Die Wahlverwandtschaften

Die Wahlverwandtschaften
Titelblatt des Erstdrucks
Klassizistischer Einband des oben abgebildeten Erstdrucks

Die Wahlverwandtschaften ist ein Roman von Johann Wolfgang von Goethe. Die Erstausgabe erschien 1809.

Erstmals erwähnt werden Die Wahlverwandtschaften von Goethe am 11. April 1808 in einem Tagebucheintrag. Ende Juli desselben Jahres hatte er eine Fassung mit 18 Kapiteln fertiggestellt. Diese blieb allerdings bis April des nächsten Jahres unbearbeitet. Am 9. Oktober 1809 lag schließlich der gesamte Roman, zwei Teile mit je 18 Kapiteln, fertig gedruckt vor.

Der Roman, der oft als Goethes bester und zugleich als sein rätselhaftester bezeichnet wird, ist nicht genau einer literarischen Epoche zuzuordnen. Einerseits findet man typische Elemente, die ihn zu einem Vertreter der Weimarer Klassik machen, wie beispielsweise die Anlage der Romanhandlung als naturwissenschaftliches Gleichnis; aber auch gegenläufige Tendenzen finden sich in ihm, denkt man etwa an die Figur der christlichen Märtyrerin, die am Ende des Romans steht. Das wörtlich verstandene Thema der „Wahlverwandtschaft“, das aus der Chemie entlehnt ist, wo es das anziehende und abstoßende Verhalten von Naturelementen beschreibt, wird auf die Figuren im Roman übertragen. So stehen vor allem die menschlichen Neigungen im Zentrum des Romans.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Zusammenfassung

Eduard, ein reicher Baron kann endlich seine Jugendliebe Charlotte heiraten, sie ziehen auf sein Landgut und leben dort in Einsamkeit, um ganz füreinander da sein zu können. Die Zeit nutzen sie, um die Parkanlagen umzugestalten und die Natur in kunstvolle Kulturlandschaften umzuwandeln. Nach einigem Zögern seitens Charlotte wird ein alter Freund, der Hauptmann Otto, eingeladen. Allerdings besteht Charlotte darauf, auch ihre Nichte Ottilie einzuladen. Ab diesem Moment wird der Begriff Wahlverwandtschaften eingeführt: Eduard verliebt sich in Ottilie und Charlotte in Otto. Charlotte beschließt, sich ihrer Liebe nicht hinzugeben, Eduard aber lebt nur noch für Ottilie. Als der Abschied von Otto und Ottilie drängt, kommt es in der Nacht bei einer Liebesumarmung zwischen Eduard und Charlotte zu einem mentalen Ehebruch, jeder von ihnen denkt dabei an den wahren Geliebten. Daraus geht ein Kind hervor. Alle außer Eduard und Ottilie versuchen die beiden zu trennen. Aus Mangel an Entscheidungskraft zieht er daher in den Krieg und hofft, dass der Krieg über sein Schicksal entscheiden wird.

Das geborene Kind verrät die Schuld der Eltern durch seine erstaunliche Ähnlichkeit mit Otto und Ottilie. Als Eduard unversehrt aus dem Krieg zurück kommt, offenbart er, am Ufer des Sees, Ottilie seine Liebe, und erklärt ihr die Zustimmung zur Ehe für den Fall, dass Charlotte ihm entsage. Sie tauschen erste Küsse aus, doch dann muss Ottilie gehen. Beim Einsteigen ins Boot geschieht es jedoch: das Kind fällt ins Wasser und kann nur noch tot geborgen werden. Eduard versteht dies als Fügung, womit nun auch der letzte Grund für eine Verbindung zwischen ihm und Charlotte vernichtet sei. Charlotte gibt sich die Schuld, sie habe durch ihr Widerstreben den Tod des Kindes herbeigeführt und verzichtet auf die Ehe mit Eduard. Ottilie dagegen fühlt sich als Hauptschuldige, tritt in den Hungerstreik und stirbt schließlich. Kurze Zeit später stirbt auch Eduard und Charlotte bestattet sie beide in der Kapelle, die Ottilie restaurieren ließ, als Eduard im Krieg war. „So ruhen die Liebenden nebeneinander. Friede schwebt über ihrer Stätte, heitere, verwandte Engelsbilder schauen vom Gewölbe auf sie herab, und welch ein freundlicher Augenblick wird es sein, wenn sie dereinst wieder zusammen erwachen.“

Hintergrundwissen

Dieses Werk wurde zuerst als Novelleneinlage für „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ geplant, wuchs jedoch zu einem eigenen Roman heran. Goethe will mit diesem Roman zeigen, dass auch Menschen den Naturgesetzen unterworfen sind. Der Begriff Wahlverwandtschaft zeigt sich in der Beziehung zwischen Eduard und Charlotte, die sich lieben und zusammen leben. Kaum aber kommen Ottilie und Otto zu Besuch, denkt jeder der beiden, dass Ottilie/Otto besser zu ihm/ihr passe. Bei Eduard wird es sehr deutlich gezeigt, er bemüht sich darum, Ottilie für sich zu gewinnen. Es herrscht nur „eine Natur“, so schreibt Goethe, da „auch durch das Reich der heiteren Vernunftfreiheit die Spuren trüber leidenschaftlicher Notwendigkeiten sich unaufhaltsam hindurchziehen, die nur durch eine höhere Hand, und vielleicht auch nicht in diesem Leben völlig auszulöschen sind“. Goethe will damit zeigen, dass die Gesellschaftsordnung zu dieser Zeit bereits total veraltet sei, und kritisiert die Gesellschaft, doch der Roman stieß bei Goethes Zeitgenossen auf nur wenig Verständnis.

Kapitelübersicht

1. Teil

1. Kapitel

Eduard ist in seinem Garten und setzt Pfropfreiser auf Obstbäume. Er unterhält sich kurz mit dem Gärtner, welcher ihm die Landschaft ringsumher beschreibt, auf die man jetzt eine schöne Aussicht hat, weil Eduards Frau Charlotte die Anlage neu gestaltet hat. Sie hat unter anderem eine Mooshütte gebaut, zu der Eduard sich begibt. Derweil beschreibt der Erzähler die Landschaft weiter. Dann beginnt eine Unterhaltung zwischen Eduard und Charlotte, in der Eduard ihr eröffnet, dass er seinen Freund, den Hauptmann, gerne um sich haben würde; er möchte also, dass der Hauptmann zu ihnen zieht. Er begründet diesen Wunsch auch damit, dass es dem Hauptmann zurzeit nicht so gut geht, weil er arbeitslos ist und keine Gesellschaft hat. Eduard denkt sich, der Hauptmann könnte Charlotte bei der Gestaltung des Gartens eventuell behilflich sein. Charlotte hingegen ist von dieser Idee gar nicht begeistert. Sie befürchtet, dass ihre traute Zweisamkeit durch den Hauptmann gestört werden könnte. Eduard kann ihre Bedenken nicht verstehen und liefert ihr noch einmal eine ausführliche Erläuterung, weshalb der Hauptmann zu ihnen ziehen sollte. So könnte er zum Beispiel das Grundstück vermessen oder sonstige Dinge erledigen, die Eduard nur dem Hauptmann anvertrauen würde.

„Die Landleute haben die rechten Kenntnisse; ihre Mitteilungen aber sind konfus und nicht ehrlich. Die Studierenden aus der Stadt und von den Akademien sind wohl klar und ordentlich, aber es fehlt an der unmittelbaren Einsicht in die Sache. Vom Freunde kann ich mir beides versprechen.“

Danach lässt er Charlotte ihre Ansichten darlegen. Sie meint, dass ihre jetzige Lebensplanung nicht mit der Ankunft des Hauptmanns vereinbar sei, was sie ausführlich mit ihrem und Eduards langem, schwierigem Weg zum Glück begründet. So wurden die jungen Verliebten getrennt, um, wie es damals üblich war, mit Menschen verheiratet zu werden, die sie zwar nicht liebten, die aber ihrer Familie eine bessere soziale Stellung einbrachten. Zu ihrer beider Glück sind die Ehegatten jeweils bedeutend älter, so dass diese bald starben und Charlotte und Eduard einander letztendlich doch heiraten können. Selbst ihre Tochter Luciane und die Tochter ihrer verstorbenen Schwester, Ottilie, gibt Charlotte in eine Pension in der Stadt, damit die frisch Vermählten ihr Glück genießen können. Eduard kontert, indem er darauf hinweist, dass die Anlage durch neue Ideen erweitert werden könnte und dass es schade wäre, wenn nur sie sich daran freuten. Daraufhin erwidert Charlotte, dass sie eigentlich recht häufig Besuch bekämen, weshalb die Anlage nicht ungesehen bleibe. Außerdem hätten sie zusammen schon viele Dinge gemeinsam vor, die ein Dritter nur durcheinander bringen würde. Eduard hingegen betont, dass ein solcher Dritter die gemeinsamen Unternehmungen nur bereichern würde und dass ihn viele gemeinsame Erinnerungen mit dem Hauptmann verbänden, weshalb er sich gerne mit ihm unterhalten möchte. Er kann trotz seiner ausdauernden Argumentation Charlotte nicht überzeugen. Sie befürchtet immer noch ein Auseinanderbrechen oder zumindest eine negative Veränderung der Beziehung durch das Hinzutreten des Hauptmannes, da sie bereits Fälle erlebt hat, in denen genau dies eintrat. Eduard nimmt Charlottes Bedenken nicht ernst; er ist der Meinung, dass sie soweit sind, dass ihre Beziehung eine dritte Person verkraftet, was Charlotte vehement abstreitet.

Zum Schluss sehen beide ein, dass sie wahrscheinlich zu keinem Ergebnis kommen werden, auch wenn sie noch so lange weiter diskutieren. So einigen sie sich, da Eduard einen Brief an den Hauptmann schreiben muss, darauf, dass er ihm erst einmal nicht mitteilt, ob er bei ihnen wohnen darf oder nicht.

2. Kapitel

Zu Beginn wird beschrieben, wie Eduard in seinem Zimmer sitzt und, nachdem er noch einmal über das Gespräch mit Charlotte nachgedacht hat, den Brief an den Hauptmann erneut durchliest. Es wird erzählt, dass er das einzige, verzogene Kind reicher Eltern ist und bis jetzt immer alles bekommen hat, was er wollte. Dass nun etwas nicht nach seinem Sinn läuft, geht ihm gewaltig gegen den Strich. Er weiß nicht genau, was er dem Hauptmann schreiben soll, weil er sich zwischen seiner Meinung und Charlottes Ansichten hin und her gerissen fühlt. Letztendlich entschließt er sich, dem Hauptmann „ein bedeutenderes, ein beruhigendes Blatt“ zu versprechen; im Brief selbst schreibt er weder Ab- noch Zusage.

Am darauf folgenden Tag knüpft Charlotte wieder an das Gespräch vom Vortag an. Nachdem Eduard erneut versucht, sie zu überzeugen, gesteht Charlotte ihm, dass sie sich in einer ähnlichen Lage wie er befinde. Ihrer Nichte Ottilie nämlich geht es in der Pension sehr schlecht, da sie immer im Schatten ihrer Kusine steht. Luciane gelingt anscheinend alles, Ottilie hingegen ist ein sehr schüchternes, zurückgezogenes Mädchen, dem gar nichts gelingt. Hinzu kommt, dass Luciane Ottilie Steine in den Weg legt, wo sie nur kann, was natürlich nicht gerade zu einer Verbesserung von Ottilies Lage führt. Deshalb gedenkt Charlotte Ottilie aus der Pension zu holen und sie zu sich zu nehmen. Eduard kommt diese Überlegung natürlich sehr gelegen, und so beschließen sie, beide zu sich zu holen. Eduard liefert noch ein Argument für diesen Entschluss: Früher ist der Hauptmann Ottilie schon einmal auf einem Fest begegnet, und er machte Eduard auf sie aufmerksam. Eduard weiß jedoch nicht, dass er von Charlotte dazu angestiftet wurde, weil sie ursprünglich Ottilie mit Eduard zusammenbringen wollte. Der hatte aber nur Augen für seine Jugendliebe Charlotte, weshalb ihr Plan, Ottilie und Eduard zu verkuppeln, schief ging.

Dann bekommen sie Besuch vom Mittler. Der Mittler war früher einmal ein Geistlicher, wobei er stets zwischen Streitenden vermitteln konnte, sodass während seiner Amtszeit nie irgendwelche Ehen geschieden wurden und alle Streitigkeiten geschlichtet werden konnten. Er fühlt sich jedoch bei Charlotte und Eduard überflüssig, weil er in dem Problem von den beiden kein wirkliches Problem sieht. Auch er kann nicht voraussehen, ob sich die neue Figurenkonstellation zum Negativen oder zum Positiven entwickeln wird und so reitet er wieder davon. Charlotte willigt nun nach den Worten des Mittlers ein, den Hauptmann und Ottilie einzuladen, da sie das Experiment starten will, allerdings will sie diesen Versuch zeitlich kurz halten. Darüber ist Eduard natürlich sehr erfreut.

Zum Schluss musizieren beide zusammen. Diese Nebensache ist wichtig, weil hier geschildert wird, dass Charlotte auf dem Klavier Eduard auf der Flöte wunderbar begleiten kann, auch wenn er mal schnell und mal langsam spielt. Ein paar Kapitel später wird dieser Aspekt noch einmal aufgegriffen.

3. Kapitel

Der Hauptmann trifft ein und feiert mit seinem alten Freunde Eduard und dessen Frau Charlotte ein freudiges Wiedersehen, in dessen Zuge sich alle Drei viel zu erzählen wissen. Charlotte erinnert die beiden Männer daran, dass sie heute Namenstag hätten, da sie beide ursprünglich den gleichen Vornamen „Otto“ besaßen. Da sie damals jedoch eine Zeit lang zusammen wohnten und um jegliche Verwicklungen durch ihre Namensgleichheit zu vermeiden, entschloss sich Eduard für seinen jetzigen Namen und der Hauptmann lautete weiterhin auf „Otto“. Nachdem die Drei, um dem Freunde einen besseren Überblick über das Land zu gewähren, auf einem etwas beschwerlichen Fußpfade auf eine Anhöhe kletterten, öffnet sich ihr Blick für eine malerisch idyllische Aussicht. Mit besonderem Stolz verweist Eduard auf einige Pappeln und Plantagen, die er in seiner Jugend eigenhändig pflanzte. Die folgenden Tage stehen ganz im Zeichen des Kennenlernen der Gegend und des Gutes, welches schließlich sehr geschickt vermessen und auf Papier fest gehalten wird. Eduard, der sich begeistert über die bessere Fassbarkeit des Gutes zeigt, möchte seine Frau gerne in weitere Überlegungen mit einbeziehen, jedoch rät ihm der Hauptmann davon ab. Auch bemängelt er bei dieser Gelegenheit die zwar mit Liebe gefertigte, allerdings völlig unpraktische und beschwerlich zu besteigende Treppe zur Anhöhe. Der Hauptmann entschuldigt diese Ineffizienz seitens Charlotte aber gänzlich mit einem Verweis auf eine typische Verhaltensweise von Menschen, die eine Sache „nur aus Liebhaberei“ betreiben. Ihr sei eben „mehr daran gelegen, daß sie etwas tue, als daß etwas getan werde.“ Obschon der Hauptmann dringend zur Verschwiegenheit in diesem Punkte rät, konfrontiert Eduard seine Frau damit. Und obwohl diese einsieht, dass es bessere Umsetzungsmöglichkeiten gegeben hätte, ist sie „betroffen“ und verletzt.

Ein neuer Brief der Vorsteherin, unter deren wachsamen Augen sich Charlottes Tochter Luciane bildet, bestätigt wieder aufs Neue, welche erfreulichen Fortschritte diese doch mache. Über Ottilie, die Nichte Charlottes, weiß die Vorsteherin wie jedes Mal nur wenig erfreuliche bis Besorgnis erregende Dinge zu berichten. Zu allen sonstigen Defiziten, beklagt die Vorsteherin nun zudem eine neuerlich auftretende Appetitlosigkeit Ottiliens und zeitweilige Kopfschmerzen. Wie anders nimmt sich ein beigefügter Brief eines männlichen Gehilfen aus, der über das gleiche Kind eine gänzlich andere Meinung besitzt. Im Wesentlichen gibt der männliche Gehilfe der Vorsteherin zu erkennen, dass Ottilie nicht dumm sei. Dass sie vielmehr im Gegenteil viel wisse, es jedoch nicht immer anzuwenden verstehe. Und dass sie keineswegs nichts lerne, sondern einfach nur anders und etwas langsamer. Er hält sie für ein typisches Beispiel der „verschlossene[n] Früchte, die erst die rechten, kernhaften sind und die sich früher oder später zu einem schönen Leben entwickeln.“ Diese Meinung trifft auch Charlottes eigenes Bild über ihre Nichte, daher freut sie sich über derart positive Rückmeldung sehr.

4. Kapitel

Inhaltlich handelt es zuerst von Eduard und dem Hauptmann, welche sich damit beschäftigen, das Grundstück weiter auszumessen. Später wird auch Charlotte zum Zwecke der Verbesserung des Grundstückes eingebunden. Der Hauptmann macht Eduard den Vorwurf, dass er seine Arbeit nicht mit der nötigen Strenge und Konsequenz sieht. Daraufhin räumen sie sein Arbeitszimmer aus und der Hauptmann bekommt dieses als neues Arbeitszimmer. Es ist ein Symbol für seinen Neuanfang und die Wandlung in seinem Leben. In einem Gespräch wird erwähnt, dass schon mehrere Male jemand in nahen Gewässern ertrunken ist. Dies ist ein Hinweis darauf, dass am Ende eine weitere Person ertrinken wird. Eduard liest ihnen vor. Jedoch stört ihn Charlotte, die ihm über die Schulter schaut. Eduard wird wütend, das gleiche Verhalten wird ihn jedoch im weiteren Verlaufe des Romans bei Ottilie nicht weiter stören. Daraufhin sitzen alle drei zusammen und philosophieren über die Definition des Begriffs „Wahlverwandtschaft“. Dieses erläutern sie Charlotte anhand von Beispielen aus der Chemie und Physik, wie sich ein Stoff von einem anderen trennt und sich mit einem neuen verbindet. Dieses Gespräch wird auch „chemische Gleichnisrede“ genannt. Die Männer suchen nach einem Beispiel, finden aber keins. Sie bemerken nicht, dass sie über ihr eigenes Schicksal nachdenken, da der Begriff „Wahlverwandtschaft“ auf ihr weiteres Leben anspielt. Nur Charlotte ahnt die Verbindung. Zum Ende des Kapitels teilt Charlotte ihre endgültige Entscheidung mit, Ottilie aufzunehmen.

5. Kapitel

Charlotte und Eduard erhalten von der Vorsteherin und dem Gehilfen aus dem Pensionat einen Brief über die Prüfungsergebnisse von Luciane und Ottilie.

Die Vorsteherin schreibt über die guten Zeugnisse von Charlottes Tochter und die vielen Preise, die sie gewonnen hat. Der Bericht über Ottilie ist von dem Gehilfen verfasst worden, da es der Vorsteherin zu peinlich ist, über Ottilies schlechte Leistungen zu schreiben. Ottilie hat weder ein Zeugnis noch irgendeinen Preis bekommen. Der Gehilfe begründet dies damit, dass Ottilies Talente in anderen Bereichen liegen. Das wollte er auch den Prüfern vermitteln, diese aber lehnten seine Meinung ab.

Ottilie selbst begründet ihr Versagen mit starken Kopfschmerzen. Außerdem wird Ottilie von Luciane wegen der Prüfungsergebnisse erneut gedemütigt. Auf Grund dieser Vorkommnisse bittet der Gehilfe darum, dass Charlotte Ottilie zu sich nimmt, bis Luciane das Pensionat verlassen kann. Eduard liest Charlotte und dem Hauptmann den Brief vor und möchte Ottilie nun auch vorübergehend bei sich aufnehmen.

Sie beschließen, dass Ottilie ab sofort bei ihnen wohnen soll. In diesem Kapitel wird die Andeutung auf die Wahlverwandtschaften von Kapitel 4 wieder aufgenommen, vor allem die Beziehung zwischen Eduard und Ottilie. Eduard findet durch die Kopfschmerzen von Ottilie schon eine Gemeinsamkeit zwischen ihnen, bevor er sie überhaupt persönlich kennen lernt.

6. Kapitel

Ottilie kommt aus der Pension im Schloss an und vervollständigt damit endgültig die Gesellschaft. Sie wird von Charlotte in die Gruppe eingeführt und besonders Eduard empfindet ihre Anwesenheit von Anfang an als sehr angenehm. Schnell erhält Ottilie von Charlotte Aufgaben im Haushalt, welche von ihr alle ordentlich und pflichtbewusst, aber ohne Fantasie erfüllt werden. Während ihrer freien Stunden unterhalten sich die Frauen auf Französisch, wobei Ottilie sehr viel gelöster und offener scheint als sonst. Um mehr über den Charakter ihrer Nichte zu erfahren, liest Charlotte die Berichte aus der Pension. Dabei fällt ihr auf, dass Ottilie immer sehr wenig isst und trinkt. Damit sie wenigstens optisch weniger zurückhaltend wirkt, beginnt sie sich selbst Kleider zu schneidern. Besonders für die Männer ist sie eine Augenweide. Auch Eduard und der Hauptmann verbringen viel Zeit miteinander, verlieren jedoch die Termine mit den Frauen nicht aus den Augen und nehmen besonders auf Ottilies Bedürfnisse Rücksicht. Trotz guter Arbeit im Haushalt erregt Ottilie jedoch Charlottes Missfallen. Der Grund dafür ist Ottilies Angewohnheit, auch in Gegenwart der Männer etwas aufzulesen. Charlotte findet dies zu unterwürfig, und obwohl Ottilie sich mit einer Geschichte über Karl I. von England rechtfertigen kann, versichert sie sich zu bessern.

Eduard und der Hauptmann bringen unterdessen die Landschaftsarbeiten voran und beschließen, dabei auch das nahe Dorf neu zu gestalten. Die teilweise chaotischen Verhältnisse will man durch Schweizer Ordnung und Sauberkeit ersetzen. Dabei stellen beide fest, dass man mit einfachen Leuten nur zusammenarbeiten kann, wenn man ihnen befiehlt, da diese nicht genügend Weitblick haben. In dieser Situation werden beide von einem Bettler angesprochen, den sie jedoch ohne Almosen wieder fortschicken. Der Hauptmann nimmt dies zum Anlass, auch die Bettelregeln des Dorfes zu wandeln. Um Bettler vom Schloss abzuhalten, werden diese an bestimmten Häusern an den Ortsenden abgefertigt, was sie auch sogleich in die Tat umsetzen.

Später berichtet Eduard davon, dass er Charlotte über die Pläne des Hauptmanns in Kenntnis gesetzt habe und diese nun verunsichert diesem Thema ausweiche. Mittels der Gutskarte des Hauptmanns treiben die Männer ihre Pläne jedoch spielerisch voran. Dabei entscheidet man sich für leichter zu nehmende Wege und den Bau eines Lustgebäudes. Trotz finanzieller Bedenken stimmt Charlotte schließlich zu. Über die Vorbereitungen zum Bau kommen sich der Hauptmann und Charlotte schließlich näher und sie lässt ihn schließlich auch bei Dingen gewähren, die ihr früheres Werk zerstören.

7. Kapitel

Das siebte Kapitel beschreibt das Verhältnis von Ottilie und Eduard zueinander. Sie sind einander zuvorkommend und liebenswürdig; Ottilie liest Eduard jeden Wunsch von den Lippen ab, ist aufmerksam bezüglich seiner Reaktionen in gewissen Situationen und weiß damit entsprechend umzugehen. Auch erinnern sich beide an ihr erstes Aufeinandertreffen und die positiven Eindrücke, die daraus hervorgingen.

Die gemeinsamen Tätigkeiten Eduards und des Hauptmanns gehen auch immer weiter zurück. Ferner wird ein Spaziergang der vier beschreiben, bei dem Ottilie und Eduard kindisch voreilen, während Charlotte und der Hauptmann langsam im Gespräch vertieft folgen - die Gruppen trennen sich also immer mehr. Eduards Denken und Handeln verdeutlichen auch noch einmal seine Zuneigung zu ihr; so bittet er sie zum Beispiel, das Medaillon mit dem Bild ihres Vaters abzunehmen, da die Verletzungsgefahr zu groß sei.

Nach der Wanderung setzen sie sich zusammen und unterhalten sich darüber, wo man wohl eine schöne Sommerresidenz errichten könnte. Als Ottilie dann einen Vorschlag unterbreitet, der allgemeinen Anklang findet, ist Eduard hellauf vor Begeisterung, was wohl weniger am Vorschlag selbst liegt.

8. Kapitel

Der Hauptmann schaut sich die neuen Räumlichkeiten bzw. Anlagen, die er gestalten soll, genau an. Er will Eduard überreden, Charlottes Geburtstag hier zu feiern. Ihr zu Ehren soll die Grundsteinlegung des Hauses an ihrem Geburtstag stattfinden. Eduard lässt sich leicht überzeugen, da er so einen Grund hat, auch Ottilies Geburtstag zu feiern. Charlotte erledigt währenddessen die Verwaltung. Man hat sich am Tag nicht gesehen - umso größer ist das Verlangen nacheinander am Abend.

Ottilie übernimmt mittlerweile völlig den Haushalt und ist außerhalb des Hauses kaum noch zu sehen. Nur aus Anstand kommt sie abends mit hinaus und sucht manchmal sogar Vorwände, um wieder hineinzugehen. Eduard plant ihr zu Liebe die Spaziergänge um und liest seit langem wieder Gedichte vor, in denen es ausdrücklich um Liebe und Leidenschaft geht. Bei diesen Lesungen sitzen die vier an einem runden Tisch: Ottilie rechts von Eduard und ihr gegenüber sitzt Charlotte. Wenn Eduard die Gedichte liest, rückt Ottilie dichter an ihn heran, um mitzulesen - bei ihr stört es ihn nicht. Charlotte und der Hauptmann bemerken die Gefühle von Eduard und Ottilie füreinander. Sie belächeln die Zuneigung Ottilies gegenüber Eduard und finden es amüsant. An einem anderen Abend wollte Eduard Flöte spielen, was er seit langem nicht mehr getan hat, und Charlotte sucht vergeblich nach den Sonaten - denn Ottilie gesteht, diese mit auf ihr Zimmer genommen zu haben. So schlägt Eduard vor, dass Ottilie ihn auf dem Klavier begleiten könne und dies geschieht. Die anderen hören aufmerksam zu. Man ist erstaunt, da Ottilie bemerkenswert gut spielt und sich sogar Eduards fehlerhafter Spielweise anpasst - als hätte sie es nur für ihn einstudiert.

Auch Charlotte und der Hauptmann, die sich vorwiegend anschweigen, bemerken eine zunehmende Zuneigung zueinander. Sie wissen um den Ernst der Lage und halten sich daher voneinander fern. Der Hauptmann versucht, ihr nicht zu begegnen, indem er seine Arbeit in dem neuen Flügel des Hauses schon früh beginnt. Charlotte denkt, dies sei Zufall, doch als sie realisiert, dass es geplant ist, achtet sie den Hauptmann umso mehr. Je mehr der Hauptmann die Stunden mit Charlotte meidet, desto fleißiger ist er bei der Arbeit, für ihren Geburtstag alles perfekt zu gestalten.

All diese Gefühle der vier füreinander lassen die Gespräche bei Tisch fast verstummen. So schlägt Eduard dem Hauptmann vor, ein Musikstück mit Charlotte aufzuführen. Sie spielen eines der schwierigsten Stücke und auch bei den beiden wird die Empfindung füreinander deutlich. Die Musik symbolisiert die Harmonie zwischen Eduard und Ottilie sowie zwischen Charlotte und dem Hauptmann. Die Harmonie der neuen Gruppen wird dargestellt. Die Musik zieht die Gruppe auseinander, führt sie aber auch wieder zusammen. So legen sie fest, dass sie die Abende in dieser Form öfter verbringen wollen. Eduard sagt zu Ottilie, dass Charlotte und der Hauptmann zwar besser musizieren können, sie sich aber trotzdem für die beiden freuen sollten.

Alles in allem zeigt Eduard an Ottilie und der Hauptmann an Charlotte Gefallen. Die Gesellschaft driftet auseinander (durch die verschiedenartigen Tätigkeiten), aber wird durch die Musik wieder zusammengeführt.

9. Kapitel

Der ersehnte Geburtstag ist gekommen und mit ihm finden sich viele Leute aus der Umgebung ein. Gäste, Maurer und der Bauherr halten Reden und jeder begutachtet den künftigen Hausraum.

Es herrscht eine getrübte Stimmung zwischen Eduard und Ottilie, sie wagen es nicht, sich anzuschauen. Auf Vorschlag des Redners sollen für die Nachwelt verschiedenste Gegenstände in die gehauenen Vertiefungen eingesenkt werden. Ottilie zögert, entschließt sich aber anschließend dafür, ihre goldene Kette mit dem Bilde ihres Vaters hineinzulegen.

Während eines Spaziergangs erkundigt sich der Hauptmann über das Verhältnis von Graf und Baronesse. Er erfährt, dass beide früher anderweitig verheiratet waren und sich leidenschaftlich lieb gewonnen hatten. Beide wollten die Scheidung, dies war aber nur der Baronesse vergönnt. Als sich Eduard, Charlotte, der Hauptmann und Ottilie im Festsaal versammeln, ereilt sie ein Brief des Grafen von Baronesse. Er kündigt seinen Besuch mit der Gräfin an. Charlotte und Ottilie treffen die nötigen Vorbereitungen, für einen nächtlichen Aufenthalt der beiden Freunde. Als Mittler plötzlich auftaucht, ist sofort ersichtlich, dass er keine besonders große Sympathie für den Grafen und die Baronesse übrig hat, er ist der Meinung sie bringen Unheil und „die Ehe sei der Anfang und der Gipfel aller Kultur“. Nach der Ankunft der Herrschaften verlässt Mittler den Ort des Geschehens und reitet eilig in aller Heimlichkeit davon.

10. Kapitel

Im 10. Kapitel bekommen Charlotte und Eduard vom Grafen und seiner Lebensgefährtin, der Baronesse, Besuch. Sie unterhalten sich über viele Themen, vor allem über die Institution der Ehe und darüber, wie man es schaffen könnte, die Scheidung ins bessere Licht zu rücken. Es wird über vergangene und gemeinsame Tage berichtet. Dabei fällt das Gespräch auf die vorigen Ehen Charlottes und Eduards. Beiden ist unwohl, darüber zu sprechen, da sie unglücklich in diesen Zeiten waren und beide versuchen schnell auf ein anderes Thema überzuleiten. Danach lenkt sich das Interesse des Besuches auf die neugestalteten Parkanlagen von Charlotte, die anschließend besichtigt werden. Bei dem Spaziergang erwähnt der Graf, dass er eine neue Aufgabe für den Hauptmann hat. Charlotte verlässt die Gesellschaft bestürzt, da sie nicht vom Hauptmann getrennt werden möchte, dennoch freut sie sich, dass der Hauptmann endlich eine Arbeitsstelle bekommt. Nun gesellt sich Ottilie hinzu. Da wird der Baronesse klar, das es zwischen Eduard und Ottilie gefunkt hat, denn er kann es kaum erwarten, sie in seine Arme zu schließen. Eduard begrüßt Ottilie herzlich, aber nicht wie ein Freund, eher wie ein Frischverliebter. Die Baronesse kann es nicht leiden, wenn solch ein junges Mädchen glücklich ist, da sie selbst soviel Leid um sich herum erfahren hat, darauf beschließt sie, Ottilie eine neue Unterkunft zu suchen. Die Baronesse versucht damit aber auch die Ehe von Charlotte und Eduard zu retten. Als die Gesellschaft wieder aufeinander trifft, ist die Stimmung gedrückt. Die Männer unterhalten sich zwar, aber die Frauen stehen stumm im Saal herum und haben sich nichts zu sagen. So geht die Gruppe auseinander, die Männer ziehen sich in den einen Flügel zurück, die Frauen in den anderen.

11. Kapitel

Eduard und der Graf sind zusammen auf dem Zimmer des Grafen, während dieser von der Schönheit Charlottes schwärmt. Während des Gesprächs über Charlotte wechselt das Thema. Sie kommen nun auf alte Geschichten und Abenteuer zurück.

Sie erinnern sich daran, wie es war, als sie beide auf einer Feierlichkeit auf dem Schloss auf Charlotte trafen, die eine relativ hässliche Partnerin für den Grafen mitgebracht hatte.

Der Graf möchte die Baronesse unbedingt sehen und Eduard weist ihm dem Weg dorthin. Beide gehen über eine dunkle Treppe einen langen Gang entlang, der in einem dunklen Raum endet. Von dort führt eine Tür direkt in das Schlafzimmer Charlottes und eine andere in das Schlafzimmer der Baronesse. In jenes verschwindet der Graf und lässt seinen Freund in dem dunklen Raum alleine zurück. Eduard lauscht an der Tür und hört wie Charlotte von ihrem Kammermädchen erfährt, dass Ottilie noch wach ist und etwas schreibt. Eduard freut sich bei dem Gedanken daran, dass Ottilie noch in der Nacht für ihn tätig ist. In Gedanken an sie versucht er durch die Tür in den Raum zu gelangen, jedoch ist diese verschlossen. Aus diesem Grund klopft er leise an die Tür um sich Einlass zu verschaffen, jedoch erhört man ihn nicht. Auf der anderen Seite der Tür befindet sich Charlotte, die grade an den Hauptmann und ihre gemeinsamen Erlebnisse denkt. Immer noch steht Eduard vor der Tür und versucht abermals erhört zu werden. Sie denkt, es sei der Hauptmann, aber sie weiß, dass er es nicht sein kann. Voller Hoffnung öffnet sie die Tür und sieht, dass es nur Eduard ist. Obwohl Charlotte sich wünscht, dass ihr Mann verschwindet, löscht er das Licht der Kerze. Beide verbringen anschließend eine Liebesnacht miteinander, jedoch stellen sie sich jeweils den anderen geliebten Partner gedanklich vor. Dabei denkt Charlotte an den Hauptmann und Eduard an Ottilie. Als Eduard morgens an der Seite seiner Frau erwacht und die Sonne erblickt, verschwindet er schnell, sodass Charlotte alleine aufwacht.

12. Kapitel

Eduard, Charlotte, Ottilie, der Hauptmann und deren Gäste, der Graf und die Baronesse, kommen zum Frühstück zusammen. Allen sind ihre Gefühle und Gedanken anzumerken. Charlotte und Eduard sind voller Reue und beschämt, im Gegensatz zu Ottilie, die offen, fast kindlich erscheint.

Der Hauptmann macht sich Gedanken über das Gespräch mit dem Grafen, denn dieser hat sich kritisch über den momentanen Lebensstil des Hauptmanns geäußert. Der Graf und die Baronesse verlassen das Schloss, worüber sich eigentlich nur Charlotte freut. Charlotte, Eduard und der Hauptmann machen sich nach der Verabschiedung noch zu einem Spaziergang zu den Teichen auf.

Dort schauen sie sich das Boot an, welches Eduard gekauft hat. Allerdings sind sie sich über den Anlegeplatz noch nicht einig. Der Kahn dient als Symbol für Unsicherheit, das Schicksal und die Probleme der Beziehungen. Sie wollen alle zusammen eine Bootsfahrt unternehmen, doch Eduard springt im letzten Moment noch zurück an Land. Er läuft zurück ins Schloss, um Ottilie zu treffen. Nach kurzer Wartezeit kommt Ottilie zu Eduard und zeigt ihm die Kopien der Urkunde, die sie für ihn angefertigt hatte. Eduard ist erschrocken von der Ähnlichkeit zu seiner Handschrift. Hier bemerkt Eduard zu ersten Mal, dass Ottilie ihn auch liebt. Dies erkannt man an der ähnlichen Handschrift, welche die absolute Harmonie und die starke Nähe Ottiliens zu Eduard darstellt. Sie umarmen einander innig, bis Charlotte und der Hauptmann eintreten. Da bemerken auch Charlotte und der Hauptmann die Gefühle der beiden zu einander.

Zum Abendessen hat sich die Gemütslage der Herrschaften, im Gegensatz zum Frühstück, geändert. Eduard lobt alle anderen am Tisch, worüber sich Charlotte lustig macht, denn er sei schließlich immer der mit der spitzesten Zunge. Eduard kontert und sagt, dass, wenn man einen Mensch aus aller tiefstem Herzen liebe, einem alle anderen als liebenswürdig erscheinen. Der Hauptmann behauptet, es sei mit dem Stolz, der Verehrung und der Achtung nicht anders. Im Grunde genommen verraten sich die beiden mit diesen Aussagen.

Später kehrt Charlotte in ihr Zimmer zurück. Sie denkt über die Geschehnisse am Abend nach, wie sie und der Hauptmann mit dem Boot gefahren sind und dabei kommt ihr die Angst um die bald bevorstehende Trennung in den Kopf. Nachdem die beiden an Land anlegen, küsst der Hauptmann Charlotte, welche diesen Kuss fast erwidert. Charlotte erklärt dem Hauptmann jedoch, dass dies ein bedeutender Abschnitt in ihrer beider Leben sei, aber die Wertschätzung von jedem selbst abhänge. Sie merkt, dass sie den Hauptmann zwar auch liebt, an der jetzigen Situation jedoch etwas ändern will. So entschließen sie sich für die Trennung und wollen der Liebe entsagen, denn sie wollen die Ehe von Charlotte und Eduard nicht weiter gefährden.

13. Kapitel

Das 13. Kapitel handelt hauptsächlich von der Verliebtheit zwischen Eduard und Ottilie, der Nichte Charlottes. Ein von Ottilie angefertigtes handgeschriebenes Dokument bringt Eduard eine schlaflose Nacht. Die Arbeiten an dem neuen Haus und im Park erscheinen ihm zu langsam vorwärts zu gehen und er drängt auf die Fertigstellung. Er wünscht, dass alles zu Ottiliens Geburtstag fertig sein soll.

Charlotte möchte Ottilie ins Pensionat zurückschicken, denn die Zuneigung ihres Gatten zu dem jungen Mädchen ist ihr nicht verborgen geblieben. Sie versucht alles, die beiden voneinander zu trennen. Insgesamt zeigt sich eine Entfremdung zwischen den Ehegatten. Charlotte erkennt, dass sie den Hauptmann liebt. Doch sie möchte darauf verzichten, um mit Eduard weiter zusammen zu leben, da der Ehebund eine große Bedeutung für sie hat. Eduard und Ottilie sind ineinander verliebt und er versucht alles für Ottilie zu tun. Das führt dazu, dass Eduard und Ottilie sich heimlich Briefchen zukommen lassen, doch Eduard hat ein schlechtes Gewissen. Er wünscht, dass alle ihr Leben weiterführen, während Ottilie nur für Eduard leben möchte. Wie verliebt Ottilie in Eduard ist, zeigt ihr kindliches Verhalten, indem sie z.B. Charlotte vor Eduard schlecht macht.

14. Kapitel

Der Hauptmann erhält einen Brief vom Grafen, in dem er erfährt, dass eine bedeutende Hof- und Geschäftsstelle, einer Art Major, zur Verfügung stehe.

Es treten Überlegungen des Hauptmanns auf, die sich mit den Themen Dammbau und Teichausweiterung beschäftigen.

Nebenbei laufen die Anstrengungen um Ottiliens Geburtstag. Ein Feuerwerk soll vorbereitet werden, während Eduard sich über den langen Bestand seiner vor Jahren angelegten Bepflanzungen erfreut.

15. Kapitel

Gäste kommen zum Richtfest. Bei den Vorbereitungen und in Erwartung des nächtlichen Feuerwerks stürzen Menschen vom neu aufgeschütteten Damm in den See. Der Hauptmann rettet einen Jungen vor dem Ertrinken. Während Charlotte vom Feuerwerk abrät und sich die Gäste zerstreuen, brennt Eduard nur für Ottilie und sich das Feuerwerk ab und bekennt sich zu ihr.

Der Hauptmann erklärt seine Abreise, Eduard glaubt ihn mit Charlotte verbunden und meint, „man hätte ihm zu diesem Fest kein größeres Geschenk machen können.“

16. Kapitel

Ein Gespräch des Ehepaares Eduard und Charlotte, nach welchem sich der Hauptmann entschließt, deren Haus zu verlassen. Nach der Abreise des Hauptmanns, will Charlotte nun auch Ottilie so bald wie möglich in die Pension schicken. Sie kennt Eduards Gefühle, möchte daher eine Aussprache mit ihm und die alten Verhältnisse wieder herstellen. Eduard jedoch will Ottilie nicht in fremden Händen sehen und beschließt daher, selbst sein Haus zu verlassen, damit Ottilie zusammen mit Charlotte dort wohnen bleiben kann. Dies schreibt Eduard seiner Frau in einem Brief und betont, dass, wenn sie Ottilie trotzdem wegschickt, er wieder Kontakt zu ihr aufnehmen werde, was er jetzt aber unterlässt. Schließlich reitet er davon und wird von einem Bettler an die schöne Zeit mit Ottilie erinnert.

17. Kapitel

Eduard beschließt mit Ottilie nach Frankreich auszureisen. Bei ihrer Ausreise entsteht ein Konflikt mit einem Pfarrer, welcher sich bis zum 18. Kapitel hinzieht.

18. Kapitel

Mittler sucht Eduard auf, um seine Ehe zu retten. Eduard erzählt ihm, wie sehr er Ottilie liebe und wolle von Charlotte die Einwilligung zur Scheidung. Charlotte teilt Mittler mit, dass sie schwanger ist, und Mittler erzählt ihr nichts von der Scheidung, die Eduard im Sinne hat. Er hofft, dass die Tatsache, dass den Ehegatten ein Kind geboren wird, sie wieder zusammen führt. Charlottes Bote erreicht Eduard, welcher die unerwartete Nachricht zu verdauen sucht, indem er in den Krieg zieht und um seine Liebe zu Ottilie kämpft. Ottilie wird noch schweigsamer und der Leser bekommt im zweiten Teil des Romans Ausschnitte aus ihrem Tagebuch zu lesen.

2. Teil

Das Kind von Charlotte ertrinkt durch das Verschulden von Ottilie. Daraufhin ist Ottilie von der Unumstößlichkeit der Ehe überzeugt und hungert sich zu Tode. Eduard, der nun keinen Sinn mehr in seinem Leben sieht, stirbt vor Einsamkeit. Charlotte lässt die beiden in der Kapelle nebeneinander beerdigen, damit sie im Tod zueinander finden können.

Hintergrund

Der (wissenschaftliche) Begriff Wahlverwandtschaften entstammt der Chemie jener Zeit. Gibt man zu einer chemischen Verbindung AB einen dritten Stoff C hinzu und besitzt dieser eine stärkere Verwandtschaft (Affinität) zu A als A zu B, so verbinden sich A und C wahlverwandtschaftlich. Zwei konkrete Beispiele:

  • Gibt man die starke Base Natronlauge zum Salz Ammoniumchlorid, so bildet sich Natriumchlorid unter Freisetzung der schwächeren Base Ammoniak und von Wasser: NaOH + NH4Cl ––> NaCl + NH3 + H2O.
  • Gibt man die starke Säure Salzsäure zum Salz Natriumacetat, so bildet sich Natriumchlorid unter Freisetzung der schwächeren Säure Essigsäure: HCl + CH3-COONa ––> NaCl + CH3-COOH.

Die chemischen Wahlverwandtschaften kannte Goethe entweder aus seinen eigenen naturwissenschaftlichen Versuchen oder aus seiner Tätigkeit als Bergbauminister in Weimar.

Eduard ist von der Idee der Wahlverwandtschaften überzeugt und glaubt, sie auf zwischenmenschliche Beziehungen übertragen zu können. Dass dies am Ende nicht gelingt, verdeutlicht die gesellschaftlichen Zwänge, die in jener Zeit vorherrschten. Goethe selbst lebte jahrelang mit Christiane Vulpius in wilder Ehe. Vorbild für die Figur der Ottilie war nach Auffassung einiger Interpreten die 18-jährige Minna Herzlieb, in die sich Goethe 1807 leidenschaftlich verliebte. Aber auch Züge der Silvie von Ziegesar, Pauline Gotters und Bettina Brentanos (die Goethe schwärmerisch verehrte) dürften in Ottilie enthalten sein.

Vorlage für die Parkanlage könnte die Eremitage in Arlesheim gewesen sein. Pläne des um 1785 angelegten englischen Gartens kursierten in Gelehrtenkreisen. Goethe selbst kam allerdings auf keiner seiner Schweizreisen in Arlesheim vorbei. Gemeinhin bekannt ist jedoch, dass Goethe durch mehrfache Reisen das sogenannte "Gartenreich", das Fürstentum Anhalt-Dessau genauestens kannte, welches vielfache Bezüge zu den in den Wahlverwandtschaften zitierten Charakteristika des romantischen Landschaftsparks erkennen lässt. Am deutlichsten wird dies in der von Goethe geschilderten Neuordnung des Begräbnisplatzes durch Charlotte. Hierfür diente offenbar der gegen Ende des 18. Jahrhunderts neu angelegte Friedhof von Dessau als direktes Vorbild. Bei dem Architekten handelt es sich um Daniel Engelhard, einem befreundeten Architekten des Klassizismus.

Außer durch den Erzähler und die direkte Rede erfährt der Leser vieles aus Ottiliens Tagebuche. Die zunächst scheinbar lose Aneinanderreihung von Gedanken entbehrt dennoch nicht eines übergeordneten Zusammenhanges: So wie den Tauen der britischen Marine ein roter Faden eingewoben ist, „den man nicht herauswinden kann ohne alles aufzulösen“, „eben so zieht sich durch Ottiliens Tagebuch ein Faden der Neigung und Anhänglichkeit, der alles verbindet und das Ganze bezeichnet. Dadurch werden diese Bemerkungen, Betrachtungen, ausgezogenen Sinnsprüche und was sonst vorkommen mag, der Schreibenden ganz besonders eigen und für sie von Bedeutung.“ (II; Kap. 2). Der Erzähler weist den Leser gleichsam darauf hin, dass etliche der Aphorismen wohl kaum von Ottilie selbst stammen können: „Um diese Zeit finden sich in Ottiliens Tagebuch Ereignisse seltner angemerkt, dagegen häufiger auf das Leben bezügliche und vom Leben abgezogene Maximen und Sentenzen. Weil aber die meisten derselben wohl nicht durch ihre eigene Reflexion entstanden sein können; so ist es wahrscheinlich, dass man ihr irgend einen (sic!) Heft mitgeteilt, aus dem sie sich was ihr gemütlich war, ausgeschrieben.“ (II, Kap. 4)

„Sich mitzuteilen ist Natur; Mitgeteiltes aufzunehmen, wie es gegeben wird, ist Bildung.“ (2. Teil, 4. Kapitel)
„Niemand ist mehr Sklave, als der sich für frei hält, ohne es zu sein.“ (2. Teil, 5. Kapitel)
„Es gibt keinen größeren Trost für die Mittelmäßigkeit, als dass das Genie nicht unsterblich sei.“ (2. Teil, 5. Kapitel)

Durch Ottiliens Mund nimmt Goethe teilweise die Handlung vorweg. Dass sie am Ende sterben muss, resultiert aus der inneren Notwendigkeit der Romanhandlung. Das Experiment scheitert, weil die Gesellschaft nicht jene Bindungsfreiheit zulässt, die für chemische Wahlverwandtschaften notwendig ist.

Literatur

  • Christian Semler: Goethe's Wahlverwandtschaften und die sittliche Weltanschauung des Dichters. Richter, Hamburg 1887 (Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf)
  • dtv Kindlers Literatur Lexikon Band 23 S. (der Gesamten Bände) 10117 - 10120
  • Benjamin, Walter: Goethes Wahlverwandtschaften. In: Tiedemann, Rolf und Hermann Schweppenhäuser (Hg.): Walter Benjamin. Gesammelte Schriften. Bd. I,1. Frankfurt am Main 1974. S. 125-201.
  • Bernhardt, Rüdiger: Johann Wolfgang von Goethe: Die Wahlverwandtschaften. Königs Erläuterungen und Materialien (Bd. 298). Hollfeld: Bange Verlag 2003. ISBN 978-3-8044-1786-1
  • Blessin, Stefan: Erzählstruktur und Leserhandlung. Zur Theorie der literarischen Kommunikation am Beispiel von Goethes Wahlverwandtschaften. Heidelberg 1974 (Probleme der Dichtung; 15)
  • Bolz, Norbert (Hg.): Goethes Wahlverwandtschaften - kritische Modelle und Diskursanalysen zum Mythos Literatur.Hildesheim 1981.
  • Herrmann, Elisabeth: Die Todesproblematik in Goethes Roman Die Wahlverwandtschaften. Berlin: Erich Schmidt 1998.
  • Jeßing, Benedikt: Die Wahlverwandtschaften. In: Ders.: Johann Wolfgang Goethe. Stuttgart, Weimar 1995, S. 139ff.
  • Ritzenhoff, Ursula: Johann Wolfgang Goethe: Die Wahlverwandtschaften. Erläuterungen und Dokumente. Stuttgart 2. Aufl. 2004.

Ausgaben

  • Erstausgabe: J. W.Goethe: Die Wahlverwandtschaften. Ein Roman. 2 Bde. 306 und 340 S., Tübingen: Cotta 1809

Verfilmungen

Trivia

Das blaue Sofa aus der ZDF-Kultursendung Aspekte steht in einer überdimensionalen aufgeklappten Ausgabe des Buches.


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