigte Darstellungsform sich an der Modellvorstellung einer dialektischen Totalität orientiert.

Marxens Methode des Aufsteigens vom Abstrakten zum Konkreten [4] vermittelt zwischen Erfahrung und logisch-konstruktivem Denken. Die empirische Wirklichkeit so zu nehmen, wie sie ist, wäre zunächst nichts weiter als ein Chaos von Vorstellungen. Empirische Analysen führen zur Bildung abstrakter Begriffe; diese müssen in einem System logisch geordnet werden. Von den Grundbegriffen (Marx spricht von „ökonomischen Kategorien“) eines solchen wissenschaftlichen Systems ausgehend, muss der Theoretiker in seinem Kopf die konkrete Wirklichkeit als konkrete Totalität von Bestimmungen reproduzieren.

Marx unterschied zwischen der Darstellungs- und Forschungsweise.[5] In der Methode der Forschung zeigt sich die dialektische Methode in der Konfrontation von überlieferten theoretischen Ansätzen untereinander sowie mit den historischen Fakten, die zur durch kritisches Rezipieren zu einem fortschreitenden Prozess der Aufhebung der auftauchenden logischen Widersprüche führt.

Die Darstellung der Ökonomie setzt an objektiv gesellschaftlichen Widersprüchen an, wie sie vor allem in den ökonomischen Verhältnissen wirksam sind. Grundwidersprüche wie die zwischen Wert und Gebrauchswert oder der Doppelcharakter der Arbeit treiben zur Weiterentwicklung und verzweigen sich zu weiteren widersprüchlichen Formen.

Offenkundig lehnt sich Marx relativ eng an hegelsche Ausdrucksweisen an; umstritten hierbei ist, inwieweit diese nicht nur die sprachliche Form, sondern auch den theoretischen Inhalt nicht nur inspiriert,[6] sondern auch logisch beeinflusst haben.[7][8]

Siehe auch Artikel unter Dialektische Darstellungsmethode

Dialektik als Vermittlung von Logik und Geschichte

Die Vorgehensweise des Kapital muss als eine Aufhebung von Hegels Dialektik einerseits und der ökonomischen Modellmethoden von Adam Smith und David Ricardo andererseits gesehen werden. Die Produktionsverhältnisse werden als konkrete Totalität im Kopf des Theoretikers konstruiert, d.h. auf ökonomische Kategorien reduziert, die eine gesellschaftliche Wirklichkeit widerspiegeln, die historisch bestimmt ist, d.h. auf eine ganz bestimmte Gesellschaftsformation rekurrieren. Die Kategorien sind in sich widersprüchlich und geben somit eine konfliktreiche sozio-ökonomische Dynamik wieder, die jeder quantitativen Bestimmbarkeit vorausgeht.

„Die Einteilung offenbar so zu machen, daß 1. die allgemein abstrakten Bestimmungen, die daher mehr oder minder allen Gesellschaftsformen zukommen, aber im oben auseinandergesetzten Sinn. 2. die Kategorien, die die innre Gliederung der bürgerlichen Gesellschaft ausmachen und worauf die fundamentalen Klassen beruhn. Kapital, Lohnarbeit, Grundeigentum.ihre Beziehung zueinander. Stadt und Land. Die drei großen gesellschaftlichen Klassen. Austausch zwischen denselben. Zirkulation. Kreditwesen (privat). 3. Zusammenfassung der bürgerlichen Gesellschaft in der Form des Staats. In Beziehung zu sich selbst betrachtet. Die »unproduktiven« Klassen. Steuern. Staatsschuld. Öffentlicher Kredit. Die Bevölkerung. Die Kolonien. Auswanderung. 4. internationales Verhältnis der Produktion. Internationale Teilung der Arbeit. Internationaler Austausch. Aus- und Einfuhr. Wechselkurs. 5. Der Weltmarkt und die Krisen.“[9]

Die tatsächliche Geschichte schlägt sich in den Kategorien nieder, sie finden in der wirklichen Geschichte ihren konkreten Inhalt. Doch die Reihenfolge in der logischen Entwicklung der ökonomischen Kategorien fällt nicht zusammen mit der wirklichen Reihenfolge in der Geschichte.[10]

„Es wäre also untubar und falsch, die ökonomischen Kategorien in der Folge aufeinander folgen zu lassen, in der sie historisch die bestimmenden waren. Vielmehr ist ihre Reihenfolge bestimmt durch die Beziehung, die sie in der modernen bürgerlichen Gesellschaft aufeinander haben, und die genau das umgekehrte von dem ist, was als ihre naturgemäße erscheint oder der Reihe der historischen Entwicklung entspricht. Es handelt sich nicht um das Verhältnis, das die ökonomischen Verhältnisse in der Aufeinanderfolge verschiedener Gesellschaftsformen historisch einnehmen.“[11]

Um die dialektische Entwicklung der ökonomischen Kategorien bei Marx [12] weiter zu beleuchten und herauszuarbeiten, ist es u.U. hilfreich, diese mit einer analytischen Interpretation zu kontrastieren.[13]

Doch es bleibt der ursprüngliche Anfang dieses danach dann permanenten Prozesses der Selbstreproduktion des Industriekapitals außerhalb der im „Kapital“ vollzogenen Modellbetrachtung.[14]

Dialektik der Natur

In Auseinandersetzung mit Eugen Dühring unternahm es Friedrich Engels im Anti-Dühring, seine und Marxens „dialektische und zugleich materialistische Auffassung der Natur“ [15] darzulegen. Es sollte nachgewiesen werden, „daß in der Natur dieselben dialektischen Bewegungsgesetze im Gewirr der zahllosen Veränderungen sich durchsetzen, die auch in der Geschichte die scheinbare Zufälligkeit der Ereignisse beherrschen; dieselben Gesetze, die, ebenfalls in der Entwicklungsgeschichte des menschlichen Denkens den durchlaufenden Faden bildend, allmählich den denkenden Menschen zum Bewusstsein kommen; die zuerst von Hegel in umfassender Weise, aber in mystifizierter Form entwickelt worden, und die aus dieser mystischen Form herauszuschälen und in ihrer ganzen Einfachheit und Allgemeingültigkeit klar zur Bewußtheit zu bringen, eine unsrer Bestrebungen war.“[16]

Es konnte sich für Engels dabei nicht um eine aprioristische Systemkonstruktion in der Tradition der alten Naturphilosophie oder um eine Konstruktion aus dem logischen Denken heraus wie bei Hegel handeln. Sondern um die dynamischen Gesetze der Entwicklung, und zwar anders als bei Hegel auch der geschichtlichen Entwicklung der Natur, in der Wirklichkeit aufzuspüren, wobei sich an den Dialektischen Grundgesetzen zu orientieren sehr fruchtbar sein könne.[17] Für Engels war dialektisches Denken in den Naturwissenschaften besonders hilfreich, um metaphysisch-dogmatisches Begriffsdenken zu überwinden und dynamisch-relative Beziehungen der Wechselwirkung darzustellen. Wenn die materialistische Dialektik alle diese Hebammendienste geleistet hätte, so bedürfe es im Grunde keiner besonderen Naturphilosophie mehr, da die Naturwissenschaften selbst die wirkliche Dialektik umfassen würden.

Bei der Darstellung seiner „Dialektik von deduktiven und induktiven Schlussweisen“ zur Überprüfung wissenschaftlicher Theorien ist Engels auch in den nach seinem Tode publizierten Manuskripten zur Dialektik der Natur nicht ausgesprochen präzise. Er hat sich damit jedenfalls alle Türen hin zu einer wissenschaftlichen Methodologie offen gehalten und konnte dabei dennoch Verabsolutierungen wie zum Beispiel die eines „All-Induktionismus“ zurückweisen.[18]

Kritik der Dialektik

Grundsätzliche Kritik

Die Argumente gegen „die“ Dialektik reichen vom Vorwurf der Dunkelheit, Verworrenheit und eines trivialen Schematismus bis hin zu dem offenkundiger oder versteckter Irrationalität. Im Mittelpunkt steht insbesondere das Verhältnis von Dialektik zur Logik und die Frage, ob Dialektik gegen den Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch verstoße. [19] Man kann dieser Kritik insofern eine gewisse Plausibilität nicht absprechen, als viele selbst ernannte „Dialektiker“ (auch in der Nachfolge von Marx und Engels) es verabsäumen, sich in dieser Frage klar und deutlich zu positionieren.[20]

Die Kontroverse um die Grundlagen logischen Denkens: Inwiefern kann der Satz des Widerspruchs bestritten werden? muss man füglich trennen von der Frage: Inwieweit lassen sich bestimmte dialektische Argumente mit dem Satz des Widerspruchs in Einklang bringen? Nicht selten will ein Autor jedoch nur mit paradoxen Wendungen rhetorisch glänzen, die sich bei näherem Hinsehen in eine logisch einwandfreie Form bringen lassen. Aus solchen literarischen Fundstellen lässt sich hinwieder nicht ableiten, dass es sich bei aller Dialektik insgesamt nur um Sophismus handeln könne.

Während Hegel aufgrund der Identität von Denken und Sein die Behandlung von Denk- und Naturgesetzen einerlei ist, muss man bei Marx und Engels zwischen der subjektiven und der objektiven Dialektik unterscheiden. Die Dialektik gewinnt dadurch bei ihnen trotz der Entlehnung der Kategorien aus Hegel (insbesondere der Logik) eine ganz andere, eigentümliche Bedeutung und Anwendungsweise. Manche Kritiker sehen darin den Unsinn zur Potenz erhoben; das beweist aber nur eine dogmatische Überzeugtheit, nur eine hegelsche Dialektik könne grundsätzlich einsichtig und durchführbar sein.

Analytische Interpretationen der marxschen Dialektik wie die von Ulrich Steinvorth oder Jon Elster lassen sich als Kritik an Hegelei als bloß störender Zutat bei Marx (so die Kritik Schumpeters) auffassen. Andererseits können sie jedoch auch als ein Nachweis aufgefasst werden, dass eine nicht kontradiktorische Formulierung der ökonomischen Hypothesen Marxens grundsätzlich durchführbar ist.

Einzelne Kritikpunkte

Kritisch gesehen wird die „Engelssche“ Dialektik der Natur. Nach Jean-Paul Sartre können nur menschliche Gesellschaften als Totalität dialektisch begriffen werden, auch wenn er einräumt, dass in der Biologie der Übergang von toter Materie zum Leben noch ungeklärt wäre und dass dies vielleicht auch in der Biologie eine dialektische Methode erforderlich machen würde. Das „könnte“ sein, müsste es aber nicht.[21] Auch Georg Lukács wird eine Kritik an der „Dialektik der Natur“ von Engels zugeschrieben.[22]

Quellen

  1. „Meine dialektische Methode ist der Grundlage nach von der Hegelschen nicht nur verschieden, sondern ihr direktes Gegenteil. Für Hegel ist der Denkprozeß, den er sogar unter dem Namen Idee in ein selbständiges Subjekt verwandelt, der Demiurg des Wirklichen, das nur seine äußere Erscheinung bildet. Bei mir ist umgekehrt das ideelle nichts andres als das im Menschenkopf umgesetzte und übersetzte Materielle. Die mystifizierende Seite der Hegelschen Dialektik habe ich vor beinah 30 Jahren, zu einer Zeit kritisiert, wo sie noch Tagesmode war. Aber grade als ich den ersten Band des »Kapital« ausarbeitete, gefiel sich das verdrießliche, anmaßliche und mittelmäßige Epigonentum, welches jetzt im gebildeten Deutschland das große Wort führt, darin, Hegel zu behandeln, wie der brave Moses Mendelssohn zu Lessings Zeit den Spinoza behandelt hat, nämlich als »toten Hund«. Ich bekannte mich daher offen als Schüler jenes großen Denkers und kokettierte sogar hier und da im Kapitel über die Werttheorie mit der ihm eigentümlichen Ausdrucksweise. Die Mystifikation, welche die Dialektik in Hegels Händen erleidet, verhindert in keiner Weise, daß er ihre allgemeinen Bewegungsformen zuerst in umfassender und bewußter Weise dargestellt hat. Sie steht bei ihm auf dem Kopf. Man muß sie umstülpen, um den rationellen Kern in der mystischen Hülle zu entdecken.“[Marx: Das Kapital, S. 26. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 3335 (vgl. MEW Bd. 23, S. 27-28)]
  2. „In ihrer mystifizierten Form ward die Dialektik deutsche Mode, weil sie das Bestehende zu verklären schien. In ihrer rationellen Gestalt ist sie dem Bürgertum und seinen doktrinären Wortführern ein Ärgernis und ein Greuel, weil sie in dem positiven Verständnis des Bestehenden zugleich auch das Verständnis seiner Negation, seines notwendigen Untergangs einschließt, jede gewordne Form im Flusse der Bewegung, also auch nach ihrer vergänglichen Seite auffaßt, sich durch nichts imponieren läßt, ihrem Wesen nach kritisch und revolutionär ist. Die widerspruchsvolle Bewegung der kapitalistischen Gesellschaft macht sich dem praktischen Bourgeois am schlagendsten fühlbar in den Wechselfällen des periodischen Zyklus, den die moderne Industrie durchläuft, und deren Gipfelpunkt - die allgemeine Krise. Sie ist wieder im Anmarsch, obgleich noch begriffen in den Vorstadien, und wird durch die Allseitigkeit ihres Schauplatzes, wie die Intensität ihrer Wirkung, selbst den Glückspilzen des neuen heiligen, preußisch-deutschen Reichs Dialektik einpauken.“ [Marx: Das Kapital, S. 27. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 3336 (vgl. MEW Bd. 23, S. 28)]
  3. wie etwa erwogen von: Eugen von Böhm-Bawerk: Zum Abschluß des Marxschen Systems, in: Friedrich Eberle, (Hrg.): Aspekte der Marxschen Theorie 1. Zur methodologischen Bedeutung des 3. Bandes des ‘Kapital’, Frankfurt 1973, S. 25ff
  4. Marx: Einleitung [zur Kritik der politischen Ökonomie]., S. 34 ff. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 2791 ff. (vgl. MEW Bd. 13, S. 631 ff.)
  5. „Allerdings muß sich die Darstellungsweise formell von der Forschungsweise unterscheiden. Die Forschung hat den Stoff sich im Detail anzueignen, seine verschiednen Entwicklungsformen zu analysieren und deren innres Band aufzuspüren. Erst nachdem diese Arbeit vollbracht, kann die wirkliche Bewegung entsprechend dargestellt werden. Gelingt dies und spiegelt sich nun das Leben des Stoffs ideell wider, so mag es aussehn, als habe man es mit einer Konstruktion a priori zu tun.“[Marx: Das Kapital, S. 25. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 3334 (vgl. MEW Bd. 23, S. 27)]
  6. Schumpeter spricht von der „Einheit der sozialen Vision“ und sagt von Marx: „Er liebte es, von seinem Hegelianismus Zeugnis abzulegen und die Hegelsche Ausdrucksweise zu gebrauchen. Das ist aber auch alles. Nirgends hat er die positive Wissenschaft an die Metaphysik verraten.“ (Joseph A. Schumpeter: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, Tübingen 6. Aufl. 1987, zuerst: 1942, S. 24f)
  7. Werner Becker: Kritik der Marxschen Wertlehre. Die methodische Irrationalität der ökonomischen Basistheorien des „Kapitals“, Hamburg 1972 behauptet einen fundamentalen logischen Irrtum entdeckt zu haben, um dann wegen Irrationalität die marxsche Theorie endgültig zu widerlegen.
  8. Christopher J. Arthur (2004) geht von einer dialektischen Darstellung gemäß der Wissenschaft der Logik aus.
  9. Marx: Einleitung [zur Kritik der politischen Ökonomie], S. 49f. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 2806f (vgl. MEW Bd. 13, S. 639f)
  10. Als Gegenthese wird das Zitat von Engels genannt: „Die logische Behandlungsweise war also allein am Platz. Diese aber ist in der Tat nichts andres als die historische, nur entkleidet der historischen Form und der störenden Zufälligkeiten. Womit diese Geschichte anfängt, damit muß der Gedankengang ebenfalls anfangen, und sein weiterer Fortgang wird nichts sein als das Spiegelbild, in abstrakter und theoretisch konsequenter Form, des historischen Verlaufs; ein korrigiertes Spiegelbild, aber korrigiert nach Gesetzen, die der wirkliche geschichtliche Velauf selbst an die Hand gibt, indem jedes Momenet auf dem Entwicklungspunkt seiner vollen Reife, seiner Klassizität betrachtet werden kann.“ Karl Marx, ‚Zur Kritik der Politischen Ökonomie‘ MEW 13, S. 475. Vgl. auch Hegel: „Nach dieser Idee behaupte ich nun, daß die Aufeinanderfolge der Systeme der Philosophie in der Geschichte dieselbe ist als die Aufeinanderfolge in der logischen Ableitung der Begriffsbestimmungen der Idee.“ Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, A, 3: Resultate für den Begriff der Geschichte der Philosophie; andererseits Hegel: „Die bürgerliche Gesellschaft ist die Differenz, welche zwischen die Familie und den Staat tritt, wenn auch die Ausbildung derselben später als die des Staates erfolgt; denn als die Differenz setzt sie den Staat voraus, den sie als Selbständiges vor sich haben muß, um zu bestehen.“ Grundlinien der Philosophie des Rechts, dritter Teil, zweiter Abschnitt „Die bürgerliche Gesellschaft“, in der wissenschaftlichen Darstellung folgt dann aber später Dritter Abschnitt ‚Der Staat‘ ; vgl. dazu auch Chris Arthur 2002, S. 17ff.
  11. Marx: Einleitung [zur Kritik der politischen Ökonomie]. S. 47f. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 2804f (vgl. MEW Bd. 13, S. 638f)
  12. Evald Ilyenkov: Dialectics of Abstract & Concrete. 1960
  13. Ulrich Steinvorth: Eine analytische Interpretation der Marxschen Dialektik. Meisenheim 1977; Jon Elster: Making Sense of Marx. Cambridge 1985
  14. „Formen, die der kapitalistischen Produktion vorhergehen“, (Marx: Formen, die der kapitalistischen Produktion vorhergehen. S. 1. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 2814 (vgl. MEW Bd. 42, S. 383)
  15. Engels: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft,S. 13. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 7644 (vgl. MEW Bd. 20, S. 10-11)]
  16. Engels: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft, S. 14. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 7645 (vgl. MEW Bd. 20, S. 11-12)]
  17. „So fiel Hegel hier weit hinter Kant zurück, dessen Nebulartheorie bereits die Entstehung, und dessen Entdeckung der Hemmung der Erdrotation durch die Meeresflutwelle auch schon den Untergang des Sonnensystems proklamiert hatte. Und endlich konnte es sich für mich nicht darum handeln, die dialektischen Gesetze in die Natur hineinzukonstruieren, sondern sie in ihr aufzufinden und aus ihr zu entwickeln.“(Engels: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft, S. 15. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 7646 (vgl. MEW Bd. 20, S. 12)
  18. „Die Leute haben sich so in den Gegensatz von Induktion und Deduktion festgeritten, daß sie alle logischen Schlußformen auf diese 2 reduzieren und dabei gar nicht merken, daß sie 1 , unter jenen Namen ganz andre Schlußformen unbewußt anwenden, 2. den ganzen Reichtum der Schlußformen entbehren, soweit er sich nicht unter jene 2 zwängen läßt, und 3. damit die beiden Formen: Induktion und Deduktion, selbst in reinen Blödsinn verwandeln.“ [Engels: Dialektik der Natur, S. 349. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 8668 (vgl. MEW Bd. 20, S. 494)]
  19. Dialektik für Popper
  20. Siehe zu den Vertretern des „Dialektischen Materialsmus“ den Überblick von Hermann Vetter.
  21. Kritik der dialektischen Vernunft -- Bd.1, Theorie der gesellschaftlichen Praxis, Reinbek (Januar 1981), ISBN 3-498-06058-9. Einleitung, Teil A: Dogmatische Dialektik und kritische Dialektik
  22. Laszlo Illes „Introduction to the Hungarian edition (1996)“ in: Georg Lukacs Tailism and the dialectic - a defence of history and class consciousness. Translated by Esther Leslie. Verso, London, New York. 2000. ISBN 1-85984-747-1. S. 40. Das deutsche Original Chvostismus und Dialektik, Aron Verlag Budapest 1996, scheint derzeit (2008) nicht erhältlich. Anders John Rees: John Rees: The Algebra of Revolution - The dialectic and the classical Marxist tradition.. Routledge, London und New York 1998, ISBN 0-415-19876-3, 0-415-19877-1, S. 251f.. 

Literatur

  • Hermann Vetter: Die Stellung des Dialektischen Materialismus zum Prinzip des ausgeschlossenen Widerspruchs, Berlin 1962
  • Gert Schäfer, Zum Problem der Dialektik bei Karl Marx und W. I. Lenin, 21, Studium Generale, 1968, S. 934ff
  • Otto Morf: Geschichte und Dialektik in der politischen Ökonomie. Zum Verhältnis von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte bei Karl Marx. Frankfurt Wien 1970 (zuerst: 1951)
  • Werner Becker: Idealistische und materialistische Dialektik, Stuttgart Berlin Köln Mainz 1970
  • Jindrich Zelený: Die Wissenschaftslogik bei Marx und ‘Das Kapital’, Frankfurt Wien 1970
  • Autorenkollektiv (M. M. Rosental, N. N. Trubnikow, G. S. Batistschew, W. P. Kusmin, S. M. Orudshew, E. E. Iljenkow, A. A. Sorokin, I. A. Mankowski, I. A. Shdanow, B. A. Tschagin, W. W. Keschelawa): Geschichte der marxistischen Dialektik. Von der Entstehung des Marxismus bis zur Leninschen Etappe. Dietz Verlag 1. Aufl. Berlin 1974 (russ. Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Institut für Philosophie, Moskau 1971)
  • Werner Schuffenhauer: Feuerbach und der junge Marx, Berlin 1972
  • Heinz Kimmerle (Herausgeber): Modelle der materialistischen Dialektik, Den Haag 1978 ([1])
  • Alfred Schmidt: Der Begriff der Natur in der Lehre von Marx, Frankfurt 1978
  • Judith Jánoska, Martin Bondeli, Konrad Kindle, Marc Hofer: Das 'Methodenkapitel' von Karl Marx. Ein historischer und systematischer Kommentar, Basel 1994
  • Sahra Wagenknecht: Vom Kopf auf die Füße. Zur Hegelkritik des jungen Marx oder das Problem einer dialektisch-materialistischen Wissenschaftsmethode, Bonn 1997
  • Dieter Wolf, Auswahl aus: Der dialektische Widerspruch im Kapital Der dialektische Widerspruch im Kapital. Ein Beitrag zur Marxschen Werttheorie. Hamburg, 2002, ISBN 3-87975-889-1
  • Dieter Wolf: Dialektische Methode in: Kritische Theorie und Kritik der Politischen Ökonomie. Teil A, Zur Konfusion des Wertbegriffs. Wissenschaftliche Mitteilungen. Heft 3. Argument Verlag, Hamburg, 2004, ISBN 3-88619-651-8, PDF [2]
  • Dieter Wolf, Zum Übergang vom Geld ins Kapital in den Grundrissen, im Urtext und im Kapital Warum ist die „dialektische Form der Darstellung nur richtig, wenn sie ihre Grenzen kennt“? in Beiträge zur Marx-Engels-Forschung ,Neue Folge 2007, Hamburg, 2007, S. 45 ff. ISBN 978-3-88619-667-8

Englisch

  • Thomas T. Sekine: An Outline of the Dialectic of Capital, 2 Bde., London, New York 1997; international: ISBN 0-333-66677-1 (Bd. 1), ISBN 0-333-66678-X (Bd. 2); Nordamerika: ISBN 0-312-17559-0 (Bd. 1), ISBN 0-312-17560-4 (Bd. 2), ISBN 0-312-17558-2 (Satz).
  • Christopher J. Arthur: The New Dialectic and Marx's Capital Historical Materialism Book Series, 1, Leiden 2004. ISBN 978-90-04-13643-4, ISBN 90-04-13643-6.

Weblinks


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