Die niederländischen Sprichwörter

Die niederländischen Sprichwörter
 
Die niederländischen Sprichwörter
Pieter Bruegel der Ältere, 1559
Öl auf Leinwand, 117 cm × 163 cm
Gemäldegalerie, Berlin

Die niederländischen Sprichwörter ist ein bekanntes Ölgemälde Pieter Bruegels des Älteren. Das 1559 entstandene Werk enthält über 100 niederländische Sinnsprüche und Redewendungen. Heute befindet es sich in der Gemäldegalerie der staatlichen Museen zu Berlin (Stiftung Preußischer Kulturbesitz).

Inhaltsverzeichnis

Das Gemälde

Aufbau

Der Standpunkt des Betrachters befindet sich in mittlerer Höhe, so bleibt die Übersicht gewahrt und Einzelheiten sind gut zu erkennen. Das Höhenniveau steigt nach hinten an (Galgen und Segelboot sind frontal gemalt). Durch diese Winkelverschiebung entsteht ein Eindruck zusätzlicher räumlicher Tiefe.[1] Die Hauptachse verläuft, wie oft bei Bruegel, quer durchs Bild von der linken unteren bis zur rechten oberen Ecke. Die „fälschlich“ frontal gemalten Pfannkuchen (oben links) sind wohl eine bewusste perspektivische Abweichung.[2]

Inhalt und Deutung

Geschildert wird vordergründig das alltägliche Leben und Treiben in einem Dorf an der Meeresküste. Auf der linken Seite hängt an einer Hauswand eine auf den Kopf gestellte Weltkugel, sie symbolisiert die verkehrte, gottlose Welt, in der die Menschen gleich Narren ihrem weltlichen Treiben nachgehen. Unterhalb des Bildzentrums erkennt man farblich herausgehoben eine Frau in rotem Kleid, die ihrem Mann einen blauen Mantel umhängt; sie symbolisiert damit, dass sie ihn betrügt. Im Bildmittelpunkt sitzt der Teufel unter einem blauen Baldachin, und es kann kaum ein Zweifel darüber bestehen, dass er der Regent der Bilderwelt ist.

Bruegels Gemälde knüpft in seiner Weltbetrachtung an die Vorstellung seiner Zeit an, die Welt als sündhaft, böse und närrisch zu begreifen. Betrug und Selbstbetrug, Bosheit und Schwäche gehen Hand in Hand. Literarisch wird das Thema auch in Sebastian BrantsNarrenschiff“ und in Erasmus von RotterdamsLob der Torheit“ gleichermaßen eindringlich geschildert.

Im 17. Jahrhundert wurde das Bild historischen Quellen zufolge auch mit „Der blaue Mantel“ und „Verkehrte Welt“ betitelt.

Hintergrund

Zwölf Sprichwörter (Die meisten finden sich auch im großen Bild)

Sammlungen von Sprichwörtern waren zu Bruegels Zeit allgemein üblich. Erasmus von Rotterdam veröffentlichte bereits im Jahr 1500 Sprüche und Wendungen lateinischer Autoren, und Rabelais beschreibt in seinem 1564 erschienenen Roman Pantagruel unter anderem eine Sprichwörterinsel. Auch Bruegel hatte 1558 eine Serie von Tafelbildern angefertigt (Zwölf Sprichwörter, heute im Museum Mayer van den Bergh in Antwerpen). Eine derartige umfängliche bildliche Zusammenstellung wie in Die niederländischen Sprichwörter scheint aber vor ihm niemand versucht zu haben.[2]

Die dargestellten Sprichwörter

(Die nachfolgend genannten Sprichwörter bilden einen Teil der über 100 dargestellten Sinnsprüche des Gemäldes. Die figurativ ins Bild gesetzten Sprüche sind auf dem Schwarzweiß-Bild durchnummeriert worden.)

Zur Bildvergrößerung ins Bild klicken
(Detail) Der blaue Mantel
  1. Den Teufel aufs Kissen binden (überwindet starrköpfig selbst den Teufel)
  2. Ein Pfeilerbeißer (scheinheiliger Heuchler)
  3. Sie trägt Feuer in der einen, Wasser in der anderen Hand (doppelzüngige Person)
  4. Mit dem Kopf durch die Wand (stur und unbedacht Unmögliches versuchen)
  5. Scher sie ab, doch schinde sie nicht (nicht um jeden Preis seinen Vorteil suchen)
  6. Der eine schert Schafe, der andere Ferkel (der eine lebt im Überfluss der andere in Not)
  7. Geduldig wie ein Lamm
  8. Dem Mann einen blauen Mantel umhängen (ihn betrügen)
  9. Er schüttet den Brunnen zu, nachdem das Kalb ertrunken ist (es wird erst etwas unternommen, wenn es zu spät ist)
  10. Rosen (Perlen) vor die Säue werfen (Verschwendung an Unwürdige)
  11. Wer durch die Welt will, muss sich krümmen (wer etwas werden will, muss sich anpassen)
  12. Er lässt die Welt am Daumen tanzen (er lässt alles nach seiner Pfeife tanzen)
  13. Jeder reißt sich um seinen Vorteil
  14. Wer seinen Brei verschüttet hat, kann nicht wieder alles einsammeln (der Schaden ist nicht wieder gutzumachen)
  15. Sich an der Seite des Geldbeutels festhalten (die Liebe hängt auf der Seite des Geldbeutels)
  16. Eine Harke ohne Stiel (etwas Unbrauchbares)
  17. Er geht von einem Brot zum anderen (er kommt mit seinem Geld nicht aus)
  18. Er sucht das Beilchen (einen Vorwand suchen); er kann sein Licht leuchten lassen (er kann zeigen was er kann)
  19. Er brät den Hering wegen des Rogens 1: Eine Kleinigkeit opfern, um einen Vorteil zu erreichen (Mit der Wurst nach der Speckseite werfen). 2: Dort brät der Hering nicht (Es läuft nicht nach Wunsch).[3] 3: geringer Vorteil[4]
  20. Hier zieht die Sau den Zapfen raus (Nachlässigkeit rächt sich)
  21. Er hängt der Katze die Schelle an (ein Unternehmen ausposaunen und dadurch gefährden)
  22. Bis an die Zähne bewaffnet sein
  23. Die eine trocknet, was die andere spinnt (etwas weitertratschen)
  24. Das Schwein ist durch den Bauch gestochen (etwas ist unwiderruflich entschieden)
  25. Zwei Hunde an einem Bein (Knochen) kommen selten überein (sich erbittert um eine Sache streiten)
  26. Er bindet Gott einen flächsernen Bart um (Betrug unter der Maske der Scheinheiligkeit)
  27. Sie greift nach dem Hühnerei und lässt des Gänseei fahren (unüberlegt eine schlechte Wahl treffen)
  28. Er versucht das Maul weiter aufzureißen als eine Ofenklappe (er überschätzt seine Fähigkeiten)
  29. Er fällt durch den Korb (einen Korb/eine Abfuhr bekommen); er hängt zwischen Himmel und Erde (er befindet sich in einer misslichen Lage)
  30. Er sitzt zwischen zwei Stühlen (Er kann keine Entscheidung treffen/ er steht auf keiner Seite)
  31. Da hängt die Schere heraus (Beutelschneiderei)
  32. Sich um ungelegte Eier kümmern
  33. Er trägt das Licht im Korb an den Tag (seine Zeit nutzlos vertun)
  34. Kerzen für den Teufel anzünden (sich jedermann zu Freunden machen)
  35. Beim Teufel in die Beichte gehen (seinen Feinden Geheimnisse anvertrauen)
  36. Was nützt ein schöner Teller, wenn nichts drauf ist?;
  37. Er fängt die Fische mit den Händen (er nimmt die Fische aus dem Netz, das die anderen auslegen/er ist ein Schlaumeier)
  38. Auf glühenden Kohlen sitzen
  39. Verkehrte Welt
  40. Er scheißt auf die Welt (er verachtet die Welt)
  41. Die größten Narren bekommen die besten Karten
  42. Wie die Karten fallen (wie man Glück hat)
  43. Er pisst gegen den Mond (er strengt sich an, Unmögliches zu erreichen)
  44. Jemanden über den Löffel barbieren (mit jemandem Spott treiben)
  45. Hinter dem Netz fischen (die Gelegenheit verpassen)
  46. Der große Fisch frisst den kleinen
  47. Des Nachbars Wohlergehen mir Kummer macht, mich kränkt, dass die Sonne ins Wasser lacht (Missgunst)
  48. Gegen den Strom schwimmen (gegen die Mehrheitsmeinung sein)
  49. Den Aal am Schwanz packen (eine schwierige Sache unternehmen)
  50. Er schaut durch die Finger (bei einem Vorteil schaut man nicht so genau hin, ob es mit rechten Dingen zugeht)
  51. Da hängt das Messer (jemand wird herausgefordert)
  52. Da stehen Holzschuhe (man wartet vergeblich)
  53. Ein Loch im Dach haben
  54. Einen Pfeil dem anderen nachsenden (falsche Beharrlichkeit), seine Pfeile verschossen haben (nichts mehr in Reserve haben)
  55. Es wächst zum Fenster hinaus (es kann nicht geheim gehalten werden)
  56. Er spielt auf dem Pranger (im Unrecht nicht noch die Aufmerksamkeit auf sich lenken)
  57. Vom Ochs auf den Esel fallen (schlechte Geschäfte machen)
  58. Er reibt den Hintern an der Tür (sich über etwas hinwegsetzen), sein Päckchen tragen (sein Unglück tragen)
  59. Sie scheißen durch dasselbe Loch (unzertrennliche Kumpanen); es hängt wie ein Scheißhaus über dem Graben (unzweideutige Angelegenheit)
  60. Er wirft sein Geld ins Wasser (sein Geld zum Fenster hinauswerfen, unnütz vergeuden)
  61. Seine Kutte über den Zaun hängen (etwas Neues anfangen, ohne zu wissen, was einen erwartet)
  62. Er sieht die Bären tanzen (er sieht vor Hunger etwas, was nicht da ist); andere Deutung: Wilde Bären sind gern beieinander (wilde Tiere vertragen sich besser als Menschen)
  63. Unterm Besen getraut (ohne Kirchensegen zusammenleben); da steckt der Besen raus (die Herrschaft ist nicht zuhause)
  64. Da ist das Dach mit Fladen bedeckt (es herrscht Überfluss)
  65. Wenn das Gatter offen ist, laufen die Schweine ins Korn (ohne Aufsicht geht alles drunter und drüber)
  66. Wer Feuer frisst, scheißt Funken (wer Gefährliches unternimmt, braucht sich über die Folgen nicht zu wundern)
  67. Sein Mäntelchen nach dem Wind hängen (Opportunismus)
  68. Er küsst den Ring (übertriebene Ehrfurcht)
  69. Sie schaut dem Storch nach (seine Zeit vertun)
  70. Die Federn in den Wind geschüttet (planlos und erfolglos Arbeiten)
  71. Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen (übertriebener Ehrgeiz)
  72. Ihm ist gleich, wessen Haus brennt, wenn er sich nur am Feuer erwärmen kann (jede Gelegenheit für einen Vorteil nutzen)
  73. Er schleift den Klotz hinter sich her (sich für eine verlorene/unnütze Sache abrackern)
  74. Rossäpfel sind keine Feigen (man soll sich nichts weismachen lassen)
  75. Wenn ein Blinder den andern führt, fallen beide in den Graben (wenn ein Unwissender den anderen führt, gibt es ein Unglück)
  76. Die Reise ist noch nicht zu End, wenn man Kirch und Turm erkennt (Das Ziel einer Unternehmung wird erst mit Abschluss des Erfolgs erreicht)
  77. Vor dem Wind segeln (unter günstigen Umständen leicht einen Erfolg haben)
  78. Ich bin zum Gänsehüten nicht berufen, so lass ich Gänse Gänse sein
  79. Er bescheißt den Galgen (er fürchtet sich vor keiner Strafe)
  80. Wo Aas ist, fliegen Krähen[5]

Siehe auch

Literatur

  • Britta Juska-Bacher: Empirisch-kontrastive Phraseologie. Am Beispiel der Bekanntheit der Niederländischen Sprichwörter im Niederländischen, Deutschen und Schwedischen. Schneider-Verl. Hohengehren, Baltmannsweiler 2009, ISBN 978-3-8340-0549-6 (Dissertation).

Einzelnachweise

  1. Rose-Marie und Rainer Hagen: Pieter Bruegel d. Ä. Bauern, Narren und Dämonen. Benedikt Taschen, Köln 1994, ISBN 3-8228-8951-2, S. 61.
  2. a b Pieter Bruegel d. Ä. Bauern, Narren und Dämonen S. 34
  3. Rose-Marie und Rainer Hagen – Pieter Bruegel d. Ä. um 1525-1569. Bauern, Narren und Dämonen Benedikt Taschen Verlag, Köln 1999 S. 36 ISBN 3-8228-6590-7
  4. Christian Vöhringer – Pieter Bruegel – 1525/30-1569, Tandem Verlag 2007 (h.f.ullmann imprint) S. 57 ISBN 978-3-8331-3852-2
  5. Pieter Bruegel d. Ä. Bauern, Narren und Dämonen S. 36 f. (Erklärung der Sprichwörter)

Weblinks

 Commons: Die niederländischen Sprichwörter – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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