Die 13 1/2 Leben des Käpt’n Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käpt’n Blaubär

Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär (Untertitel: „Die halben Lebenserinnerungen eines Seebären, mit zahlreichen Illustrationen und unter Benutzung des Lexikons der erklärungsbedürftigen Wunder, Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller.“) ist der erste Zamonien-Roman von Walter Moers (EA: 1999). Moers schildert hier das Leben seines Protagonisten Käpt’n Blaubär und wendet sich dabei im Gegensatz zu den Käpt’n Blaubär-TV-Episoden in der Sendung mit der Maus eindeutig an ein erwachsenes Publikum.

Inhaltsverzeichnis

Die lexikonartigen Einschübe

Ebenfalls anders an dieser Käpt’n-Blaubär-Figur ist, dass sein Leben nicht in unseren menschlichen Breitengraden angesiedelt ist, sondern sich auf dem fiktiven Kontinent Zamonien abspielt. Hier gehört der Blaubär zur „zamonischen Daseinsform“ der Buntbären. Moers nutzt dieses Buch und den Gang der Handlung um zahlreiche andere fantasievolle „zamonische Daseinsformen“ vorzustellen. Diese sind wiederum im Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder, Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller (siehe Untertitel) in pseudo-naturwissenschaftlicher Weise beschrieben. Als Vorbild hierfür kann das inzwischen nicht nur „im Brehm“, sondern auch in jeder guten deutschen Enzyklopädie aufgeführte Morgenstern-Nasobem (Nasobema lyricum) gelten. Seinen Witz bezieht diese Darstellungsform zunächst daraus, dass der objektive Ton den eindeutig fiktionalen Charakter der Daseinsformen konterkariert. Das Buch bezieht sich damit parodistisch auf die literarische Tradition der fingierten Lexikonartikel.

Handlung

Der Titel nimmt Bezug auf die 27 Leben, die ein Blaubär hat. Aber nur über die ersten 13½ Leben erzählt der Protagonist. Moers beschreibt im Ich-Erzählstil die Ereignisse dieser Leben aus Blaubärs Sicht in 14 Kapiteln (wobei jedes ein, bzw. ein halbes Leben schildert).

1. Kapitel: Mein Leben als Zwergpirat

Das erste, woran sich der Blaubär erinnert, ist, dass er in einer Nussschale auf einen gigantischen Mahlstrom mit Namen Malmstrom (nordöstlich von Zamonien) zutreibt. Er wird von den Zwergpiraten aufgefischt und großgezogen und lernt alles über die Seefahrt.

2. Kapitel: Mein Leben bei den Klabautergeistern

Die Klabautergeister ergötzen sich an der Angst wehrloser Kreaturen und sind gierig nach Tränen. Blaubär gelingt es, durch künstlerisch ausgestaltete Wein-Vorführungen das Wohlwollen der Klabautergeister zu erhalten.

Klabautergeister spielen auf den Klabautermann-Aberglauben an.

3. Kapitel: Mein Leben auf der Flucht

Blaubär flieht aufs Meer und begegnet dort erstmals der „Moloch“, einem Riesenschiff, macht Bekanntschaft mit den Tratschwellen, bei denen er das Sprechen lernt. Später zieht er weiter auf dem Rücken eines Tyrannowalfisch Rex. Er tut dem Wal den Gefallen, dessen knorpeligen Rücken von etlichen Harpunen zu befreien, und dieser setzt ihn zum Dank nahe einer Insel aus.

Der Name Tyrannowalfisch Rex ist zweifellos eine Anspielung an einen der größten Fleischfresser auf dem Land, dem Tyrannosaurus rex.

4. Kapitel: Mein Leben auf der Feinschmeckerinsel

Auf der Insel wachsen allerlei Köstlichkeiten (vergleichbar mit dem Schlaraffenland). Hier führt Blaubär das Leben eines Gourmets bis er so fett geworden ist, dass er nicht mehr laufen kann. Die Insel entpuppt sich als fleischfressende Pflanze, doch bevor sie den Blaubär verschlingen kann wird er durch einen Pterodaktylus Salvatus, einer rettenden Flugechse, gerettet.

Das Kapitel ist eine Anspielung auf Gottfried August Bürgers „Münchhausens Abenteuer“ auf der Käse-Insel und Daniel DefoesRobinson Crusoe“.

5. Kapitel: Mein Leben als Navigator

Auf dem Rücken der rettenden Flugechse reisend lernt er die ganze Welt kennen, „Deus X. Machina“ – doch die Echse nennt sich einfachhalber „Mac“ – hat jedoch so schlechte Augen, dass er bei seinen Einsätzen als Deus ex machina von Blaubär gelotst werden muss. Als Mac aus Altersgründen seinen Job aufgibt, gibt er Blaubär in die Finsterberge.

6. Kapitel: Mein Leben in den Finsterbergen

Blaubär besucht die Nachtschule von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller und lernt dort die Freunde Qwert Zuiopü, den Gallertprinzen, sowie die Berghutze Fredda kennen. Später wird er entlassen und muss in den Finsterbergstollen umher irren, bis er einen Ausweg findet. Er begegnet einem Stollentroll, dem verabscheuungswürdigsten aller zamonischen Lebewesen, und einer Finsterbergmade, die Löcher in die Tunnelwand fräst. Durch eines dieser Löcher wird Blaubär bei einem großen Finsterberggewitter herausgespült. Ebenfalls trifft er Qwert, der vor ihm in den Stollen geschickt wurde. Blaubär schubst ihn in ein Dimensionsloch.

Der Name Qwert Zuiopü besteht aus den Buchstaben der obersten Reihe einer deutschen PC- bzw. Schreibmaschinen-Tastatur, entsprechend in der englischen Übersetzung Qwerty Uiop.

7. Kapitel: Mein Leben im großen Wald

Durch berückende Trugbilder verlockt, geht er in den Großen Wald, wo er durch einen Trick einer Waldspinnenhexe ins Netz geht. Doch löst sich dieses unter dem Tau auf den Bäumen, der auf ihn niederregnet, auf. Nach abenteuerlichem Marathonrennen entkommt Blaubär, indem er in ein Dimensionsloch stolpert.

8. Kapitel: Mein Leben im Dimensionsloch

Der Blaubär landet in der Dimension seines Freundes Qwert Zuiopü. Dann springt er erneut in ein Dimensionsloch und landet an alter Stelle, doch zu neuer Zeit.

Dies erinnert an die Ursprünge der SciFi-Romane „Reise zum Mond“ (Cyrano de Bergerac) und „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ (Jules Verne).

9. Kapitel: Mein Leben in der süßen Wüste

Er schließt sich den herumziehenden Gimpeln an, die auf der Suche nach der Stadt Anagrom Ataf sind. Er ermöglicht diesen, ihre ersehnte Stadt zu bewohnen, doch werden die Gimpel dies schnell überdrüssig, weshalb Blaubär sie auf die Suche nach einer (nicht existierenden) Stadt schickt. Danach zieht er weiter.

Das Kapitel ist eine Anspielung auf Frank Herberts Der Wüstenplanet. Der Name der gesuchten Stadt ergibt rückwärts gelesen „Fata Morgana“. Das neue Ziel der Gimpel, nachdem sie „Anagrom Ataf“ verlassen mussten, heißt „Tsnips-Eg’N-Rih“, was nichts anderes heißt als „Hirngespinst“ (rückwärts gelesen).

10. Kapitel: Mein Leben in der Tornadostadt

An einer Haltestelle besteigt er einen Ewigen Tornado und trifft in dessen Inneren auf vergreiste Bewohner, die in einer Art Stadt leben. Auch er vergreist in wenigen Augenblicken. In einem der seltenen Momente des Tornado-Stillstandes entkommen der Käpt’n und auch einige andere Bewohner der Tornadostadt. Und sie verjüngen sich auch wieder.

11. Kapitel: Mein Leben im Großen Kopf

Blaubär betritt den abgelegten und mehrere Kilometer großen Kopf eines zamonischen Riesen (Bollog). Blaubär bildet sich zum Virtuosen auf der Traumorgel aus und feiert künstlerische Triumphe. Er braucht das Geld, das er dafür bekommt, um eine Landkarte des Bolloggehirns zu erhalten, sonst könnte er nie wieder heraus kommen.

12. Kapitel: Mein Leben in Atlantis

In der Großstadt „Atlantis“ arbeitet Blaubär als Fellkämmer, Etikettierer in einer Blutpfandleihe, als Gruselschreier in einem Wachsfigurenkabinett und als Pizzabäcker. Schließlich wird er der erfolgreichste Lügengladiator aller Zeiten. Er scheitert jedoch an den mafiosen Strukturen des Lügengewerbes und wird zur Verbannung auf das Riesenschiff „Moloch“ verurteilt. Die Tatsache, dass er der erfolgreichste Lügengladiator aller Zeiten war, begründet seine spätere Neigung zu dieser Sünde, mit der er berühmt geworden ist.

Auf Freiherr von Münchhausen und die Legende um die Stadt „Atlantis“ soll zweifellos auch damit angespielt werden.

13. Kapitel: Mein Leben auf der Moloch

Die „Moloch“ wird beherrscht vom Zamomin, einer zerstörerischen Substanz, die als Gegenkraft Abdul Nachtigallers segensreiches Wirken zunichte machen will, letztendlich aber von Nachtigaller besiegt wird. Die Moloch besteht vollständig aus Eisen. Alle Insassen der Moloch werden befreit, Blaubär erfährt die Geschichte seiner Herkunft und verbindet sich mit einem befreiten Buntbärenmädchen.

13½. Kapitel: Mein halbes Leben in Ruhe

Hier wird Blaubär wortkarg und wir erfahren so gut wie nichts über sein Glück mit dem Buntbärenmädchen Avriel. Denn sein Glück ist so groß, dass er darüber schweigt. Dies ist eine Art Protzerei mit der Tatsache, dass Blaubär das „Happy End“ in Zamonien erfand. Die Struktur der halben Biographie wird von Moers nochmal in Ensel und Krete wieder aufgegriffen.

Bedeutung des Buches für die anderen Zamonien-Romane

Moers wählte seine bekannteste Erfindung, die Figur des Käpt’n Blaubär, als Protagonisten seines ersten Romans. Obwohl dieser keinesfalls ausschließlich ein Kinderbuch, sondern ebenfalls ein humorvolles Buch für Erwachsene ist, die Figur des Zamoniers Käpt’n Blaubär darüber hinaus in vielen Details von seinem berühmten Vorbild abweicht, funktionierte es: Moers hatte auf diese Weise dem Buch zu schneller Popularität verholfen. Der Autor beschloss ein weiteres Buch zu verfassen, mit dem er an den Erfolg des Blaubärs anknüpfte: Ensel und Krete. Dieses Werk beginnt, wenngleich viele Jahre später, so doch inhaltlich an der Stelle, an der der Blaubär aufhörte, ist also eine Art Fortsetzung. Des Weiteren wird im Nachfolgeroman die Figur Käpt’n Blaubär – in seiner Funktion als Lügengladiator – erwähnt und beurteilt. Auch in seinem dritten Zamonien-Roman Rumo & die Wunder im Dunkeln stellt Moers eine Verbindung zu seinem ersten Text her, indem er eine Nebenfigur des Käpt’n Blaubär zur Hauptperson macht: Rumo, den Wolpertinger, dem der Blaubär zusammen mit dem Flugsaurier Deus X. Machina einst das Leben rettete. Die Abenteuergeschichte Rumos ist also eine Biografie, die wir nur lesen können, weil der Blaubär in das Leben des Helden trat. Erst Die Stadt der Träumenden Bücher kann man als ‚blaubärfrei‘ bezeichnen, da die Figur überhaupt nicht mehr – weder direkt noch indirekt – erwähnt wird. Es bleiben dem Leser nur die kleinen intertextuellen Bezüge: So taucht zum Beispiel die Berghutze Fredda als Autorin einer Gedichtsammlung auf, Rumo als Kartenspiel und der Schattenkönig in seinem Spiegelsaal erinnert an König Ludwig II. von Bayern, der bereits im Blaubär als der wahnsinnige König Kivdul II. erwähnt wird.

Doch nimmt dieses dritte Buch, wenn man es als erstes liest (was nicht ungewöhnlich wäre, da die Bücher eigentlich in loser zeitlicher Reihenfolge stehen), den anderen auch ein Stück Spannung: So fragt sich der Leser am Ende des Rumo-Romans, ob der Blaubär den Einflüsterungen des Zamomins standhalten kann. Das gleiche Schema tritt in Rumo & die Wunder im Dunkeln auf. Auch dort soll Rumo den Machtsuggestionen des Zamomins, dessen erstes ‚Opfer‘ General Tick Tack war, erliegen. Eine Szene, die in ihrer ganzen Dimension nur erfassbar ist, wenn der Leser auch den Käpt’n Blaubär kennt. Dieser weiß jedoch bei der Lektüre des Rumo schnell, dass dieser Held sich nicht mit dem Zamomin verbünden wird: Rumo vertritt zu sehr den klassischen „Heldentypus“, dessen Verhalten sich in klaren Entscheidungen und nicht in Ambivalenz äußert.

Textausgaben

  • Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär, Eichborn Verlag, Frankfurt a.M. 1999. (Gebundene Ausgabe)
  • Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär (Nummerierte Luxusausgabe), Eichborn Verlag, Frankfurt a.M. 1999. (Gebundene Ausgabe)
  • Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär, Goldmann Verlag, München 2001. (Taschenbuch-Ausgabe)
  • Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär, Goldmann Verlag, München 2002. (Taschenbuch-Ausgabe)
  • Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär, Eichborn Verlag, Frankfurt a.M. 2002. (Hörbuch)
  • Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär, Goldmann Verlag, München 2005. (Taschenbuch-Ausgabe)
  • Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär, Eichborn Verlag, Frankfurt a.M. 2006. (Hörbuch, gelesen von Dirk Bach)
  • Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär, Eichborn Verlag, Frankfurt a.M. 2006. (Gebundene Sonderausgabe)



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