Die Heimkehr

Die Heimkehr

Die Heimkehr ist ein Roman von Bernhard Schlink. Das Buch ist auch als Hörbuch vom Diogenes Verlag erhältlich.

Das 375 Seiten starke Buch Schlinks ist in fünf Teile gegliedert, wobei der erste die Kindheit und Jugend des Protagonisten Peter Debauer zum Inhalt hat, den zweiten widmet er dessen erster Beziehung mit Barbara. Die trostlose Zeit, in der er sich auf Irrfahrten der Liebe befindet, findet im dritten Teil statt. Der vierte Teil beschreibt erneut die Beziehung zu Barbara, die durch das Bekanntwerden seines leiblichen Vaters in Schwierigkeiten gerät. Der fünfte und letzte Teil beinhaltet folgerichtig die Begegnung mit seinem Vater.

All diese Teile sind in jeweils in circa 16 Kapitel unterteilt, von denen jedes an die 5 Seiten fasst. In diesen Kapitel sind kleinere Einzelhandlungen beschrieben, in denen der Ort immer derselbe bleibt. Bei Veränderung des Ortes beginnt ein neues Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

Zeit

Die genau datierten Zeitangaben zu den Geschehnissen der Handlung und der jeweiligen in Bezug zueinander stehenden Personen sind sehr spärlich und vor allem nicht chronologisch geführt. Jedoch lassen sich mittels weniger präziser Angaben viele weitere Geschehnisse genau datieren und in Zusammenhang mit den damaligen geschichtlichen Ereignissen bringen. Die Geschichte des Suchenden spielt sich hauptsächlich in den 80er Jahren ab.

Personen

Die Personenkonstellation ist zu Beginn des Romans noch ungeklärt. Personen zu den verschiedenen Ebenen, die dem Roman zu Grunde liegen, treten auf, und erst im Verlaufe des Buches werden alle Beziehungen in direktem Bezug oder nur auf Grund der Geschichte zur Geschichte geklärt. Aus diesen Verflechtungen verschiedener erlebter, erdachter und der Vergangenheit angehörender Geschichten begegnen wir vielen Personen im Buch, wobei nur einige für die Geschichte selbst von Bedeutung sind. Die wenigen, die dem Roman Bedeutung verleihen, werden kurz in Beziehung gebracht und beschrieben.

Großeltern

Sie veröffentlichen Heftchenromane, die sie zu später Stunde korrigieren oder umschreiben, da sie während der Ferien ihre Zeit tagsüber dem Enkel widmen. Sie sind sehr belesen und mit ihrem Schicksal zufrieden. Der „Tod“ ihres einzigen Sohnes macht ihnen schwer zu schaffen, der aber in Geschichten und Gedichten, die sie Peter erzählen, präsent wird. Auf Ausflügen mit Peter lassen sie ihn an der Schönheit der Natur teilnehmen. Ihre Gelassenheit drückt sich in der Annahme des Schicksals wie auch im Verhältnis zu den Nachbarn aus. Die Liebe zueinander ist für Peter nicht ersichtlich, vielmehr empfindet er ihre Vertrautheit, die sich im fast gemeinsamen Sterben verdeutlicht. Sie verkörpern all das Gute, die Sicherheit, die Ruhe und Schönheit der Schweiz.

Vater

Johann Debauer; John de Baur; Scholler; Vonlanden. Er, der seinen Namen den gegenwärtigen Umständen anpasst und wechselt, führt ein Leben mit genauso verschiedenen Beziehungen, die immer von seinen Entscheiden abhängig sind. Durch sein Studium und den Drang zur Veränderung führt er ein Leben der Unstetigkeit. Die Veränderung der Goldenen Regel soll die Taten der Vergangenheit rechtfertigen. Als Lehrer wirkt er selbstsicher und mit seiner Wortgewandtheit gewinnt er nicht nur die Sympathie der Studenten, auch Peter bewundert ihn gegen seinen Willen. Er wirkt stark und jeder Situation gewachsen.

Mutter

Sie bekommt von Johann Debauer Schweizer Pässe, dafür täuscht sie mit einer Lüge den Tod Johann Debauers vor. Jung und lebensfroh muss sie sich der Situation einer ledigen Mutter stellen und wirkt sehr angriffslustig. Sie arbeitet viel, um dem Kind das Materielle zu bieten. Jegliche Liebesbeziehungen zum Kind scheinen unter der Arbeit unmöglich. Erfolg ist das, was ihr zu Macht verhilft, und sie hat mit ihrem Sohn große Pläne. Sie will nicht über die Vergangenheit und den Teil ihres Lebens sprechen, die mit dem Vater zu tun haben. Eine einsame Frau, die weder Liebesbeziehungen annimmt noch vermittelt.

Peter

Er ist die Hauptfigur, die stets auf der Suche nach dem Autor der Heimkehrgeschichte ist, die ihn über mehrere Jahre in Banne hält. Auf dieser Suche begegnet er durch seinen Spürsinn Menschen, ohne zu ahnen, wie eng ihre Leben miteinander verwoben sind. Er erkennt erst sehr spät, was im Leben wirklich wichtig ist. Seine Odyssee ist vergleichbar mit der seines Vaters, den er, um Ruhe zu finden, erleben muss. Seine Haltlosigkeit treibt ihn in viele Arme namenloser Frauen.

Barbara

Sie wird Peters Lebensgefährtin und ist der Ankerpunkt für Peter. Vertrautheit, Unternehmungsgeist und Lebenslust findet er bei ihr. Sie hält zu ihm, obwohl er ihre Liebe durch seine Suche nach der Identität strapaziert. Sie verhält sich ihm gegenüber verständnisvoll und sucht seinen Kampfgeist zu wecken. Kleinigkeiten veranlassen sie zum Lautwerden, doch bei wichtigen Entscheidungen behält sie die Ruhe. Selbst weit gereist ist sie selbständig und lebt gerne ungebunden und übernimmt die Verantwortung für alle ihre Entscheidungen.

Orte

Es gibt sehr viele Orte, an denen die Handlung spielt. Da sie so zahlreich sind, werden nur die wichtigsten Örtlichkeiten kurz beschrieben. Die Haupthandlung ist im Deutschland der Nachkriegszeit angesiedelt, dabei wird immer wieder Bezug zur Schweiz wie auch zu den USA geschaffen.

Schweiz

Der Großvater lebt in seiner Kindheit in einem Dorf, das von einem Bergsturz getroffen wird. Da das Elternhaus dabei zerstört wird, ziehen sie für 5 Jahre nach Amerika, um danach wieder in der Schweiz zu leben.
In beachtlichem Alter leben die Großeltern in einem kleinen beschaulichen Haus. Der Standort dieses Hauses ist in der Nähe des Zürichsees in ländlicher Umgebung in der Nähe einer großen Stadt anzusiedeln. Ausflüge führen sie mit ihrem Enkel Peter zur Ufenau oder ins Schloss Rapperswil. Die Schweiz ist bei Schlink im gesamten Buch eine Metapher für die Reinheit der Natur und all ihrer Konsequenzen, die unter anderem Bescheidenheit, Freiheit, Zufriedenheit und Gerechtigkeit sind. Es bestehen besonders zu Beginn des Buches starke Verbindungen zu Rousseaus „retour à la nature“ stehen. Das spiegelt sich in den Gärten, den Möglichkeiten der Kinder zum Spielen, dem Selbstversorgen aus dem eigenen Garten und den vielen Spaziergängen, die den Wanderer mit der Natur und den darin lebenden Tieren verbindet. Man liest nur Zeitschriften, die auch eine tatkräftige Aussage beinhalten, die der Moral zum Guten angehört.

Deutschland

Deutschland, das durch die Mauer lange Zeit getrennt ist, wird oftmals durch die kleinen Unterschiede charakterisiert, die wir gerne mit Schwarz-weiß-Malerei bezeichnen. Es sind dies die Gegensätze zwischen Arm und Reich, aber auch zwischen fortschrittlichem Denken, und dem am Alten festhaltenden Gedankengut der unteren Bevölkerungsschicht, die dem Arbeiterstand nicht entfliehen konnte und zur Bildung kaum Zugang fand. Im Gegensatz zu der Schweiz ist Deutschland niemals als erholsamer Ort beschrieben, wo Menschen sich erholen und neu begeistern können.

Es gibt drei Orte, die zur Handlung hauptsächlich beitragen. Breslau ist die Stadt, in der sich seine Eltern kennengelernt haben. Hier beginnt die Odyssee, eine Irrfahrt und Suche nach dem Verschwinden seines Erzeugers. Um diese Stadt ranken sich Zweifel und Fragen wie enge Gassen. Selbst die Häuser mit ihrem abweisenden Charakter scheinen etwas Bedrohliches in sich zu bergen. Das Unfreundliche wird durch Passanten und in der Stadt lebende Menschen noch verstärkt, die das Helle und Freundliche nicht mehr suchen. Als Gegensatz steht jene Stadt, in der Peter sich schließlich niederlässt. Sie birgt die Ruhe und Heimat in sich. Vertraut wirken die Gärten mit ihren Bäumen, die ein wenig die Erinnerung an den Garten bei den Großeltern weckt. Peter kann sich in ihr zusammen mit seiner Geliebten wohl fühlen und das Ende seiner Suche genießen. Aus dieser Stadt führen viele Wege hinaus zu immer neuen gemeinsamen Erlebnissen, aber sie führen auch immer wieder heim in das Zuhause, in dem Rituale gepflegt werden, die Geborgenheit vermitteln. Nach dem Mauerfall wird Ost-Berlin, und mit ihm auch der restliche Osten, genauer erkundet. Peter Debauer doziert während eines Semesters an der Humboldt-Universität. Der rückständige Osten löst in Debauer ein falsches Gefühl von Heimat aus, das hauptsächlich auf wach werdende Erinnerungen zurückzuführen ist. Der Osten ist und bleibt für ihn ein Ort der Arbeit; für das Lieben und Geliebtwerden wählt man beschaulichere Orte. Häuser wie Menschen wirken auf ihn verschlafen und grau, und das Gedankliche hält dem keineswegs stand, wenn er behauptet, die Stadt verliere den Verputz. Faszinierend ist die Beschreibung mit dem Vergleich der Melancholie, die man empfindet, in diesem Warteraum der Geschichte.

Sibirien

Sibirien ist, obwohl Peter niemals dort war, ein Bestandteil der Geschichte und im Besonderen seines Lebens, da die Heimkehrergeschichte sich größtenteils in Sibirien abspielt. Sibirien wird gekennzeichnet durch Weiten und Strapazen, die die Heimkehrer auf sich nehmen, wenn sie solche Einöden durchqueren. Sibirien ist auch das Land der langen und breiten Flüsse, die zu durchschwimmen vom Überlebenskampf zeugt. Trotz unendlicher Wälder, Gefahren und Entbehrung wird Sibirien als Land des Bleibens aufgezeigt, wenn ein Heimkehrer bei einer schönen Frau für Monate Ruhe und Frieden findet.

USA

New York ist der Inbegriff Peters einstiger Wünsche und Emotionen. Es ist die Stadt, in der man ungebunden und zeitlos ohne Vergangenheit sich verwirklicht. Es ist der Wohnsitz seines Vaters, auch seine Vergangenheit scheint keine Rolle zu spielen, hier ist jeder der, für den die anderen ihn gerne halten. Hier wird die Frage nach der Wirklichkeit und der Interpretation aufgeworfen. Das Studieren wird leichtgemacht und keiner fragt nach dem wirklichen Namen; man ist der, für den man sich ausgibt. Es ist der Ort der Geselligkeiten bei Einladungen zum Essen und sportlichen Zusammenkünften. Nie wird die Enge der Häuser bemängelt; überall findet der Erholungssuchende Grünanlagen mit einer gewissen Weite. Sogar das Familienleben ist von einer Idylle geprägt, die auf Geborgenheit und Verständnis basiert. Durch das dringende Verlangen seinen Vater und das Ende der Geschichte zu erfahren, vergisst er zwischendurch, wer er auf Grund seines bereits gelebten Lebens und seiner Erfahrungen wirklich ist und wen er liebt. Ganz Amerika auch steht für eine glitzernde Welt, in der die Wünsche verwirklicht werden können. Jedoch fehlt das Erforschen der Bedürfnisse der Menschen, die in ihrem sozialen Netz gefangen sind und an ihren Grenzen angelangt, sich ihres Selbsterhaltungstriebs besinnen und auch entsprechend reagieren. Die heile Welt der unbegrenzten Möglichkeiten verweist jeden Einzelnen in seine Schranken der Gedankenwelt, die auch in Amerika destruktiv sein können.

Gestaltung und ihre Auswirkung

Die Ich-Form, die Schlink für seine Erzählung wählt, zieht den Leser ins Geschehen und trägt zur Teilnahme an einem Leben bei, das sich über Jahre in allen Bereichen des menschlichen Seins abspielt. Die Verflechtung von historisch wichtigen Wendepunkten mit dem Lebensweg eines einzelnen Mannes und dessen für ihn wichtigen Abschnitten auf emotionaler wie aber auch in beruflicher Ebene versucht Schlink gemeinsam mit dem Stoff der Antike, der Odyssee, auf den gleichen Nenner zu bringen. Vergangenes durchkreuzt immer wieder das Gegenwartsgeschehen und weist auf Künftiges, wobei allen Formen der Zeit eines gemeinsam ist: Das ewige Suchen nach sich selbst und der Versuch sich in der Liebe zu finden.
Gemeinsam sind auch die Bilder des Verantwortungsbewusstseins oder dessen Entzug, um sich der Gesellschaft zu entfremden oder sich im gemeinsamen Gedankengut zu Machtpositionen aufzuschwingen.
Schlink verliert sich wenig in Details, sei dies in den Abgründen des menschlichen Empfindens noch im Glauben an das, was er als Liebe bezeichnet. Seine fast nüchterne Erzählweise drängt vorwärts zu Beschreibungen von Natur oder Arbeitssituationen.

Erzählperspektive

Schlink, der sein Werk als Ich-Erzähler geschrieben hat, lässt den Leser aus verschiedenen, dem jeweiligen Alter der Hauptperson entsprechenden Perspektiven betrachtend am Einzelschicksal Peters teilnehmen. Auf diese Weise bewirkt er das Mitgefühl für ein Kind, das unter den Folgen des Krieges und den daraus entstandenen Problemen einer überaus organisierten und verschlossenen Mutter zu leiden hat. Das in sozialer Armut geführte Leben wie das Fehlen einer liebevollen Erziehung wirken wie Wegweiser für das Suchen nach Werten, von denen Peter mit dem Erwachsenwerden sich mehr gedrängt fühlt als von Ruhm einer akademischen Laufbahn. Dass Schlink dazu das Mittel des Heimkehrromans verwendet und zugleich sich der Antike mit der Odyssee bedient, verdichtet nur das Suchen nach Sinn. Peter sucht unbewusst auf seinem Weg den Bezug zum Vater, um seine, wie ihm scheint, wichtige Identität zu finden. Der Erzähler Schlink benutzt Städte und Gebäude, um dem Leser den seelischen Zustand zu erläutern. Die Mutterbeziehung, die zur Lösung des Rätsels immer wieder beansprucht wird, dient ihm zur Schlussthese, dass keiner dem andern etwas schuldig sei. Mit seiner Beziehung zu Barbara fällt er erneut in den Strudel der Zweifel und der Angst vor der bereits bestehenden Beziehung. Er, der nie um Liebe gekämpft hat, so wie nie einer um seine Liebe gekämpft hat, überlässt sich seinem Selbstmitleid. Auch hier wirkt wie in der Odyssee das Schicksal und bringt die Liebenden auf fast kitschig anmutende Weise zusammen.

Besonderheiten

Das Buch wartet mit einer Reihe außergewöhnlicher Ideen auf, die nur darauf warten, verstanden und allenfalls interpretiert zu werden. Einer dieser Gedanken, jener der Odyssee, zieht sich durch die Geschichte, und bewirkt eine Abrundung des Buches, wie sie selten in solcher Form vorkommt. Sowohl die Hauptfigur wie auch deren Vater befinden sich während eines großen Teils ihres Lebensweges auf der Suche und lassen den Leser an ihrer Reise teilhaben. Dabei erfährt dieser, den ebenfalls vom Gedankengut der Odyssee angelehnten Teil des Buches, der gemeinhin als Heimkehrergeschichte gehandelt wird. Die Vater-Sohn-Beziehung, die in dem Roman als eine langwierige und mühsame Suche zur Identifizierung dargestellt wird, ist ein weiterer Punkt, um den sich die Handlung über einige hundert Seiten dreht. Ob sie nun eine einseitige geführte, oder gar kaum vorhandene Beziehung ist; sie besteht dennoch.

Beziehung des Autors zum Text

Die Geschichte der Debauers weist von einem bestimmten Blickwinkel aus betrachtet viele Ähnlichkeiten mir Bernhard Schlinks Leben auf. So befasste er sich während seines Studiums mit der Abwägung im Verfassungsrecht, was Erinnerungen an die Figuren Peter und Johann weckt, die sich beide der Klärung des Konfliktes in der Grauzone zwischen Recht und Unrecht verschrieben haben. Der eine, weil er durch den Drang, mehr über seine Vater zu wissen, dazu genötigt wird, dessen Notizen und Unterlagen richtig auszulegen, der andere, weil er eine einfache Erklärung für seine vergangenen Taten sucht und die mittels der Abschwächung des Begriffes Unrecht oder Schuld zu legalisieren.
Ein weiterer Schnittpunkt zwischen reellem Leben und Buch liegt in dem Dozieren de Baurs, das auch in Schlinks Leben zu finden ist. So war Bernhard Gastprofessor in New York und John De Baur ist ebenfalls Professor in New York. Diese und andere Parallelen sind wichtige Beweise, dass Schlink seine eigene Geschichte mit dem Romangeschehen verflochten hat.

Thematik

Die Thematik ist in diesem Roman so schillernd und zugleich vielfältig wie das Leben jedes Menschen. Dies könnte auch ein Grund sein, warum sich der Leser mit seiner eigenen Lebenssituation auf gewissen Seiten selbst findet und vom Thema in den Bann des Mitempfindens gezogen wird. Schlink versteht es, die verschiedensten Aspekte des menschlichen Lebens innerhalb des Handlungsgeschehens aufleuchten zu lassen, indem er weder moralisierend noch urteilend sie beschreibt. Durch die Intensität der Erzählform lässt er uns an den verschiedenen Schicksalsmöglichkeiten des menschlichen Lebens teilnehmen. Entsprechend der Verschiedenheit der Charaktere der darin handelnden Personen verhält sich auch deren Problematik, das Leben anzunehmen oder zu verwerfen. Damit sind die verschiedenen Thematiken erklärbar.

Vater und Sohn, die nicht nur der genetische Code verbindet, sondern auch die unbekannten Gefühlsbereiche mit all ihren Verdrängungsmechanismen und Ängsten, wie auch ähnlich sich auswirkende Talente, werfen die gleichen Themata auf. Deshalb wird nun speziell auf diese eingegangen.

• Liebe
• Odyssee
• Gerechtigkeit
• Verdrängung
• Tugend

Liebe

Die Liebe, oder wie wir diese Art des Zusammengehörigkeitsgefühls oder notwendiger Bestätigung durchs andere Geschlecht auch nennen wollen, ist in verschiedene Anspruchswahrnehmungen aufgeteilt und durchdringt die anderen Themata. Oder nennen wir es auf die Art, wie es der Autor selbst beschreibt: Liebe ist kein Gefühl, es ist Willenssache.
Bilderbuchhaft beschriebene Liebe, das als Vorzeigemodell funktioniert, besteht zwischen Johann und seiner amerikanischen Familie. Was hingegen Peter und Barbara verbindet, ist das Suchen nach der Gemeinsamkeit, bei der man in der Nähe des andern sich selbst annimmt und aus diesem Wohlsein auch Neues entdecken möchte. Und immer wieder bleibt der Raum für die Gespenster der Angst vor dem Verlassenwerden, die man durch eigene Bemühungen nur verscheuchen kann. Peter ist das Schmollen und Warten zum Verhängnis geworden; erst viel später entdeckt er, dass er für die Liebe kämpfen muss und Barbara unter der Liebe auch das Geben des Partners versteht, das in Verzichtshandlungen sein kann.
Diese Liebe ist der Angelpunkt des ganzen Geschehens, ohne diese suchende und erwartende Haltung der Liebe hätte Peter im Verlaufe seiner Geschichte niemals den nötigen Halt gehabt.
Peter, der nach seiner Geschichte sucht, sucht auch nach dem Ursprung der ihm vorenthaltenen Liebe. Die nicht erlebte Liebe seiner Eltern ihm gegenüber und das Fehlen der liebevollen Worte, welche die Mutter in Bezug auf die Verbindung zu seinem Vater nie aussprach, sind eine schmerzvolle Basis für seine Beziehungen zu Frauen. Die fehlende Zuneigung seiner Mutter selbst, die sich nur fürs Materielle verantwortlich fühlte, verweist den Jungen in eine Position, wo er die heile Welt schließlich in Büchern sucht und mittels seiner Fantasie auch weiterentwickelt. Gelebte Liebe erfährt er hingegen bei seinen Besuchen bei den Großeltern, aber auch hier kann er keinen Bezug zu seiner Mutter machen. Auf der Suche nach seinem Vater, nach dessen Zuneigung und Zärtlichkeit, entfernt sich Peter von der Liebe Barbaras, weil er sich in Vorstellungen verstrickt, die ihm wertvoll erscheinen, weil seine Geschichte des Heimkehrers von Liebe geprägt sein soll. Und immer wieder findet er sich wieder bei Frauen, die für eine Nacht lang Gefühle vorgaukeln, die aber vor dem Morgengrauen sich ernüchternd über den kommenden Tag legen.
Liebe, so scheint es, ist zufallsbedingt, um mittels des nötigen Willens zu wachsen und tragfähig zu werden. Diesem Zufallcharakter begegnen wir bei den verschiedenen Phasen, die Peter und Barbara durchlaufen, bis sie, dank Barbaras Bereitschaft zu warten, im Miteinander sich entwickelt.

Odyssee

Ist die Irrfahrt des Odysseus der Ursprung der Heimkehrergeschichten oder immerwährender Bezugspunkt, um Parallelen zu veranschaulichen? Diese Frage erscheint unwichtig, denn selbst wenn sie es nicht Ursprung ist, nimmt sie einen festen Bestandteil der Geschichte der Debauer ein. Diese Irrfahrt im Bereich der Gefühle wie im lokalen Bereich prägte sowohl Vater als auch Sohn in einer Weise, die sie beinahe zusammen geführt hätte. Stationen des Leides wechseln mit Stationen der Hoffnung und der Entbehrung wie auch mit Zeiten der Verlassenheit und Trauer. Jonathan befindet sich sein Leben lang auf der Reise, bis er am Ende seiner Reise angekommen, eine Familie gründen und auf diese Weise Ruhe ins Dasein bringen kann. Diese Reise birgt alle Entbehrungen wie auch Verrat und Liebesentzug in sich, wird aber immer wieder durch eine neue Identität zum Neubeginn entwickelt. Auf seiner Reise verfasst er eine der Odyssee entsprechende Heimkehrergeschichte, die der Ursprung der Suche Peters ist. Diesen führt die Irrfahrt, bei der er den Weg der Odyssee sogar in seinem Sexualverhalten nachvollzieht, nach etlichen gescheiterten Versuchen seine Richtung zu finden, in die Arme Barbaras. Das Unstete und Zweifelnde begleitet ihn aber auch in dieser Beziehung, weil er, der Rituale schätzt, Angst vor der Ungewissheit der Vergangenheit Barbaras hegt. Er verlässt Barbara und legitimisiert sein Weggehen, indem er sich auf Gründe neuer Informationen über den Autor des neuen Buches seinen Vater, stützt.
Peter irrt weiter im Dunkeln der Gefühle und der Unvollkommenheit seiner Recherchen. In Amerika, beim intensiven Forschen der Vorzüge und Fehler seines ihm gleichenden Vaters, erkennt er seine wahre Bestimmung: die Liebe Barbaras.

Gerechtigkeit

Was ist gerecht? Diese Frage kann und wird völlig verschieden beantwortet. Dieses Phänomen finden wir im Buch wieder, bei dieser Frage der Gerechtigkeit scheiden sich die Geister von Vater und Sohn. Während der Sohn an der so genannten Goldenen Regel, die besagt, man dürfe nur das tun, was man auch von anderen erwartet, festhält, hat sich sein Vater bereits in der Jugend von diesem Regelmaß entfernt und es seiner Sicht verbessert oder angepasst. Sein Wahlspruch lautet, man dürfe alles tun, wozu man im Stande sei, es auf sich zu nehmen. Diese Art legalisiert den Mordschlag mit all seinen Konsequenzen. Die Tötung, die für die Hinterbliebenen zu etwas Verwerflichem gemacht wird, wird so abgeschwächt, damit sich die Vergangenheit besser ertragen lässt. Leid und Trauer der betroffenen Personen werden nicht berücksichtigt, so wie seitens Vater das Leid, das er seiner damaligen Frau in der Kriegszeit und seinem nie geliebten Sohn angetan hat, nie zur Sprache gebracht wird. Der Leser würde erwarten, dass Peter seinen Vater am Ende der Odyssee zu Rechenschaft zieht. Die Klärung der Frage, ob die Taten Johanns, die nur immer in Verbindung zu Andeutungen geschrieben werden, gerecht waren, bleibt jedoch dem Leser überlassen.

Literatur

Weblinks


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